Über den Bücherrand hinaus: Die Bibliothek der Dinge

Jeder kennt es: ob Lexikon für das bevorstehende Schülerreferat, Lehrbuch im Studium oder der heißersehnte Roman der Lieblingsautorin – Literatur braucht es in vielen Lebenslagen. Dabei wird nicht selten bestellt oder brandneu gekauft, und nach kurzem Nutzen verstaubt das teure Exemplar im eigenen Bücherregal. Eine Lösung gegen diesen hohen Kosten- und Ressourcenverbrauch sind Bibliotheken. Wir alle kennen ihr Konzept, bei dem – ganz im Sinne der Nachhaltigkeit – ein einziges Exemplar gleich mehreren Leuten zugutekommen kann.

Doch das Leihkonzept von Bibliotheken geht mittlerweile weit über Bücher hinaus. Neuerdings werden neben Büchern weitere nützliche Dinge verliehen oder getauscht: Nähmaschine, Instrumente, Sportutensilien, Saatgut und vieles mehr. Alltagsgegenstände, die sich nicht jeder leisten kann, oder die von einer einzelnen Person nur selten wirklich genutzt werden 1.

Die sogenannten „Bibliotheken der Dinge“ bieten ein Sammelsurium an wertvollen Gegenständen, die untereinander geteilt und verliehen werden können. So kommen diese nur dann zum Einsatz, wenn sie wirklich gebraucht werden. Im Sinne von Suffizienz haben viele Bibliotheken solche Sammlungen integriert und unterstützen damit das Prinzip der „Sharing Economy“. Gleichzeitig leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Erfüllung der 17 Nachhaltigkeitsziele „Agenda 2030“ der Vereinten Nationen 2. So verwirklichen Stadtbüchereien, Hochschul-Bibliotheken und andere Büchereizentralen beispielsweise das Ziel zu hochwertiger Bildung, zu Informations- und Kommunikationstechnologie sowie zu Nachhaltigem Konsum und Produktion. Um Ihnen eine Vorstellung zu geben, sind hier zwei Beispiele an Bibliotheken der Dinge kurz zusammengefasst:

Nachhaltiger Konsum – Stadtbibliothek Mülheim an der Ruhr

„Ein buntes Allerlei“ – so bewirbt die Stadtbibliothek Mülheim an der Ruhr ihr breites Angebot an Projekten, Initiativen und Leihgütern. Dabei können nicht nur Saatgut und Regenschirme geteilt werden, sondern es gibt auch Möglichkeiten Carsharing zu nutzen und im Repair-Café kostenfrei alte Haushaltsgegenstände wiederzuverwerten 3.

„Ein buntes Allerlei“ in der Stadtbibliothek Mülheim an der Ruhr

Green Campus Book Corner – Universitätsbibliothek Salzburg

Der „PLUS Green Campus Book Corner“ wurde als Dienstleistungseinrichtung gemeinsam mit der Universitätsbibliothek Salzburg errichtet. Seit 2017 stehen hier eine Bandbreite an Büchern und Medien mit Fokus auf Umweltthemen zur Verfügung. Sie sollen informieren und Bibliotheksnutzer*innen einen fachlichen Überblick über unsere Umweltlage liefern 4.

Auch in deiner Nähe steht vielleicht eine Bibliothek der Dinge. Eine Übersicht und weitere Beispielprojekte sind auf der folgenden Seite zusammengefasst: https://www.biblio2030.de/ 5.

Quellen:

[1] https://www.ideenw3rk.de/bibliothek-der-dinge/

[2]https://www.medienzentrum-biberach.de/-/bibliothek-der-dinge

[3] https://www.biblio2030.de/stadtbibliothek-muelheim-an-der-ruhr/

[4] https://www.biblio2030.de/green-campus-book-corner-universitaetsbibliothek-salzburg/

[5] https://www.biblio2030.de/beispielsammlung/

Wenn dir ein Geschäft „Kauf weniger“ sagt. – Interview mit Maike Gossen

Im Rahmen eines Interviews sprachen wir mit Maike Gossen vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) über die kürzlich veröffentlichte Studie “When your shop says #lessismore. Online Communication interventions for clothing sufficiency“. Digitalisierung verändert unsere Lebensweise und unser Konsumverhalten. Wie man Online-Kommunikation als Tool für Suffizienzmarketing nutzen kann und welche Erkenntnisse aus der Studie hervorgegangen sind, erläutert Maike Gossen im folgenden Interview.

Deutsche Umweltstiftung (DUS): Sie haben die Studie “When your shop says #lessismore. Online Communication interventions for clothing sufficiency“1 im “Journal of Environmental Psychology“ veröffentlicht. Können Sie kurz zusammenfassen, worum es in der experimentellen Studie geht?

Maike Gossen (MG): Die Studie entstand in unserer Forschungsgruppe zu Digitalisierung und sozial-ökologischer Transformation 2. Wir wollten herausfinden, inwiefern Online-Kommunikation von Unternehmen aus dem Kleidungsbereich, beispielsweise in Social Media, nachhaltige Lebensstile fördern können. Zu diesem Zweck haben wir Online-Kommunikation als Teil von Suffizienzmarketing 3 in zwei experimentellen Studien untersucht.

DUS: Wie sind diese Studien abgelaufen und was sind die zentralen Ergebnisse?

MG: Im ersten Schritt haben wir gemeinsam mit unserem Projektpartner Avocadostore eine Feldstudie konzipiert. Im Rahmen einer Themenwoche auf Social Media und im Newsletter hat der Online-Marktplatz unter dem Motto “lessismore” auf Alternativen zum Neukauf hingewiesen. Wir haben vor und nach der Themenwoche die Kund*innen von Avocadostore zu ihrem Kaufverhalten und ihren Einstellungen befragt. Das zentrale Ergebnis der Feldstudie ist, dass Suffizienzbotschaften positiv bewertet werden. Jedoch kauften die Kund*innen im Monat nach der lessismore-Woche genauso viel Kleidung wie Kund*innen, die die suffizienzfördernde Kommunikation nicht gesehen hatten. Es scheint also, dass vereinzelte Social Media-Posts eines Unternehmens als Intervention zu schwach sind, um sich langfristig auf das Konsumniveau auszuwirken. In einer daran anschließenden Online-Laborstudie konnten wir hingegen zeigen, dass suffizienzfördernde Social Media-Posts kurzfristig sehr wohl suffiziente Konsumentscheidungen fördern konnten. Dieser Effekt war insbesondere bei Teilnehmenden stärker, die bereits altruistische und umweltorientierte Werte vertraten. 

DUS: Was schließen Sie aus dem Ergebnis, dass Suffizienzbotschaften über Social Media eher eine kurzfristige Wirkung zeigen. Ist Social Media grundsätzlich ungeeignet, um langfristige Verhaltensänderungen zu erzeugen? Was bedeutet das für das Suffizienzmarketing?

MG: Dass wir zwar eine kurzfristige Wirkung im Labor, aber keine langfristige Wirkung im Feld finden konnten, ist ein interessantes Ergebnis, das zu weiterer Forschung einlädt. Wir interpretieren diese Resultate so, dass Suffizienzkommunikation erst wirksam sein kann, wenn sie einen sichtbaren Anteil an der Gesamtkommunikation einnimmt. Gerade in einem ansonsten sehr konsumorientierten Umfeld wie Social Media 4 und dem Internet an sich 5 kann eine einzelne Suffizienzbotschaft oder ein einzelner Instagram-Post im allgemeinen Informationsfluss untergehen. Langfristig wäre es wünschenswert, in der digitalen Kommunikation eine Kultur der Suffizienz zu etablieren und soziale Normen weg von schnelllebigem Konsum hin zu mehr Nachhaltigkeit zu verändern.

DUS: Heute bewerben immer mehr Unternehmen ihr nachhaltiges Angebot und fördern damit grünen Konsum. Worin unterscheidet sich das so genannte Suffizienzmarketing?

MG: Beim Suffizienzmarketing geht es darum, keine neuen Konsumwünsche zu schaffen, sondern bestehende Bedürfnisse zu befriedigen. Das kann also entweder ein Produkt sein, dass sich durch langlebige Materialien, Reparierbarkeit oder Zeitlosigkeit auszeichnet, aber genauso können es auch Alternativen zum Neukauf sein. Häufig kann die Lebensdauer von Produkten verlängert werden, indem sie repariert, gut gepflegt oder verliehen werden. Auch durch Secondhand können Ressourcen eingespart werden. Im Outdoorbereich gibt es viele Vorreiterunternehmen, die Suffizienz fördern wollen und nicht nur ihr Sortiment und ihre Services darauf ausgerichtet haben, sondern auch in ihrer Kommunikation ganz offen sagen, dass es nicht immer das neueste Produkt sein muss. Patagonia ist ja für ihre Konsumkritik bekannt, beispielsweise durch Aktionen wie der “Don’t Buy This Jacket”-Kampagne. Zum letzten Black Friday hat das US-Unternehmen mit der “Buy less, demand more”-Kampagne seine Kund*innen nicht nur dazu aufgefordert, weniger zu konsumieren, sondern auch ihrerseits noch mehr von Textilherstellern und der Politik einzufordern. Indem sie politischen Aktivismus fördern wollen sie einen Beitrag dazu leisten, die Bekleidungsindustrie zu verändern. 

DUS: Aber letztendlich stellt sich doch immer die Frage, wie suffizienz-orientierte Unternehmen in einer wachstumsgetriebenen Wirtschaft überleben können. Ist diese Konfliktlinie überhaupt zu überwinden? 

MG: Eine Suffizienzorientierung ändert das Verständnis von unternehmerischer Wertschöpfung, welcher sich nicht mehr an reiner Absatzsteigerung und Wachstum orientiert, sondern am Wohlergehen von Beschäftigten, der Umwelt und der Gesellschaft gleichermaßen. Pioniere der Postwachstumsökonomie positionieren sich daher in Nischen oder skalieren ihre Wirkung durch suffizienz-orientierte Angebote. Manche Unternehmen wachsen weiter und rechtfertigen dies mit der Verdrängung nicht-nachhaltiger Unternehmen. Andere Unternehmen wie Patagonia wollen nicht größer werden, sondern ihre aktuelle Stellung nutzen, um ihren Unternehmenszweck zu erfüllen und ihre Marke an den Werten und der Mission von Patagonia auszurichten. In diesem Sinne geht Suffizienzförderung nur, wenn alle an einem Strang ziehen: in unserer Forschung zeigt sich immer wieder, dass viele Menschen aber auch Unternehmen eine hohe Bereitschaft zur Suffizienz aufweisen. Sie haben verstanden, dass es dabei nicht primär um Verzicht geht, sondern um ein gutes Leben für alle.


[1] https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0272494421000487

[2] nachhaltige-digitalisierung.de

[3] https://journals.sagepub.com/doi/abs/10.1177/0276146719866238

[4] https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1002/cb.1855

[5] https://oekologisches-wirtschaften.de/index.php/oew/article/view/1786

Über die Interviewpartnerin
© Gordon Welters

Maike Gossen ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und Doktorandin an der TU Berlin in der BMBF-geförderten Forschungsgruppe „Digitalisierung und sozial-ökologische Transformation“. Ihre Forschungsschwerpunkte sind nachhaltiger Konsum, Suffizienz und Nachhaltigkeitsmarketing.

Buchrezension: “Kauf mich! Auf der Suche nach dem guten Konsum” von Nunu Kaller

In ihrem neuen Sachbuch “Kauf mich! Auf der Suche nach dem guten Konsum” – erschienen am 08. März 2021 im Kremayr & Scheriau Verlag – untersucht Bestsellerautorin Nunu Kaller verschiedene Facetten des Konsumierens und wie dies gesteuert werden kann. Wie beeinflusst die Industrie den menschlichen Kaufantreib und inwiefern entscheiden Kund*innen eigentlich noch selbst über ihn? Warum, was und wie kauft der Mensch? Die Autorin widmet sich u. a. dem Dopamin-High, das den Menschen bei der Schnäppchenjagd überfällt, entlarvt die verschiedenen Tricks von Supermärkten, wie sie Konsument*innen zum Kauf überreden und zerlegt die Greenwashing-Versuche der Modeindustrie. Sie tritt energisch dafür ein, dass Kund*innen nicht die Alleinverantwortung für nachhaltiges Konsumieren tragen, sondern die Industrie und der Markt verantwortungsbewusster mit ihrem Einfluss auf die menschliche Kaufpsychologie umgehen müssen. So malt Kaller ein fulminantes Bild rund um die Konsumpolemik mit dem Ausblick, dass zum einen die Politik und Wirtschaft gravierend zu einer Richtungsänderung beitragen müssen und zum anderen auch jede*r Einzelne sein/ihr eigenes Kaufbedürfnis reflektieren sollte. Schließlich könne man ihrer Ansicht nach niemanden in guten Konsum hinein “shamen”.

Nunu Kaller, die von 2014 bis 2019 als Konsument*innensprecherin bei Greenpeace arbeitete, möchte die Leser*innen nicht zum Nullkonsum bekehren, sondern ausgehend von der Tatsache, dass der Mensch konsumiert, die psychologische, biologische und wirtschaftliche Perspektive dieses Konsums beleuchten. Anhand ihrer Recherche soll die Leitfrage diskutiert werden, ob es “guten” Konsum überhaupt gibt und wie dieser gegebenenfalls aussieht. Im Vorwort gelungen hergeleitet begründet sie die eigene Motivation in ihrer Relevanz, zumal die Konsumdebatte in Zeiten der Klimakrise für Viele immer wichtiger wird. Schon mit den ersten Seiten spricht Kaller daher jenen Menschen aus der Seele, die sich bereits mit ökologisch nachhaltigem Konsum auseinandergesetzt haben, durch die Fülle an Informationen im World Wide Web zu diesem Thema jedoch verunsichert sind.

Du bringst Menschen dazu, ihr eigenes umweltschädliches Verhalten zu überdenken, wenn du ihnen zeigst, dass sie möglicherweise selbst, ganz direkt und unmittelbar, gefährdet sind.

Nunu Kaller, S.11

Kaller führt die Leser*innen anhand ihrer eigenen Gedanken durch 236 Seiten und veranschaulicht die gesammelten Fakten durch Anekdoten und Erfahrungen aus ihrem eigenen Leben sowie aus dem ihres privaten Umfelds. Die insgesamt sechs Kapitel widmen sich jeweils einer übergeordneten Frage und navigieren die Leser*innen anregend durch ihre Recherche. Beginnend mit dem ersten Kapitel “Warum kaufen wir?” geht die Autorin über zu der Feststellung “Man kann nicht nicht konsumieren” (Kapiel 2), um danach zu erörtern “Was machen die [Industrie und Werbung] mit uns?” (Kapitel 3) und “Was macht Konsum eigentlich wirklich mit uns?” (Kapitel 4). Nachfolgend (Kapitel 5) wird diskutiert, warum Konsum überhaupt schlecht ist, um im abschließenden Kapitel “Was ist denn nun ‘guter Konsum’?” alle Resultate zusammenzuführen. Die Überschriften sind aussagekräftig gewählt, jedoch wäre für das Motiv des Buches – die Suche nach “gutem” Konsum – eine darauf ausgerichtete Kapitelaufteilung sinnvoller. So würde das fünfte Kapitel “Warum ist Konsum eigentlich überhaupt schlecht?” einen guten Einstieg in die übergeordnete Fragestellung bilden. Durch Unterüberschriften, die die sechs großen Kapitel in thematische Blöcke einteilen, wird dem Buch eine stringente Struktur mit bündigen Überleitungen verliehen. Empfehlenswert wäre allerdings die Aufführung der Unterkapitel im Inhaltsverzeichnis gewesen, damit Fakten und Informationen gezielt nachgelesen oder gesucht werden könnten.

Kaller wirft unabhängig von den Kapitelüberschriften viele (moralische) Fragen auf, deren Beantwortung partiell den Leser*innen überlassen bleiben, wie zum Beispiel warum wir kaufen, obwohl uns die Produktionsbedingungen allgemein bekannt sind. Hierdurch tritt die Hauptfrage “Gibt es guten Konsum?” teils in den Hintergrund. Der/Die ein oder andere Leser*in wird sich deshalb zwischendurch bei der Suche nach dem Sinn hinter den gelesenen Seiten ertappen, jedoch schnell wieder zum roten Faden zurückfinden. Insgesamt zeigt die Autorin also überwiegend nachvollziehbar und schlüssig die facettenreiche Tragweite der Konsumthematik auf, wobei wenige Passagen, beispielsweise die Psychologie der Industrie, eine noch intensivere Erörterung verlangt hätten. Ihre Argumentation untermauert Kaller durch Quellenangaben verwendeter Artikel und Studien sowie weiterführender Literatur in Fußnoten, die für eine bessere Übersichtlichkeit in einem Quellenverzeichnis am Ende des Buches hätten zusammengetragen werden können.

Die offengelegten Fakten und Rechercheergebnisse unterstreicht die Autorin mit Humor und befreit sich durch ihre eher alltagssprachlich gehaltene Langage vom Stereotypen des anstrengenden Sachbuchs. Dass Nunu Kaller sich als leidenschaftliche Wienerin beschreibt, spiegelt ihre Schreibart wider: Als deutsche*r Leser*in stolpert man über österreichische Ausdrücke und schmunzelt über Begriffe wie “Sackerl” oder “Packerlsuppe”. Nur selten bleibt man an langen Sätzen hängen, deren Sinn sich jedoch nach erneutem Lesen zu entfalten weiß. Stilistisch liest sich das Buch flüssig, Rechtschreibfehler, die den Gesamteindruck trüben könnten, finden sich kaum. Kaller bedient sich dem Binnen-I, um mit ihrer Sprache Geschlechtergleichheit zu generieren. Dies ist für den Sprachwandel zu begrüßen, da das Gendern für weite Teile der Bevölkerung leider noch nicht selbstverständlich und nachvollziehbar geworden ist.

“Wir dürfen auch nicht zu streng mit uns sein. Ja, natürlich darf man hin und wieder sinnlosen Konsum genießen.”

Nunu Kaller, S. 224

Ihre Überzeugung, man könne niemanden in guten Konsum hinein “shamen”, führt insgesamt zu einem selbstkritischen und offenen Blick auf die Thematik, ausgehend von ihrer Person und ihrem Leben. Sie betont authentisch, dass sie sich von ihrer eigenen Konsumkritik nicht ausnehmen möchte und spielt ohne erhobenen Zeigefinger die Rolle des Vorbilds. Erfahrungsberichte, wie sie oder Freund*innen sich sinnlosem Konsum hingaben, rufen Sympathie für die Autorin hervor und führen zu einer größeren Identifikation mit dem Gelesenen. “Wenn Nunu Kaller es schafft, für sich die Bedeutung von ‘gutem’ Konsum zu erörtern und ihr Kaufbedürfnis demnach anzupassen, wieso ich nicht auch?” So schafft sie es, die Leser*innen zum Überdenken des eigenen Handelns anzuregen. Hierfür wäre am Ende des Buches eine Zusammenfassung der Möglichkeiten, wie man das eigene Konsumverhalten reflektieren könnte, als Wegweiser nützlich gewesen.

Im Gesamteindruck gewinnt Nunu Kaller die Leser*innen mit ihrem Charme und ihrer Authentizität. Revolutionäre Erkenntnisse bleiben aus, doch scheint dies auch nicht der Anspruch der Autorin zu sein. Viel mehr gibt sie verwirrten Konsument*innen, die sich weiter in Richtung Nachhaltigkeit orientieren möchten, eine Stütze im Informationswirrwarr. Erfrischenderweise begann Kaller ihre Recherchen vor der Corona-Pandemie und geht in ihrem Buch nur kurz auf die Veränderungen, die die Krisenzeit auf unseren Konsum ausübt, ein. Natürlich wäre die Erörterung im Lichte des Online-Shopping-Hochs überaus interessant, doch stellt ihre Forschung dadurch eine angenehme Abwechslung zur aktuellen Berichtserstattung dar.

“Kauf mich! Auf der Suche nach gutem Konsum” ist eine Erinnerung für diejenigen, die bereits reflektiert und nachhaltig konsumieren, wieso sie dies tun und eine Aufforderung an diejenigen, die bereits “grün affin” sind, sich aktiv mit ihrem Konsum zu beschäftigen. Ihr Plädoyer für weniger Konsum und mehr Verantwortung mit dem nachhaltigen Grundgedanken im Hinterkopf, weiß angesichts der ausgeprägten Stärken und wenigen Schwächen zu beeindrucken. Mit der richtigen Mischung aus Emotion, Sachlichkeit und Witz hält sie die Lesenden bei Laune und zeichnet ein Bild der Realität, bei dem man nicht sicher ist, ob man lachen oder lieber weinen möchte.

Über die Autorin

Copyright: Julius Hirtzberger

Nunu Kaller, geboren 1981 und seither leidenschaftliche Wienerin, absolvierte ein Studium der Publizistik, Anglistik und Zeitgeschichte. Nach zwei Jahren bei diepresse.com wechselte sie in die NGO-Welt. 2014 bis 2019 arbeitete sie als Konsument*innensprecherin bei Greenpeace. Seit Ende 2019 ist sie selbstständig als Autorin, Speaker, Beraterin und Initiatorin von nunukaller.com, einer Plattform, die heimischen Unternehmen im Corona-Lockdown zu Sichtbarkeit verhalf. Bei KiWi erschienen von ihr die Bestseller “Ich kauf nix!” und “Fuck Beauty!”.

„Raus aus der Kunststofffalle“ – E-Paper zur Plastikproblematik

Im E-Paper„Raus aus der Kunststofffalle“ von Juni 2020 plädiert die Deutsche Umweltstiftung für einen radikalen Wandel im Umgang mit Kunststoffen, stellt alternative Lösungen auf den Prüfstand und richtet konkrete Forderungen an die Politik.

Wir alle kennen die Bilder: Paradiesische Strände, an denen mehr und mehr Plastikmüll angespült wird, riesige Müllhalden, auf denen sich der Kunststoff meterhoch stapelt. Das Problem des Plastikmülls ist mittlerweile allgegenwärtig. Jeder Supermarktbesuch führt uns das vor Augen. Obst, Gemüse, Brot oder Käse – fast alles ist in Plastik verpackt. Dementsprechend ist es kaum verwunderlich, dass jede*r Deutsche im Jahr 2017 durchschnittlich 226,5 kg Verpackungsmüll verursachte.

Doch es gibt nicht nur diese offensichtlichen Auswirkungen auf die Umwelt. Kunststoff stellt aktuell in fast allen Bereichen des Lebens eine Gefahr für uns und unsere Umwelt dar. Kunststoffe sind ein Verpackungsmaterial mit hohen ökologischen Kosten, schlechter Klimabilanz und massiven Beeinträchtigungen für Umwelt und Gesundheit.

Kunststoff als Katalysator des Klimawandels

Der komplette Lebenszyklus eines Kunststoffproduktes verursacht laut des Center for International Environmental Law etwa 850 Millionen Tonnen Treibhausgase. Verantwortlich dafür sind vor allem fossile Brennstoffe, die Grundbestandteil der meisten Kunststoffe sind. Außerdem werden Treibhausgase freigesetzt, wenn Plastikteile im Meer dauerhafter Sonneneinstrahlung ausgesetzt sind. Des Weiteren zersetzen sich die Plastikartikel im Meer in kleinste Teile, sogenanntes Mikroplastik, das Mensch, Tier und Natur schadet.

Quelle: Dustan Woodhouse über Unsplash

Recyclingprozesse konnten die Plastikproblematik bisher nicht gänzlich lösen, das machen die großen Mengen Kunststoffmüll in der Umwelt deutlich. Insbesondere wenn Produkte aus Verbundstoffen statt aus reinem Kunststoff bestehen, gestaltet sich Recycling schwierig, da die Trennung der verschiedenen Stoffe zeitintensiv und teuer ist.

Auch sogenanntes Bio-Plastik als potenzieller Ersatz für umweltschädliche Kunststoffe weist Schwächen auf. So gilt die biologische Abbaubarkeit der Produkte häufig als kompliziert und durch die Produktion kann es zum Verbrauch wertvoller Lebensmittelressourcen kommen.

Vermeiden, Reduzieren, Ersetzen: Wege aus der Kunststofffalle

Was können wir nun also tun, um das Plastikproblem zu lösen? Vermeiden, Reduzieren und Ersetzen – diese Prämissen ebnen den Weg aus der Kunststofffalle.

Wie im E-Paper dargelegt, kann Plastikvermeidung im Alltag sehr einfach sein. Zum Baumwollbeutel statt zur Plastiktüte oder zur Mehrweg- statt zur Einwegflasche zu greifen, kann beispielsweise helfen, den Plastikverbrauch zu reduzieren.

Kunststoff kann außerdem hervorragend eingespart werden, indem der eigene Konsum reduziert wird. Das zeigt die unten dargestellte Anti-Verbraucher-Pyramide. Sie verkörpert den Suffizienzgedanken: Nicht immer muss alles neu gekauft werden. Wir können Energie- und Rohstoffverbrauch sowie Abfall reduzieren, indem wir darüber nachdenken, ob wir etwas nutzen können, das wir bereits besitzen. Ist das nicht der Fall, können wir es eventuell selbst machen, tauschen, leihen oder gebraucht erwerben. Dennoch wird sich das Neukaufen bestimmter Dinge nie gänzlich vermeiden lassen. Daher beleuchtet das E-Paper die Vor- und Nachteile von Substitutionsprodukten für Kunststoffe wie Wellpappe oder Glasbehälter.

Die Anti-Verbaucher-Pyramide zeigt, wie Suffizienz im Alltag möglich ist.

Die Deutsche Umweltstiftung legt im E-Paper folgende Forderungen an die Politik dar:

  • Gestaltung der Rahmenbedingungen, die einen Wandel in Produktion, Verbrauch und Entsorgung ermöglichen
  • Schaffung finanzieller Anreize für Unternehmen, damit eine Umstellung auf Wellpappe oder andere Alternativen gelingt
  • Ausbau der Forschungsförderung
  • Spürbare Besteuerung der Kunststoffverpackungen
  • Ausweitung des EU-Verbot für Plastikeinwegprodukte auf alle Plastikprodukte für die es eine Alternative gibt
  • Bis 2025 30 Prozent der Kunststoffverpackungen durch umweltfreundliche Alternativen ersetzen

Alle Forderungen der Deutschen Umweltstiftung sowie weiterführende Informationen findet ihr im E-Paper.

Quellen:
Center for International Environmental Law (2019): „Plastic & Climate: The Hidden Costs of a Plastic Planet”. URL: https://www.ciel.org/plasticandclimate.
Deutschlandfunk (31.10.2018): Plastikmüll im Meer verursacht Treibhausgase. URL: https://www.deutschlandfunk.de/kli-mawandel-plastikmuell-im-meer-verursacht-treibhausgase.676.de.html?dram:article_id=431970.
Umweltbundesamt (18.11.2019): Verpackungsverbrauch im Jahr 2018. URL: https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/verpackungsver-brauch-im-jahr-2017-weiter-gestiegen.
Umweltbundesamt (2014): „Abfälle im Haushalt: Vermeiden, Trennen, Verwerten“. URL: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikationen/uba_abfall_web.pdf.
Umweltbundesamt (2017): „Tüten aus Bio-Plastik sind keine Alternative“, URL: https://www.umweltbundesamt.de/themen/tueten-aus-bioplastik-sind-keine-alternative
Abfallvermeidungsprogramm“, Broschüre des BMU, https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Pools/Broschueren/abfallvermeidungsprogramm_bf.pdf.
Verbraucherzentrale (2018): „Gefahren für die Gesundheit durch Plastik“. URL: https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/umwelt-haushalt/wohnen/gefahren-fuer-die-gesundheit-durch-plastik-7010.

Black Friday – Der alljährliche Konsumwahnsinn

Bild von ElisaRiva auf Pixabay

Der Freitag nach Thanksgiving ist für viele Menschen ein Tag des extremen Konsums geworden. Ursprünglich aus den USA kommend, gibt es den Black Friday seit einiger Zeit auch in Deutschland. Aus welchen Gründen genau der Tag entstanden ist und wieso er Black Friday heißt, ist nicht vollständig belegt. Oft wird auf die Geschäftsinhaber verwiesen, die nach Thanksgiving endlich wieder schwarze, statt rote Zahlen schrieben. Offensichtlich waren die Verbraucher durch den Feiertag und das anstehende Weihnachtsfest, zu einem höheren Konsum bereit. Eine andere Erklärung für den Black Friday stammt aus Philadelphia in den 50er Jahren. Dort sollen Polizisten das durch Touristen und Shopper entstandene Chaos in der Stadt am Tag nach Thanksgiving, als Black Friday bezeichnet haben. Diese konnten sich den Tag nicht freinehmen und mussten oft extra lange Schichten arbeiteten, um die wegen dem Army-Navy football game in die Stadt gekommen Menschenmassen, unter Kontrolle zu bringen. (Pruitt, 2015)

Eine fundierte Erklärung und Rechtfertigung für den übermäßigen Konsum an diesem Tag, gibt es demnach nicht. Sicher ist jedoch, dass der Black Friday nicht ohne erhebliche negative Auswirkungen auf Natur, Umwelt und Produzenten stattfinden kann. Denn das Prinzip ist einfach: Anbieter werben mit Schnäppchen-Preisen, reduzierter Ware und „Top-Deals“, die es im restlichen Jahr nicht gibt. An jeder Ecke wird zu einem ausnahmslosen Konsum aufgerufen und die Verbraucher kaufen und bestellen reichlich. Im letzten Jahr gaben Bürger aus Deutschland an, im Schnitt 200 Euro am Black Friday ausgeben zu wollen. (Rabe, 2019) Die größten Verkaufsbereiche sind hierbei Mode und Accessoires, Kosmetika und Drogerieartikel, sowie technische Haushaltsgeräte. (Suhr, 2019) Der Umsatz am diesjährigen Black Friday und Cyber Monday, soll laut Handelsverband Deutschland bei 3,1 Milliarden Euro liegen. Das ist eine Steigerung von 22 % im Vergleich zum Vorjahr. (IFH Köln, 2019)

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Dieser Konsumwahnsinn endet zum Großteil in unbedachten Käufen von Dingen, die wir eigentlich gar nicht brauchen. Die „Wegwerfgesellschaft“ findet einen weiteren Anreiz blind zu konsumieren- ohne Gedanken an mögliche Folgen. Denn für die billig Preise zahlen andere – die Löhne in den meisten Herstellungsfabriken sind sehr gering und Sicherheitsstandards selten gewährleistet. (Gmeiner, 2019) Viel Konsum bedeutet außerdem auch viel Verpackung und viel Müll. Deutschlands pro Kopf Verbrauch an Plastik- und Verpackungsmüll ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Ein wesentlicher Grund dafür sind Online-Einkäufe, die uns einschließlich hohem Emissionsverbrauch, bis vor die Haustür geliefert werden. Häufig werden diese Produkte wieder zurückgeschickt, woraufhin sie ungenutzt vernichtet oder weggeworfen werden. Die Greenpeace Sprecherin Viola Wohlgemuth, bezeichnet den Black Friday daher passend als „schwarzen Tag für die Umwelt“. (Miller, 2018)

Kauf Nix Tag” und “Whitemonday” – den Konsum in Frage stellen

Doch es gibt auch Bewegungen und Initiativen gegen den Massenkonsum. Der „Kauf Nix Tag“ wurde Anfang der 90er von Ted Dave in Vancouver ins Leben gerufen. Er findet am Samstag nach dem Black friday statt und ruft als Pendant dazu auf, einen Tag ohne Konsum zu verbingen. Im Mittelpunkt soll an diesem Tag der bewusste Umgang mit Ressourcen und unserer Umwelt stehen, sowie eine Infragstellung des eigenen Lebensstils: Brauche ich dieses Produkt wirklich? Kann ich mir es vielleicht ausleihen oder gebraucht besorgen?  Kann mich immaterielles nicht genauso glücklich machen? (Knirsch, 2008)

Der „White Monday“ ist eine neuere Bewegung aus Schweden, die Kreislaufwirtschaft und Kreislaufkonsum als Strategie sieht. Er findet seit 2017 am Montag vor dem Black Friday statt. Wege zum Teilen, Mieten, Reparieren, Recyclen, Leihen und Upcyclen werden von Organisationen, Influencern und individuellen Teilnehmern online und offfline verbreitet. Der Konsum wird hierbei nicht komplett ausgeschlossen, aber nur bereits im Kreislauf vorhandene Güter sollen konsumiert werden. (whitemonday.info)

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Es gibt ausreichend Gründe, den Black Friday dieses Jahr ausfallen zu lassen und im Gegenzug den eigenen Konsum zu betrachten. Dabei geht es nicht grundsätzlich um kompletten Verzicht, sondern viel mehr um die Frage, wie man konsumiert. Ein bewusster Umgang mit Produkten und ein gesundes Maß an Genügsamkeit, trägt nicht nur zum Klimaschutz bei, sondern reicht oft auch zum glücklich sein.

Quellen:
Gmeiner, E.: „Black Friday: Schwarzer Tag für nachhaltigen Konsum Transfair fordert ein verbindliches Lieferkettengesetz“ in: Internetseite Presseportal, 26.11.2019, URL: https://www.presseportal.de/pm/52482/4450536, Abgerufen am 27.11.2019
IFH Köln im Auftrag vom Handelsverband Deutschland: „Black Friday und Cyber Monday“ in: Internetseite Handelsverband Deutschland, 2019, URL: https://einzelhandel.de/blackfriday#pagetop, Abgerufen am 27.11.2019
Knirsch, J.: „Erde retten statt Konsumieren“, Hamburg, 11/2008, URL: https://www.greenpeace.de/sites/www.greenpeace.de/files/Kauf_nix_Tag_2008_0.pdf, Abruf am 27.11.2019
Miller, S.: „Nicht nur am „Black Friday“: Bestellen für den Müll“ in Internetseite: Greenpeace, Hamburg 16.11.2018, URL: https://www.greenpeace.de/presse/presseerklaerungen/nicht-nur-am-black-friday-bestellen-fuer-den-muell, Abruf am 27.11.2019
Priutt, S: „What’s the Real History of Black Friday?“ in: Internetseite History, 20.11.2018, URL: https://www.history.com/news/whats-the-real-history-of-black-friday, Abruf am 27.11.2019
Rabe, L.: „Durchschnittliche geplante Ausgaben pro Kopf am Black Friday in ausgewählten Ländern weltweit im Jahr 2018“ in: Internetseite Statista, 26.11.2019, URL:https://de.statista.com/statistik/daten/studie/943683/umfrage/durchschnittliche-ausgaben-am-black-friday-in-ausgewaehlten-laendern-weltweit/, Abruf am 27.11.2019
Suhr, F.: „Was die Deutschen am Black Friday kaufen“ in: Internetseite Statista, 26.11.2019, URL: https://de.statista.com/infografik/20107/meistgekaufte-produkte-am-black-friday-in-deutschland/, Abruf am 27.11.2019
Whitemonday, FAQ – Website, URL: https://www.whitemonday.info/about, Abruf am 27.11.2019