Brände in Kalifornien, Überschwemmungen in Saudi-Arabien, im vergangenen Sommer Starkregen in Deutschland – die Klimakrise ist in den Nachrichten und unserer Umgebung allgegenwärtig. Viele Menschen verspüren den Wunsch, ein suffizienteres Leben zu führen, das sich innerhalb der planetaren Grenzen bewegt und unsere Erde schützt.
Doch die Vorstellung, den gesamten Alltag und das eigene Konsumverhalten radikal auf den Kopf zu stellen, hält viele davon ab, es zu versuchen. Die Aussicht, sich spontan drastisch verändern zu müssen, wirkt überfordernd und abschreckend. Dabei können bereits kleine Veränderungen und Aktionen im eigenen Kiez einen Beitrag zur ökologischen Transformation unserer Städte leisten. Die steigende Umweltqualität trägt wiederum zu einer höheren Lebensqualität im Quartier bei und gemeinsame ehrenamtliche Anstrengungen fördern zugleich das soziale Miteinander sowie den lokalen Zusammenhalt.
Kommunen als Ermöglicher
Nicht immer kann dies jedoch vollständig selbstorganisiert gelingen. Sicherlich man kann sich in der Nachbarschaft, mit Freund*innen und Bekannten über eine zukunftsgerechte Reiseplanung austauschen oder Gartengeräte gemeinsam nutzen. Doch sobald es noch handfester werden soll, braucht es schnell dauerhafte Räumlichkeiten oder Flächen und eine grundlegende Ressourcenausstattung, um Mikroprojekte wie bspw. einen Gemeinschaftsgarten im Quartier dauerhaft umzusetzen. Hier können kommunale Akteure wie Fachämter, aber auch Wohnungsbaugesellschaften und lokale Organisationen eine wichtige Rolle einnehmen und gleichzeitig selbst von den Ergebnissen profitieren.
Anregungen und konkrete Projektvorschläge, wie diese „Rolle eines Ermöglichers“ aussehen kann und welche kommunalen Akteur*innen dafür infrage kommen, bietet die kürzlich erschienene Handreichung SUPRA-STADT-Toolbox. Sie wurde im Rahmen des gleichnamigen Projektes vom Institut für Energie und Umweltforschung Heidelberg (IFEU) entwickelt.
Sie stellt fünf Projektideen detailliert vor, mit denen ein Beitrag zu einer partizipativen sozial-ökologischen Transformation im Quartier geleistet werden kann. Dabei wird anschaulich erklärt, welche Akteur*innen als Initiator*innen und Träger*innen des Projektes infrage kommen, wer die Zielgruppen und Profiteur*innen des Vorhabens sein können, wie die Vorhaben exemplarisch umgesetzt werden können und mit welchem Ressourcenaufwand zu rechnen ist.
Suffizienz im Quartier stärken
Exemplarisch sollen nachfolgend drei Beispiele aus der Handreichung zur Verdeutlichung vorgestellt werden:
Gemeinsam Gärtnern im Quartier ist ein längerfristig angelegtes Projekt. Im Rahmen von Workshops und Mitmachaktionen rund um den naturnahen Anbau erlernen die Teilnehmenden grundlegende gärtnerische Kompetenzen und betätigen sich gemeinsam beim Bestellen von Beeten, Unkraut jäten und natürlich der Ernte. Ziel ist es einerseits, unmittelbaren Zugang zu frischen und gesunden Lebensmitteln wie Obst und Gemüse zu ermöglichen. Andererseits werden tragfähige Strukturen durch die weitgehend selbstorganisierte Bewirtschaftung der genutzten Flächen geschaffen, der soziale Zusammenhalt, die nachbarschaftliche Vernetzung und das Gefühl der Selbstwirksamkeit bei den Beteiligten gestärkt. Das Projekt kann von Wohnungsgesellschaften, kommunalen Akteur*innen und Ämtern aber auch Stadtentwicklungsbüros ins Leben gerufen und betreut werden.
Fahrrad fahren ist gesund und gut bekanntlich gut für die Umwelt. Doch was tun, wenn der alte Drahtesel defekt ist? Die Idee der Rad-Checks setzt hier an. Sie fördern nachhaltige Mobilität, indem im Quartier kostenlose, regelmäßige Reparaturangebote für Fahrräder gemacht werden. Die Teilnehmenden lernen unter Anleitung von Freiwilligen, selbstständig kleinere Reparaturen durchzuführen, wodurch sie nicht nur Geld sparen, sondern auch neue Fähigkeiten erwerben. Neben dem Spaß am Selbermachen steht auch bei diesen Aktivitäten der Gemeinschaftsgedanke im Vordergrund – denn das informelle Lernen stärkt zugleich den Zugehörigkeitssinn im Quartier.
Das Format der Klimanachbarschaft umfasst eine mehrteilige Veranstaltungsreihe, die Themen wie nachhaltige Ernährung, Mobilität, Energie und Konsum aufgreift. Ziel ist es, den Teilnehmenden zu zeigen, wie sie ressourcenschonendes Verhalten in ihren Alltag integrieren können. Beispiele aus der Praxis reichen von Repair-Cafés über Workshops zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung bis hin zu Mitmachaktionen wie der „Naturwerkstatt“, in der Kinder spielerisch nachhaltige Praktiken entdecken. Ein zentrales Element der Klimanachbarschaft sind regelmäßige offene Treffen, wie etwa ein Klimacafé, das Raum für Austausch und Reflexion bietet. Hier können Nachbar*innen auch praktische Tools wie CO₂-Fußabdruckrechner nutzen, um ihren eigenen Beitrag zum Klimaschutz zu ermitteln. Die Veranstaltungen können beispielsweise von Vereinen oder Akteur*innen des Bildungsbereichs durchgeführt und individuell auf die Bedarfe im jeweiligen Kiez angepasst werden.
Gemeinsam mehr bewegen
Die in der Publikation SUPRA-STADT-Toolbox vorgestellten Projektideen sind ein schöner Beleg für die Möglichkeiten, die Kommunen mit relativ wenig Ressourcenaufwand haben, um Menschen im Quartier bei der Erprobung suffizienter Verhaltensveränderungen zu unterstützen. Sie zeigen zudem, dass derartige Vorgaben eine doppelte Rendite erwirtschaften: Sie stärken den sozialen Zusammenhalt und leisten einen Beitrag zur Nachhaltigkeit. Ein Gewinn für die Kommunen und ihre Bewohner*innen.