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Suffizienz im Lichte der ökologischen Nachhaltigkeit im Koalitionsvertrag

Seit Jahrzehnten warnen Wissenschaftler*innen vor dem zunehmend negativen Einfluss des menschlichen Handelns auf den Planeten. Parallel demonstrieren immer mehr Menschen regelmäßig für eine ökologische Wende. Der Ruf nach mehr klimapolitischer Initiative seitens der Politik war im letzten Wahlkampf dementsprechend deutlich zu vernehmen. Umweltverbände und Klimaaktivist*innen wie Luisa Neubauer und Greta Thunberg sprachen noch wenige Tage vor der Wahl davon, dass es sich ökologisch betrachtet um eine Jahrhundertwahl handle.

Dementsprechend hoch war die Erwartungshaltung vieler, dass sich mit der neuen Regierung nun endlich etwas ändern wird. Am 24. November war es dann soweit und die Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen stellte ihren Koalitionsvertrag vor.

Aber wie viel Umweltschutz steckt jetzt eigentlich im neuen Koalitionsvertrag?

Kurz gesagt: Hinter allen Versprechen und Zielen steckt, wie so oft, die gleiche alte Denkweise: Man fokussiert sich lediglich auf Aspekte der populären Nachhaltigkeitsstrategien: der Effizienz und Konsistenz. Dies alleine wird jedoch nicht ausreichen, um das 1,5 Grad Ziel zu erreichen. Daher sollten wir uns bereits heute auf die Suche nach Alternativen machen. Eine davon ist Suffizienz.

Suffizienz findet sich aber mit keinem Wort im Koalitionsvertrag wieder.

Die Deutsche Umweltstiftung fordert daher schon lange ein Umdenken in Politik und Gesellschaft hin zu mehr Suffizienz. Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Umweltstiftung Jörg Sommer mahnt:

„Wir besitzen, plündern, verkaufen und zerstören Ökosysteme, die uns nicht gehören – und nennen das erfolgreiches Wirtschaften. Die Menschheit hat sich verheddert, verwirtschaftet und verzockt. Wirtschaften ist nichts anderes als der Umgang mit begrenzten Ressourcen. Soziale Gerechtigkeit kann daher auch nur mit und in der Natur gelingen. Oftmals ist das Mantra der digitalen Welt jedoch: „Wachsen, wachsen, wachsen!“.

Jörg Sommer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Umweltstiftung

Um allen Menschen ein “Gutes Leben” innerhalb der planetaren Grenzen zu ermöglichen, braucht es dringend eine kritische Debatte über Glück und Wohlstand. Es soll dabei nicht um Selbstkasteiung und Askese gehen, sondern um die bewusste gemeinsame Auseinandersetzung mit der Frage, welche materiellen und immateriellen Dinge zu einem guten Leben beitragen. Es geht dabei um ein gesundes Maß an Genügsamkeit.

Vor diesem Hintergrund engagiert sich die Deutsche Umweltstiftung seit Jahren für mehr Suffizienz in der Gesellschaft und hat dazu eine Reihe von Projekten und Kampagnen erfolgreich durchgeführt:

Die mehrmonatige Crossmedia-Kampagne “#kaufnix – Schluss mit unbedachtem Konsum” sprach sich 2019 gegen grenzenloses Wachstum und unbedachten Konsum aus. Es war das klare Ziel des Vorhabens, aktuell vorherrschende Konsummuster zur Diskussion zu stellen, die ein maßloses Wirtschaftswachstum beflügeln. Dazu stellte die Deutsche Umweltstiftung in Zusammenarbeit mit zahlreichen renommierten Gastautor*innen und Interviewpartner*innen wie Niko Paech, Angelika Zahrnt und Claudia Kemfert das Konzept der Suffizienz als Lösungsansatz für eine nachhaltige Zukunft vor.

Im Jahr darauf folgte der Schulwettbewerb „Einfach machen – Die Suffizienzdetektive“. Schulklassen, Schüler*innengruppen und Arbeitsgemeinschaften der Sekundarstufe 1 sollten existierendes Wissen rund um das Thema „ressourcensparende Lebens- und Freizeitgestaltung” auf positive Weise bearbeiten. Mittels bestehender Best Practices und niederschwelliger Informationen entwickelten junge Menschen eigene Aktionen für ressourcenschonende Lebensweise im Alltag.

Die vielen Projekte der Schüler*innen und Beiträge von Expert*innen zeigen, dass Suffizienz eine spannende und beachtenswerte Alternative zu etablierten Denkmustern darstellt. Sie begegnet der Problematik planetarer Grenzen durch Sparsamkeit im Umgang mit Ressourcen und einem neuen Blick auf die Welt.

Entsprechend argumentieren auch die Autoren Pierre L. Ibisch und Jörg Sommer des kürzlich veröffentlichten und viel beachteten Ökohumanistischen Manifests, indem sie das tradierte Denken hinterfragen, das unsere multiplen Krisen verursacht hat. Sie setzen ihm ihre im positiven Sinne radikale Philosophie des Ökohumanismus entgegen.

Ihr leidenschaftliches und Mut machendes Manifest verknüpft die Akzeptanz der planetaren Grenzen mit dem Ziel einer gerechten Welt. Es rückt den Menschen und seine Stärken in den Mittelpunkt der Debatte um die Ökologie und unsere Zukunft.

Es bleibt zu hoffen, dass viele Regierungsmitglieder ihr Buch zur Kenntnis nehmen und dieses neue Verständnis Einzug in die Politik der kommenden vier Jahre erhält.