Rezension: „Lust auf Verzicht“

Der Wirtschaftswissenschaftler und Konsumforscher Ingo Balderjahn erkundet in seinem neuen Sachbuch „Lust auf Verzicht“ die gesellschaftliche und wirtschaftliche Rolle von Konsum bzw. Konsumverzicht. Frisch im Oekom Verlag  am 11. Januar 2024 erschienen, bietet es ein aktuelles Portrait des polarisierenden Themas ‚Verzicht‘ als Bestandteil von Klimaschutz. 

Meinungsumfragen zu Umwelteinstellungen zeigen in Deutschland hohe Zustimmungswerte zu Umwelt- und Klimaschutz auf. In der Praxis klafft jedoch häufig eine Lücke zwischen sozial erwünschten Lippenbekenntnissen über das eigene umweltbewusste Konsumverhalten und dem, was am Ende im Einkaufswagen landet – digital oder analog. In diesem Spannungsfeld beleuchtet der Autor, wie Konsumentscheidungen getroffen werden und warum ein sparsam gefüllter Einkaufswagen ein Gewinn für das Gemeinwohl sowie das persönliche Wohlbefinden sein kann.

Der rote Faden

Ausgangspunkt des 216 Seiten starken Buches ist der globale Klimawandel – eine existenzielle Bedrohung für das Leben, wie wir es kennen. Es wird das Dilemma beschrieben, zwischen Nachhaltigkeit und Wirtschaftswachstum entscheiden zu müssen ­– laut dem Autor ist aktuell nicht beides gleichzeitig möglich. Wenn wir unsere natürlichen Lebensgrundlagen erhalten möchten, ergibt sich daraus, dass eine Reduktion des mit Konsum einhergehenden Umweltverbrauchs unumgänglich ist. Das ist leichter gesagt als getan, findet Balderjahn und skizziert die Entstehung und persönliche Bedeutung von Konsummustern sowie die resultierende gesellschaftliche Verantwortung.

Im Anschluss schlüpft der Konsumforscher in die Rolle eines Ökonomen sowie eines Politikers und beschreibt ein aus seiner Sicht bisweilen verzerrtes Bild der beiden Akteursgruppen von Konsument*innen. Aber wie verhalten sich Konsument*innen wirklich? Was bewegt sie? Und was bedeutet dies für nachhaltigen Konsum? Die Ergründung dieser Fragen führt auf das große Thema des Konsumverzichts hin. Balderjahn beschreibt mögliche Motivatoren, selbstbestimmt auf Konsum zu verzichten und erkundet darunterliegende Werte und Einstellungen. Der Bedeutung des ‚Empowerments‘ auf dem Weg zum Konsumverzicht wird hierbei viel Platz eingeräumt. Doch auch ermächtigte Konsument*innen sind von zahlreichen Barrieren betroffen, die einem nachhaltigen Lebensstil im Weg stehen. Der Autor beschreibt diese Hindernisse ausführlich und liefert im abschließenden Teil des Buches einige Lösungsansätze zu deren Bewältigung.

Die mit aussagekräftigen Titeln untergliederte Kapitelstruktur bietet eine hilfreiche Orientierung, um sich in den Inhalten zurechtzufinden. Der rote Faden führt klar von einer Problemlage und deren Beschreibung hin zu Lösungsansätzen. Dabei zieht sich ein kritischer Tenor gegenüber dem immer noch vorherrschenden normativen Verständnis in der Wissenschaft vollständig rationalen Verhaltens ökonomisch denkender Individuen durch das gesamte Buch.

Perspektiven auf Konsum

Durch seine langjährige Forschungspraxis gelingt es dem Autor, wissenschaftliche Erkenntnisse zu Konsumentenverhalten in ein größeres Gesamtbild einzubetten. Stilistisch greift er hierbei vielfach auf Wiederholungen inhaltlicher Aspekte in unterschiedlichen Kontexten zurück. Dadurch entsteht einerseits eine Art nuancierter Rundumblick über die verhaltenswissenschaftlichen Hintergründe von Konsum, andererseits liest sich das Buch dadurch streckenweise etwas langatmiger. Sprachlich ist das Buch dennoch gut verständlich, da es keine Fachausdrücke voraussetzt, sondern sie als bewusstes Extra ergänzt und erklärt. Gelegentlich bringt die vereinfachte Ausdrucksart auch zunächst plakativ erscheinende Aussagen hervor, die jedoch anschließend erläutert werden:

„Nur ist die Quelle für Lebensglück nicht der Konsum, sondern der bewusste Verzicht darauf“ (Ingo Balderjahn, S. 137).

Ob Konsumverzicht nun in erster Linie mit persönlichen Vorzügen oder Entbehrungen einhergeht, wird im Buch der individuellen Situation und Wahrnehmung zugeschrieben. Jedoch wird die bereits im Titel erkennbare Einschätzung des Autors, dass ein bewusster Konsum nachhaltig glücklicher machen kann, ausführlich beschrieben und wissenschaftlich untermauert. Trotzdem wird nicht verkannt, dass bewusster Konsum auch seine Schattenseiten im persönlichen Komfort beinhalten kann. Mal stellen Aussagen die Vorzüge, mal die Kosten in den Vordergrund. Mit Lesen des Buches ergibt sich so trotz des lenkenden Titels ein differenziertes Gesamtbild.

Balderjahn legt dar, dass Bürger*innen verstärkt von der Politik gefordert und gefördert werden sollen. Eine politische Kommunikation, die Selbstverantwortung und Selbstbestimmung ermutigt, ist daher gefragt. Das Buch regt seine Leser*innen an, sich der Macht und Verantwortung des eigenen Konsums bewusst zu werden und ihre Dosierung zu reflektieren.

Fazit

„Lust auf Verzicht” richtet sich an alle Menschen, die offen sind, sich dem Thema Konsum aus einer kritischen, konsumwissenschaftlichen Perspektive zu nähern. Wer sich konkrete Hands-on Inspirationen für einen persönlich bewussteren Konsum erhofft, ist hier an der falschen Adresse. Die Umsetzung des Titels bleibt vorwiegend im abstrakten Bereich. Angehende Leser*innen sollten also Interesse an theoretischen Konzepten und den Erkenntnissen empirischer Studien mitbringen. Verzichtet wird dabei auf sprachlich hochtrabende Abstraktionen im Sinne eines niedrigschwelligen Einstiegs in komplexe Sachverhalte. Wer sich inspirieren lassen möchte, positive Betrachtungsweisen für das unbeliebte Thema Verzicht zu gewinnen, ist hier genau richtig.

Buchinformationen

Autor: Ingo Balderjahn
Titel: Lust auf Verzicht. Warum bewusster Konsum glücklich macht und dem Klima hilft.
Verlag: Oekom
ISBN: 978-3-98726-081-0
Softcover, 216 Seiten
Erscheinungstermin: 11.01.2024

 

Adieu Weihnachtsstress

Alle Jahre wieder ist es im Dezember so weit. Zum Ausklang des Jahres kommt zunächst die Adventszeit, gefolgt vom Großereignis Weihnachten. Besinnlichkeit, Barmherzigkeit, Solidarität, Nächstenliebe und soziales Miteinander – die Advents- und Weihnachtszeit bringen auch durch die Brille der Suffizienz betrachtet viel Gutes mit sich. Zugleich ist es jedoch auch immer eine der umsatzstärksten Zeiten des Jahres im Handel und viele Menschen wirken gestresster denn je. Es ist diese unnötige Diskrepanz, die im Folgenden näher betrachtet wird. 

Tradition Weihnachten   

Weihnachten ist ein fest verankerter Feiertag in unserer Gesellschaft und geprägt von Traditionen und Ritualen. Festlich geschmückte Fenster und Weihnachtsbäume, Lichterketten und Kerzen erhellen die Straßen und Wohnungen. Überall gibt es leckere Naschereien. Die Krippe mit den Figuren der Weihnachtsgeschichte wird aufgestellt und die Deko am Weihnachtsbaum verschönert den Raum. Die Pflege althergebrachter Traditionen sorgt für Vertrautheit und Gemütlichkeit. Doch das wirklich Besondere an der Weihnachtszeit ist das Soziale und die Gemeinschaft – die Zeit, die sich Familie und Freunde füreinander nehmen. Es vermag eine entschleunigende Zeit zu sein, mit gutem Essen, Weihnachtsfilmen, Gesellschaftsspielen und besinnlicher Musik.

Konsumstress und Ressourcenverschwendung

Doch allzu oft sieht es anders aus. Schuld daran ist nicht zuletzt der Shoppingstress. Dieser ließe sich natürlich am einfachsten vermeiden, wenn man auf Präsente gänzlich verzichten würde. Das wäre nebenbei auch sehr ressourcenschonend. Doch Geschenke an Weihnachten haben eine lange, gesellschaftlich fest verankerte Tradition, die aus dem christlichen Glauben resultiert und Wertschätzung und Nächstenliebe ausdrücken soll.

Insofern ist die weniger radikale Frage nicht ob, sondern wie bzw. was geschenkt wird. Dass dabei leider sehr häufig blinder Aktionismus gegenüber wohlbedachten Einkäufen den Vorzug erhält, zeigen die hohen Retourenquoten nach den Feiertagen. Das ist gleich in mehrfacher Weise kontraproduktiv: Den Schenkenden kostet es Zeit, Geld und Nerven, das Geschenk zu erwerben. Der Beschenkte freut sich nicht, ist möglicherweise sogar wegen des unpersönlichen Geschenks enttäuscht und hat am Ende seinerseits Stress beim Umtausch bzw. der Rückgabe. Oder noch schlimmer: Das Mitbringsel landet direkt im Müll. Und im Schatten leidet still die Umwelt aufgrund der immensen Ressourcen-verschwendung. 

Bewusst schenken

Was lässt sich nun tun, um dieses Dilemma zu lösen? Eine wertvolle Orientierung bietet an dieser Stelle die Suffizienzpyramide.

Auch an Weihnachten gilt mithin das Credo, möglichst wenig Neues zu kaufen. Falls es dennoch etwas Gekauftes sein soll, lohnt es sich vorher, das Geschenk abzustimmen. Das ist zwar weniger romantisch, da der Überraschungseffekt verschwindet, doch zugleich kommt es auch nicht zu „Fehlschenkungen“. Natürlich gilt auch in diesem Fall, dass viele Produkte ein zweites Leben verdienen und Second-Hand bzw. über Tauschplattformen erworben werden können. Bei Neukäufen sollte am Fest der Liebe noch mehr als sonst auf die sozialen und ökologischen Herstellungsbedingungen geachtet werden. Ein großer Bogen sollte auch um kurzlebigen Ramsch gemacht werden. Entsprechende Produkte sind häufig nicht reparierbar und haben nur eine kurze Lebensdauer, ehe sie im Müll landen. 

Noch besser ist es, Geschenke persönlich zu gestalten und dazu möglichst vorhandene Materialien zu verwenden. Das Internet wimmelt dabei nur so von Inspirationen und Bauanleitungen. Egal, ob es Backen, Heimwerken, Basteln oder Nähen ist – für jede Fähigkeit ist etwas dabei. Und ja: Es kann passieren, dass das Ergebnis am Ende nicht perfekt aussieht. Doch das ist ein geringer Preis dafür, dass es mit persönlichem Arbeitseinsatz für eine geliebte Person erstellt wurde. Mehr Wertschätzung geht nicht. Die Kirsche auf der Torte ist dann noch das nachhaltige Geschenkpapier.

Übrigens: Generell gilt, dass Zeit für viele Menschen in unserer hektischen Zeit das kostbarste Geschenk ist. Zudem können gemeinsame Aktivitäten häufig ressourcensparsamer gestaltet werden als herkömmliche Güter. Gemeinsame Ausflüge, Konzertbesuche oder ein raffiniertes Abendessen bescheren allen Beteiligten bleibende Erinnerungen und verstauben nicht im Regal. 

Weniger ist mehr

Zum Abschluss soll noch einmal der radikale Gedanke des Traditionsbruchs aufgegriffen werden. Mehr Menschen als man gemeinhin erwartet, teilen das Gefühl einer falschen Erwartungshaltung an Weihnachten und können dem Geschenkewahn wenig abgewinnen. Insofern lohnt es sich immer, bei einem gemeinsamen Abendessen den Vorschlag zu unterbreiten, zumindest einmal ein Weihnachten ohne Geschenke zu erproben. Als Zwischenschritt bzw. Kompromiss bietet sich auch Wichteln an. Hier schenken sich nicht alle gegenseitig etwas, sondern jede*r beschenkt nur eine andere Person. 

Der günstige Black Friday – mehr Schein als Sein?

Der Black Friday lockt auch dieses Jahr wieder mit vielen Angeboten und Schnäppchen. Der Konsumtag Ende November ist nun endgültig in Deutschland angekommen. Denn ursprünglich kommt der Black Friday aus den USA und findet immer am Freitag nach Thanksgiving statt. Woher die Bezeichnung „Black Friday“ kommt, ist jedoch nicht ganz geklärt. Eine Theorie ist, dass an diesem Tag durch den erhöhten Umsatz wieder schwarze Zahlen geschrieben werden und eine andere Theorie besagt, dass die Menschenmassen, die in die Geschäfte und Einkaufszentren strömen, aussehen wie eine große schwarze Masse. Hier in Deutschland ist der Black Friday ein relativ neues Phänomen, hat sich aber in den letzten Jahren großer Beliebtheit erfreut.

Im letzten Jahr haben die Ausgaben an den Aktionstagen Black Friday und Cyber Monday verglichen mit 2016 um fast vier Milliarden Euro zugenommen.

Doch wie viel kann man am Black Friday wirklich sparen? Und noch viel wichtiger: Wie stelle ich sicher, dass ich nur das kaufe, was ich auch wirklich benötige?

Gar nicht so günstig

Es gibt viele Annahmen und Behauptungen rund um den Black Friday und Konsum. An diesem Tag sollen die Rabatte und Angebote unschlagbar sein. Deshalb wird der Black Friday von vielen Menschen genutzt, um die ersten Weihnachtseinkäufe zu tätigen und die neuesten elektronischen Geräte oder Klamotten zu kaufen. Oft wird am Black Friday aber mit verschiedenen Marketingstrategien lediglich vorgegaukelt, dass es sich um einen unschlagbaren Preis handle, während das in der Realität gar nicht der Fall ist. 

Rabatte werden oft basierend auf der unverbindlichen Preisempfehlung (UVP) des Herstellers angegeben. Tatsächlich verlangen Händler selten diesen Preis. Stiftung Warentest hat 50 Elektroprodukte in 2019 über das ganze Jahr beobachtet und ermittelt, dass an Black Friday im Gegensatz zu allen anderen Tagen nur vier von 50 Produkten tatsächlich günstiger in den Verkauf gegangen sind.

Eines dieser Elektroprodukte waren Kopfhörer, die vom Händler mit einer UVP von ca. 400 Euro versehen worden sind. Tatsächlich werden sie jedoch im normalen Verkauf das ganze Jahr über für ca. 100 Euro weniger angeboten. Das heißt, ein Black Friday Rabatt von 25 Prozent wäre demnach gar kein Rabatt, verglichen mit dem alljährlichen Angebot.

Unterbewusste Kaufentscheidunge

Um den Kund*innen ein gutes Gefühl bei der Auswahl ihrer Produkte zu geben, nutzen Händler*innen oft einen einfachen Trick: Sie bieten drei Produkte des gleichen Typs in drei verschiedenen Preisklassen an. Das günstigere Produkt erscheint qualitativ zu niedrig und das teure Produkt ist den meisten Kund*innen zu teuer. Konsument*innen neigen dazu, den mittleren Preis zu wählen, da sie sich dadurch das beste Preis-Leistungs-Verhältnis erhoffen. Das ist vornehmlich auch das Produkt, was die Händler*innen verkaufen wollen.

Geschäfte und Unternehmen machen sich auch noch andere psychologische Tricks zunutze: Der Kauf eines reduzierten Artikels führt zur Dopaminausschüttung in unserem Gehirn und regt zu weiteren Schnäppchenkäufen an. Signalfarben animieren zusätzlich zum Kauf.

Ein Experiment zeigte, dass allein eine Signalfarbe – ohne Rabatt – zu mehr Umsatz führen kann. Es wurde ein gelbes Schild, auf dem stand „Ladendiebstahl wird verfolgt“, neben die Kasse an eine Auslage mit Bier gehängt. Daraufhin wurde viermal mehr Bier als sonst verkauft. Hier wurde die Farbe Gelb anscheinend unterbewusst mit „Angebot“ verknüpft und das Bier hat mehr Abnehmer*innen gefunden. Der Botschaft auf dem Schild wurde anscheinend keine Beachtung mehr geschenkt. Das kann zum Beispiel unter Zeitdruck passieren. Und je weniger Zeit wir haben, desto schneller greifen diese unterbewussten Mechanismen und bestimmen unsere Kaufentscheidungen.

Die Auswirkung des Onlinehandels 

Vor allem im Onlinehandel wird durch zeitliche und scheinbare materielle Limitierung eine Konsumdringlichkeit erzeugt, die die Kundschaft zum Kauf anregen soll. Die künstliche Verknappung der Güter erzeugt eine sogenannte „Fear of missing out“ – kurz auch „FOMO“ genannt. Betroffene Menschen haben Angst, etwas zu verpassen, wenn sie nicht zugreifen.

Ein beliebtes Instrument von großen Onlinehändlern sind Balken, die den relativen Bestand eines Produktes anzeigen. Absolute Zahlen werden dabei aber nicht genannt, also kann man als Konsument*in keine Schlüsse darauf ziehen, ob dieser Restbestand drei, 300 oder 3000 Produkte beträgt und hat permanent das Gefühl, dass man zuschlagen müsse. Gleiches gilt bei einem zeitlich limitierten Angebot. Insbesondere, wenn die vermeintliche Angebotsdauer sehr kurz ist, neigen Konsument*innen verstärkt zu Impulskäufen. Aber auch im stationären Handel sind „Limited Editions“ oder „Letzte Chance“-Angebote schon lange üblich. 

Besonders ärgerlich wird es auf persönlicher Ebene für Kund*innen, wenn obendrein Betrug im Spiel ist. Denn durch die Anonymität des Onlinehandels haben sich über die Jahre auch viele Fake-Shops etabliert. Sie verkaufen gefälschte oder gar nicht existierende Produkte und man wartet vergeblich auf sein Paket oder erhält zumindest nicht das, was man sich erhofft hat.

Darf ich am Black Friday kaufen?

Natürlich. Es liegt in der Natur der Sache, dass wir in Zeiten hochkomplexer Arbeitsteilung viele Güter für unser Wohlbefinden käuflich erwerben (müssen). Zwar mögen einige im Sommer Obst und Gemüse im Garten anbauen und im Winter Kresse auf der Fensterbank aussähen, doch die Wenigsten verfolgen mit gutem Grund ernsthaft den Anspruch einer autarken Subsistenzwirtschaft. 

Es geht daher nicht um die Frage, ob ich etwas am Black Friday kaufe, sondern vielmehr was und warum. In dieser Hinsicht unterscheidet sich der Black Friday übrigens gar nicht von allen anderen Tagen im Jahr. Wenn man z. B. sowieso ein Produkt benötigt und dieses am Black Friday günstiger bekommen kann, soll man diesen Kauf gerne tätigen. Jedoch gilt immer: Der nachhaltigste Kauf ist der, der gar nicht getätigt wurde.

Damit es dieses Jahr mit dem bewussten Konsum am Black Friday klappt, folgen abschließend nun noch fünf kleine Tipps:

  1. Eine vorgeschriebene Liste hilft, Spontankäufe zu vermeiden.
  2. Das benötigte Produkt kann vielleicht auch geliehen, gebraucht gekauft oder selbst gemacht werden. 
  3. Erkennen von Marketingstrategien hilft, nicht darauf hereinzufallen.
  4. Besondere Siegel und Zertifikate geben an, ob Produkte fair und nachhaltig produziert sind.
  5. Preisvergleiche mit dem mittleren Preis des Jahres decken auf, ob es sich um „wahre” Rabatte handelt.

Psychologische Barrieren auf dem Weg zu mehr persönlicher Suffizienz

Auto oder Fahrrad? Neu oder Second Hand? Vielen Menschen fällt es schwer, sich bei solchen alltäglichen Entscheidungen für die nachhaltigere Option zu entscheiden, obwohl die Voraussetzungen dafür gegeben wären und sie über die Folgen ihres Handelns Bescheid wissen.

Die psychologische Forschung zeigt, dass es sogenannte psychologische Verhaltensbarrieren gibt, die nachhaltiges Verhalten im Alltag erschweren oder ganz verhindern können – auch bei Menschen mit ausgeprägtem Umweltbewusstsein. Welche das sind und warum es sich lohnen kann, darüber Bescheid zu wissen, erklären wir in diesem Beitrag.

Suffizienz im Alltag

Wenn wir uns die vier E’s der Suffizienz – Entschleunigung, Entflechtung, Entrümpelung und Entkommerzialisierung – nach Wolfgang Sachs anschauen, fallen uns in der Regel schnell einige Dinge ein, die wir uns öfter vornehmen und dann doch wieder vor uns herschieben.

Da wären zum Beispiel der Kleiderschrank, den man aussortieren müsste, das Gemüsebeet im Garten, für das man sich wieder mehr Zeit nehmen wollte, und vieles mehr. Zum Thema Entrümpeln im Frühling gibt es hier einen ganzen Blogbeitrag.

Gute Vorsätze allein reichen nicht aus

Aber zurück zu den psychologischen Verhaltensbarrieren. Die Umweltpsychologin Dr. Josephine Tröger erklärt in diesem #kaufnix-Beitrag, dass es verschiedene Arten von Faktoren gibt, die unser Verhalten beeinflussen. Zum einen sind es persönliche Einstellungen, Werte und Erwartungen, zum anderen äußere Bedingungen, wie zum Beispiel der Zugang zu bestimmten Produkten und Dienstleistungen.

Aber woran genau scheitert es, wenn die Voraussetzungen für ressourcenschonendes Handeln eigentlich gegeben sind und wir uns trotzdem nicht dafür entscheiden? Einige von vielen Antworten auf diese Frage, die Wissenschaftler*innen schon seit Jahren erforschen, stellen wir nun vor.

Confirmation Bias – Wir hören, was wir hören wollen

Der Confirmation Bias (deutsch: Bestätigungstendenz) ist ein bekanntes und vielfach erforschtes Phänomen, das eine kognitive Verzerrung in die Richtung unserer persönlichen Erwartungen beschreibt. Anders formuliert: Wir suchen und beachten im Alltag vor allem solche Informationen, die unsere Erwartungen bestätigen.

Wer also zum Beispiel in einem Umfeld aufgewachsen ist, in dem Autos eine wichtige Rolle spielen, wird im Alltag wahrscheinlich eher soziale Kontakte suchen und Medien konsumieren, in denen Autos positiv dargestellt werden. Informationen zu anderen Verkehrsmitteln, die vielleicht sogar finanzielle und zeitliche Vorteile mit sich bringen würden, werden durch die verzerrte Wahrnehmung eher weniger oder gar nicht beachtet. Dadurch kommt es eher selten zu Verhaltensänderungen im Sinne von Suffizienz und Nachhaltigkeit.

Sunk cost fallacy – Loslassen ist nicht leicht

Den Sunk-Cost-Fallacy-Effekt kennen bestimmt viele aus dem Alltag. Er beschreibt die Tendenz zum Festhalten an einer vergangenen Entscheidung und das Pflichtgefühl, weiterhin an dieser Entscheidung festhalten zu müssen, obwohl sie keinen Nutzen hat oder sogar Schaden anrichtet.

Ein gutes Beispiel hierfür ist der Besitz eines Autos. Die Sunk costs (deutsch: versunkene Kosten) sind in diesem Fall etwa der Kaufpreis und sämtliche Reparatur- und Wartungskosten. Nach einigen Jahren kommt es vielen so vor, als dürften sie gar nicht darüber nachdenken, das Auto zu verkaufen oder wegzugeben, weil sie durch die hohen Investitionen dazu verpflichtet wären, das Auto nun auch lange zu nutzen. Dieser Effekt führt dazu, dass manche Menschen ein Auto besitzen, obwohl sie es kaum nutzen.

Der Rebound-Effekt

Den Begriff Rebound-Effekt (deutsch: Rückschlag-Effekt) kennen viele wahrscheinlich aus dem ökonomischen Kontext. Er beschreibt das Phänomen, dass Einsparungen an einer Stelle durch Ausgaben oder steigenden Verbrauch an anderen Stellen ausgeglichen oder sogar überkompensiert werden. Über die verschiedenen Arten von Rebound-Effekten gibt es hier einen ganzen Blogbeitrag.

In der Umweltpsychologie spricht man zum Beispiel dann vom Rebound-Effekt, wenn man effizientere Glühbirnen kauft und sie dafür dann länger brennen lässt oder ein sehr verschwenderisches Verhalten mit einem anderen ressourcenschonenden Verhalten rechtfertigt. Letzteres wird auch Moral Licensing genannt und liegt zum Beispiel dann vor, wenn eine Person ihr schlechtes Gefühl wegen regelmäßiger Flugreisen mit nachhaltigem Lebensmittelkonsum ausgleicht, obwohl das Verhältnis zwischen ausgestoßenen Emissionen in dem einen und eingesparten Emissionen im anderen Bereich völlig ungleich ist.

Wie wir die psychologischen Barrieren überwinden können

Es gibt in diesem Kontext noch viel mehr psychologische Phänomene, aber nachdem wir nun einige davon kennengelernt haben, lassen sich daraus schon einige nützliche Erkenntnisse für den Alltag ableiten.

Unsere Psyche wird von vielen Faktoren beeinflusst, von denen wir oft gar nicht direkt etwas mitbekommen. Es kann hilfreich sein, wenn man sich im Alltag manchmal vor Augen führt, dass alle Menschen von kognitiven Verzerrungen und Fehlschlüssen betroffen sind. Mit diesem Gedanken kann man vielleicht einerseits nachsichtiger mit sich und anderen Menschen werden. Andererseits kann man sich damit auch motivieren, die eigenen Denkmuster kritisch zu hinterfragen und nicht immer dem ersten, vermeintlich logischen Gedanken zu folgen.

Die psychologische Forschung untersucht neben den Hintergründen menschlichen Verhaltens auch verschiedene Strategien, mit denen wir psychologische Barrieren überwinden und uns damit den Alltag erleichtern können.

Eine dieser Strategien sind sogenannte Wenn-Dann-Pläne. Dabei handelt es sich um Vorsätze für bestimmte Verhaltensweisen in konkreten Situationen. Solche Vorsätze sollen das Einhalten persönlicher Ziele erleichtern und dem Aufbau neuer Gewohnheiten dienen.

Angenommen, eine Person hätte das persönliche Ziel nachhaltiger zu leben und möchte deshalb so oft wie möglich Second Hand statt neuer Kleidung kaufen. Aus Bequemlichkeit und alten Gewohnheiten kauft sie trotzdem kaum Second Hand und fühlt sich nach einiger Zeit schlecht, weil sie gegen ihre eigenen Vorsätze verstößt. Mit einem Wenn-Dann-Plan könnte sie sich selbst dazu verpflichten, ihrem Ziel näher zu kommen. Dieser Plan könnte zum Beispiel so aussehen: „Wenn ich neue Kleidung brauche, dann suche ich immer zuerst nach Second Hand-Angeboten und greife nur dann zu neuer Kleidung, wenn es keine andere Möglichkeit gibt.“ Hier könnten auch noch bestimmte Geschäfte oder Plattformen ergänzt werden. Je konkreter die Beschreibung, desto besser. Diesen konkreten Vorsatz kann die Person sich nun aufschreiben und in Erinnerung rufen, sobald die „Wenn“-Situation eintritt.

Weniger Selbstkritik, mehr Nachsicht

Die psychologische Forschung zeigt, dass es viele Faktoren gibt, die unser Verhalten beeinflussen, ohne dass wir direkt etwas davon mitbekommen. Diese Erkenntnis kann in so manch hitziger Debatte darüber, wie viel Fleischkonsum noch okay ist oder wer im Sommer wo Urlaub macht, vielleicht für mehr Sachlichkeit sorgen. Im besten Fall bringt sie uns aber dazu, unsere eigenen Gedanken und Gewohnheiten zu hinterfragen und uns im nächsten Schritt aktiv für eine nachhaltigere Gesellschaft einzusetzen.

Konsum und Glück – Interview mit Prof. Dr. Ingo Hamm

Was macht uns glücklich? Diese Frage beschäftigt Menschen seit Ewigkeiten. Hinweise auf die Antwort gibt Prof. Dr. Ingo Hamm von der Hochschule Darmstadt im Interview. Der Wirtschaftspsychologe unterscheidet dazu unterschiedliche Motive, die beim Konsum wirken und spricht über die magische Wirkung des Prozentzeichens.

Deutsche Umweltstiftung (DUS): Vielen Dank, Herr Prof. Dr. Hamm, dass Sie heute für ein Interview zur Verfügung stehen. Sie haben sich mit einer Studiengruppe der Hochschule Darmstadt den Zusammenhang von Glück und Konsum erforscht. Was können wir von ihrer Forschung lernen?

Prof. Dr. Hamm: Ich muss vorwegschicken, dass es ein echt großes Thema ist. Was wir aber in diesen konkreten Projekten und darüber hinaus an interessanten Zusammenhängen aufdecken konnten, ist nicht wirklich überraschend. Aber es ist eine Bestätigung für das, was viele Menschen denken. Und zwar, dass Soziales im Leben einen deutlich positiveren Einfluss wie das Materielle hat, zumindest bei vielen Menschen. Es ist kein universelles Gesetz – es gilt aber für viele Menschen in unserer Gesellschaft, vielleicht auch in Deutschland. Ich habe wenige Erkenntnisse, die über unseren deutschen Sprachraum hinausgehen. Die Studie von 2019 ergab, dass Menschen sich unheimlich gerne mit anderen Menschen treffen, diese unkomplizierten Momente mit anderen Menschen unter anderem in der Familie schätzen und dass sie diese tatsächlich als Glück begreifen. Vielleicht nicht unbedingt in dem Moment als ein euphorisches Glück, aber gerade auch in Rückblick und in der Lebensplanung als etwas, was am meisten glücklich sein verspricht, und das finde ich ganz interessant.

DUS: In der öffentlichen Wahrnehmung wird doch häufig Glück assoziiert mit Häusern, neuen Autos oder Reisen. Wie kommt es zu dieser Wahrnehmung und gibt es letztendlich die Formel für ein glückliches Leben?

Also DIE FORMEL gibt es nicht. Ich fange noch einmal mit den teilweisen materiellen Aspekten von Glück an. Wir haben Möglichkeiten des Konsums, die uns zumindest häufig Glück versprechen. Es gibt da sehr viele Arten von Motiven, die beim Konsum wirken. Man kann unterscheiden zwischen den positiven Wirkungen von Kaufen – im aller weitesten Sinne das Kaufen von Dingen, von Dienstleistungen und von Erlebnissen. Es handelt sich dabei nicht nur um Luxusprodukte. Was hier eher glücklich macht, ist der Umstand, dass es zur Selbsterweiterung beiträgt. Also, dass ich mehr aus mir und meinen Fähigkeiten machen kann.

Produkte, die meine Individualität unterstreichen, mit denen ich meine Einzigartigkeit beispielsweise durch Mode zum Ausdruck bringen kann oder auch der Konsum und das Kaufen als moralischer Ausdruck. Wenn ich das Gefühl habe, dass ich nicht nur ein beliebiges Produkt kaufe, sondern mit diesem Produkt etwas Gutes tue, oder etwas Schlechtes vermeide. Damit fördere ich eine Denke in der Gesellschaft oder überhaupt ein gesellschaftliches oder wirtschaftliches Leben, das meinen moralischen Überzeugungen folgt. Im Konsumkontext sind dies positiv wahrgenommene Käufe, die ich tätigen kann. (Ich fördere eine Denke in der Gesellschaft oder überhaupt ein gesellschaftliches oder wirtschaftliches Leben was meinen moralischen Überzeugungen folgt.. Wie gesagt nicht nur von Produkten, auch Dienstleistungen und Erlebnisse fallen darunter. Was häufig nicht nachhaltig glücklich macht, sondern nach kurzer Zeit wieder verschwindet an Glücksgefühl, ist das, was wir so üblicherweise kaufen um uns im sozialen Vergleich mit anderen zu messen) Um uns auf einer Art von Statusleiter nach oben zu bewegen und anderen – unter anderem durch den Kauf von teureren Produkten – zu demonstrieren, ich kann mir das leisten, ich kann mir vielleicht auch mehr leisten als andere Menschen. Alle Menschen tun dies. Niemand ist grundsätzlich dagegen gefeit.

Viele Menschen erleben oder erleben eben nicht diese sehr kurzfristig wirkenden Facetten des Konsums, die vielleicht schon im eigentlichen Augenblick oder nur für Minuten oder Stunden wirken. Nach Tagen, nach Monaten fördert dieses Verhalten aber auch dieses noch mehr, noch weiter, noch höher. Das ist letztlich psychologisch nicht förderlich oder gesund.

DUS: Und die Formel für ein glückliches Leben?

Ich würde gerne auf einen anderen Aspekt eingehen, den ich durch meine jüngere Forschung im Arbeitskontext „New Work“ gefunden habe. Und dazu passt dann zufällig diese Frage, die Sie stellen. Ich habe festgestellt, dass heutzutage in der Arbeitswelt häufig von Menschen die Frage nach dem Sinn gestellt wird. Was soll das alles? Macht mich mein Job glücklich oder nicht? Da wird eigentlich dieselbe Frage gestellt, vielleicht noch viel fundamentaler als beim Kaufen oder beim Einkaufen. 

Verkürzt dargestellt habe ich herausgefunden, dass vor allem die Selbstwirksamkeit ein wichtiger Faktor ist. Also, wenn ich in einer Arbeit oder durch meine Arbeit, aber auch beim privaten Engagement (Ehrenamt, Hobbys etc.) die Möglichkeit habe, Kompetenzen und Neigungen zu zeigen, zu verwirklichen, und ich dazu auch ein gewisses positives Feedback bekomme, dann ist das ungemein befriedigend. Viele Leute sagen sogar, das macht glücklich. Es macht vielmehr glücklich, als wenn ich mir bestimmte Dinge oder Dienstleistungen kaufe. Ich glaube, das ist der Punkt, wo wir Selbstverwirklichung erfahren können, wenn wir diesen gewissen Fokus auf die Arbeit, Alternativen zur Arbeit im Privatleben oder im Engagement setzten und mit diesem Fokus überlegen, wo wir denn Kompetenzen verwirklichen könnten oder ausleben könnten.

Ganz nebenbei, es zählt auch das Helfen dazu. Anderen Menschen ganz selbstlos mit guten Taten zu helfen, ist eine ungemein und universell wirksame SelbstwirksamkeitserfahrungWir haben dies bei großen Katastrophen, wie z.B. letztes Jahr im Ahrtal festgestellt. Ich war fast überrascht, dass so viele Menschen selbstlos geholfen haben, hingefahren sind, angepackt haben und alle waren unheimlich glücklich und zufrieden dadurch, dass sie einfach nur helfen konnten. Ich glaube, die Selbstwirksamkeitserfahrung des Helfens zählt wahrscheinlich viel mehr als jede Art von käuflichem Konsum.

DUS: Am 25. November ist Black Friday. Wie würden Sie es psychologisch erklären, dass Menschen von diesem Event so angezogen werden?

Ja, das ist vielleicht nicht einmal wahnsinnig psychologisch, sondern teilweise auch ein ökonomisches Verhalten. Und das zählt heute mehr denn je, dass Menschen sparen wollen. Und wenn es irgendeine Möglichkeit gibt, die schon vorab bekannt ist, und weitestgehend kommuniziert ist, sodass man bestimmte Dinge stark rabattiert bekommt, kann fast niemand dazu nein sagen. Derartige Vorteile – ja mit dieser fast magischen Wirkung eines Prozentzeichens – ergreift man im Alltag fast immer. Das hat eine wahnsinnige symbolische Bedeutung bekommen. Man realisiert kaum noch, was eigentlich die wahren Wertigkeiten sind, oder welche Vergleichspreise es gibt, die ich anderswo auch so bekäme. Sondern da wirkt ja das Prozentzeichen an sich fast schon überzeugend. Das ist dann die Dimension, dass man hier ein Schnäppchen machen will.

DUS: Wir von der Deutschen Umweltstiftung betonen in unserer Arbeit immer wieder den Suffizienzgedanken. “Suffizienz” steht für ein “Weniger”. Es zielt auf den bewussten Umgang unserer begrenzten natürlichen Ressourcen ab – auf das, was wirklich notwendig ist – ohne auf das gute Leben zu verzichten. Wie sehen sie die Strategie, vielleicht auch in Verbindung mit dem Konsum?

Aus Sicht der Wirtschaftspsychologie kann ich das in einem kurzen Satz zusammenfassen. Es geht nicht um weniger, sondern um weniger mehr.

Das ist das, was in der Psychologie eigentlich eine Rolle spielt. Wir Menschen haben nämlich eine Art Verlustaversion. Alle Menschen – davor kann sich niemand ernsthaft schützen – haben diese fast schon Angst davor oder diese Reflexe etwas abzugeben, von dem, was sie haben. Und Programme zu fahren, um den Konsum zu reduzieren, die sind vielleicht gut gemeint, aber ich glaube, jeder kann sicherlich von sich sagen: in gewissen Punkten des Lebens oder des Alltags habe ich in den eigenen vier Wänden das oder jenes Mal weggeschmissen oder auf ein bisschen verzichtet. Auf Dauer und im großen Stil fällt uns das als Menschen unheimlich schwer. Das ist einfach Psychologie.

Aber zu sagen, ich versuche nicht noch etwas darauf zu packen, diesen Wachstumsgedanken in den Griff bekommen und zu verstehen, dass diese Formen von Wachstum immer mit bestimmten Investitionen psychologischer Art, aber auch von Ressourcenseite her verbunden sind, das muss mal erstmal verinnerlichen. Dann fällt es aber auch leicht zu sagen: Ok, ich kann einen hohen Lebensstandard behalten und ich kann bestimmte Dinge weiter machen. Ich muss sie nicht abgeben und ich muss mein Leben nicht komplett umkrempeln, sondern ich vermeide einfach ein “immer mehr” und “immer weiter” und somit auch in mancher Hinsicht nicht nur diesen stetigen oder wachsenden Konsum, sondern vielleicht auch den Wettbewerb. Einen Leistungsgedanken, den ich vielleicht ein bisschen reduziere, der aus einer Mühe heraus kommt, die viele an sich in der Arbeit auch nur noch ungern mitmachen. Das ist so der Kerngedanke von dem, was Sie Suffizienz nennen.

DUS: Zum Abschluss noch eine etwas süffisante Frage. Werden Sie auch bei dem einen oder anderen Angebot am Back Friday zuschlagen?

Nein, eigentlich nicht, ich hätte aber nichts dagegen, wenn ich für die ein oder anderen Weihnachtseinkäufe, die ich schon fest geplant habe, also ich weiß genau wen ich was schenke, wenn ich da das ein oder andere auch günstiger erwerben könnte, dann würde ich auch zuschlagen.

ÜBER DEN INTERVIEWPARTNER

Ingo Hamm ist Professor für Wirtschaftspsychologie, war McKinsey-Berater, arbeitete in einem internationalen Konzern und folgte schließlich seinem forscherischen Freiheitsdrang. Er hat seitdem zahlreiche Bücher publiziert und unterstützt Menschen und Organisationen beim Wandel der Arbeitswelt.

Ingo Hamm (by Julian Beekmann Fotografie)