Warum in die Ferne schweifen

Die Möglichkeit auf Reisen zu gehen, hat in unserer Gesellschaft einen hohen Stellen- und Statuswert, auf den wir nicht verzichten möchten. Deutsche unternahmen im Jahr 2017 circa 70 Millionen Reisen, die länger als 5 Tage dauerten- 50 Millionen davon ins Ausland. (UBA, 2019) Das derzeitige Tourismusmodell ist allerdings alles andere als nachhaltig, sondern geprägt von Kurzurlauben und Flugreisen. (Bah et al., 2017)
Für Natur und Umwelt bedeuten unsere Reisen viel Stress.  Durch An- und Abreise sowie vor Ort genutzte Verkehrsmittel, wird die Natur immens belastet. Die entstehenden Emissionen treiben den Klimawandel deutlich voran. Ein Kreuzfahrtschiff verbraucht zum Beispiel am Tag 476 850 kg CO2 – das ist so viel wie der Verbrauch von 83 678 Autos. (NABU, 2012) Generell sind 75% des Energieverbrauchs und der CO2 Emissionen einer Reise von der Wahl des Verkehrsmittels abhängig. (Gössling; Peeters, 2015)

Auch der Flächenverbrauch ist ein ernst zunehmender Aspekt. Immer mehr Gebäude werden für den wachsenden Tourismussektor gebaut. Durch die vermehrte Versiegelung von Flächen und Zerschneidung der Landschaft, kommt es zu Veränderungen im Wasser- und Bodenhaushalt, was das Risiko für Überflutungen erhöht. Außerdem reisen wir gerne in Länder, die im Sommer oft mit Wasserknappheit zu kämpfen haben. Der durch Touristen verursachte Wasserverbrauch verschärft diese Situation und es kann zu Konkurrenzen zwischen dem Trinkwasserbedarf der Bevölkerung, der Landwirtschaft und dem Tourismus kommen. Nicht selten verlangt es Maßnahmen, wie das energieintensive Aufbereiten von Meerwasser. (UBA, 2019)

Alternative Reisekonzepte: Slow Tourism

Es scheint daher nahezuliegen, die eigene Art des Reisens noch einmal zu überdenken. Das alternative Reisekonzept „Slow Tourism“ zielt auf bestimmte Verhaltensweisen von Reisenden ab. Im Fokus steht ein verändertes Verhältnis des Reisenden zu Zeit, Qualität und Ziel der Reise. Es soll nicht so viel wie möglich in kürzester Zeit gesehen, sondern vielmehr das Vorhandene betrachtet und genossen werden. (Nistoreanu et. al., 2011) Es handelt sich um eine umfassende Tourismuserfahrung, zu der auch Hin- und Rückweg maßgeblich beitragen. (Dickinson; Lumsdon, 2010) Ganz bewusst wird deswegen auf schnelle Transportmittel, wie Flugzeuge verzichtet und lieber Bahn, Bus oder Schiff gewählt. Die Reisedistanzen sind kürzer und die Aufenthaltsdauer an den Zielen länger. Land, Leute und Kultur können auf diese Weise vertieft kennengelernt werden. (Nistoreanu et. al., 2011) Der Begriff “Langsam” steht daher nicht für Faulheit, sondern kann vielmehr als Entschleunigung bezeichnet werden. (Sachs, 1993)

Bild von kewl auf Pixabay

Suffizienz und Nachhaltigkeit werden in dem Reisekonzept zwar nicht direkt angesprochen, die Verknüpfung ist jedoch deutlich. Alle Werte des “Slow Traveling” implizieren einen Abstand zu Konsum, Masse und Schnelllebigkeit. Ganz automatisch verringern sich die Emissionen, wenn man mit der Bahn statt mit dem Flugzeug reist, wenn man nahe Zielorte und die lokalen Speisen sowie kulturellen Angebote wählt. Die Umwelt profitiert vom “Slow Tourism”, ohne das dies das Hauptaugenmerk des Reisenden ist. (Schrader, 2017)
Dabei stützt sich “Slow Travelling” auf zwei Leitprinzipien:
1. Verbringe mindestens eine Woche am gleichen Ort.
2. Betrachte dein unmittelbares Umfeld. Konkret heißt das am gewählten Zielort anzukommen – nicht nur physisch, sondern auch mit dem Geist und allen Sinnen. (Nistoreanu et. al, 2011)

Die Natur in ihrer Fülle zu erfahren gelingt beim Wandern oder Radfahren ganz leicht. Egal ob Flüsse, Berge, Seen – durch das eigen gewählte Tempo wird die Reise zu einem selbstgestalteten Erlebnis. Apps wie “Komoot” bieten hierfür eine Vielzahl an Wander- und Radrouten an, die entweder vom Team selbst getestet oder von anderen Nutzern geprobt und bereitgestellt werden. Die Idee für das Start Up hatten 6 “Outdoor-Enthusiasten” aus Deutschland und Österreich. Seit 2010 kann man mit Karten und Navigationssystem der App, die verschiedensten Orte entdecken. Das Wahlgebiet kann einfach gesucht und die passende Route ausgewählt werden – wieso nicht mal nach Routen in der eigenen Heimat suchen? Wer weiß was es dort noch alles zu entdecken gibt… (komoot.com)

Bild von Free-Photos auf Pixabay

Quellen:
BAH, A. et al.: „Berlin Declaration on „Transforming Tourism“, 03/2017, URL: http://www.transforming-tourism.org/fileadmin/baukaesten/sdg/downloads/Berlin_Declaration.pdf, online, Abruf am 19.12.2019
DICKINSON, J., LUMSDON, L.: „Slow Travel and Tourism“, 01.01.2010, New York
Gössling, S., Peeters, P.: „Eine Bewertung der Ressourcennutzung des Tourismus – Szenarien einer nicht nachhaltigen Zukunft“, 18.09.2015, in Internetseite Tourism Watch, URL: https://www.tourism-watch.de/de/schwerpunkt/eine-bewertung-der-ressourcennutzung-des-tourismus, online, Abruf am 19.12.2019
Komoot newsroom- Webseite, URL: http://newsroom.komoot.com/?page=3, online, Abruf am 19.12.2019
NABU: „Luftschadstoffemissionen – Vergleich von Kreuzfahrtschiff und PKW“, 2012, URL: https://www.nabu.de/downloads/TabelleVergleichKreuzfahrschiff_Pkw.pdf, online, Abruf am 19.12.2019
Nistoreanu, P., Dorobantu, M., Tuclea, C.: „THE TRILATERAL RELATIONSHIP ECOTOURISM – SUSTAINABLE TOURISM – SLOW TRAVEL AMONG NATURE IN THE LINE WITH AUTHENTIC TOURISM LOVERS.“ 06/2011, in Journal of tourism no. 11, URL: http://www.revistadeturism.ro/rdt/article/view/67/38, online, Abruf am 19.12.2019
Sachs, W.: „Die vier E’s : Merkposten für einen maß-vollen Wirtschaftsstil“, 1993, in  Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH, URL: https://epub.wupperinst.org/frontdoor/deliver/index/docId/66/file/66_Sachs.pdf, online, Abruf 19.12.1019
Schrader, D.: „Suffizienz im und durch Tourismus – Gestaltungsmöglichkeiten einer Tourismustransformation durch produzenten und Konsumenten touristischer Leistungen“ , Bachelorthesis, Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geisling, 04.07.2017 URL: https://www.tourism-watch.de/system/files/migrated/bt_d._schrader_suffizienz_im_tourismus_-_kopie.pdf, online, Abruf am 19.12.2019
Umweltbundesamt: „Nachhaltiger Tourismus“, 12.12.2019, URL: https://www.umweltbundesamt.de/themen/wirtschaft-konsum/nachhaltiger-tourismus#textpart-1, online, Abruf am 19.12.2019

Die 2000-Watt-Gesellschaft der Stadt Zürich- Interview mit dem Umwelt- und Gesundheitsschutz

In Zürich ist der Wunsch nach einer nachhaltigeren Gesellschaft in der Gemeindeordnung verankert. Durch unterschiedliche Maßnahmen und Anreize der Stadtverwaltung, soll der Energieverbrauch der Bevölkerung verringert werden. Die Lebensqualität hingegen soll darunter nicht leiden. Tina Billeter erklärt wie dieses Modell funktioniert und was sich in Zürich dadurch verändert hat.

Der Weg zu einer suffizienten Gesellschaft

Deutsche Umwelstiftung: Sie wenden in Zürich das Modell 2000-Watt-Gesellschaft an. Um was genau handelt es sich und was sind die Ziele?

Tina Billeter: Die 2000-Watt-Gesellschaft ist ein energie- und klimapolitisches Ziel, um eine messbar nachhaltige und umweltfreundliche Gesellschaft zu werden. Dieses Ziel wurde bereits 2008 aufgrund einer demokratischen Volksabstimmung in der Gemeindeordnung der Stadt Zürich verankert. Konkret bedeutet es, dass der Primärenergiekonsum auf 2000 Watt pro Person und der Treibhausgasausstoss bis 2050 auf 1 Tonne pro Person und Jahr gesenkt wird. Energieeffizienz, erneuerbare Energien und die nachhaltige Ernährung werden gefördert; auf Atomkraft verzichtet.

Deutsche Umweltstiftung: In dem Ergebnisbericht „Suffizienz: Ein handlungsleitendes Prinzip zur Erreichung der 2000-Watt-Gesellschaft“ der Arbeitsgruppe Suffizienz, sprechen Sie darüber, dass Suffizienz neben Effizienz und Konsistenz einen erheblichen Einfluss auf die Realisierung der 2000-Watt-Gesellschaft hat. Wieso ist dies der Fall?

Tina Billeter: Im Masterplan Energie sind die drei handlungsleitenden Prinzipien festgehalten: Suffizienz, Effizienz, Konsistenz. Diese beruhen auf Analysen und Szenarien, die u.a. in der Roadmap 2000-Watt-Gesellschaft festgehalten sind: Sie zeigten, dass alleine mittels der zwei Stellschrauben Effizienz und Konsistenz die Ziele der 2000-Watt-Gesellschaft nicht erreicht werden können. Deshalb müssen wir verstärkt auf die Genügsamkeit setzen. Ohne Verringerung des Energie- und Ressourcenverbrauchs können wir den Primärenergiekonsum nicht auf 2000 Watt reduzieren und die Treibhausgasemissionen nicht in den Griff bekommen.

Deutsche Umweltstiftung: Wenn wir von Suffizienz sprechen, ist oftmals Verzicht gemeint. Wie kann der Begriff Verzicht, der in der Regel negative Konnotationen hervorruft, in die Gesellschaft getragen werden?

Tina Billeter: Zurzeit ist die Multifunktionalität im urbanen Kontext nicht negativ konnotiert. Sie zielt aber auf eine Mehrfachnutzung von limitierten Ressourcen und Räumen (z.B. Mindestbelegungsvorgabe in städtischen Wohnungen). Die ‘Stadt der kurzen Wege’ klingt ebenfalls nach Lebensqualität: Erholungsräume in unmittelbarer Umgebung, Einkaufsmöglichkeiten und Märkte in Gehdistanz, Arbeitswege per Fahrrad, Schulen und Bibliothek um die Ecke. Die Stadt versucht, suffiziente Massnahmen positiv erlebbar zu machen – ohne dies als Suffizienz direkt beim Namen zu nennen.

Deutsche Umweltstiftung: In welchen Lebensbereichen sollte Suffizienz Ihrer Meinung nach zuerst umgesetzt werden?

Tina Billeter: Wir müssen verstärkt auf Suffizienz-Massnahmen setzen, wo die grösste Treibhausgasreduktion bewirkt werden kann: Konsum, Gebäude, Mobilität.

Deutsche Umweltstiftung: Die Ziele der 2000-Watt-Gesellschaft sind schon seit gut zehn Jahren in der Stadtplanung verankert. Was hat sich seither getan? Welche Erfolge konnten erzielt werden?

Tina Billeter: Pro Person konnte in den vergangenen zehn Jahren der Primärenergieverbrauch um rund 20 Prozent auf 3500 Watt und der jährliche Treibhausgasausstoss um zehn Prozent auf 4.4 Tonnen reduziert werden. Wichtige städtische Strategien wie der Masterplan Energie, Masterplan Umwelt, Verkehr2025 oder die 7-Meilen-Schritte bezüglich Gebäude wurden zielkonform angepasst. Der Kommunale Richtplan ist erarbeitet; viele zertifizierte 2000-Watt-Areale wurden errichtet. Die Beschaffungskoordination sowie die Pensionskasse arbeiten mit strengen Nachhaltigkeitskriterien. Den Bürgern wird automatisch Ökostrom geliefert: nebst der Wasserkraft wird die Solar- und Windkraft gefördert. Das Kehrichtheizkraftwerk versorgt bereits Zehntausende von Wohnungen mit Wärme und Strom und das Fernwärmenetz wird erweitert. Erste stadteigene Gebäude wurden gemäss dem Label Minergie-P-Eco gebaut und produzieren mehr Energie als sie benötigen. Die Beratungsstelle Energie-Coaching begleitet Private beim Heizungsersatz respektive beim Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energieträger. Der Öko-Kompass berät KMUs im allen Umweltbelangen. Fuss- und Velowege sowie das öffentliche Verkehrsnetz werden stetig ausgebaut und attraktiver gestaltet. Der Erfolg ist sichtbar: Bereits mehr als die Hälfte aller Zürcher Haushalte besitzt kein Auto mehr.

Deutsche Umweltstiftung: Wie kann das Konzept von anderen Städten/Gemeinden adaptiert werden?

Tina Billeter: Das Bilanzierungskonzept ist öffentlich verfügbar. Die nationale Fachstelle 2000-Watt-Gesellschaft berät interessierte Gemeinden. Schweizweit wurden bereits 45 Gemeinden mit dem Label ‘Energiestadt Gold’ ausgezeichnet – sie alle befinden sich ebenfalls auf dem Weg zur 2000-Watt-Gesellschaft.

Über die Interviewpartnerin

©Tina Billeter

Tina Billeter, diplomierte Umwelt-Naturwissenschaftlerin ETH,  ist als Senior Projektleiterin Energiestrategie im Umwelt- und Gesundheitsschutz der Stadt Zürich tätig.

Black Friday – Der alljährliche Konsumwahnsinn

Bild von ElisaRiva auf Pixabay

Der Freitag nach Thanksgiving ist für viele Menschen ein Tag des extremen Konsums geworden. Ursprünglich aus den USA kommend, gibt es den Black Friday seit einiger Zeit auch in Deutschland. Aus welchen Gründen genau der Tag entstanden ist und wieso er Black Friday heißt, ist nicht vollständig belegt. Oft wird auf die Geschäftsinhaber verwiesen, die nach Thanksgiving endlich wieder schwarze, statt rote Zahlen schrieben. Offensichtlich waren die Verbraucher durch den Feiertag und das anstehende Weihnachtsfest, zu einem höheren Konsum bereit. Eine andere Erklärung für den Black Friday stammt aus Philadelphia in den 50er Jahren. Dort sollen Polizisten das durch Touristen und Shopper entstandene Chaos in der Stadt am Tag nach Thanksgiving, als Black Friday bezeichnet haben. Diese konnten sich den Tag nicht freinehmen und mussten oft extra lange Schichten arbeiteten, um die wegen dem Army-Navy football game in die Stadt gekommen Menschenmassen, unter Kontrolle zu bringen. (Pruitt, 2015)

Eine fundierte Erklärung und Rechtfertigung für den übermäßigen Konsum an diesem Tag, gibt es demnach nicht. Sicher ist jedoch, dass der Black Friday nicht ohne erhebliche negative Auswirkungen auf Natur, Umwelt und Produzenten stattfinden kann. Denn das Prinzip ist einfach: Anbieter werben mit Schnäppchen-Preisen, reduzierter Ware und „Top-Deals“, die es im restlichen Jahr nicht gibt. An jeder Ecke wird zu einem ausnahmslosen Konsum aufgerufen und die Verbraucher kaufen und bestellen reichlich. Im letzten Jahr gaben Bürger aus Deutschland an, im Schnitt 200 Euro am Black Friday ausgeben zu wollen. (Rabe, 2019) Die größten Verkaufsbereiche sind hierbei Mode und Accessoires, Kosmetika und Drogerieartikel, sowie technische Haushaltsgeräte. (Suhr, 2019) Der Umsatz am diesjährigen Black Friday und Cyber Monday, soll laut Handelsverband Deutschland bei 3,1 Milliarden Euro liegen. Das ist eine Steigerung von 22 % im Vergleich zum Vorjahr. (IFH Köln, 2019)

Bild von Andreas Lischka auf Pixabay

Dieser Konsumwahnsinn endet zum Großteil in unbedachten Käufen von Dingen, die wir eigentlich gar nicht brauchen. Die „Wegwerfgesellschaft“ findet einen weiteren Anreiz blind zu konsumieren- ohne Gedanken an mögliche Folgen. Denn für die billig Preise zahlen andere – die Löhne in den meisten Herstellungsfabriken sind sehr gering und Sicherheitsstandards selten gewährleistet. (Gmeiner, 2019) Viel Konsum bedeutet außerdem auch viel Verpackung und viel Müll. Deutschlands pro Kopf Verbrauch an Plastik- und Verpackungsmüll ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Ein wesentlicher Grund dafür sind Online-Einkäufe, die uns einschließlich hohem Emissionsverbrauch, bis vor die Haustür geliefert werden. Häufig werden diese Produkte wieder zurückgeschickt, woraufhin sie ungenutzt vernichtet oder weggeworfen werden. Die Greenpeace Sprecherin Viola Wohlgemuth, bezeichnet den Black Friday daher passend als „schwarzen Tag für die Umwelt“. (Miller, 2018)

Kauf Nix Tag” und “Whitemonday” – den Konsum in Frage stellen

Doch es gibt auch Bewegungen und Initiativen gegen den Massenkonsum. Der „Kauf Nix Tag“ wurde Anfang der 90er von Ted Dave in Vancouver ins Leben gerufen. Er findet am Samstag nach dem Black friday statt und ruft als Pendant dazu auf, einen Tag ohne Konsum zu verbingen. Im Mittelpunkt soll an diesem Tag der bewusste Umgang mit Ressourcen und unserer Umwelt stehen, sowie eine Infragstellung des eigenen Lebensstils: Brauche ich dieses Produkt wirklich? Kann ich mir es vielleicht ausleihen oder gebraucht besorgen?  Kann mich immaterielles nicht genauso glücklich machen? (Knirsch, 2008)

Der „White Monday“ ist eine neuere Bewegung aus Schweden, die Kreislaufwirtschaft und Kreislaufkonsum als Strategie sieht. Er findet seit 2017 am Montag vor dem Black Friday statt. Wege zum Teilen, Mieten, Reparieren, Recyclen, Leihen und Upcyclen werden von Organisationen, Influencern und individuellen Teilnehmern online und offfline verbreitet. Der Konsum wird hierbei nicht komplett ausgeschlossen, aber nur bereits im Kreislauf vorhandene Güter sollen konsumiert werden. (whitemonday.info)

Bild von Alexas_Fotos auf Pixabay

Es gibt ausreichend Gründe, den Black Friday dieses Jahr ausfallen zu lassen und im Gegenzug den eigenen Konsum zu betrachten. Dabei geht es nicht grundsätzlich um kompletten Verzicht, sondern viel mehr um die Frage, wie man konsumiert. Ein bewusster Umgang mit Produkten und ein gesundes Maß an Genügsamkeit, trägt nicht nur zum Klimaschutz bei, sondern reicht oft auch zum glücklich sein.

Quellen:
Gmeiner, E.: „Black Friday: Schwarzer Tag für nachhaltigen Konsum Transfair fordert ein verbindliches Lieferkettengesetz“ in: Internetseite Presseportal, 26.11.2019, URL: https://www.presseportal.de/pm/52482/4450536, Abgerufen am 27.11.2019
IFH Köln im Auftrag vom Handelsverband Deutschland: „Black Friday und Cyber Monday“ in: Internetseite Handelsverband Deutschland, 2019, URL: https://einzelhandel.de/blackfriday#pagetop, Abgerufen am 27.11.2019
Knirsch, J.: „Erde retten statt Konsumieren“, Hamburg, 11/2008, URL: https://www.greenpeace.de/sites/www.greenpeace.de/files/Kauf_nix_Tag_2008_0.pdf, Abruf am 27.11.2019
Miller, S.: „Nicht nur am „Black Friday“: Bestellen für den Müll“ in Internetseite: Greenpeace, Hamburg 16.11.2018, URL: https://www.greenpeace.de/presse/presseerklaerungen/nicht-nur-am-black-friday-bestellen-fuer-den-muell, Abruf am 27.11.2019
Priutt, S: „What’s the Real History of Black Friday?“ in: Internetseite History, 20.11.2018, URL: https://www.history.com/news/whats-the-real-history-of-black-friday, Abruf am 27.11.2019
Rabe, L.: „Durchschnittliche geplante Ausgaben pro Kopf am Black Friday in ausgewählten Ländern weltweit im Jahr 2018“ in: Internetseite Statista, 26.11.2019, URL:https://de.statista.com/statistik/daten/studie/943683/umfrage/durchschnittliche-ausgaben-am-black-friday-in-ausgewaehlten-laendern-weltweit/, Abruf am 27.11.2019
Suhr, F.: „Was die Deutschen am Black Friday kaufen“ in: Internetseite Statista, 26.11.2019, URL: https://de.statista.com/infografik/20107/meistgekaufte-produkte-am-black-friday-in-deutschland/, Abruf am 27.11.2019
Whitemonday, FAQ – Website, URL: https://www.whitemonday.info/about, Abruf am 27.11.2019

Unternehmerische Suffizienzstrategien am Beispiel von Premium Cola

Der deutsche Alt-Bundeskanzler Ludwig Erhard oder auch der englische Ökonom John Stuart Mill vertraten bereits vor gut 50 Jahren die Position, dass es eine Ära nach dem wirtschaftlichen Wachstum geben wird. Obwohl zu der Zeit Themen wie die Ressourcenknappheit, Umweltverschmutzung und Überproduktion noch nicht dieselbe Dringlichkeit hatten wie heute, waren sich beide Vordenker darin einig, dass das menschliche Miteinander, sowie soziale und geistige Werte eine Art Renaissance erleben würden und Wohlstand nicht mehr durch materielle, sondern vorrangig durch immaterielle Werte erreicht wird. Schon damals sahen sie als große Schwäche im Wirtschaftssystem, dass die Menschen intrinsisch andere Bedürfnisse haben als die, die Werbung uns zu verkaufen versucht, was früher oder später zu der Erkenntnis führt, dass Konsum uns nicht langfristig glücklich machen kann.

Photo: RikaC auf Pixabay

Wir werden sogar mit Sicherheit dahin gelangen, daß zu Recht die Frage gestellt wird, ob es noch immer richtig ist, mehr Güter, mehr materiellen Wohlstand zu erzeugen, oder ob es nicht sinnvoller ist, unter Verzichtleistung auf diesen „Fortschritt“ mehr Freizeit, mehr Besinnung, mehr Muße und mehr Erholung zu gewinnen.“
(Erhard, 1957, S. 233)

Sich mit weniger zufrieden zu geben scheint tatsächlich zurzeit im öffentlichen Diskurs stärker denn je in den Fokus zu rücken. Ausdrücke wie “Minimalismus”, “Cult of Less” oder “Voluntary Simplicity” werden immer häufiger in den Medien besprochen. Gemeint ist ein bewusster Konsum, Verzicht auf Übermäßigkeit und ein kritisches Hinterfragen der eigenen Verhaltensweisen. Immer mehr Menschen kehren dem “Feindbild homo-consumicus”, wie der Postwachstums-Ökonom Niko Paech es ausdrückt, den Rücken zu.

Angesichts dieser Tatsachen stehen Unternehmen im Zugzwang, um weiterhin überleben zu können. Die Forderungen an Unternehmen werden lauter, die Umweltbelastungen zu senken. Bisher war in dem Zusammenhang aber vor allem von Effizienz und Naturverträglichkeit die Rede (Palzkill-Vorbeck & Schneidewind, 2011). Doch nun, da die ökonomische Effizienz und Wachstum zunehmend an ökologische und soziale Grenzen stößt, wird die Rolle der Suffizienz in unternehmerischen Strategien immer größer.

Im Gegensatz zu einer ökologisch orientierten Effizienzstrategie, die einige Unternehmen im Zuge des Nachhaltigkeitsmanagements bereits implementiert haben und darauf abzielt, Umweltverbräuche bei der Produktion zu verringern, geht es bei Suffizienz primär um weniger Produkte. Diese Strategie beinhaltet immer zwei Seiten: erstens wird in der Tat weniger produziert und abgesetzt und zweitens werden diejenigen Produkte hergestellt, welche die Konsumierenden zu einem suffizienteren Lebensstil verhelfen sollen. Außerdem sollten sie das Potenzial haben, andere Produkte vom Markt zu verdrängen um so eine materielle Entlastung zu realisieren und den ökologischen Fußabdruck zu verkleinern. Das Konzept der Sharing-Economy liefert einen wichtigen Beitrag, um Produkte unternehmerisch zu entwickeln, die die individuelle Suffizienz unterstützen. “Die Entlastung vom Besitz von Produkten und die damit einhergehende „Entrümpelung“ der eigenen Konsumverhältnisse kann ein Beitrag für mehr Zeitwohlstand sein, den sich Unternehmen dann auch entlohnen lassen können”(vgl. Reichel, 2013).

Photo: Premium-Kollektiv

Die ökonomische Tauglichkeit von Suffizienzstrategien in Unternehmen wird von dem Getränkehersteller “Premium” bewiesen. Das Unternehmen hat sich seit der Gründung 1999 selbst keine ökonomischen Ziele gesteckt, was ein langsames Wachstum ohne Druck zur Folge hatte. Statt, wie sonst in der Branche üblich, für ihr Produkt zu werben, hat sich “Premium” auf die “word-to-mouth” Werbung verlassen, durch welche die Konsumierenden durch den Mehrwert des Produktes über den Kauf entscheiden sollen. Hinzukommt, dass eine Verhandlung auf Augenhöhe stattfindet, welche die Partizipation der Geschäftspartner*innen fördert und durch die Integration aller Stakeholder Transparenz ermöglicht (Haß, 2014). Ein gemäßigtes Wachstum, welches nicht wie sonst in der Nachhaltigkeitsdebatte auf Effizienz ausgelegt ist, sondern Suffizienz anstrebt, wird von den vier E’s: Entrümpelung, Entschleunigung, Entkommerzialiserung und Entflechtung begleitet (Schneidewind & Palzkill-Vorbeck, 2011).

Die Entrümpelung ist eine Vereinfachungsstrategie, welche die Reduktion auf weniger umfängliche Produktpaletten vorsieht und im Fall “Premium” zum Beispiel aufgrund von Kosten- und Umweltgründen die Flaschenetikettierung auf ein einziges Stück Papier in schlichtem Design reduziert. Außerdem besteht eine fast vollständige Ressourcenunabhängigkeit, da das Unternehmen nur aus Telefon und Laptop besteht und keine Investition in Bürofläche, Fahrzeuge oder Maschinen notwendig ist. Stattdessen werden für Logistik, Handel und Produktion selbständige Auftragnehmende engagiert, welche die nötigen Ressourcen zur Verfügung stellen ohne dass neue gekauft werden müssen.

Langsamer aber zuverlässiger, durch eine Entschleunigung des Wachstums kann sorgfältiger ausgewählt werden, mit wem gearbeitet wird. Der nächsthöhere Gewinn ist nicht das Ziel, “Premium” hat sich sogar eine jährliche Wachstumsgrenze von 10% gesetzt, was Pionierfehler vermeidet, da die Märkte langsamer erschlossen werden und somit negative Auswirkungen auf die Umwelt reduziert werden.

Die Entkommerzialisierung der Marke beinhaltet auch, dass negative Aspekte des Produktes, wie gesundheitliche Auswirkungen von einem zu hohem Cola- oder Bierkonsum, kommuniziert werden. Dadurch sollen zwei Effekte erzielt werden: Zum einen ein Verkleinerung des Gesamtmarktvolumens und eine gleichzeitige Vergrößerung des eigenen Anteils im Markt, was sowohl ökologische als auch ökonomische Vorteile bringt. Hinzukommt, dass alle Preise, also auch die Gehälter der Akteure in der Wertschöpfungskette in den Preis des Produktes einfließen und somit Konkurrenzdenken innerhalb der Kette vermieden werden.

Eine Entflechtung durch die Regionalisierung der Produktion, hat kürzere Transportwege zufolge, was nicht nur ökologische Vorteile hat sondern auch ökonomische. So würde sich der Transport von Glasflaschen bei längeren Strecken über 600 Kilometern nicht mehr lohnen.

Wie der Getränkehersteller “Premium” zeigt, lassen sich Suffizienzstrategien in den Kern eines Unternehmens integrieren und beweist somit, dass sich Wirtschaft und Moral nicht ausschließen. Letztendlich liegt ein Großteil der Verantwortung bei den Unternehmen, welche uns durch gezieltes Marketing davon überzeugen, Dinge zu konsumieren, um Bedürfnisse zu erfüllen, welche vielleicht nicht einmal vorhanden sind. Wenn ein Wandel der Gesellschaft zu einem Wohlstand durch immaterielle Dinge entstehen soll, dann reichen Effizienzstrategien nicht aus, sondern müssen mit Suffizienzstrategien ergänzt werden. Die gesamte Marktgröße kann durch Suffizienzansätze verringert werden und somit einen Beitrag für eine nachhaltige Entwicklung leisten.

Quellen

Erhard, L. (1957). Wohlstand für alle. Econ-Verlag
Haß, M. (2014). Unternehmerische Suffizienzstrategien im Spannungsfeld kompetitiver Wachstumsmärkte und Postwachstums-Debatten. Nürnberg.
Jackson, T. (2011). Wohlstand ohne Wachstum: Leben und Wirtschaften in einer endlichen Welt. Oekom-Verlag.
Reichel, A. (2013). Maß haltendes Wirtschaften in Betrieben: Das Geschäftsmodell des Weniger.
Schneidewind, U. & Palzkill-Vorbeck, A. (2011). Suffizienz als Business Case : nachhaltiges Ressourcenmanagement als Gegenstand einer transdisziplinäre Betriebswirtschaftslehre (Working Paper). Wuppertal: Wuppertal Inst. für Klima, Umwelt, Energie.

Ecoswaraj – Degrowth Konzepte in Indien

Die Idee von Degrowth beziehungsweise Postwachstum bezieht sich meistens auf die Länder des globalen Nordens. Die Industriestaaten sollen ihr Wirtschaftswachstum stoppen oder sogar umkehren, um die planetaren Belastungsgrenzen nicht zu überschreiten. In Ländern wir Indien oder China hat das starke Wirtschaftswachstum der letzten Jahrzehnte ebenfalls viele negative Auswirkungen, wie etwa die Zerstörung der Umwelt und eine sich verstärkende soziale Ungleichheit. Die reichen Menschen profitieren hauptsächlich vom Wirtschaftswachstum, während marginalisierte Gruppen ausgebeutet werden. Solange die Grundbedürfnisse vieler Menschen noch nicht gedeckt sind, können diese Probleme nicht alleine durch einen Stopp des Wirtschaftswachstum gelöst werden. Stattdessen muss das Konzept von Degrowth an die Länder des globalen Südens angepasst werden, wie das bei der “Radikalen Ökologischen Demokratie” in Indien geschah.

In Indien formierten sich in den letzten Jahrzehnten viele hunderte kleine bis große Bewegungen. Diese Initiativen bekämpfen einerseits Ungerechtigkeiten, wie etwa den Landraub durch große Unternehmen oder Frauenrechtsverletzungen. Andererseits zeigen sie andere Lebensentwürfe und positive Transformationen. Aus diesen Widerstands- und Wiederaufbaubewegungen entstand “Ecoswaraj” beziehungsweise die “Radikale Ökologische Demokratie”.

Landlose Dalits protestieren für ihre Rechte

Das Konzept “Swaraj” wurde durch Gandhi und die Unabhängigkeitsbewegung bekannt und bedeutet übersetzt Selbstverwaltung. Ecoswaraj greift dieses Konzept auf und erweiterte es durch ökologische Aspekte. Die wichtigsten Punkte der “Radikalen Ökologischen Demokratie” sind ökologische Nachhaltigkeit. Die Gesellschaft solle die planetaren Belastungsgrenzen nicht überschreiten und den natürlichen Kreislauf der Natur schützen. Außerdem ist das soziale Wohlergehen, soziale Gerechtigkeit und Geschlechtergerechtigkeit wichtiger Teil von Ecoswaraj. Soziales Wohlergehen bedeutet hierbei nicht eine Anhäufung des Wohlstands, sondern ein Zurückbesinnen auf alte indische Traditionen wie Genügsamkeit oder einen freiwilligen Minimalismus. Zudem spielt Selbstbestimmung eine wichtige Rolle, weshalb Entscheidungen durch direkte Demokratie gefällt werden. Die Wirtschaft wird ebenfalls demokratisiert, indem lokale Gemeinschaften Kontrolle über Ressourcen und Arbeitsmittel haben und lokales Wirtschaften priorisiert wird. Um Hierarchien zu vermeiden, wird auch Wissen geteilt und modernes und traditionelles Wissen gleichberechtigt behandelt.

Beispiele für “Radical Ecological Democracy” findet man in ganz Indien. Zum Beispiel ließen Kleinbäuer*innen in Andhra Pradesh und Telangana ökologische Landwirtschaft wieder aufleben, erreichten eine volle Ernährungssouveränität, kollektivierten Ressourcen und Arbeit und sicherten die Grundrechte aller Menschen in der Gemeinschaft. In Zentralindien gewannen Gemeinschaften wie die Mendha-Lekha Gemeinschaft die Kontrolle über die umliegenden Wälder zurück und initiierten eine nachhaltige Waldbewirtschaftung. Vom Verkauf von Bambus und anderen Waldprodukten profitierten die Bewohner*innen der Gemeinde und verbesserten die Stromversorgung. Zur “Ecoswaraj” Bewegung zählen zudem Bildungseinrichtungen, in denen Schüler*innen nicht nur modernes Wissen und Fähigkeiten erlernen, sondern auch mit ihren kulturellen und ökologischen Wurzeln verbunden bleiben sollen.

Die Mendha-Lekha Gemeinschaft in Maharashtra

Obwohl viele Bewegungen klein und zerstreut sind, konnten einige der Initiativen alternative Lebensweisen aufzeigen und die Politik beeinflussen. Zum Beispiel haben ein dutzend indische Bundesstaaten mittlerweile Förderprogramme oder Richtlinien bezüglich ökologischer Landwirtschaft initiiert. Diese Veränderung wurde durch Bäuer*innen angestoßen, die biologischen Anbau demonstrierten.

Europäer*innen könnte einiges von Radical Ecological Democracy lernen, zum Beispiel dass Suffizienz auch “bottom-up” organisiert werden kann. Viele Länder des globalen Nordens könnten die Prinzipen Freiheit, Selbstverantwortung und Autonomie stärker in ihre Politik einbinden. Außerdem sollten Personen von indigenen Traditionen und ihrer Art mit der Natur zu leben, lernen.

Quellen:
Kothari, Ashish (2016): Radical Ecological Democracy. Reflections from the South on Degrowth. URL: https://www.degrowth.info/wp-content/uploads/2016/06/DIB_RED.pdf