Rezension: „Lust auf Verzicht“

Der Wirtschaftswissenschaftler und Konsumforscher Ingo Balderjahn erkundet in seinem neuen Sachbuch „Lust auf Verzicht“ die gesellschaftliche und wirtschaftliche Rolle von Konsum bzw. Konsumverzicht. Frisch im Oekom Verlag  am 11. Januar 2024 erschienen, bietet es ein aktuelles Portrait des polarisierenden Themas ‚Verzicht‘ als Bestandteil von Klimaschutz. 

Meinungsumfragen zu Umwelteinstellungen zeigen in Deutschland hohe Zustimmungswerte zu Umwelt- und Klimaschutz auf. In der Praxis klafft jedoch häufig eine Lücke zwischen sozial erwünschten Lippenbekenntnissen über das eigene umweltbewusste Konsumverhalten und dem, was am Ende im Einkaufswagen landet – digital oder analog. In diesem Spannungsfeld beleuchtet der Autor, wie Konsumentscheidungen getroffen werden und warum ein sparsam gefüllter Einkaufswagen ein Gewinn für das Gemeinwohl sowie das persönliche Wohlbefinden sein kann.

Der rote Faden

Ausgangspunkt des 216 Seiten starken Buches ist der globale Klimawandel – eine existenzielle Bedrohung für das Leben, wie wir es kennen. Es wird das Dilemma beschrieben, zwischen Nachhaltigkeit und Wirtschaftswachstum entscheiden zu müssen ­– laut dem Autor ist aktuell nicht beides gleichzeitig möglich. Wenn wir unsere natürlichen Lebensgrundlagen erhalten möchten, ergibt sich daraus, dass eine Reduktion des mit Konsum einhergehenden Umweltverbrauchs unumgänglich ist. Das ist leichter gesagt als getan, findet Balderjahn und skizziert die Entstehung und persönliche Bedeutung von Konsummustern sowie die resultierende gesellschaftliche Verantwortung.

Im Anschluss schlüpft der Konsumforscher in die Rolle eines Ökonomen sowie eines Politikers und beschreibt ein aus seiner Sicht bisweilen verzerrtes Bild der beiden Akteursgruppen von Konsument*innen. Aber wie verhalten sich Konsument*innen wirklich? Was bewegt sie? Und was bedeutet dies für nachhaltigen Konsum? Die Ergründung dieser Fragen führt auf das große Thema des Konsumverzichts hin. Balderjahn beschreibt mögliche Motivatoren, selbstbestimmt auf Konsum zu verzichten und erkundet darunterliegende Werte und Einstellungen. Der Bedeutung des ‚Empowerments‘ auf dem Weg zum Konsumverzicht wird hierbei viel Platz eingeräumt. Doch auch ermächtigte Konsument*innen sind von zahlreichen Barrieren betroffen, die einem nachhaltigen Lebensstil im Weg stehen. Der Autor beschreibt diese Hindernisse ausführlich und liefert im abschließenden Teil des Buches einige Lösungsansätze zu deren Bewältigung.

Die mit aussagekräftigen Titeln untergliederte Kapitelstruktur bietet eine hilfreiche Orientierung, um sich in den Inhalten zurechtzufinden. Der rote Faden führt klar von einer Problemlage und deren Beschreibung hin zu Lösungsansätzen. Dabei zieht sich ein kritischer Tenor gegenüber dem immer noch vorherrschenden normativen Verständnis in der Wissenschaft vollständig rationalen Verhaltens ökonomisch denkender Individuen durch das gesamte Buch.

Perspektiven auf Konsum

Durch seine langjährige Forschungspraxis gelingt es dem Autor, wissenschaftliche Erkenntnisse zu Konsumentenverhalten in ein größeres Gesamtbild einzubetten. Stilistisch greift er hierbei vielfach auf Wiederholungen inhaltlicher Aspekte in unterschiedlichen Kontexten zurück. Dadurch entsteht einerseits eine Art nuancierter Rundumblick über die verhaltenswissenschaftlichen Hintergründe von Konsum, andererseits liest sich das Buch dadurch streckenweise etwas langatmiger. Sprachlich ist das Buch dennoch gut verständlich, da es keine Fachausdrücke voraussetzt, sondern sie als bewusstes Extra ergänzt und erklärt. Gelegentlich bringt die vereinfachte Ausdrucksart auch zunächst plakativ erscheinende Aussagen hervor, die jedoch anschließend erläutert werden:

„Nur ist die Quelle für Lebensglück nicht der Konsum, sondern der bewusste Verzicht darauf“ (Ingo Balderjahn, S. 137).

Ob Konsumverzicht nun in erster Linie mit persönlichen Vorzügen oder Entbehrungen einhergeht, wird im Buch der individuellen Situation und Wahrnehmung zugeschrieben. Jedoch wird die bereits im Titel erkennbare Einschätzung des Autors, dass ein bewusster Konsum nachhaltig glücklicher machen kann, ausführlich beschrieben und wissenschaftlich untermauert. Trotzdem wird nicht verkannt, dass bewusster Konsum auch seine Schattenseiten im persönlichen Komfort beinhalten kann. Mal stellen Aussagen die Vorzüge, mal die Kosten in den Vordergrund. Mit Lesen des Buches ergibt sich so trotz des lenkenden Titels ein differenziertes Gesamtbild.

Balderjahn legt dar, dass Bürger*innen verstärkt von der Politik gefordert und gefördert werden sollen. Eine politische Kommunikation, die Selbstverantwortung und Selbstbestimmung ermutigt, ist daher gefragt. Das Buch regt seine Leser*innen an, sich der Macht und Verantwortung des eigenen Konsums bewusst zu werden und ihre Dosierung zu reflektieren.

Fazit

„Lust auf Verzicht” richtet sich an alle Menschen, die offen sind, sich dem Thema Konsum aus einer kritischen, konsumwissenschaftlichen Perspektive zu nähern. Wer sich konkrete Hands-on Inspirationen für einen persönlich bewussteren Konsum erhofft, ist hier an der falschen Adresse. Die Umsetzung des Titels bleibt vorwiegend im abstrakten Bereich. Angehende Leser*innen sollten also Interesse an theoretischen Konzepten und den Erkenntnissen empirischer Studien mitbringen. Verzichtet wird dabei auf sprachlich hochtrabende Abstraktionen im Sinne eines niedrigschwelligen Einstiegs in komplexe Sachverhalte. Wer sich inspirieren lassen möchte, positive Betrachtungsweisen für das unbeliebte Thema Verzicht zu gewinnen, ist hier genau richtig.

Buchinformationen

Autor: Ingo Balderjahn
Titel: Lust auf Verzicht. Warum bewusster Konsum glücklich macht und dem Klima hilft.
Verlag: Oekom
ISBN: 978-3-98726-081-0
Softcover, 216 Seiten
Erscheinungstermin: 11.01.2024

 

Studie zu Suffizienz im Gebäudesektor

Deutschland hat sich ambitionierte Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsziele gesetzt. Um diese zu erreichen, werden in vielen Bereichen gegenwärtig vor allem Effizienz- und Konsistenzstrategien angewendet. Sehr viel seltener hingegen stehen suffizienzbasierte Ansätze im Fokus der Betrachtung. Dies ist im Gebäudesektor nicht anders, der ebenfalls vor erheblichen Herausforderungen wie dem anhaltend großen Flächenverbrauch oder der Umsetzung einer ökologisch- und sozialverträglichen Wärmewende steht. Die immense Sprengkraft letzterer zeigte sich zuletzt in der aufgeheizten Debatte um den vermeintlichen „Heizungshammer“.

Umso interessanter ist die bereits 2022 im Rahmen des Forschungsprogramms „Zukunft Bau“ vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Auftrag des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen durchgeführte Studie „Unterstützung von Suffizienzansätzen im Gebäudebereich“.

Ziel der Studie ist es, auf Basis einer Darstellung der Umweltauswirkungen des Gebäudesektors und der bisherigen Nachhaltigkeitsbemühungen unterschiedliche Suffizienzansätze im Gebäudebereich herauszuarbeiten und darüber hinaus Empfehlungen für die Gestaltung des politischen Rahmens zu geben. Sie beschränkt sich dazu vorrangig auf eine Betrachtung von Wohngebäuden mittels einer Lebenszyklusperspektive.

Konzepte zur Bewertung von Suffizienz

Begriffsklärungen in Verbindung mit der Einführung in analytische Konzepte zur Bewertung von Suffizienz im Gebäudesektor stellen den Ausgangspunkt der Betrachtung dar. Bezugnehmend auf die deutschen Nachhaltigkeitsziele werden Suffizienz, Konsistenz und Effizienz als einander ergänzende Nachhaltigkeitsstrategien vorgestellt. Entsprechend der Stoßrichtung der Arbeit wird Suffizienz an dieser Stelle am meisten Raum gegeben. Die Darstellung mehrerer methodischer Bausteine zum besseren Verständnis der folgenden Abschnitte komplettiert den Grundlagenabschnitt. Dazu gehören u. a. die Vorstellung einer entscheidungsunterstützenden Suffizienzpyramide zum Umgang mit Gebäuden sowie eine Systematik zur Berücksichtigung von Suffizienzstrategien in unterschiedlichen Themenfeldern wie bspw. Projektentwicklung, Gebäudestruktur oder -management.

Status quo des Gebäudesektors

Das zweite Kapitel widmet sich dem Status quo des Gebäudesektors. Dazu werden die Umweltauswirkungen in Form anfallender Treibhausgasemissionen und Ressourcenverbräuche sowie die strukturellen Entwicklungen im Gebäudesektor thematisiert. Deutlich wird an dieser Stelle, dass die aktuellen Nachhaltigkeitsbemühungen in vielerlei Hinsicht unzureichend sind und sich das Problem durch nachweisbare Reboundeffekte bspw. aufgrund steigender durchschnittlicher Raumtemperaturen noch verstärkt. Ursächlich sind dafür eine Reihe von Barrieren, deren Auswirkungen sodann dargestellt werden. Ehe das Kapitel mit einer Auswahl von best practices aus dem kommunalen Raum wie dem Züricher Ziel einer 2000-Watt-Gesellschaft endet, gehen die Autor*innen zunächst noch auf sozio-ökonomische und politisch-rechtliche Rahmenbedingungen ein. Dabei zeigen sie zum einen, dass eine Erklärung für den akuten Wohnungsmangel in vielen Städten auch in der gestiegenen pro-Kopf-Wohnfläche liegt. Zum anderen führen sie aus, dass in rechtlicher Perspektive Effizienz- und Konsistenzansätze weiterhin die dominanten Strategien darstellen und es vielfach an ökonomischen Anreizen zur Förderung/Unterstützung suffizienten Verhaltens fehlt.

Suffizienzpotentiale im Gebäudesektor

Auf Basis dieser umfangreichen Darstellung werden im dritten Kapitel modellbasierte Abschätzungen der Suffizienzpotentiale im Gebäudesektor präsentiert. Dazu werden Einsparmöglichkeiten hinsichtlich der Variablen Wohnflächen, Treibhausgasemissionen, Energiebedarf, Ressourcenbedarf sowie Flächeninanspruchnahme berücksichtigt. Die vorgestellten Rechnungen sind beeindruckend. Sie zeigen, dass der akute Wohnraummangel fast vollständig aus dem Bestand gedeckt werden könnte und Neubaumaßnahmen von marginaler Bedeutung wären. Neben Bauen im Bestand und umfangreichen Sanierungsmaßnahmen setzt dies jedoch auch eine bedarfsorientierte Bereitschaft zur Senkung der genutzten Pro-Kopf-Wohnflächen bspw. durch Wohnungstausch, Untervermietung oder Umzüge je nach Lebenssituation voraus.

Politikinstrumente zur Umsetzung und Verankerung von Suffizienzstrategien

Um die genannten Potenziale nutzen zu können, braucht es laut der Autor*innen Politikinstrumente, die die Umsetzung und Verankerung von Suffizienzstrategien im Gebäudebereich fördern. Ihren Vorschlägen zur Ausgestaltung etwaiger politischer Maßnahmen widmen sie das vierte und fünfte Kapitel. Dazu identifizieren sie zunächst die drei großen Maßnahmenbereiche „Kommunikation von Suffizienz“, „Förderung von Suffizienz in der Beratung, bei der Integration in die Planung und Maßnahmenumsetzung“ sowie „Impulse für die Integration von Suffizienzansätzen in rechtliche Rahmenbedingungen und bundesweite Standards“. Diese werden mit insgesamt acht konkreten Handlungsempfehlungen operationalisiert (Kapitel 4). Im fünften Kapitel werden sie exemplarisch anhand von Beispielen kombiniert, um mögliche Synergieeffekte mehrerer gekoppelter Instrumente zu verdeutlichen. So ließe sich aus Sicht der Autor*innen auf diese Weise bspw. eine ganzheitliche Bestandsentwicklung leichter erreichen. Diese sollte neben gezielten Förderungen für einen Um- statt Neubau auch verbesserte Rahmenbedingungen für die Erneuerung von Bestandsgebäuden, eine zielgruppengerechte Kommunikation und schließlich die Vorbildrolle des Bundes umfassen.

Die umfangreiche Studie steht hier kostenlos zur Verfügung.

Adieu Weihnachtsstress

Alle Jahre wieder ist es im Dezember so weit. Zum Ausklang des Jahres kommt zunächst die Adventszeit, gefolgt vom Großereignis Weihnachten. Besinnlichkeit, Barmherzigkeit, Solidarität, Nächstenliebe und soziales Miteinander – die Advents- und Weihnachtszeit bringen auch durch die Brille der Suffizienz betrachtet viel Gutes mit sich. Zugleich ist es jedoch auch immer eine der umsatzstärksten Zeiten des Jahres im Handel und viele Menschen wirken gestresster denn je. Es ist diese unnötige Diskrepanz, die im Folgenden näher betrachtet wird. 

Tradition Weihnachten   

Weihnachten ist ein fest verankerter Feiertag in unserer Gesellschaft und geprägt von Traditionen und Ritualen. Festlich geschmückte Fenster und Weihnachtsbäume, Lichterketten und Kerzen erhellen die Straßen und Wohnungen. Überall gibt es leckere Naschereien. Die Krippe mit den Figuren der Weihnachtsgeschichte wird aufgestellt und die Deko am Weihnachtsbaum verschönert den Raum. Die Pflege althergebrachter Traditionen sorgt für Vertrautheit und Gemütlichkeit. Doch das wirklich Besondere an der Weihnachtszeit ist das Soziale und die Gemeinschaft – die Zeit, die sich Familie und Freunde füreinander nehmen. Es vermag eine entschleunigende Zeit zu sein, mit gutem Essen, Weihnachtsfilmen, Gesellschaftsspielen und besinnlicher Musik.

Konsumstress und Ressourcenverschwendung

Doch allzu oft sieht es anders aus. Schuld daran ist nicht zuletzt der Shoppingstress. Dieser ließe sich natürlich am einfachsten vermeiden, wenn man auf Präsente gänzlich verzichten würde. Das wäre nebenbei auch sehr ressourcenschonend. Doch Geschenke an Weihnachten haben eine lange, gesellschaftlich fest verankerte Tradition, die aus dem christlichen Glauben resultiert und Wertschätzung und Nächstenliebe ausdrücken soll.

Insofern ist die weniger radikale Frage nicht ob, sondern wie bzw. was geschenkt wird. Dass dabei leider sehr häufig blinder Aktionismus gegenüber wohlbedachten Einkäufen den Vorzug erhält, zeigen die hohen Retourenquoten nach den Feiertagen. Das ist gleich in mehrfacher Weise kontraproduktiv: Den Schenkenden kostet es Zeit, Geld und Nerven, das Geschenk zu erwerben. Der Beschenkte freut sich nicht, ist möglicherweise sogar wegen des unpersönlichen Geschenks enttäuscht und hat am Ende seinerseits Stress beim Umtausch bzw. der Rückgabe. Oder noch schlimmer: Das Mitbringsel landet direkt im Müll. Und im Schatten leidet still die Umwelt aufgrund der immensen Ressourcen-verschwendung. 

Bewusst schenken

Was lässt sich nun tun, um dieses Dilemma zu lösen? Eine wertvolle Orientierung bietet an dieser Stelle die Suffizienzpyramide.

Auch an Weihnachten gilt mithin das Credo, möglichst wenig Neues zu kaufen. Falls es dennoch etwas Gekauftes sein soll, lohnt es sich vorher, das Geschenk abzustimmen. Das ist zwar weniger romantisch, da der Überraschungseffekt verschwindet, doch zugleich kommt es auch nicht zu „Fehlschenkungen“. Natürlich gilt auch in diesem Fall, dass viele Produkte ein zweites Leben verdienen und Second-Hand bzw. über Tauschplattformen erworben werden können. Bei Neukäufen sollte am Fest der Liebe noch mehr als sonst auf die sozialen und ökologischen Herstellungsbedingungen geachtet werden. Ein großer Bogen sollte auch um kurzlebigen Ramsch gemacht werden. Entsprechende Produkte sind häufig nicht reparierbar und haben nur eine kurze Lebensdauer, ehe sie im Müll landen. 

Noch besser ist es, Geschenke persönlich zu gestalten und dazu möglichst vorhandene Materialien zu verwenden. Das Internet wimmelt dabei nur so von Inspirationen und Bauanleitungen. Egal, ob es Backen, Heimwerken, Basteln oder Nähen ist – für jede Fähigkeit ist etwas dabei. Und ja: Es kann passieren, dass das Ergebnis am Ende nicht perfekt aussieht. Doch das ist ein geringer Preis dafür, dass es mit persönlichem Arbeitseinsatz für eine geliebte Person erstellt wurde. Mehr Wertschätzung geht nicht. Die Kirsche auf der Torte ist dann noch das nachhaltige Geschenkpapier.

Übrigens: Generell gilt, dass Zeit für viele Menschen in unserer hektischen Zeit das kostbarste Geschenk ist. Zudem können gemeinsame Aktivitäten häufig ressourcensparsamer gestaltet werden als herkömmliche Güter. Gemeinsame Ausflüge, Konzertbesuche oder ein raffiniertes Abendessen bescheren allen Beteiligten bleibende Erinnerungen und verstauben nicht im Regal. 

Weniger ist mehr

Zum Abschluss soll noch einmal der radikale Gedanke des Traditionsbruchs aufgegriffen werden. Mehr Menschen als man gemeinhin erwartet, teilen das Gefühl einer falschen Erwartungshaltung an Weihnachten und können dem Geschenkewahn wenig abgewinnen. Insofern lohnt es sich immer, bei einem gemeinsamen Abendessen den Vorschlag zu unterbreiten, zumindest einmal ein Weihnachten ohne Geschenke zu erproben. Als Zwischenschritt bzw. Kompromiss bietet sich auch Wichteln an. Hier schenken sich nicht alle gegenseitig etwas, sondern jede*r beschenkt nur eine andere Person. 

Der günstige Black Friday – mehr Schein als Sein?

Der Black Friday lockt auch dieses Jahr wieder mit vielen Angeboten und Schnäppchen. Der Konsumtag Ende November ist nun endgültig in Deutschland angekommen. Denn ursprünglich kommt der Black Friday aus den USA und findet immer am Freitag nach Thanksgiving statt. Woher die Bezeichnung „Black Friday“ kommt, ist jedoch nicht ganz geklärt. Eine Theorie ist, dass an diesem Tag durch den erhöhten Umsatz wieder schwarze Zahlen geschrieben werden und eine andere Theorie besagt, dass die Menschenmassen, die in die Geschäfte und Einkaufszentren strömen, aussehen wie eine große schwarze Masse. Hier in Deutschland ist der Black Friday ein relativ neues Phänomen, hat sich aber in den letzten Jahren großer Beliebtheit erfreut.

Im letzten Jahr haben die Ausgaben an den Aktionstagen Black Friday und Cyber Monday verglichen mit 2016 um fast vier Milliarden Euro zugenommen.

Doch wie viel kann man am Black Friday wirklich sparen? Und noch viel wichtiger: Wie stelle ich sicher, dass ich nur das kaufe, was ich auch wirklich benötige?

Gar nicht so günstig

Es gibt viele Annahmen und Behauptungen rund um den Black Friday und Konsum. An diesem Tag sollen die Rabatte und Angebote unschlagbar sein. Deshalb wird der Black Friday von vielen Menschen genutzt, um die ersten Weihnachtseinkäufe zu tätigen und die neuesten elektronischen Geräte oder Klamotten zu kaufen. Oft wird am Black Friday aber mit verschiedenen Marketingstrategien lediglich vorgegaukelt, dass es sich um einen unschlagbaren Preis handle, während das in der Realität gar nicht der Fall ist. 

Rabatte werden oft basierend auf der unverbindlichen Preisempfehlung (UVP) des Herstellers angegeben. Tatsächlich verlangen Händler selten diesen Preis. Stiftung Warentest hat 50 Elektroprodukte in 2019 über das ganze Jahr beobachtet und ermittelt, dass an Black Friday im Gegensatz zu allen anderen Tagen nur vier von 50 Produkten tatsächlich günstiger in den Verkauf gegangen sind.

Eines dieser Elektroprodukte waren Kopfhörer, die vom Händler mit einer UVP von ca. 400 Euro versehen worden sind. Tatsächlich werden sie jedoch im normalen Verkauf das ganze Jahr über für ca. 100 Euro weniger angeboten. Das heißt, ein Black Friday Rabatt von 25 Prozent wäre demnach gar kein Rabatt, verglichen mit dem alljährlichen Angebot.

Unterbewusste Kaufentscheidunge

Um den Kund*innen ein gutes Gefühl bei der Auswahl ihrer Produkte zu geben, nutzen Händler*innen oft einen einfachen Trick: Sie bieten drei Produkte des gleichen Typs in drei verschiedenen Preisklassen an. Das günstigere Produkt erscheint qualitativ zu niedrig und das teure Produkt ist den meisten Kund*innen zu teuer. Konsument*innen neigen dazu, den mittleren Preis zu wählen, da sie sich dadurch das beste Preis-Leistungs-Verhältnis erhoffen. Das ist vornehmlich auch das Produkt, was die Händler*innen verkaufen wollen.

Geschäfte und Unternehmen machen sich auch noch andere psychologische Tricks zunutze: Der Kauf eines reduzierten Artikels führt zur Dopaminausschüttung in unserem Gehirn und regt zu weiteren Schnäppchenkäufen an. Signalfarben animieren zusätzlich zum Kauf.

Ein Experiment zeigte, dass allein eine Signalfarbe – ohne Rabatt – zu mehr Umsatz führen kann. Es wurde ein gelbes Schild, auf dem stand „Ladendiebstahl wird verfolgt“, neben die Kasse an eine Auslage mit Bier gehängt. Daraufhin wurde viermal mehr Bier als sonst verkauft. Hier wurde die Farbe Gelb anscheinend unterbewusst mit „Angebot“ verknüpft und das Bier hat mehr Abnehmer*innen gefunden. Der Botschaft auf dem Schild wurde anscheinend keine Beachtung mehr geschenkt. Das kann zum Beispiel unter Zeitdruck passieren. Und je weniger Zeit wir haben, desto schneller greifen diese unterbewussten Mechanismen und bestimmen unsere Kaufentscheidungen.

Die Auswirkung des Onlinehandels 

Vor allem im Onlinehandel wird durch zeitliche und scheinbare materielle Limitierung eine Konsumdringlichkeit erzeugt, die die Kundschaft zum Kauf anregen soll. Die künstliche Verknappung der Güter erzeugt eine sogenannte „Fear of missing out“ – kurz auch „FOMO“ genannt. Betroffene Menschen haben Angst, etwas zu verpassen, wenn sie nicht zugreifen.

Ein beliebtes Instrument von großen Onlinehändlern sind Balken, die den relativen Bestand eines Produktes anzeigen. Absolute Zahlen werden dabei aber nicht genannt, also kann man als Konsument*in keine Schlüsse darauf ziehen, ob dieser Restbestand drei, 300 oder 3000 Produkte beträgt und hat permanent das Gefühl, dass man zuschlagen müsse. Gleiches gilt bei einem zeitlich limitierten Angebot. Insbesondere, wenn die vermeintliche Angebotsdauer sehr kurz ist, neigen Konsument*innen verstärkt zu Impulskäufen. Aber auch im stationären Handel sind „Limited Editions“ oder „Letzte Chance“-Angebote schon lange üblich. 

Besonders ärgerlich wird es auf persönlicher Ebene für Kund*innen, wenn obendrein Betrug im Spiel ist. Denn durch die Anonymität des Onlinehandels haben sich über die Jahre auch viele Fake-Shops etabliert. Sie verkaufen gefälschte oder gar nicht existierende Produkte und man wartet vergeblich auf sein Paket oder erhält zumindest nicht das, was man sich erhofft hat.

Darf ich am Black Friday kaufen?

Natürlich. Es liegt in der Natur der Sache, dass wir in Zeiten hochkomplexer Arbeitsteilung viele Güter für unser Wohlbefinden käuflich erwerben (müssen). Zwar mögen einige im Sommer Obst und Gemüse im Garten anbauen und im Winter Kresse auf der Fensterbank aussähen, doch die Wenigsten verfolgen mit gutem Grund ernsthaft den Anspruch einer autarken Subsistenzwirtschaft. 

Es geht daher nicht um die Frage, ob ich etwas am Black Friday kaufe, sondern vielmehr was und warum. In dieser Hinsicht unterscheidet sich der Black Friday übrigens gar nicht von allen anderen Tagen im Jahr. Wenn man z. B. sowieso ein Produkt benötigt und dieses am Black Friday günstiger bekommen kann, soll man diesen Kauf gerne tätigen. Jedoch gilt immer: Der nachhaltigste Kauf ist der, der gar nicht getätigt wurde.

Damit es dieses Jahr mit dem bewussten Konsum am Black Friday klappt, folgen abschließend nun noch fünf kleine Tipps:

  1. Eine vorgeschriebene Liste hilft, Spontankäufe zu vermeiden.
  2. Das benötigte Produkt kann vielleicht auch geliehen, gebraucht gekauft oder selbst gemacht werden. 
  3. Erkennen von Marketingstrategien hilft, nicht darauf hereinzufallen.
  4. Besondere Siegel und Zertifikate geben an, ob Produkte fair und nachhaltig produziert sind.
  5. Preisvergleiche mit dem mittleren Preis des Jahres decken auf, ob es sich um „wahre” Rabatte handelt.

Suffizientes Reisen

Reisen ist vielen Menschen eine Herzensangelegenheit und wichtiger Bestandteil der wiederkehrenden Jahresplanung. Mindestens einmal im Jahr, meistens deutlich häufiger, soll der Ausbruch aus dem Alltag für eine Erholung von Stress und Anstrengungen sorgen. Die globale Vernetzung in den letzten Jahrzehnten sowie sinkende Mobilitätskosten unterstützen diese „Hauptsache-weg-Mentalität“, sodass der Anteil an Auslandsreisen denjenigen von Inlandsreisen seit Jahren übersteigt. Damit einhergehend ist eine langfristige Zunahme von Flugreisen – einer im relativen Vergleich sehr ressourcenintensiven Fortbewegungsart. Gleichzeitig nimmt jedoch auch der Wunsch nach nachhaltigem Reisen zu. Nachfolgend wird dieses Bedürfnis aus einer Suffizienzperspektive erörtert.

Ein geschätztes Hobby

Reisen ist eine Form des Konsums, bei dem zur persönlichen Bedürfnisbefriedigung Ressourcen eingesetzt werden. Gleichzeitig schafft Urlaub aber auch Zufriedenheit. Er löst bei vielen Menschen Vorfreude und Glücksgefühle aus, kann Horizonte erweitern und Verständnis für andere Kulturen fördern. Reiseaktivitäten im Sinne des Umweltschutzes pauschal zu verteufeln, mag zwar dem einen oder der anderen in den Sinn kommen, schießt jedoch vermutlich über das Ziel hinaus und wirkt zudem realitätsfremd. Stattdessen bietet Suffizienz einen anderen Ansatz: Man sollte sich bewusster und reflektierter als bislang mit seinen Reisegewohnheiten auseinandersetzen. Doch was heißt das konkret?

Es muss nicht immer das andere Ende der Welt sein

Eine suffiziente Reiseplanung setzt zunächst eine bewusste und sachlich begründete Entscheidung für eine Reise anstelle einer spontanen Schnellschusshandlung voraus. Was erwarte ich mir vom Urlaub? Lassen sich diese Erwartungen nur an diesem Reiseziel erreichen oder auch woanders? Muss es die Fernreise sein oder erfahre ich möglicherweise die gleiche Bedürfnisbefriedigung auch im Rahmen eines regionalen Urlaubs? Diese Überlegungen stellen den ersten Schritt dar. Dabei ist es wichtig, sich ehrlich, umfassend und unverzerrt mit den (ökologischen) Implikationen einer Reise auseinanderzusetzen und Selbstbetrug zu vermeiden.

Neben den ökologischen Vorteilen einer Reduzierung von Flugstrecken und -reisen, so wie es ein Bericht des UBA über Suffizienzmaßnahmen vorschlägt, gibt es einige weitere Vorteile, die meist außer Acht gelassen werden. Ein Beispiel ist, dass die reine Flugzeit bei einer solchen Reise um die An- und Abreise zum Flughafen, die Dauer für Check-ins, die Gepäckaufgabe und -abholung u. v. m. verlängert wird. Besonders bei kürzeren Flugreisen bedeutet das einen erheblichen Zeitaufwand, der bei Urlauben in der Heimat wegfällt. Hinzu kommt, dass Studien bei Flugzeugreisen ein erhebliches Stresspotenzial feststellen, sodass die Reisestrapazen die vermeintliche Erholung zumindest teilweise mindern. Zu beachten ist jedoch auch, dass grüne Alternativen wie Fernzüge ebenfalls erhebliche ökologische Auswirkungen haben können – nicht zuletzt aufgrund des deutschen bzw. europäischen Strommixes und des Ressourcen- und Flächenbedarfs für die Bereitstellung von regenerativer Energie. Vor diesem Hintergrund gestalten sich aus einer Suffizienzperspektive heraus betrachtet insb. Kurztrips an weit entfernte Orte schwierig. Dort sind der relative Negativanteil der Reisezeit und der notwendige Ressourceneinsatz im Vergleich zum nutzenstiftenden Aufenthalt vor Ort besonders hoch. Folglich gilt der Spruch „Warum in die Ferne reisen, wenn das Gute so nahe liegt?“ mehr denn je.

Ans andere Ende der Welt, aber suffizient. Geht das?

Natürlich versprechen Fernreisen im Sinne einer kosmopolitischen Weltoffenheit auch einzigartige Erfahrungen und Eindrücke, sie sollten jedoch als etwas Besonderes begriffen werden und wohlbedacht sowie maßvoll gestaltet sein. Wenn die Entscheidung bewusst im Sinne einer Fernreise getroffen wird, bieten sich auch hier noch etliche Möglichkeiten, um den Ressourceneinsatz zu verringern. Ein Beispiel dafür wäre es, den stressigen innerdeutschen Anschlussflug durch eine vorherige Zugfahrt mit begleitender Stadtbesichtigung zu ersetzen. Hierbei soll eine langsamere und aufmerksame Lebensweise die Lebens- und Umweltqualität zugleich verbessern. Entschleunigung lautet dabei grundsätzlich die Devise. Sie ist eine Komponente der berühmten 4 E’s von Wolfgang Sachs.

Zu bedenken sind dabei auch mögliche Reboundeffekte: Die Annahme, kürzere Reisen seien per se umweltschonender, kann trügerisch sein, falls sie in Summe einen gleichwertigen oder höheren Ressourcenverbrauch als eine Einmalreise verursachen. Daher sollte die Wahl zwischen einer längeren Reise mit mehreren Zwischenstopps oder etlichen Kurztrips fallweise und sehr bewusst erfolgen.

Grundsätzlich gilt jedoch: Insb. bei Kurzurlauben ist regionales Reisen ressourcensparender. Das muss jedoch nicht zur Verzweiflung führen: Auch in unmittelbarer Umgebung lassen sich erholsame Tage verbringen und aufregende Erfahrungen machen  – vor allem, wenn abwechslungsreiche Aktivitäten wie Fahrradfahren, Wandern, Klettern oder Wassersport Berücksichtigung finden.

Zu Hause ist es doch ganz schön oder besser gesagt: „Ach wie schön ist Panama.“

Spätestens als 2006 der Entertainer Hape Kerkeling den Jakobsweg lief und seine Erfahrungen in einem Bestseller zusammenfasste, sind auch in der breiten Öffentlichkeit Wandertouren oder vergleichbare Aktivitäten als Alternative zum stationären Hotelurlaub präsent geworden. Egal, ob die Tour mit dem Fahrrad, zu Fuß oder im Kayak zurückgelegt wird, ob sie wenige Tage dauert oder mehrere Wochen – stets geht es darum, in sich hineinzuhören und seine Umgebung bewusster wahrzunehmen.

Deutschland und die angrenzenden Nachbarländer bieten dazu eine Vielzahl an Möglichkeiten. Ein umfangreiches Fernradwegenetz durchzieht das Land. Wasserlandschaften wie die Mecklenburgische Seenplatte, Flüsse wie Saale, Elbe oder Mosel bieten im Sommer Badespaß, Erholung und Bewegung zugleich. Und auf unzähligen Wanderwegen warten bei zünftigen Brotzeiten wunderschöne Panoramaausblicke – egal, ob es auf dem Eifelsteig von Aachen nach Trier geht, die Sächsische Schweiz oder der Schwarzwald erkundet werden.

Ein komplexes Thema, das vor allem eines bedarf: bewusste Reflexion

Abschließend lässt sich sagen, dass es in diesem Beitrag nicht darum geht, pauschal etablierte Reisemuster zu verurteilen oder einen weiteren Text über Sinn oder Unsinn von „Flugscham“ beizutragen. Denn Fernreisen – und spätestens bei Interkontinentalstrecken im Normalfall folglich auch Flugreisen – zeichnen sich durch einzigartige Merkmale aus. Sie können Menschen besondere Gefühle und Emotionen ermöglichen, die jede*r im Lichte des eigenen emotionalen Wahrnehmungshorizonts bewerten muss. Herausgearbeitet werden sollte jedoch, dass dies keine Selbstverständlichkeit ist, sondern ein enormes Luxusgut, das folglich nur sehr maßvoll konsumiert werden sollte. Parallel lädt der Beitrag dazu ein, sich zukünftig kreativer und bewusster mit der eigenen Reiseplanung zu befassen, eigene Reiseroutinen zu hinterfragen und Mut für Neues zu finden. 

In diesem Sinne: viel Spaß und eine gute Reise.