Was Suffizienz mit einem Tiny House zu tun hat

Eigentlich geht der Trend der Wohnfläche in den letzten Jahrzehnten steil aufwärts. 2018 betrug die durchschnittliche Wohnfläche pro Kopf in Deutschland 46,7 Quadratmeter, in den USA sogar bis zu 74 Quadratmetern (Umweltbundesamt, 2019; Boeckermann, 2017).  In den Besitzmaximierung gesprägten Konsumgesellschaften sind Häuser und ihre Größe immer mehr zum Statussymbol geworden. Dazu im Gegensatz steht die Tiny House Bewegung. In kleinen, meist mobilen, Häusern leben die Menschen auf geringstem Raum mit möglichst wenig Besitz. Gründe dafür sind die immer stärker steigenden Kosten der Anschaffung und Erhaltung von Immobilien, vor allem in Ballungsgebieten, der Wunsch nach mehr Mobilität und Selbstverwirklichung und die Überdenkung des eigenen Lebensstils und des eigenen ökologischen Fußabdrucks (Biron).

Photo by Andrea Davis on Unsplash

Tiny Houses gibt es in verschiedenen Größen, doch ihrem Namen bleiben sie alle treu: Nur zehn bis 55 Quadratmeter groß sind die meisten Häuser. Sie werden häufig auf einen PKW-Anhänger gebaut, um möglichst mobil zu sein, aber es gibt zum Beispiel auch Tiny Houses aus Containern, die unbeweglich sind. Auch wenn es mitttlerweile eine große Vielzahl von Varianten und Designs gibt, ist die traditionelle Bauform mit einem Satteldach, unter dem sich die Schlafebene befindet. Ansonsten besteht das Tiny House meist aus einem großen Raum, der Küche und Wohnzimmer vereint. Typische Einrichtungselemente sind einziehbare Sofas, einklappbare Tische und intelligente Aufbewahrungssysteme, um den vorhandenen Platz möglichst effizient zu nutzen. Die Badezimmer sind ebenfalls deutlich kleiner, teilweise trotzdem mit normalen Toiletten und Duschen ausgestattet, ansonsten mit einer Komposttoilette (Kilman, 2016).

Die Preise für Tiny Houses variieren stark nach Größe, Anbieter*innen und in welchem Zustand das Tiny House ausgeliefert wird und wie viel Arbeit man selbst hineinsteckt. So beginnt ein Rohbau-Haus in Deutschland bei ca. 18.000€ inklusive Trailer, Bodenplatte, Holzkonstruktion und Wandverkleidung. Für ein bezugsfertiges Tiny House, in das man direkt einziehen kann, sollte man jedoch mit mindestens 45.000€ rechnen. Eine Grenze nach oben gibt es, genau wie bei konventionellen Häusern, nicht (Sven und Sig, 2020).

Die Tiny House Bewegung nahm ihren Anfang am Ende des 20. Jahrhunderts in den USA. 1998 veröffentliche die Architektin Sarah Susanka das Buch „The Not So Big House – A Blueprint For the Way We Really Live“ und ihre Ideen wurden zunächst vor allem von Bastlern und Aussteigern aufgegriffen und verbreitet. Mit Hilfe von TV-Formaten, weiteren Büchern, Blogs und YouTube-Kanälen kamen die Kleinsthäuser auch schnell im Mainstream und in anderen Ländern an (Biron).

Ursprünglich begann die Bewegung vermehrt wegen einer notwendigen Kostenreduktion, mittlerweile ist aber auch der Wunsch nach einem nachhaltigen Wohnen und Leben eine große Motivation, um in ein Tiny House zu ziehen. Doch nicht jedes Tiny House ist ein langfristiges Zuhause: Tiny Houses werden auch vermehrt als Gästehäuser oder als Geschäftsbüros genutzt.

Auch in Deutschland ist die Bewegung schon seit längerem angekommen. Um sich für die Entstehung von Tiny House Siedlungen und minimalistisches Wohnen einzusetzen bilden sich Interessengemeinschaften und Vereine. Denn einfach ist die rechtliche Lage in Deutschland nicht: Ein Tiny House kann man nicht einfach hinstellen, wo man möchte. Auf einigen Campingplätze ist die Anmeldung eines Wohnsitzes zugelassen, auf jedem anderen Grundstück muss in jedem Fall ein Bauantrag gestellt werden und der geplante Stellplatz muss mit Wasser- und Abwasserentsorgung, Strom und verkehrsgerechter Anbindung an eine Straße voll erschlossen sein (Focus.de, 2019).

Im Fichtelgebirge hat sich das erste Tiny House Village Deutschlands gegründet: Auf dem Gelände eines ehemaligen Campingplatzes befinden sich nun 35 Grundstücke für kleine Häuser. 30 Bewohner*innen leben in diesem Dorf, die sich Lagerfeuerplätze, Permakulturgärten und Erholungsflächen teilen. Außerdem bieten sie ein Tiny House Hotel für Interessierte an (tinyhousevillage.de). Laut einer Umfrage von Interhyp können sich immerhin 13% der Deutschen vorstellen, dauerhaft in einem Tiny House zu leben (Interhyp, 2019)

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Die Antwort auf die Frage, was Tiny Houses mit Suffizienz, dem Bemühen um einen möglichst geringen Rohstoff- und Energieverbrauch, zu tun haben, liegt eigentlich auf der Hand: Eine geringere Wohnfläche führt auch zu einem kleineren CO2-Fußabdruck.

Gebäude sind für knapp ein Drittel aller CO2-Emissionen verantwortlich, Tiny Houses allerdings beschränken sich nur auf das Nötigste und nutzen den vorhandenen Platz effizient aus. Je kleiner das Haus, desto weniger Ressourcen werden auch für den Bau und Betrieb benötigt (Schmid, 2019). So haben kleine Häuser einen geringeren Energieverbrauch als konventionelle Häuser, da weniger Fläche beheizt, weniger Lampen beleuchtet werden und generell weniger Haushaltsgeräte als in einem normalen Haus benutzt werden. Die Wissenschaftlerin und Tiny House Bewohnerin Mary Murphy stellt heraus, dass der geringere Energieverbrauch sogar nicht nur auf die geringere Fläche zurückzuführen ist, sondern auch darauf, dass alles auf die Bedürfnisse der Bewohner*innen angepasst werden kann (Kilman, 2016).

Tiny Houses haben die Möglichkeit möglichst autark und damit maximal nachhaltig zu sein. Durch Solarzellen für Warmwasser, Photovoltaik-Anlagen für den Strom, Sammeln von Regenwasser oder das Verwenden einer Komposttoilette, die kein Wasser benötigt, lassen sich die CO2-Emissionen des Hauses noch weiter reduzieren.

Allerdings bedeutet das alles nicht, dass jedes Tiny House automatisch vollkommen suffizient ist: Schlechte Dämmung, als Folge davon, dass das Haus möglichst leicht sein soll und dicke Wände zulasten der Wohnfläche gehen, kann zu einem hohen Energieverbrauch führen. Außerdem werden viele Kleinsthäuser nicht als Hauptwohnsitz, sondern als Ferien- oder Wochenendhaus genutzt und verbrauchen so zusätzliche Ressourcen. Was ebenfalls beachtet werden muss ist, dass die ökologischen Vorteile auch an der Lebensweise und Einstellung der Zielgruppe liegen. Wer sich für ein reduziertes Leben im Tiny House entscheidet, lebt meist grundsätzlich auch generell schon nachhaltiger und bewusster (Schmid, 2019).

Quellen:

Biron, B.: Kleiner Wohnen, URL: https://www.ubm-development.com/magazin/tiny-houses-sind-ein-grosser-trend-beim-wohnen/ Abgerufen am 24.02.2020.
Boeckermann, L.: Dreaming Big and Living Small: Examining Motivations and Satisfaction in Tiny House Living, 10.5.2017, URL: https://scholarcommons.sc.edu/cgi/viewcontent.cgi?article=1133&context=senior_theses, Abgerufen am 24.02.2020.
Focus.de: Tiny-House-Boom in Deutschland: Nach dem Kauf beginnen jedoch die Probleme, 08.10.2019, URL: https://www.focus.de/immobilien/wohnen/tiny-house-boom-in-deutschland-nach-dem-kauf-beginnen-jedoch-die-probleme_id_11213818.html, Abgerufen am 24.02.2020.
Interhyp: Ökohaus, Tiny House und Co.: Studie zeigt Trend zu nachhaltigen und alternativen Wohnformen, 13.02.2019, URL: https://www.interhyp.de/ueber-interhyp/presse/oekohaus-tiny-house-und-co-studie-zeigt-trend-zu-nachhaltigen-und-alternativen-wohnformen.html, Abgerufen am 24.02.2020.
Kilman, C.: Small House, Big Impact: The Effect of Tiny Houses on Community and Environment. In: Undergraduate Journal of Humanistic Studies, Carleton College, 2016. URL:https://pdfs.semanticscholar.org/2732/8c4ba21b4f6ae467210ddffd3edb2da8fa4b.pdf, Abgerufen am 24.02.2020.
Schmid E.: Tiny House und Nachhaltigkeit: Wie nachhaltig sind die Mini-Häuser? 07.05.2019, URL: https://wohnglueck.de/artikel/tiny-house-nachhaltigkeit-3343 ,Abruf am 24.02.2020.
Sven und Sig: Tiny Houses: Wohnen auf kleinem Raum, 16.01.2020, URL: https://www.otto.de/reblog/tiny-houses-1308/ ,Abgerufen am 24.02.2020.
Tinyhousevillage.de: Tiny House Village, URL: https://www.tinyhousevillage.de/ Abgerufen am 24.02.2020.
Umweltbundesamt: Wohnfläche, 22.11.2019, URL: https://www.umweltbundesamt.de/daten/private-haushalte-konsum/wohnen/wohnflaeche#zahl-der-wohnungen-gestiegen Abgerufen am 24.02.2020.