Studie zu Reboundeffekten im Verkehr

Nachhaltiges und umweltbewusstes Verhalten steht hoch im Kurs. Energie und Ressourcen zu sparen, ist dabei vielen Menschen ein wichtiges Anliegen. Sie ersetzen alte Elektrogeräte, verzichten auf eine Flugreise oder kaufen einen verbrauchsärmeren Pkw. Doch nicht immer nutzt das am Ende der Umwelt und erzeugt unter dem Strich einen ökologischen Nettogewinn. Wieso ist das so?

Der Rebound-Effekt: Mehr als nur ein Tennisbegriff

Der Grund dafür liegt in möglichen Rebound-Effekten. Diese treten auf, wenn die zunächst durch Maßnahmen eingesparten Ressourcen an anderer Stelle eingesetzt werden. Ersetzt bspw. die fiktive Person Paula ihr altes Auto durch einen neuen Wagen mit sehr viel weniger Kraftstoffverbrauch spart sie infolgedessen zukünftig viel Geld an der Zapfsäule und schont zugleich die Umwelt. Wenn sie nun dieses Geld jedoch dazu verwendet, um nach einer stressigen Arbeitswoche einen Kurztrip nach Amsterdam zu machen, den sie andernfalls nicht unternommen hätte, werden die erzielten Ressourceneinsparungen umgehend wieder aufgebraucht oder noch schlimmer: Am Ende wird sogar mehr verbraucht als vorher. Ein Phänomen, das in der Fachliteratur backfire genannt wird.

Lange Zeit wurden Rebound-Effekte in der Ökonomie vor allem theoretisch untersucht. Doch im Zuge der anhaltenden Nachhaltigkeitsdiskussion ist deutlich geworden, dass Rebound-Effekte real sind. Nicht immer werden sie so drastisch sein, wie in dem skizzierten Beispiel, doch das macht es nicht minder problematisch. Bspw. schalten Konsument*innen in dem Bewusstsein des hohen Stromverbrauchs ein altes Gerät konsequent aus, nutzen jedoch beim neuen stromsparenden Gerät dauerhaft den Standby-Modus oder lassen es gleich gänzlich in Betrieb.

In welcher Weise Rebound-Effekte im Bereich der Mobilität auftreten und Verhaltensveränderungen bzw. geänderte Konsummuster etwaige effizienzbasierte Einsparungseffekte (über-)kompensieren, wurde nun in einer Kurzstudie mit dem Titel „Rebound-Effekte in der Mobilität” untersucht.

Die Arbeit geht dazu zunächst theoretisch auf den Begriff „Reboundeffekt” ein. Dazu wird zwischen direkten, indirekten und makroökonomischen Ausprägungen unterschieden, die sich auf aggregierter Ebene ergeben. Sodann werden die drei allgemeinen Nachhaltigkeitsstrategien Effizienz, Konsistenz und Suffizienz auf den Verkehrssektor angewendet und mit den drei großen Stellschrauben für nachhaltigere Verkehrsstrukturen Vermeidung, Anpassung und Verbesserung verflochten. 

Praxisbezogene Ausführungen

Anhand von Falldarstellungen werden schließlich mobilitätsbezogene Reboundeffekte identifiziert und Strategien bzw. Maßnahmen abgeleitet, wie diese vermieden werden können. Dazu wird ein umfangreiches Set an politischen Steuerungsmaßnahmen in die Analyse einbezogen und vergleichend betrachtet. Es wird dabei deutlich, dass die Gefahr direkter oder indirekter Rebounds der berücksichtigten ökonomischen, regulatorischen und persuasiven Instrumente unterschiedlich stark ist und fallweise zu betrachten ist.

Besonders lesenswert ist die Studie durch ihre Aktualität – beispielsweise die Auseinandersetzung mit den ökologischen Folgen von Homeoffice oder der Nutzung von E-Autos. Zudem rückt im Gegensatz zu vielen anderen Veröffentlichungen die Nachhaltigkeitsstrategie „Suffizienz” stärker in den Fokus.

Die Kurzstudie steht hier kostenlos zum Download zur Verfügung.

Mobilität teilen – Ressourcen sparen

Trotz aller Bemühungen stellt uns der Verkehrssektor weiterhin vor ökologische Herausforderungen. Befürworter*innen der E-Mobilität versprechen sich nun von der Elektrifizierung des Verkehrs die Problemlösung. Doch ist ein „weiter so“ die Lösung oder braucht es ein grundsätzliches Umdenken? Eines, das nicht nur die rurale Mobilität stärkt, sondern zugleich den sozialen Zusammenhalt fördert. Wie dies gelingen kann, zeigt ein Projekt der Deutschen Umweltstiftung in Partnerschaft mit der Universität Kassel. Über eine digitale Mobilitätstafel können Bürger*innen Fahrgemeinschaften bilden und Hilfsangebote organisieren.

Projektleiter Michael Golze der Deutschen Umweltstiftung bei der Eröffnung der Mobilitätstafel in Kahl am Main.

In den vergangenen zehn Jahren wuchs die Anzahl zugelassener PKWs in Deutschland stetig. 2021 besaßen von 1000 Einwohner*innen im Schnitt 580 ein Auto, 2011 hatte die Pkw-Dichte bundesweit noch bei 517 gelegen. 

Trotz der öffentlichen Debatte über die Verkehrswende wird die Anzahl der PKWs auch zukünftig steigen. Sicherlich: Mit dem absehbaren Ende des Verbrennungsmotors werden diese zukünftig mit anderen Energiequellen – insb. elektrisch – betrieben werden (müssen). In der ersten Jahreshälfte 2022 betrug der Anteil von Autos mit ausschließlichem Elektroantrieb bei den Zulassungen bereits 13,6 Prozent oder in absoluten Zahlen ausgedrückt: 356.000 [7, 8]. 

Um das Ziel der Dekarbonisierung des Verkehrs zu erreichen, wird aus Sicht der Politik diese Zahl schnell ansteigen müssen. Immerhin sollen bis 2030 16 Millionen Verbrenner durch Elektroautos ersetzt werden [10]. 

Sind Elektroautos wirklich die Lösung?

Aber lösen Elektroautos wirklich die derzeitigen Probleme der Infrastruktur und die ökologischen Herausforderungen, vor denen unsere Gesellschaft steht? Durch eine Substitution von Verbrennern mit Elektroautos wird es weder weniger Staus in der Rush Hour geben, noch wird der Platzmangel in den Städten und Gemeinden verringert, denn auch Elektroautos benötigen Parkplätze. Einen Betrag zur Verminderung der Nutzungskonkurrenz verschiedener Verkehrsteilnehmer*innen leisten sie nicht. Vielmehr droht auch weiterhin eine Überlastung der Straßen.

Außerdem, wenn bis 2030 16 Mio. E-Autos auf deutschen Straßen rollen sollen, bedeutet es auch, dass diese produziert werden müssen. Die Herstellung elektrobetriebener Pkws verbraucht große Mengen an Ressourcen. Diverse seltene Erden werden u. a. für den Bau der Akkus gebraucht. Ihr Abbau findet zumeist unter menschenrechtlich kritischen Bedingungen statt und stellt eine ökologische Belastung dar [1, 2].

Out of the box gedacht

Dieser kurze Exkurs zeigt, dass unsere Probleme im Verkehrsbereich mitnichten nur durch einen Wechsel von Benzin zu Strom gelöst werden. Erfolgversprechender scheint es, individuell und gemeinsam als Gesellschaft umzudenken und neue Handlungsmöglichkeiten zu erschließen. Diese sollten nicht nur die Mobilität der Menschen sicherstellen, sondern auch vereinbar mit den ökologischen Grenzen unseres Planeten sein. Die Idee der Suffizienz, also die kritische Auseinandersetzung mit der Frage, welche Güter und Lebensweisen ein erfülltes und sinnstiftendes Leben ermöglichen, bietet an dieser Stelle wertvolle Anregungen.  

Sie lädt uns nicht nur dazu ein, die Notwendigkeit etablierter Verhaltensweisen oder den Mehrwert vermeintlich essenzieller Dinge kritisch zu hinterfragen, sondern betont zugleich auch die bisweilen vergessenen Vorzüge von Alternativen. 

Suffizienz – nur eine Möglichkeit in der Stadt?

Dies gilt grundsätzlich sowohl in den Städten als auch auf dem Land. Allerdings besteht ein wichtiger Unterschied: In vielen urbanen Räumen gibt es bereits heute eine Reihe alternativer Angebote, um die eigene Mobilität nachhaltiger und suffizienter zu gestalten. Aufgrund der vielfach kurzen Wege spielen Fahrräder dabei eine zentrale Rolle. Der Wechsel vom PKW auf das Bike schont nicht nur Ressourcen, sondern fördert die Gesundheit und – zugegebenermaßen an sonnigen und warmen Tagen stärker – das persönliche Wohlbefinden. Gemeinsam von der Hausgemeinschaft angeschaffte Sharing-Räder entrümpeln überfüllte Keller und gemeinsame Reparaturwochenenden fördern den sozialen Zusammenhalt. Größere Distanzen lassen sich problemlos mit Bus und Bahn in regelmäßiger Taktung erreichen und falls es doch mal ein Auto sein muss, stehen diverse Sharing-Anbieter schon bereit. 

Vergleichbares ist aufgrund der weiteren Distanzen auf dem Land trotz der rasanten Zunahme von E-Bikes nach wie vor schwierig umsetzbar. Zudem ist mit dem ÖPNV auch die zweite Alternative zum eigenen PKW in vielen ruralen Gebieten keine brauchbare Alternative (mehr), da sie schlicht unzureichend verfügbar ist. Häufig verbleibt das Auto somit als letzte Option [4, 5, 6]. 

Fahrgemeinschaften zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts

Wie man aus dieser vermeintlichen Not eine Tugend macht, zeigt eindrucksvoll die gemeinsam von der Deutschen Umweltstiftung und der Universität Kassel entwickelte Mobilitätstafel.

Sie wird aktuell in den drei bayrischen Gemeinden Schöllkrippen, Mömbris, Kahl am Main sowie dem sächsischen Netzschkau erprobt und erlaubt es Bürger*innen kostenlos Mitfahrangebote einzustellen und/oder wahrzunehmen. Dank der privaten Initiative der Bürger*innen entsteht auf diese Weise nicht nur eine bessere Anbindung an den ÖPNV in größeren Ortschaften und ein dichteres Mobilitätsnetz. Es werden außerdem doppelte, ressourcenintensive Wege und unnötige Alleinfahrten eingespart. Dies ist im Einklang mit der Forschung, die gerade in ländlich geprägten Räumen in der Bündelung von Autofahrten einen wirksamen Hebel zur Senkung von umwelt- und klimaschädlichen Emissionen sieht [4,9]. 

Weitere Funktionen auf der Mobilitätstafel unterstützen diese Stärkung des sozialen Zusammenhalts: So können Kulturschaffende auf aktuelle Veranstaltungen hinweisen und Fahrgemeinschaften organisiert werden, Mitbringangebote und -gesuche inseriert werden und Bürger*innen kostenlose Hilfsangebote auf der Plattform einstellen. 

Autos und Kompetenzen auf freiwilliger Basis teilen und einander helfen – auf diese Weise fördert die Mobitafel die Lebensqualität im ländlichen Raum. Sind Sie nun neugierig geworden, wie sie im Detail funktioniert? Dann schauen Sie sich doch einfach einmal an: Zur Mobitafel.

Quellen

[1] BGR (2021): Seltene Erden. Informationen zur Nachhaltigkeit. In: https://www.bgr.bund.de/DE/Gemeinsames/Produkte/Downloads/Informationen_Nachhaltigkeit/seltene_erden.pdf?__blob=publicationFile&v=3 (zuletzt aufgerufen am 09.12.2022). 

[2] BMUV (2020): Ressourcenbilanz: Welchen Rohstoffbedarf haben Elektroautos?. In: https://www.bmuv.de/themen/luft-laerm-mobilitaet/verkehr/elektromobilitaet/ressourcenbilanz (zuletzt aufgerufen am 09.12.2022).

[3] Europäisches Parlament (2019): CO₂-Emissionen von Pkw: Zahlen und Fakten (Infografik), in: https://www.europarl.europa.eu/news/de/headlines/society/20190313STO31218/co2-emissionen-von-pkw-zahlen-und-fakten-infografik (zuletzt aufgerufen am 07.12.2022).

[4] Kühl, Jana (2020): Gemeinsam fahren als Beitrag zur Mobilitätswende in ländlichen Räumen? Empirische Hinweise auf Potenziale und Grenzen, in: Tagungsband MobilEr 2020, Melanie Herget (Hrsg.), Braunschweig. 

[5] Schering, Johannes/Sandau, Alexander/Jahns, Martina/Samland, Ute/Theesen, Cedrik 2020: Mitfahren als Schlüssel zur Lösung von Mobilitätsproblemen im ländlichen Raum, in: Tagungsband MobilEr 2020, Melanie Herget (Hrsg.), Braunschweig. 

[6] Schröder, Annika (2021): Fahrradstraßen 2.0: Mehr Raum und Aufmerksamkeit für den Radverkehr in Münster. In: Deutscher Verband für Angewandte Geographie (DVAG), 2021, 45, 77-82.

[7] Statistisches Bundesamt (2022a): Presse. Pkw-Dichte im Jahr 2021 auf Rekordhoch, in: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/09/PD22_N058_51.html (zuletzt aufgerufen am 07.12.2022).

[8] Statistisches Bundesamt (2022b): Presse. Produktion von Elektroautos 2021 um 86 % gegenüber Vorjahr gestiegen, in: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/05/PD22_N030_51.html (zuletzt aufgerufen am 09.12.2022).

[9] Umweltbundesamt (2019): Fahrgemeinschaften verringern die Kosten und den CO2-Ausstoß, in: https://www.umweltbundesamt.de/umwelttipps-fuer-den-alltag/mobilitaet/fahrgemeinschaften#gewusst-wie (zuletzt aufgerufen, am 07.12.2022). 

[10] Umweltbundesamt (2022): Klimaschutz im Verkehr, in: https://www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr-laerm/klimaschutz-im-verkehr#pkw (zuletzt aufgerufen, am 09.12.2022).

Mobilität neu denken

Das Auto ist immer noch das beliebteste Fortbewegungsmittel – mal eben zum Bäcker, schnell zur Post und das zu jeder Tageszeit, wann immer es einem verlangt. Es überrascht daher nicht, dass es in Deutschland über 65 Millionen Autos gibt. 

Laut einer Erhebung des Statistischen Bundesamts im Jahr 2020 gaben 68 Prozent der Berufspendler*innen an, bei der Wahl des Beförderungsmittels zuerst auf das Auto zurückzugreifen – auch bei einem kürzeren Arbeitsweg. In einer Umfrage des Verbandes der Automobilindustrie gaben 76 Prozent der Befragten allerdings an, primär das Auto als Transportmittel zu nutzen. Es ist einfach am bequemsten und am schnellsten [6]. Die öffentlichen Verkehrsmittel nutzten hingegen nur 13 Prozent der Erwerbstätigen. Ähnlich sieht es beim Fahrrad als umweltfreundliche Alternative aus: Viele Wege ließen sich auch damit zurücklegen, jedoch fuhr nur jede*r zehnte Erwerbstätige regelmäßig mit dem Zweirad damit zur Arbeit [3,4]. Viele Bürger*innen greifen weiterhin in der Hoffnung auf das Auto zurück, die negativen Aspekte der Fortbewegung zu vermeiden, beispielsweise überfüllte Züge, häufiges Umsteigen oder unnötig längere Fahrtzeiten.

Verkehr einer Großstadt

Eine grundlegende Veränderung dieser Situation ist nicht zu erkennen: Vielmehr gab es bei den privaten Haushalten in den vergangenen zehn Jahre einen Trend zum Zweit- oder Drittwagen: Im Jahr 2010 kamen auf 100 Haushalte noch 102 Autos – im Jahr 2020 waren es ca. 108 Autos [3,4,5]. Verbrennermotoren machen den überwiegenden Anteil des Individualverkehrs aus. Demgegenüber mehren sich Stimmen, die mit Blick auf die deutschen Klimaschutzziele auf den großen Anteil von Kohlenstoffdioxidemissionen aus dem Verkehrssektor verweisen. 

Um die sich verschärfende Klimakrise einzudämmen, braucht es ein radikales, nachhaltiges Umdenken in der Bevölkerung und veränderte Mobilitätsstrukturen. Die Verwendung fossilbetriebener Verkehrsmittel trägt nicht nur dazu bei, die Klimakrise zu verschärfen, sondern verstärkt auch Gesundheitsrisiken, die durch die Emissionen von Stickoxiden, Feinstaub oder Kohlenstoffmonoxid im Straßenverkehr entstehen.

Weniger, ist mehr – auch in der Mobilität?

Eine weitere Herausforderung für eine nachhaltige Zukunft  in einer globalisierten Welt ist der anhaltend starke Konsum. Allerdings haben in den letzten Jahren erfreulicherweise viele Menschen angefangen, ihr Verhalten in dieser Hinsicht zu verändern. Sie achten nicht nur darauf, Ressourcen effektiver zu nutzen und sparsam einzusetzen, sondern auch weniger zu konsumieren.

Dieser Wandel auf der persönlichen Ebene, bei dem ein neues positives Gefühl der Genügsamkeit im Mittelpunkt steht, wird als Suffizienz bezeichnet. Übertragen wir das Konzept auf das Thema Mobilität, sollten wir darüber nachdenken, welcher Mobilitätsbedarf überhaupt nötig ist – und ggf. mit welchen Verkehrsmitteln er am besten gedeckt werden kann. 

Einer Veränderung der Mobilitätsmuster wohnen dabei ebenso positive Seiteneffekte inne, wie die starke Verwendung des PKW negative Implikationen mit sich bringt. Ein Spaziergang an der frischen Luft zum Supermarkt oder die Nutzung des eigenen Fahrrads zur Arbeit reduziert nicht nur die Treibhausgasemissionen, sondern fördert zusätzlich auch noch die eigene Gesundheit. Hinzukommt die voranschreitende Digitalisierung, die es ermöglicht, so manchen Weg überflüssig zu machen. So können nicht nur berufliche Meetings und Events, sondern auch gemeinsame Lerngruppen in der Schule oder Universität virtuell stattfinden. Gerade die Corona-Pandemie hat gezeigt, was digital möglich ist und welche Chancen sich daraus ergeben können. 

Dennoch sind persönliche Treffen immer noch die schönsten und um dorthin zu gelangen, bieten Sharing-Unternehmen eine gute Alternative zur Anschaffung eines eigenen Autos, Mofa, Motorrads, Fahrrads, Tret- oder E-Rollers. Diese können zeitgemäß und unkompliziert per App genutzt werden können. Stets bedeutet die gemeinsame Nutzung („Sharing“) eine bessere Auslastung vorhandener Güter und schont Ressourcen. 

Die Angebote werden dabei immer vielfältiger und besser verfügbar: Laut den aktuellen Angaben des Bundesverbands Carsharing stehen den Kund*innen dieser Dienste derzeit 26.220 Carsharing-Fahrzeuge zur Verfügung, welche auch immer häufiger genutzt werden [1]. Aber auch die Möglichkeit, sich bei Freund*innen, Bekannten oder der Familie ein Fahrzeug auszuleihen trägt zur Suffizienz bei. Und ist übrigens auch deutlich kostengünstiger.
Für nicht-motorisierte Fortbewegungsmittel wächst das Angebot und wurde jüngst auch um Möglichkeiten erweitert, mit denen auch größere Mengen transportiert werden können, wie das Beispiel der Lastenräder zeigt. Auch hier haben sich gerade in städtischen Regionen diverse Verleihdienste etabliert. 

Aber: Häufig haben vermeintlich ressourcenschonende Aktivitäten einen sogenannten Reboundeffekt. So erscheint beispielsweise das Streamen von Serien umweltfreundlicher als der Kauf von DVDs. Durch die Möglichkeit jederzeit Filme und Serien anzusehen, hat sich jedoch der durchschnittliche Filmkonsum pro Person erhöht – was zu einer Erhöhung im Stromverbrauch führte.

Dieser Effekt lässt sich aber auch in der Mobilität beobachten: Die Anschaffung eines energieeffizienteren Fahrzeugs kann beispielsweise dazu führen, dass Nutzer*innen längere Fahrstrecken zurücklegen (direkter Rebound-Effekt) oder die Ersparnisse für CO₂-intensive Flugreisen verwenden (indirekter Rebound-Effekt).

Effizienzsteigerungen können also bei Menschen zu Nutzungsveränderungen führen und bewirken, dass mögliche Einsparungen beim Einsatz von Ressourcen nicht voll ausgeschöpft werden. [7]

Mobilität im ländlichen Raum – große Hürden aber viele Lösungen

In städtischen Gebieten gehören diese Möglichkeiten mittlerweile zum alltäglichen Leben der Menschen dazu. Im ländlichen Raum ist der eigene PKW oftmals aber weiterhin unabdingbar, da es an Alternativen mangelt. Dort stößt der suffiziente Mobilitätsgedanke ganz schnell an seine praktischen Grenzen: Öffentliche Nahverkehrsangebote wurden ausgedünnt, sind häufig unzuverlässig und wenig attraktiv für jüngere Menschen. Fahrradwege sind, wenn überhaupt vorhanden, schlecht ausgebaut und die Wege sind lang. Als Konsequenz dieser Infrastruktur wird, neben dem ggf. elektrisch unterstützten Fahrrad, das Auto weiterhin die erste Wahl bleiben. Fahrgemeinschaften und der Ausbau des ÖPNV können hier Lösungen darstellen, um die Emissionen im Straßenverkehr zu reduzieren und darüber hinaus den Geldbeutel aufgrund geringerer Benzinkosten zu schonen. 

GREEN – eine Möbilitätstafel für den ländlichen Raum

Dieser Gedanke wird gegenwärtig auch im Projekt GREEN verfolgt. Das Vorhaben wird in Zusammenarbeit zwischen der Deutschen Umweltstiftung und der Universität Kassel realisiert und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Das Fördervorhaben legt seinen Schwerpunkt auf die Erprobung neuer digitaler Technologien auf der kommunalen Ebene zur Veränderung des Mobilitätsbewusstseins/-verhaltens bei gleichzeitiger Sicherung der individuellen Mobilität. Ziel ist es hierbei, u. a. Instrumente zu entwickeln, die Anreize für die Nutzung emissionsarmer Verkehrsmodi schaffen. Hierzu werden in den teilnehmenden bayrischen Kommunen Schöllkrippen, Mömbris, Kahl am Main und dem sächsischen Netzschkau digital gestützte Mobilitätsplattformen implementiert. Zusammen mit verantwortlichen Entscheider*innen wird ein zentraler Knotenpunkt bestimmt (z. B. ein Marktplatz oder eine örtliche Bushaltestelle), an dem eine digitale Mobilitätstafel angebracht wird.

Mitfahrtafel in einer Pilotkommune in Brandenburg

Sie ist mit einer Online-Anwendung verknüpft, in der Anwohner*innen einmalige und/oder regelmäßige private Mitfahrangebote eingeben können. Diese werden nicht nur in einem Online-Kalender angezeigt, sondern auch auf dem örtlichen Display selbst. Zum angegebenen Zeitpunkt fahren die Inserent*innen zur Mobilitätstafel und sammeln interessierte Mitfahrer*innen ein. So wird zukünftig die Bildung spontaner Fahrgemeinschaften erleichtert. In Kooperation mit lokalen Kulturstätten sollen auf dem Display zudem privat organisierte sowie arrangierte Fahrten zu den teilnehmenden Kulturstätten ermöglicht werden. Ziel ist es, den örtlichen Anwohner*innen einen verbesserten Zugang zu regionalen Kulturangeboten zu ermöglichen.

Technik allein löst das Problem nicht!

Suffizienz lädt uns ein, über unsere Bedürfnisse nachzudenken und diese auf kreative Weise zu befriedigen. Bezogen auf das Thema Mobilität bedeutet das, grundsätzlich über unsere Fortbewegung nachzudenken und zu hinterfragen, welche Wege notwendig sind. Dabei sollte auch betrachtet werden, welchen Mehrwert Entschleunigung bringen kann. Die voranschreitende Digitalisierung hat bspw. neue Möglichkeiten des Austauschs ermöglicht und macht so manche Fahrt überflüssig. 

Ob sich Konzepte wie die Mobilitätstafel im ländlichen Raum bewähren, wird sich zeigen. Es ist noch ein langer Weg, um etablierte Verhaltensroutinen zu ändern und die Mobilität nachhaltiger zu gestalten. Die vielerorts aufkeimenden innovativen Ideen und engagierten Menschen stimmen jedoch hoffnungsvoll, dass dies gelingen kann.

Quellenangaben 

[1] Bundesverband CarSharing, 2021: Aktuelle Zahlen und Fakten zum CarSharing in Deutschland. https://carsharing.de/alles-ueber-carsharing/carsharing-zahlen/aktuelle-zahlen-fakten-zum-carsharing-deutschland

[2] Deutschlandfunk, 2021: Steigende Benzinpreise: Es braucht einen Kulturwandel im Verkehrsbereich. https://www.deutschlandfunk.de/steigende-benzinpreise-es-braucht-einen-kulturwandel-im-100.html

[3] Statistisches Bundesamt, 2021: Pressemitteilung vom 15. September 2021: 68 % der Erwerbstätigen fuhren 2020 mit dem Auto. Abgerufen am 23.11.2021 von https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/09/PD21_N054_13.html

[4] Statistisches Bundesamt (2), 2021: Straßenverkehr: Dominanz des Autos ungebrochen. Abgerufen am 23.11.2021 von https://www.destatis.de/Europa/DE/Thema/Verkehr/Auto.html 

[5] Tagesschau, 2021: Zahl der Autos pro Haushalt nimmt zu. Abgerufen am 23.11.2011 von https://www.tagesschau.de/wirtschaft/pkw-zulassung-zunahme-101.html

[6] Verband der Automobilindustrie, 2021: Mobilität und Verkehr – So denkt Deutschland. Abgerufen am 23.11.2021 von https://en.vda.de/de/services/Publikationen/mobilit-t-und-verkehr-%E2%80%93-so-denkt-deutschland.html

[7] Das Umweltbundesamt, 2014: Rebound-Effekte: Ihre Bedeutung für die Umweltpolitik. Abgerufen am 23.11.2021 von https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Pools/Forschungsdatenbank/fkz_3711_14_104_rebound_effekte_bf.pdf

Wie Sie Energie sparen können – ein Gastbeitrag von Dr. Klaus Müschen

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Acht von zehn Menschen in unserem Land wissen, dass sie wegen des Klimawandels ihre Art und Weise zu leben ändern müssen. Alle und jede*r ist gefragt, wenn wir innerhalb von zwei Jahrzehnten keine fossilen Brennstoffe mehr verbrauchen wollen, um so das Klima zu schützen. Die Nutzung von Energie für alle menschlichen Aktivitäten ist ein zentraler Baustein. Für unser Verhalten gilt: „Weniger ist mehr!“  Und dies in allen Lebensbereichen – von der Arbeit über das Wohnen, den Transport, die Freizeit, den Konsum. Was ist zu tun? Gehen wir ins Detail.

Deutsche haben mit den größten ökologischen Fußabdruck auf unserem Planeten. Jede*r kann mithilfe eines CO2Rechners selbst herausfinden, wie sein/ihr Verhalten im Alltag, bei der Arbeit oder auf Reisen dabei wirkt.

Wohnen

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70% der Energie beim Wohnen werden für das Heizen verwendet. In jeder Wohnung können wir durch bewusstes Heizen und Lüften Energie sparen. Dazu sollten Fenster abgedichtet werden, Rollläden und Vorhänge nachts genutzt werden, um den Wärmeverlust zu mindern. Wichtig ist es, für die verschiedenen Räume die richtige Raumtemperatur zu finden. Das Umweltbundesamt empfiehlt für den Wohnbereich 20-22° C, für die Küche 18° C, für Schlafzimmer 17-18° C und für das Bad 22° C. Nachts sollte je nach Lebensrhythmus die Temperatur um 4-5° C abgesenkt werden.

Aber wie sind die Häuser beschaffen, in denen wir leben? Für Hauseigner*innen sind bauliche Maßnahmen sehr effektiv, um den Energieverbrauch zu senken. Eine gute Wärmedämmung sollte beim Neubau oder bei der Sanierung, ebenso wie ein effizientes Heizsystem möglichst mit erneuerbaren Energien  geplant werden. Hilfreich ist dabei die Unterstützung durch Energieberater*innen und die Hinweise auf entsprechenden Webseiten, z.B. auf der Internetseite von Blauer Engel.

Natürlich hängt der Energieverbrauch auch von der Fläche ab. Wie viel Quadratmeter braucht der Mensch zum Wohnen?  Seit den sechziger Jahren hat sich die Wohnfläche pro Person in Deutschland von 20 m² mehr als verdoppelt. Diese Entwicklung wirkt der steigenden Energieeffizienz entgegen. Und hier kann jede*r selbst durch die Wahl der Größe der Wohnung aktiv werden.

Ernährung

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Besonders klimaschädlich sind tierische Produkte wie Fleisch, Käse oder Butter. Gegenüber Rindfleisch wird bei der Produktion von Obst und Gemüse weniger als ein Zehntel an Treibhausgasen emittiert. Daher ist eine mediterrane Kost nachhaltiger mit sehr viel weniger Fleisch, viel Gemüse und wenig Kohlenhydraten. Noch nachhaltiger ist es, sich vegetarisch oder vegan  zu ernähren. Wichtig ist es ebenso, dass die Lebensmittel regional und saisonal erzeugt und genutzt werden. So werden große zusätzliche Transporte vermieden.

Mobilität

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Den Energieverbrauch im Verkehr beeinflussen wir am meisten durch Fernreisen, die gefahrenen Kilometer mit dem Auto sowie den Kraftstoffverbrauch der Verkehrsmittel. Technische Verbesserungen für die Energieeffizienz im Verkehr der letzten Jahrzehnte wurden durch mehr Verkehr und umweltschädlichere Formen konterkariert.

Nachhaltig mobil sein bedeutet, die Schädigung der Umwelt durch kohlenwasserstoffhaltige Treibstoffe und Ressourcenverbrauch so weit wie möglich zu reduzieren. Priorität hat der Umstieg auf den „Umweltverbund“: Busse, Bahnen, Fahrrad und Zu-Fuß-Gehen. Das Auto sollte so wenig wie möglich – wenn überhaupt vorhanden – benutzt werden.

In einem Modellversuch mit 32 Wuppertaler Bürger*innen  konnten zwei Drittel der Treibhausgase im Verkehr eingespart werden. Folgende Handlungsoptionen stehen zur Verfügung: Wege mit verhaltensbedingt geringem Emissionsfaktor zurücklegen, Wegelängen verkürzen, Wegeanzahl verringern. Die sparsamsten Teilnehmenden erreichten sogar eine Minderung der Treibhausgase von 90%.

Nun ist das Ergebnis des Modellversuchs nicht ohne Weiteres von einer Großstadt mit gutem Nahverkehr auf ländliche Regionen übertragbar.  Daher müssen auch dort die Rahmenbedingungen verbessert werden. Dieselben Regeln gelten gleichermaßen beim Reisen für die Verkehrsmittel. Für längere Reisen sollte die Bahn benutzt werden. Bleibe im Lande und genieße stressfrei den Urlaub.

Konsum

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Auch hier gilt „Weniger ist Mehr“. Es betrifft alle Kaufentscheidungen, die wir in unserem Leben treffen. Achten wir auf Langlebigkeit von Produkten, auf lokale und regionale handwerkliche Produktion, auf Energieeffizienz, Wiederverwendbarkeit und Recycelbarkeit.

Die Anti-Verbraucher-Pyramide von #kaufnix zeigt den richtigen nachhaltigen Weg auf für welches Produkt auch immer, Möbel, Haushaltsgeräte, Werkzeug, Kleidung,  täglicher Bedarf, usw..

Information und Kommunikation

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Unser Informationsverhalten hat sich in den letzten Jahren massiv verändert. Elektronische Medien werden häufiger verwendet, der damit erzeugte Energieverbrauch steigt immer stärker, aber wird meist nicht beachtet. Nicht nur bei den Endgeräten, sondern in der ganzen Nutzungskette von der Produktion über die Speicherung in Servern und die Verteilung im Netz.

Eine neue französische Studie weist nach, dass die Energieintensität jedes Jahr um rund vier Prozent zunimmt. Wir brauchen nicht nur effizientere Geräte, sondern auch ein geändertes Nutzungsverhalten und zusätzliche Anstrengungen, auf diese Techniken zu verzichten.

Ein Dilemma der „Weniger ist mehr“-Strategie ist der sogenannte Suffizienz-Rebound. Unsere Gesellschaft ist so reich, dass Verzicht oder Reduzierung von Aktivitäten in einzelnen Bereichen als Auslöser für Mehrkonsum in anderen Bereichen wirken kann. Es gilt also aufmerksam zu sein und zu bleiben, um die jeweiligen Auswirkungen unserer Handlungen zu bewerten.

Die Broschüre „Klimaneutral Leben“ des Umweltbundesamtes zeigt an Beispielen unterschiedlicher Lebensweisen, wie individuelle Einsparpotenziale genutzt werden können. Jede*r ist selbst verantwortlich für seinen/ihren ökologischen Fußabdruck!

Individuelle Entscheidungen ersetzen keine strukturellen Änderungen und umgekehrt. Beides ist notwendig. Daher müssen wir für den Klimaschutz auch politisch steuern durch  CO2-Steuer, Emissionshandel, EEG-Umlage, Plastikverbote, Tempolimit, Förderung von Power to X  oder Netzausbau. Aber das ist eine andere Geschichte.

Die Techniken sind vielfältig erforscht, es kommt darauf an, sie anzuwenden.

Über den Autor
© Klaus Müschen

Dr. Klaus Müschen arbeitet seit 40 Jahren im Klimaschutz und zur Energiewende. Von 2006 bis 2016 leitete er die Abteilung „Klimaschutz und Energie“ am Umweltbundesamt in Dessau. Davor leitete er seit 1989 das Referat Klimaschutz und Energieplanung/Informations-system Umwelt der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz des Landes Berlin. In dieser Zeit vertrat er Berlin im Aufsichtsrat der Berliner Energieagentur.  Nach dem Studium der Elektrotechnik und Sozialwissenschaften an der Universität Hannover promovierte er 1979 in Politischer Wissenschaft und Soziologie. Danach arbeitete er als Berufsschullehrer, als Hochschulassistent für Elektrotechnik an der Universität Hamburg und nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl am Öko-Institut in Freiburg zu Ausstiegsszenarien und zu Energiedienstleistungen.

Mobilitätssuffizienz: Möglichkeiten zur Treibhausgasreduktion – ein Gastbeitrag von Markus Profijt

Foto: Timelynx / Pixabay

Laut Klimaschutzplan will die deutsche Bundesregierung die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2050 um 80-95 % bezogen auf 1990 senken (BMUB, 2016, S. 7). Als wesentlicher Verursacher mit einem Anteil von 18,4 % emittiert der Verkehrssektor, diesem Plan konträr, im Jahr 2016 sogar 2 Mio. t Treibhausgase mehr als 1990 (UBA, 2017, S. 1 u. 4). Da technische Errungenschaften der letzten 26 Jahre hier keine Minderung herbeiführen konnten, stellt sich die Frage, ob ein geändertes Konsumverhalten dieses erreichen kann.

Als Nachhaltigkeitsstrategie kann die Suffizienz durch verändertes oder reduziertes Konsumverhalten und einen daraus resultierenden verringerten konsuminduzierten Ressourcen- und Umweltverbrauch die Schädigung der Umwelt vermindern. Als Lösungsbeitrag bisher wenig betrachtet wurde die Anwendung der Nachhaltigkeitsstrategie der Suffizienz auf das Mobilitätsverhalten. Eine Literaturrecherche ergab drei Möglichkeiten des suffizienten Mobilitätskonsums, die Inhalt der folgenden Arbeitsdefinition wurden.

Mobilitätssuffizienz ist eine Nachhaltigkeitsstrategie, die durch individuell genügsamen Mobilitätskonsum zu einer reduzierten Schädigung der Umwelt in Form von Ressourcen- und Energieverbrauch führt. Dafür stehen drei Handlungsoptionen zur Verfügung:

  • Wege mit verhaltensbedingt geringerem Emissionsfaktor zurücklegen
  • Wegelänge verkürzen
  • Wegeanzahl verringern

Treibhausgasreduktionspotenzial

Was kann Mobilitätssuffizienz zur Treibhausgasreduktion beitragen? Abbildung 1 zeigt das in der Fallstudie ermittelte Reduktionspotenzial. Im Durchschnitt erreichten die Proband*innen eine Minderung der Treibhausgase um 63,2 % im Vergleich zu Personen gleichen Geschlechts und gleicher Lebensphase. Selbst die sieben Teilnehmer*innen, die als Hauptverkehrsmittel (HV) ein Auto benutzten, schafften im Schnitt eine 41 %-ige Reduktion. Darüber hinaus zeigte das zum Vergleichsmaßstab emissionsniedrigste Proband*innendrittel, dass die Anforderung des Klimaschutzplans der deutschen Bundesregierung für 2050 im Bereich der Mobilität bereits heute zu erreichen ist. Ohne den Einsatz innovativer Effizienz– und Konsistenztechnik verursachten diese elf Proband*innen um 89,9 % geringere CO2eq Emissionen allein durch ihr individuelles Konsumverhalten.

Abb. 1: Mögliche CO2eq Reduktion durch Mobilitätssuffizienz

Quelle: Daten aus MiD 2008 für Kernstädte ohne Flüge (Follmer et al., 2010, TREMOD 5.62 (UBA, 2016) und o.g. Fallstudie; eigene Berechnung und Darstellung

Dass die Proband*innen zur Realisierung der Treibhausgasreduktionen nicht etwa zu Hause geblieben sind und auf Mobilität verzichtet haben, zeigt eine detaillierte Betrachtung der drei Handlungsoptionen aus der obigen Definition. In Abbildung 2 bilden die drei Umweltwirkungsparameter zur Berechnung der Treibhausgasemission gleichzeitig die drei Möglichkeiten zum suffizienten Mobilitätskonsum ab. Da diese in der Formel als Multiplikatoren verbunden sind, multipliziert sich die Wirkung bei kombinierter Nutzung.

Abb. 2: Formel zur Berechnung der Umweltwirkung der Mobilität

Quelle: Formel (Lambrecht et al., 2013, S. 65); eigene Auslegung und Darstellung




Abbildung 3 konkretisiert die Berechnung mit den für eine Probandin erfassten Werten. Der Vergleich mit den Durchschnittswerten von Personen gleichen Geschlechts und gleicher Lebensphase in Deutschland zeigt, dass selbst bei fast doppelt so hohen Mobilitätsaktivitäten (183,7 %) der für 2050 geplante Zielkorridor des Klimaschutzplanes erreicht wird, wenn die Wege mit verhaltensbedingt geringeren Treibhausgasemissionen (17,6 %) zurückgelegt werden und kurz genug sind (18,3 %).

Abbildung 3: Rechenbeispiel Handlungsoptionen der Mobilitätssuffizienz

Quelle: Formel  (Lambrecht et al., 2013, S. 65); eigene Auslegung, eigene Erfassung, Auswertung und Darstellung; Ungenauigkeiten resultieren aus Rundungsdifferenzen; Probandin_06

Handlungsoptionen

Insgesamt machen die Proband*innen von der Handlungsoption weniger Wege kaum Gebrauch, so dass sie die dargestellten Treibhausgasreduktionen ohne Minderung der Mobilitätsaktivitäten erreichen. Wie Abbildung 4 zeigt, war der durchschnittliche Weg der Proband*innen mit 6,3 km um 30 % kürzer als sonst in Wuppertal üblich. Das ist kein Zufall. Knapp die Hälfte der Proband*innen integriert gezielt Einkäufe oder Erledigungen in Wegeketten oder in einen Arbeits- oder Freizeitweg. Über ein Drittel der Proband*innen haben Wohn- oder Arbeitsort bewusst für einen kurzen Weg zur Arbeit und/oder zum Einkaufen gewählt. Von einigen Proband*innen wird der Zeitgewinn als Argument für kurze Wege hervorgehoben.

Abbildung 4: Durchschnittliche Wegelänge nach Wegezwecken

Quelle: (Hoppe & Woschei, 2012, S. 7 u. 32), Daten wurden nur für Normalwerktage erhoben; Suffizienzprobanden [Mo.-Fr.] eigene Erfassung, gerundete Werte und gesamt eigene Darstellung

Die Nutzung der Handlungsoption Wege mit verhaltensbedingt geringerem Emissionsfaktor zurücklegen zeigt Abbildung 5. Die Proband*innen sind 2,6 Mal seltener im Kfz unterwegs als der durchschnittliche Wuppertaler, dafür aber 2,7 Mal so häufig im Umweltverbund. Ein Drittel der Studienteilnehmer*innen gibt die Umweltfreundlichkeit des Verkehrsmittels als wesentliches Entscheidungskriterium an.

Abbildung 5: Modal-Split nach Verkehrsaufwand

Quelle: (Hoppe und Woschei 2012, S. 7 u. 29); Daten wurden nur für Normalwerktage erhoben; Kfz Fahrer Wuppertal beinhaltet 0,8 % motorisiertes Zweirad, Fahrrad Suffizienzprobanden beinhaltet 4,1 % Pedelec; Suffizienzprobanden [Mo.-Fr.] eigene Erfassung, gerundete Werte und gesamt eigene Darstellung

Motive

Welche Motivation führt zur Mobilitätssuffizienz? Nur eine Probandin sagt, sie besitze aus Kostengründen kein Auto, 27 Proband*innen haben ein ÖPNV-Abo. Konsumverweigerung und Geldmangel waren nicht als ausschlaggebende Gründe festzustellen. Stattdessen sagen zwei Drittel der Proband*innen, dass sie mit ihrer Art der Mobilität Lebensqualität gewinnen. Knapp ein Drittel der Proband*innen sagt, dass ihnen das Auto nicht fehlt oder sie es gar als Ballast sehen und die Autofreiheit genießen. Zwei Dritteln der Studienteilnehmer*innen bringt dieNutzung des Umweltverbundes Lebensqualität, sie resultiert entweder aus der Bewegung beim Radfahren und Zufußgehen oder aus der Freizeitqualität der Wege bei der ÖPNV Nutzung. Dort werden die Proband*innen chauffiert und können die Zeit nutzen zum Lesen, für Sozialkontakte, Landschaftsbeobachtung und sich „baumeln lassen“.

Wie kann man  den Studienteilnehmer*innen die Mobilitätssuffizienz erleichtern? Während nur 37 % der Deutschen 2010 innerhalb einer Woche mit wechselnden Verkehrsmitteln (Rad, öffentlicher Verkehr und/oder motorisierter Individualverkehr) unterwegs waren (Zumkeller et al., 2011, S. 57), waren dies bei den Proband*innen 81 %. Sie entschieden sich situationsspezifisch je nach Ziel, Wetter, Entfernung, zur Verfügung stehender Zeit oder Transportbedarf für das jeweils passende Verkehrsmittel oder deren Kombination. Zur Reduktion des dabei entstehenden Organisationsaufwandes wünscht sich die Hälfte der Proband*innen ein Verkehrsmittel übergreifendes Mobilitätssystem, das vorhandene Angebote räumlich (Umstiegspunkte) und digital (eine App für alles) zu einer integrierten Dienstleistung (Information, Buchung und Abrechnung) verknüpft. Dazu gehören nach Probandenwunsch auch Carsharing mit Standorten, die ca. 400 m vom Wohnort liegen, sowie ein System, das Mitfahrgelegenheiten vermittelt. Erst dadurch entsteht eine lückenlose Alternative zum eigenen Auto, welches meist die höchste Treibhausgasemission verursacht.

Mobilitätssuffizienz benötigt Angebote, sei es das beschriebene Mobilitätssystem, einen ausgeprägten ÖPNV oder die Infrastruktur von Rad- und Fußwegen. Als positives Beispiel schafft die Nordbahntrasse, eine im Jahr 2014 eröffnete 23 km lange Strecke, die abseits des Autoverkehrs für Radfahrer und Fußgänger quer durch Wuppertal führt, Möglichkeiten zur Mobilitätssuffizienz. Auf Grundlage einer repräsentativen Zählung wurde die Nutzung der Nordbahntrasse durch über 2 Mio. Menschen bereits für das Jahr nach ihrer Eröffnung prognostiziert (Behrens, ohne Jahr), und die Hälfte der Studienteilnehmer*innen schätzt ihren Wert für die eigene Selbstbeweglichkeit.

Fazit

Wie das Vorstehende zeigt, kann Konsumreduktion oder -verlagerung auch im Bereich der Mobilität sofort – ohne weiteres Warten auf technische Innovationen – zur Reduktion des Umweltverbrauches führen. Dabei benötigt suffizientes Verhalten im untersuchten Bereich der Alltagsmobilität keinen Aktivitätsverzicht und kann einen Zuwachs an Lebensqualität mit sich bringen, der nach Linz (2002, S. 13) einen gesellschaftlichen Wandel zu mehr Suffizienz erst ermöglicht.

Es ist an der Zeit, als Beitrag zur Lösung von Umweltproblemen mehr Suffizienz zu nutzen. Dazu benötigt es weitergehende Forschung, die den nicht repräsentativen Geltungsbereich der o.g. Ergebnisse auf breiterer Datengrundlage absichert und weitere Konsumbereiche betrachtet.

Design der Fallstudie

Mit einer gemischt quantitativen und qualitativen explorativen empirischen Forschung mit Fragebogen, Wegetagebuch und Interview wurden das spezifische Mobilitätsverhalten und der Bedarf suffizienz-orientierter Konsument*innen an für sie hilfreicher Infrastruktur und zusätzlichen Mobilitätsangeboten ermittelt. Als mobilitätssuffizient galten die 32 Proband*innen aufgrund ihrer – mit einem einwöchigen Wegetagebuch ermittelten – Alltagsmobilität, die zu unterdurchschnittlichen Treibhausgasemissionen im Vergleich zu Personen gleichen Geschlechts und gleicher Lebensphase führte. Die Vergleichsdaten entstammen der Verkehrsbefragung Wuppertal 2011 (Hoppe & Woschei, 2012) und MiD 2008 für Kernstädte >100.000 Einwohner*innen (Follmer et al., 2010). Ausgewählt wurden nur Proband*innen, die angaben, hauptsächlich Verkehrsmittel des Umweltverbundes zu nutzen. Sie wohnten in Wuppertal mit guter Nahversorgung und einem guten ÖPNV-Angebot. Trotzdem unterschieden sich die Proband*innen im jeweils genutzten Hauptverkehrsmittel: Fuß [7 Teilnehmer], Fahrrad [8 TN], ÖPNV [10 TN] und PKW [7 TN]. Dabei verfügten 27 Studienteilnehmer*innen über ein  ÖPNV-Abo und 20 hatten mindestens einen Pkw im Haushalt zur Verfügung. Auf Nachfrage gab nur eine Teilnehmerin an, aus Kostengründen kein Auto zu besitzen.

Literaturverzeichnis

  • Behrens, D. (econex verkehrsconsult gmbh, Hrsg.). (ohne Jahr). Nordbahntrasse Wuppertal: Rund 90 Millionen Nutzer in 30 Jahren. Zugriff am 16.04.2019. Verfügbar unter https://www.econex.de/index.php/aktuelles-leser/nordbahntrasse-wuppertal-rund-90-millionen-nutzer-in-30-jahren.html
  • BMU. (November 2016). Klimaschutzplan 2050 – Klimaschutzpolitische Grundsätze und Ziele der Bundesregierung. Zugriff am 16.04.1019. Verfügbar unter https://ec.europa.eu/clima/sites/lts/lts_de_de.pdf
  • Follmer, R., Gruschwitz, D., Jesske, B., Quandt, S., Lenz, B., Nobis, C. et al. (2010). Mobilität in Deutschland 2008 [MiD 2008]. Ergebnisbericht Struktur – Aufkommen – Emissionen – Trends (Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Hrsg.). : Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH; Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. Zugriff am 16.04.2019. Verfügbar unter http://www.mobilitaet-in-deutschland.de/pdf/MiD2008_Abschlussbericht_I.pdf
  • Hoppe, R. & Woschei, K. (2012). Verkehrsbefragung 2011. Stadt Wuppertal – Bericht. Verkehrsbefragung zum werktäglichen Verkehrsverhalten der Bevölkerung in Wuppertal 2011 (Stadt Wuppertal, Hrsg.). : Planungsgesellschaft Verkehr Köln. Zugriff am 19.01.2018. Verfügbar unter https://www.wuppertal.de/rathaus/onlinedienste/ris/vo0050.php?__kvonr=14290&voselect=8464
  • Lambrecht, U., Helms, H. & Dünnebeil, F. (2013). Steigende Umweltanforderungen – Was bedeutet dies für den Verkehr? In K. J. Beckmann & A. Klein-Hitpaß (Hrsg.), Nicht weniger unterwegs, sondern intelligenter? Neue Mobilitätskonzepte (S. 59–77). Berlin: Dt. Inst. für Urbanistik.
  • Linz, M. (2002) Warum Suffizienz unentbehrlich ist. In Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH (Hrsg.), Von nichts zu viel: Suffizienz gehört zur Zukunftsfähigkeit (S. 7–14).
  • UBA. (2016, 18. März). Vergleich der Emissionen einzelner Verkehrsmittel im Personenverkehr – Bezugsjahr: 2014. TREMOD 5.62. Zugriff am 21.03.2016. Verfügbar unter http://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/376/bilder/dateien/vergleich_der_emissionen_einzelner_verkehrsmittel_im_personenverkehr_bezugsjahr_2014.pdf
  • UBA. (2017). Klimabilanz 2016: Verkehr und kühle Witterung lassen Emissionen steigen. Zugriff am 16.04.2019. Verfügbar unter https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/479/dokumente/pm-2017-09_thg-nahzeitprognose_2016.pdf
  • Zumkeller, D., Kagerbauer, M., Streit, T., Vortisch, P., Chlond, B. & Wirtz, M. (2011, 02. Dezember). Deutsches Mobilitätspanel (MOP) wissenschaftliche Begleitung und erste Auswertung. Bericht 2011: Alltagsmobilität & Tankbuch. Zugriff am 16.04.2019. Verfügbar unter http://mobilitaetspanel.ifv.kit.edu/downloads/Bericht_MOP_10_11.pdf
Über den Autor
© Markus Profijt

Markus Profijt studierte Betriebswirtschaftslehre und Umweltwissenschaften und promovierte als externer Doktorand im Forschungsverbund des Wuppertal Instituts mit der Bergischen Universität Wuppertal am Fachzentrum Verkehr zum Doktor der Ingenieurwissenschaften.

Beim vorliegenden Text handelt es sich um Ergebnisse der Dissertation des Autors, die im oekom verlag unter dem Titel „Mobilitätssuffizienz. Grundlagen – Messung – Förderung“ erschienen ist.

Das Buch ist als kostenlose PDF-Version auch hier erhältlich.