Selbermachen

Neue Produkte produzieren Müll, in der Herstellung und der Verpackung. Meistens ist dieser Müll, genauso wie die neuen Produkte selbst, vermeidbar. In Repair-Cafés geben Engagierte kaputten Gegenständen eine zweite Chance – ganz im Sinne der zweiten Stufe der Anti-Verbraucher-Pyramide, dem Selbermachen.

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Das Repair-Café Soldiner Kiez findet in den Räumen der Fabrik Osloer Straße im Berliner Norden statt

Im Hinterhof der Fabrik Osloer Straße muss Olaf Skeries selbst Hand anlegen. Auf dem weißen Schultisch vor ihm steht ein in die Jahre gekommener Philips-Staubsauger, der einfach nicht mehr anspringen will. Für Olaf ist der Fall eine klare Sache: Hier ein bisschen ziehen, dort etwas rütteln und schon schnurrt das Gerät wieder wie zuvor. In weniger als fünf Minuten hat Olaf den scheinbaren Schrottplatz-Kandidaten zu neuem Leben erweckt.

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Olaf Skeries (r.) betreibt das Repair-Café gemeinsam mit anderen Ehrenamtlichen

Hilfe von erfahrenen Tüftler*innen

Als gelernter Autoschlosser versteht Olaf sich aufs Schrauben. Seit mehreren Jahren leiht er seine Expertise gleich mehreren Repair-Cafés im Berliner Norden. Im Repair-Café im Soldiner Kiez trifft er sich jeden zweiten und vierten Donnerstag im Monat mit anderen Ehrenamtlichen. In gemütlicher Atmosphäre reparieren sie dort drei Stunden lang kaputte Gegenstände, die Interessierte von Zuhause mitgebracht haben. Vom Staubsauger über Plattenspieler und Laptops bis hin zur Dunstabzugshaube hat Olaf schon alles gesehen. Meistens kommen Menschen jedoch mit defekten Haushaltsgeräten oder Fahrrädern.

Für die Reparatur-Expert*innen um Olaf ist diese Vielfalt kein Problem: „Der größte Teil von uns sind Handwerker mit viel Erfahrung.“ Im Repair-Café geben sie diese Erfahrung bereitwillig an andere weiter. Trotzdem sind Repair-Cafés wie das im Soldiner Kiez keinesfalls mit klassischen Reparatur-Werkstätten zu verwechseln, sagt Olaf: „Das Konzept wird manchmal falsch verstanden, als billige Reparatur-Möglichkeit“.

Manchmal, wenn schon ein gezielter Handgriff genügt, packt Olaf natürlich selbst mit an. Grundsätzlich geht es ihm und seinen Mitstreitern aber darum, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten: „Ich zeige zwar, welche Schrauben man aufmachen muss, aber aufmachen muss man sie dann schon selbst.“

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Expertise und Werkzeug gibt es im Repair-Café gratis

Wer das Repair-Café besuchen will, muss sich deshalb auch vorab per E-Mail anmelden. So könne man die Interessierten bereits vorab dazu animieren, sich mit der Reparatur ihrer Gegenstände zu beschäftigen. Das bedeutet auch, dass jede*r selbst dafür zuständig ist, Ersatzteile zu besorgen. Verbrauchsmaterialien wie Kleber oder Kabelbinder gibt es dagegen im Repair-Café, finanziert durch die Vertrauenskasse am Eingang. „Und wenn wirklich mal Lötzinn oder so etwas fehlt, holen wir das von unserem Geld“, sagt Olaf.

Nachhaltigkeit als Ziel

In Repair-Cafés wird Nachhaltigkeit nicht nur vorgelebt, sondern erlebbar gemacht. Mit ihrem Wirken wehren die Reparatur-Expert*innen sich gegen wirtschaftliche Strategien wie die geplante Obsoleszenz, also den vom Hersteller beabsichtigten, frühzeitigen Funktionsverlust von Produkten. Als eine Folge der Obsoleszenz stellte das Umweltbundesamt 2016 in einer Studie fest, dass „Geräte heute vermehrt nach kürzeren Nutzungsdauern ersetzt oder entsorgt werden.“ Aus ökologischer Sicht sei diese „Praxis nicht akzeptabel“, schließt die Studie.

Das sieht Olaf ganz ähnlich. Sein Bestreben ist es, Nutzgegenstände so lange wie möglich zu erhalten: „Nicht jedes Gerät ist direkt kaputt, wenn es mal nicht mehr angeht. Oft sind das nur Kleinigkeiten.“ Bei Kaffeemaschinen beispielsweise sei oft nur der Kondensator im Wert von 50 Cent kaputt, eine neue Maschine koste das Hundertfache oder mehr. Im Repair-Café gewinnt so jede*r, selbst wer nicht die Nachhaltigkeit länger genutzter Produkte, sondern den wirtschaftlichen Vorteil im Blick hat.

Trend gegen die Wegwerfgesellschaft

Die Mischung aus Nachbarschaftshilfe und stillem Protest gegen die Wegwerfgesellschaft findet Anklang. Seit die Niederländerin Martine Postma 2009 in Amsterdam das erste Repair-Café initiierte, verbreitet sich die Idee zusehends: Mehr als 1500 vergleichbare Reparatur-Initiativen gibt es inzwischen weltweit, allein in Berlin können Interessierte in 25 Repair-Cafés mehr oder weniger regelmäßig Hilfe beim Reparieren bekommen.

Dabei ist es gerade die Regelmäßigkeit, die laut Olaf maßgeblich für den Erfolg eines Repair-Cafés ist: „Man braucht schon einen langen Atem. Viele machen auch wieder zu, das hängt vom Engagement Ehrenamtlicher ab.“ Wie viele andere Repair-Cafés wurde auch die Werkstatt im Soldiner Kiez erst mehrere Jahre als Projekt gefördert. Mit den Fördermitteln konnten Werkzeuge angeschafft werden, Schrauben, Flickzeug und anderes Material.

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Der Werkzeug-Schrank im Soldiner Kiez wurde im Rahmen einer Projektförderung angeschafft

Mit dem Ende der Projektlaufzeit aber stand auch das Ende des Cafés im Raum. Denn ohne die Fördermittel konnte der ehemalige Betreiber, ein Berliner Verein für Wiederverwertung, die Personalkosten für das Café nicht decken. „Dann haben wir alle uns zusammen getan und beschlossen, trotzdem weiter zu machen“, erzählt Olaf. Seitdem werkeln im Soldiner Kiez nur noch Ehrenamtliche.

Ohne die Sozialen Strukturen aber, in die das Café eingebunden ist, wären auch den Ehrenamtlichen die Hände gebunden. Denn ohne die Räume, die im Soldiner Kiez die Fabrik Osloer Straße zur Verfügung stellt, kann kein Repair-Café arbeiten. Auch die ehrenamtlichen Berliner Quartiersräte tragen als Schnittstelle zur Politik zum reibungslosen Ablauf der Cafés bei, indem sie bei Bedarf zur Deckung laufender Kosten beitragen können.

Dort scheint man erkannt zu haben, dass das regelmäßige Reparieren für den Kiez ein Gewinn ist, und zwar nicht nur aus ökologischer Sicht. Denn Repair-Cafés sind eben nicht nur Reparatur-Werkstätten, sondern auch Cafés, soziale Begegnungsorte also: „Es kommen viele Leute vorbei, die einfach nur guten Tag sagen, einen Kaffee trinken wollen“, sagt Olaf.

In der Fabrik Osloer Straße trifft sich so der ganze Kiez: Junge und Alte, versierte Tüftler*innen, Hobby-Bastler*innen und Laien. Im Repair-Café ist jede*r willkommen, sagt Olaf Skeries: „Auch wer zwei linke Hände hat, kann mitmachen. Und wenn er nur Kaffee kocht.“

Auszug aus dem movum Heft 10: Effizienz und Suffizienz. Mehr Technologie – oder mehr Verzicht?

Die richtige Antwort auf Klimawandel und endliche Ressourcen ist noch nicht gefunden. Statt Effizienz und Suffizienz gegeneinander auszubalancieren, brauchen wir möglichst viel von beidem. Und vor allem eine breite gesellschaftliche Debatte, der sich auch die Entscheider*innen in Politik und Wirtschaft stellen.

Es vergeht kein Tag, in dem wir nicht von neuen Innovationen lesen oder hören, die unsere Welt besser machen sollen. Effizientere Technologien, intelligentere Netze, nachwachsende Kunststoffe. Technologie scheint die Probleme unserer Welt zu lösen.

Aber ist das wirklich so? Trägt die neue App, mit der wir in Echtzeit die Stromproduktion unserer hauseigenen Solaranlage ablesen können, wirklich dazu bei, unsere Gesellschaft ökologischer zu machen? Oder sind die unter unsäglichen ökologischen und sozialen Bedingungen aus der Oberfläche des Planeten gekratzten Seltenen Erden, ohne die es keine Smartphones gäbe, weitaus schädlicher als der Nutzen der darauf laufenden App?

Es ist eine Grundfrage unserer Zukunft, der wir uns stellen müssen – und vor der sich Politik, Wirtschaft und auch viele von uns nach wie vor scheuen: Bekommen wir die Zukunft unseres Planeten mit Technologie in den Griff?

Wettlauf zwischen Hase und Igel

Als die ersten E-Bikes erschwinglich wurden, war der Hype sensationell: Die Mobilität der Zukunft schien erfunden. Smart, praktisch, kostengünstig und regenerativ. Eine echte Alternative zum erdölgetriebenen Pkw.

Wenige Jahre später sieht das Ergebnis ernüchternd aus: Rund 500.000 Elektrofahrräder werden pro Jahr in Deutschland verkauft. Nach vorsichtigen Schätzungen ersetzt nicht einmal eines von tausend tatsächlich einen Pkw. Im Gegenteil: Der Anteil der SUV-Besitzer*innen unter E-Bike Fahrer*innen ist hoch. Am Sonntag die Bikes in den Audi Q5 gepackt, raus ins Grüne und sich eine Stunde lang mit RWE-Kohlestrom durchs Gelände schieben lassen: So sieht manch eine E-Bike-Nutzung in der Praxis aus. Die hohen Herstellungskosten und die nach wie vor wenig umweltfreundliche Batterieherstellung (und Entsorgung!) tun ein Übriges zur problematischen Ökobilanz.

Ja, es gibt auch Menschen, die ihr Auto stehen lassen, um ihr E-Bike zu nutzen. Doch besitzen sie beides. Die Autos werden immer effizienter – aber immer größer und immer mehr. Die Elektrogeräte werden immer effizienter, aber zugleich lösen wir immer mehr Arbeiten elektrisch. Die Heizungen und Dämmungen werden immer effizienter – und die zu beheizenden Wohnflächen immer größer.

Dieser Rebound-Effekt ist wie der Wettlauf zwischen Hase und Igel. Das bestätigen auch alle Statistiken: Wir werden immer effizienter, aber der Verbrauch an Ressourcen und Energie bleibt unverändert hoch. Zu hoch. Und vor allem: Unser Gesellschaftsmodell erzeugt im Rest der Welt einen Sog, dem sich kaum ein Land entziehen kann.

Global gerecht kann aber nur eine Gesellschaft sein, deren Standards sich für alle Menschen weltweit reproduzieren ließen – ohne unser Ökosystem zu überfordern. Und das wäre, bezogen auf unser heutiges Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell, schlicht absurd.

Ein Gedankenspiel: Den Status quo retten

Manchmal hilft eine sogenannte Milchmädchenrechnung, also eine eigentlich absurde Kalkulation, durchaus. In unserem Fall sähe sie so aus:

Die globale Wirtschaftsleistung frieren wir auf dem Stand von heute ein. Also kein “Wachstum” mehr. Nirgendwo. Das würde zwar unser Sozialsystem an die Wand fahren und so ziemlich jeden Regierungschef weltweit in tiefste Depressionen treiben. Aber wir lassen das mal so stehen.

Zweitens halten wir die Weltbevölkerung präzise auf dem Stand von heute. Das ist zwar noch absurder als die erste Bedingung, aber auch hier gilt: Wir glauben einfach daran.

Unter diesen beiden Bedingungen müssten wir die CO2Emission pro Kopf in den nächsten 40 Jahren mindestens um den Faktor drei reduzieren. In den Industriestaaten bräuchte es den Faktor zehn.

Nehmen wir jetzt die Erfahrungen aus dem Rebound-Effekt hinzu, wird klar, dass Effizienz allein unsere Probleme nicht wird lösen können. Schon gar nicht, wenn wir Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum ebenso in Rechnung stellen wie den wachsenden Wunsch in der Welt nach Wohlstand auf unserem Niveau.

Ohne Zweifel: In der Effizienz steckt viel Potenzial. Allerdings wird sie, rein technologisch betrachtet, keinen Jota zur Lösung unserer Zukunftsprobleme beitragen. Lassen wir Rebound-Effekte zu, hat Effizienz keinen Sinn. Das hat schon Ernst Ulrich von Weizsäcker in seinem Buch “Faktor Fünf” deutlich formuliert. Das Buch ist ein eindringliches Plädoyer für mehr Effizienz – eingebettet in ein gesellschaftliches Konzept. Leider wird es viel zu oft nur technologisch interpretiert, denn von Weizsäcker sagt deutlich: Ohne gesellschaftliche Rahmenbedingungen wie zum Beispiel ein Steuersystem, dass Ressourcenverbrauch reguliert, und eine Verteuerung der Energie im Kontext der Effizienzsteigerung geht es nicht.

Die Alternative: Zurück zur Scholle?

Doch dieses Konzept überzeugt längst nicht alle. Viele bezweifeln, dass uns selbst eine Ausreizung aller technologischer Möglichkeiten und eine konsequente Reform unserer Steuer- und Steuerungssysteme den heutigen Lebensstandard halten lässt.

Das “Immer mehr, immer schneller, immer effizienter” steht zunehmend in der Kritik. Ist Wachstum überhaupt ein Zukunftskonzept angesichts einer aus allen Fugen platzenden Welt? Aus der Natur kennt man den Wachstumsdrang von und in Ökosystemen. Ein Teil der Population wächst immer, häufig so weit, bis er völlig kollabiert. Dieses Schicksal von der Menschheit abzuwenden ist eine Motivation der Postwachstumsbewegung. Niko Paech zum Beispiel wirbt in dieser movum-Ausgabe für einen konsequenten Abschied vom Effizienzdenken. Hier kommt der Begriff der Suffizienz ins Spiel.

Der Begriff wurde im deutschsprachigen Raum 1993 erstmals von Wolfgang Sachs verwendet. Der Soziologe und Entwicklungsökonom erklärte: “Einer naturverträglichen Gesellschaft kann man in der Tat nur auf zwei Beinen näherkommen: durch eine intelligente Rationalisierung der Mittel wie durch eine kluge Beschränkung der Ziele. Mit anderen Worten: die ‘Effizienzrevolution’ bleibt richtungsblind, wenn sie nicht von einer ‘Suffizienzrevolution’ begleitet wird.”

Suffizienz wird oft als Gegenteil von Wachstum verstanden. Viele verbinden damit Selbstbegrenzung, Konsumverzicht, Entschleunigung und das Abwerfen von Ballast.

In der Tat hat das Konzept seinen Reiz. Wir wissen heute, dass in den Industriegesellschaften mehr Sozialprodukt kaum mehr Glück und Zufriedenheit auslöst. Mehr ist hier nicht die Frage, eher geht es um die Verteilung des Wohlstands und die Befreiung von Konsumzwängen und Statusdruck.

Wohin würde sich eine Gesellschaft entwickeln, die dem Wachstumskonzept vollständig abschwören würde? Zurück zur Scholle? In ein technologiefreies, idealisiertes, ökologisches Mittelalter?

Spätestens wenn in einer Nation von glücklichen Biobauern ein ernsthaft erkrankter Bürger auf moderne Medizin zurückgreifen muss, stellt sich die Frage nach dem Gesamtkonzept. Ob Handy, E-Bike oder Kernspintomograf – alles ist nicht auf einem Ökohof herzustellen. Dafür braucht es Hochtechnologie, die ohne Gewinnung Seltener Erden, ohne Schwerindustrie, ohne Fabriken, ohne Forschungseinrichtungen, ohne Warentransport, ohne Konzernorganisationen nicht produzierbar ist. Eine Gesellschaft, die – aus guten ökologischen Gründen – auf diese Elemente verzichten (und sie nicht nur an Drittländer auslagern) will, muss sich also der Debatte stellen, ob sie auch auf deren segensreiche Produkte verzichten kann und möchte.

Effizienz kontra Suffizienz: Ein neuer Glaubenskrieg?

Gibt es also nur die Alternative zwischen einer hochindustrialisierten Zukunft im hocheffizienten Wachstumswahn und einer Rückkehr zu einer entindustrialisierten Gesellschaft des Mangels? Gibt es vor dem Hintergrund einer weiter ansteigenden Weltbevölkerung diese Alternative überhaupt? Oder ist der Weg nicht längst vorgezeichnet?

Sicher ist: Wenn wir tatsächlich einen Einfluss auf die Zukunft nehmen wollen, müssen wir die Debatte heute führen. Und wir müssen erkennen, dass weder das Konzept der radikalen Effizienzsteigerung noch die totale Suffizienz die Probleme der Zukunft alleine lösen können. Zudem erscheinen beide Konzepte nur einem winzigen Teil der Menschheit wirklich attraktiv.

Deshalb ist es wenig verwunderlich, dass die meisten Menschen vor einem solchen Diskurs zurückschrecken. Das aber ermöglicht den Verantwortlichen in Wirtschaft und Gesellschaft, sich dieser Debatte wider besseres Wissen nicht stellen zu müssen. Denn sie haben keine Lösung anzubieten.

Radikale Effizienz und radikale Suffizienz

Mit einer solchen Lösung kann bisher auch niemand überzeugend aufwarten. Es gibt zahlreiche Ansätze. Das Konzept des “Decoupling” zum Beispiel, also der Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch, versucht das Wachstumskonzept zukunftsfähig zu machen. Es ist offizielle EU-Politik. Die praktischen Auswirkungen sind bis dato marginal. Wenig überzeugend sind auch Versuche, Effizienz und Suffizienz gegeneinander auszubalancieren: Wir bräuchten beides. Und beides in seiner radikalst denkbaren Ausprägung. Das aber wäre ein bis heute nicht wirklich überbrückbarer Widerspruch, über den Elmar Altvater in dieser movum-Ausgabe schreibt: “Was mathematisch trivial ist, kann nur gemacht werden, wenn wir Produktions- und Lebensweise nachhaltig und daher radikal verändern.”

Was wir also vor allem brauchen: eine breite gesellschaftliche Debatte, der sich auch die Entscheider in Politik und Wirtschaft stellen. Diese Debatte muss von Anfang an ehrlich und tabufrei sein. Sie muss akzeptieren, dass ein wachtsumsorientiertes “Weiter so!” geradewegs in den Untergang führt.

Mit dieser Debatte sollten wir beginnen. Heute. Die vorliegende Ausgabe will dazu wichtige Impulse liefern.

Über den Autor
© Jörg Sommer

Jörg Sommer ist Publizist, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Umweltstiftung und Mitherausgeber des Jahrbuchs Ökologie und der Zeitschrift movum – Briefe zur Transformation.

Die Zeitschrift

movum -Das Debattenmagazin der Umweltbewegung erscheint vier Mal im Jahr, wird vom KlimaJournalistenBüro verlegt und vom Deutschen Naturschutzring (DNR) gefördert. Das gedruckte Heft kann kostenlos bestellt werden. Der Zeitschrift taz.Futurzwei liegt es gratis bei.

Kritik am Wachstum – ein Interview mit Niko Paech

Die Forderung unserer #kaufnix-Kampagne „Schluss mit unbedachtem Konsum“ hat Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum. Daher haben wir im Folgenden den Wirtschaftswissenschaftler Prof. Niko Paech interviewt, der uns seine Sichtweise aufzeigt, warum ein Wandel in der Ökonomie notwendig ist.

Kritik am Wachstum

Deutsche Umweltstiftung (DUS): Sie sind habilitierter Wirtschaftswissenschaftler.  In der Ökonomie dominiert immer noch der Glaube an das Wachstumsparadigma. Aus welchen Gründen sehen Sie das kritisch und welche Probleme wird unsere Gesellschaft haben, wenn wir weiterhin Wirtschaftswachstum als Allheilmittel sehen?

Niko Paech (NP): Einerseits ist unser heutiges Wohlstandsmodell ohne Wachstum nicht zu stabilisieren. Andererseits ist es weder theoretisch darstellbar, noch empirisch jemals eingetreten, die Wirtschaft wachsen zu lassen, ohne ökologische Schäden zu verursachen. Die bisherigen Versuche, ein umweltverträgliches Wachstum durch technische Innovationen oder nachhaltige Produktdesigns zu erreichen, sind rigoros gescheitert, weil die Schäden auf diese Weise nur verlagert oder in andere Schadenskategorien überführt wurden. Hinzu kommt, dass materieller Wohlstand in modernen Industriegesellschaften auf einer kostengünstigen und unbeschränkten Verfügbarkeit fossiler Energieträger beruht. Doch sowohl bei Rohöl, Flächen als auch der Verfügbarkeit essenzieller Rohstoffe wächst die Knappheit. Außerdem lässt sich das sozial- bzw. entwicklungspolitische Versprechen des Wachstumsdogmas, nämlich Armut und Ungleichheit über Zuwächse der Verteilungsmasse zu mindern, nicht einlösen. Denn der zwecks Wachstumsstimulierung unabdingbare Strukturwandel steigert die Krisenanfälligkeit und sogar die Verteilungsungleichheit.

DUS: Was bedeutet Ihre Wachstumskritik für die individuelle Lebensgestaltung. Müssen wir uns radikal einschränken?

NP: Suffizienz sollte nicht an basalen Grundbedürfnissen, sondern an jenem Luxus  ansetzen, der in jüngster Zeit verbreitet wurde und zugleich die eklatantesten Schäden verursacht. Suffizienz kennt drei Ausprägungen:

  • Reduktion des Ausmaßes einer Aktivität,
  • Selbstbegrenzung, also Beibehaltung einer bislang noch ökologieverträglichen Handlungsweise,
  • Gänzliche Vermeidung einer bestimmten Option.

Der Erfolg dieser drei Suffizienz-Prinzipien kann nur an der Gesamtbilanz  aller ökologischen Schäden, die ein einzelner Mensch verursacht, gemessen werden. Andernfalls droht ein „ökologisches Versteckspiel“, das beispielsweise darin besteht, dass eine suffiziente Ernährung als moralische Kompensation für Flugreisen dient. Allein um das Zwei-Grad-Klimaschutzziel zu erreichen, müssten in Deutschland die ca. 12 Tonnen CO2 pro Kopf  und Jahr um vier Fünftel reduziert werden. Das ist erstens mit keiner Technologie zu erreichen und zweitens vor allem nur durch eine harte Reduktion des Verkehrs möglich. Suffizienz heißt vor allem Sesshaftigkeit.  Die aus Klimaschutzsicht am wenigsten suffizient lebenden Menschen sind daher Flugreisende.

DUS: Werbebotschaften suggerieren, dass Konsum glücklich macht. Sie hingegen sagen, Konsum mache ab einem gewissen Punkt „krank“ – warum?

NP: Ergebnisse der Glücksforschung legen nahe, dass eine Steigerung des über Geld vermittelten materiellen Reichtums das subjektive Wohlbefinden ab einem bestimmten Niveau nicht erhöht. Konsumhandlungen stiften nur dann Nutzen, wenn ihnen ein Minimum an eigener Zeit gewidmet wird. Daraus resultiert eine psychische Überforderung: Die zunehmenden Möglichkeiten an finanzierbaren, jedoch Zeit beanspruchenden Konsumoptionen treffen auf ein nicht vermehrbares individuelles Zeitbudget. Aus Selbstverwirklichung wird Reizüberflutung und schließlich Stress.

DUS: Können Sie uns ein Beispiel geben, wie Sie selbst suffizienz-orientiert leben?

NP: Ich selbst nutze unter keinen Umständen Flugzeuge oder Kreuzfahrtschiffe, habe kein Auto, lebe ohne Handy/Smartphone, Fernseher, habe keine elektrischen Werkzeuge, keine Mikrowelle, keinen Föhn, keinen elektrischen Rasierer, keine Kaffeemaschine. Textilien, Möbel und sonstige Gebrauchsgegenstände beschränke ich auf das nötigste und verlängere deren Nutzungsdauer maximal. Bücher und CDs kaufe ich gebraucht. Zudem bin ich Vegetarier, konsumiere regionale/saisonale Nahrungsmittel, vermeide Verpackungen, lehne insbesondere jede Einweggetränkeverpackung kategorisch ab. 

Neuordnung als Lösung

DUS: Unsere Kampagne versucht, das Konzept der Suffizienz einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Wieso brauchen wir jenseits von Effizienz und Innovation Suffizienz, um unser Leben und unsere Wirtschaft nachhaltig zu gestalten?

NP: Wie gesagt ist eine  Entkopplung des aktuellen Wohlstandes von Umweltschäden nicht möglich. Es ist daher logisch, dass nur die Reduktion der Mobilitäts- und Konsumansprüche dazu verhilft, die ökologischen Grenzen einzuhalten.

DUS: Welche Rolle spielen Green-Growth-Maßnahmen in Zukunft aus Ihrer Sicht?

NP: Die Green-Growth-Strategie ist gescheitert. Mehr noch: Sie hat infolge verheerender Rebound-Effekte sogar bestimmte neue Schäden erst entstehen lassen. Darüber hinaus bildet sie das perfekte Alibi dafür, keine Verantwortung für die eigene Lebensführung übernehmen zu müssen. Gleichwohl können manche Technologien, die oft mit Green Growth assoziiert werden, auch in einer Postwachstumsökonomie zum Einsatz gelangen. Ein Beispiel: Damit Wind- und Solarenergie zur ökologischen Entlastung beitragen können, darf die industrielle Wirtschaft nicht nur nicht wachsen, sondern muss prägnant verkleinert werden.

DUS: Wen sehen Sie in der Verantwortung, diesen Wandel einzuleiten/voranzutreiben? Politik, Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Bürger*innen?

NP: Demokratische Regulative, ganz gleich ob Politik, Bildung, Erziehung oder Medien, sind zu bereitwilligen Erfüllungsgehilfen einer öko-suizidalen Daseinsform geworden, die als sozialer Fortschritt verklärt wird. Sie wetteifern darin, jede beliebige Klientel mit ständig neuen Freiheits- und Wohlstandsangeboten zu beglücken. Politische Gestaltungsprinzipien sind auf das dumpfe Niveau des Geschenkeausteilens herabgesunken. Insoweit die meisten kaum weiter von einer nachhaltigen Lebensführung entfernt sein könnten, müssten sie, wenn sie eine Suffizienzpolitik wählen würden, damit ihren Lebensstil abwählen. Das würde niemand verkraften. Deshalb würden nur jene, die längst eine suffiziente Lebensführung eingeübt haben, eine solche Politik ertragen. Dies wiederum bedeutet, dass hinreichend viele Menschen autonom und selbst organisiert damit begonnen haben müssen, Suffizienz nicht nur zu fordern, sondern konsequent vorzuleben, bevor die Gesellschaft als Ganzes zu einer  nachhaltigen Entwicklung befähigt ist. Erst wenn genügend Reallabore entstanden sind, in denen sich suffiziente Daseins- und Wirtschaftsformen als gelebtes Erfahrungswissen etabliert haben, kann deren Verbreitung einsetzen. So entstünde ein Vorrat an imitierbaren Praktiken – ähnlich wie die von Beuys so bezeichneten „sozialen Plastiken“ –, auf die zurückgegriffen werden kann und auf die auch die Politik verweisen kann. Es kommt darauf an, suffiziente und sesshafte Lebenskunst vor dem Verlernen zu bewahren, also in Nischen fortlaufend zu reproduzieren. Denn nachdem die Genügsamkeit ausgestorben ist, stirbt als nächstes die menschliche Zivilisation. Individuen darin zu stärken, unter bescheidenen Bedingungen ein resilientes und würdiges Dasein zu meistern, ist die demokratische Alternative zum aussichtlosen Unterfangen, das große politische Rad in Richtung Reduktion zu drehen, denn die hierzu nötigen Mehrheiten sind absehbar nicht in Sicht.

Über den Interviewpartner
© Niko Paech

Prof. Dr. Niko Paech ist einer der prominentesten Vertreter der Postwachstumsökonomie. Er forscht und lehrt am Lehrstuhl Produktion und Umwelt an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg u.a. in den Bereichen Klimaschutz, nachhaltiger Konsum, Umweltökonomik und Innovationsmanagement. Paech ist u.a. Autor des Buches „Befreiung vom Überfluss: Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie”.

Nutzen, was man hat

In dieser Woche möchten wir Ihnen die erste Stufe der Anti-Verbraucher-Pyramide vorstellen. Die größte und wichtigste Stufe der Pyramide sieht vor, zunächst das zu benutzen, was man bereits hat, ohne dafür neue Dinge konsumieren zu müssen.

Der Upcycling-Laden K.W.D.

©Deutsche Umweltstiftung

Passend zu diesem Konzept haben wir für Sie den Upcycling – Laden K.W.D. im Berliner Stadtteil Friedrichshain besucht. Die Designerin Katja Werner hat uns Einblicke in ihre Arbeit und die Entstehung ihrer Produkte gewährt.

So hat alles angefangen…

Eigentlich hat Katja Werner keinen Hintergrund im Produktdesign oder Handwerk, sondern hat Graphikdesign studiert. Durch ihre Passion auf Flohmärkte zu gehen und dort spannende Funde zu machen, ist die Initialzündung entstanden, aus recycelten Materialien Produkte zu entwerfen. Im Jahr 2007 hat sie dann mit ihrem eigenen Produktlabel K.W.D. begonnen, womit sie sich ihren Wunsch erfüllen konnte, im Beruf ökologische Verantwortung zu übernehmen.

Seit nun schon 12 Jahren kreiert sie aus alten Fahrradschläuchen, Kassenbändern und Luftmatratzen neue Artikel wie beispielsweise Portemonnaies, Rucksäcke und Accessoires wie Schlüsselanhänger oder Schlüsselbretter aus Fahrradventilen. Wichtig ist ihr dabei, dass die vermeintlichen „Abfälle“ zweckentfremdet werden und dadurch bei den Kunden eine Überraschung hervorrufen. Ein gutes Beispiel dafür ist ein derber, alter Schlauch, aus dem Katja Werner ein feines Portemonnaie mit edlem Stoffinnenfutter hergestellt hat. Sie hat Spaß daran, mit den Materialien und Kontrasten zu spielen, um unerwartete Effekte hervorzubringen. 

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Vermeintlichen „Müll“ zu neuem Leben erwecken – so funktioniert das Upcycling-Prinzip. Alle Produkte, die Katja Werner entwirft, sind Unikate, die aus Spielsinn und Erforschen mit recycelten Materialien entstanden sind. Die Wiederverwendung von Material ist oft mit einem höheren Aufwand als die Neuproduktion verbunden, denn das Material muss besorgt, geprüft und dann gegebenenfalls gereinigt und weiterverarbeitet werden. Dies mache laut Katja Werner aber genau die Seele der Produkte aus.

©Deutsche Umweltstiftung

Dieses Bild zeigt einen Kronleuchter, den Katja Werner auf der Straße gefunden hat. Sie hat ihn mit Zahnbürsten upgecycelt, die sie über vier Jahre hinweg gesammelt hat. Zu der Frage, wie sie auf diese kreativen Ideen kommt, antwortet sie: „Manchmal finde ich etwas und weiß zuerst gar nicht, was ich daraus machen kann. Dann schleiche ich einige Male drum herum und schaue es mir immer wieder an, bis ich eine Idee im Kopf habe.“ Vieles müsse zunächst einfach ausprobiert werden, bis dann ein Resultat heraus komme, mit dem sie zufrieden sei.

Die Materialen für die Produkte

Katja Werner stellt alle ihre Produkte selbst her und versucht hierfür kontinuierlich  neue Materialien zu finden, die sich zum Upcyclen eignen. Die aktuellste Entdeckung ist ein sogenanntes Flexzelt, das für Events draußen wie beispielsweise Festivals oder Hochzeiten verwendet wird und sich durch eine extrem hohe Belastbarkeit auszeichnet. Durch die reißfesten, wasserdichten und UV-stabilen Eigenschaften verwendet die Designerin die Reste des Zelts für ihre Fahrradtaschen.

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Auf dem Fahrrad erkennt man eine Fahrradtasche aus alten Schläuchen und Flexzelt. Rechts daneben befinden sich stabile Taschen aus Kassenband, beispielsweise für den Transport von Holz.

Da neue Materialen eine jeweils individuelle Beschaffenheit aufweisen, lernt Katja Werner immer wieder neue Methoden zum Verarbeiten. So kann sie ihr Portfolio durch die erlernten Fähigkeiten mit weiteren Kunstwerken vergrößern. Um neue Materialquellen zu finden, muss die Designerin Netzwerke aufbauen. Oft entdeckt sie selbst auf Flohmärkten, Schrottplätzen oder auf der Straße Materialen, die sie noch weiter verarbeiten kann. Teilweise kommen Privatpersonen oder Unternehmen aber auch direkt auf sie zu und bieten ihr Materialien an, von denen sie denken, dass es zu schade wäre, diese wegzuwerfen.

Nachhaltigkeit als Thema

Die Designerin bezeichnet Nachhaltigkeit als das Thema ihrer Produkte. Das sei zwar nicht der Motor ihres Handelns, spiele aber eine große Rolle in ihrer täglichen Arbeit. Bei der Produktion ihrer Produkte achtet sie darauf, möglichst alles zu verwerten und überlegt sich Alternativen, was sie mit übrigen Materialresten machen kann.  So freuen sich zum Beispiel Kindergärten über Reste der Produktion zum Basteln mit den Kindern.

Zudem wägt Katja Werner ab, wann es sich aus ökologischer Perspektive lohnt, etwas zu recyceln. Wenn Materialien extrem verschmutzt sind, müsste eine große Menge an Ressourcen aufgewendet werden, um diese zu reinigen – dadurch geht der Nachhaltigkeitsaspekt verloren. Neben dem Einsparen von Ressourcen ist die Bewusstseinsbildung ein großer Pluspunkt ihrer Arbeit. Durch die kreativen Produkte werden Menschen dazu inspiriert zu hinterfragen, ob bestimmte Dinge tatsächlich in den Mülleimer wandern müssen oder ob daraus noch etwas Kreatives geschaffen werden kann.

Bewusster Konsum als Leitidee der #kaufnix-Kampagne

Diese Grundidee, auf der die Arbeit von Katja Werner aufbaut, ist auch die Basis unserer Kampagne. Wir alle sollten unseren Konsum hinterfragen. Und bevor wir ohne nachzudenken etwas kaufen, sollten wir zunächst überlegen, ob wir nicht zu Hause etwas finden, das wir verwenden oder upcyceln können.

©Deutsche Umweltstiftung

Für mehr Informationen zu K.W.D

Libauer Strasse 1
10245 Berlin
Deutschland

Tel. +49 (0)30. 61073577
Fax +49 (0)30. 61073578

Die Anti-Verbraucher-Pyramide

Die Anti-Verbraucher-Pyramide funktioniert nach demselben Prinzip wie andere Modelle, zum Beispiel Ernährungspyramiden. Mithilfe von unterschiedlich großen Segmenten verdeutlicht sie, in welchem Umfang bestimmte Konsum- und Verhaltensweisen zu einem suffizienteren Leben beitragen können. Dabei wird das für eine nachhaltigere Entwicklung wünschenswerte Verhältnis der einzelnen Stufen zueinander veranschaulicht. Je größer eine Stufe ist, desto mehr Wert sollte auf diese Verhaltensweise gelegt werden, um den eigenen Alltag suffizienter zu gestalten.

Die Anti-Verbraucher-Pyramide veranschaulicht nachhaltige Konsumweisen jenseits des Kaufens.

Stufe 1: Nutzen, was man hat

Ziel von Suffizienz-Strategien ist es, den eigenen Ressourcen- und Energieverbrauch im alltäglichen Leben auf ein möglichst geringes Maß zu reduzieren. Der einfachste Weg, dieses Prinzip umzusetzen, ist es, einfach die Dinge zu benutzen, die einem bereits zur Verfügung stehen. Denn für die Herstellung von jedem Gegenstand, Kleidungsstück und Nahrungsmittel werden sowohl Ressourcen als auch Energie benötigt. Daher ist die Beschränkung auf bereits bestehenden Besitz die Basis der Anti-Verbraucher-Pyramide – das größte und wichtigste Element der Pyramide also.

Stufe 2: Machen

Natürlich ist es nicht immer möglich, auf bereits vorhandenen Besitz zurückzugreifen. Altes Brot kann zwar ohne Probleme zu Croutons weiterverarbeitet werden. Für die Tomatensuppe zu den Croutons braucht man allerdings Tomaten. Die müssen jedoch nicht aus dem Supermarkt kommen: Im eigenen oder gemeinschaftlich bewirtschafteten Garten lässt sich zum kleinen Preis frisches Gemüse herstellen – bio, fair und regional.

Natürlich ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Um Stufe 2 der Pyramide im Alltag umzusetzen, muss das aber auch niemand sein. Denn um Dinge selbst zu machen oder zu reparieren, kann jede*r sich Hilfe ins Boot holen. In Selbsthilfe-Werkstätten und Repair-Cafés findet man alles Werkzeug und die Expertise von Fachkundigen, die es vielleicht braucht, um die kaputte Waschmaschine wieder in Gang zu bringen.

Stufe 3: Tauschen

Die Modewelt steht nie still: Kaum hat man sich an Schlaghosen gewöhnt, sind schon wieder Röhrenjeans in. Wer immer im Trend liegen will, muss damit aber nicht unbedingt der Umwelt schaden. Denn ausgediente Kleidung lässt sich ohne Weiteres gegen neue Lieblingsstücke eintauschen. Das ist inzwischen nicht mehr nur im Internet möglich. Auf sogenannten Kleidertausch-Partys kann man diese nachhaltige Form des Shoppings immer öfter auch analog testen – die Möglichkeit zum Anprobieren inklusive.

Tauschen ist allerdings nicht nur ein Konzept für Trendbewusste. Portale wie Homeexchange machen den unkomplizierten und übergangsweisen Wechsel der eigenen vier Wände möglich. Perfekt für alle, die zwischendurch einen Tapetenwechsel brauchen.

Stufe 4: Leihen

Immer für alle Eventualitäten ausgerüstet zu sein, erfordert nicht nur Unmengen an Platz, sondern ist auch teuer und unnötig. Viel praktischer und umweltschonender ist es, auch auf die Ressourcen zurückzugreifen, die Freunde/Freundinnen, Verwandte oder Nachbar*innen bereitstellen können. Wer also nur beim Einzug Regale aufbauen möchte, muss sich dafür nicht gleich einen Akku-Schrauber zulegen. Vielleicht ist das genau die richtige Gelegenheit, um die neuen Nachbar*innen kennen zu lernen!

Stufe 5: Gebraucht kaufen

Flohmärkte haben längst ihr etwas angestaubtes Image abgelegt. Durch Second-Hand-Läden oder über den Gebrauchtmarkt schlendern macht nicht nur Spaß, sondern hält auch ungeahnte Schätze bereit. Wer seinen Staubsauger lieber selbst repariert als einen neuen zu kaufen, findet hier vielleicht das gesuchte Ersatzteil.

Stufe 6: Kaufen

Die Option zu kaufen ist nur die Spitze der Anti-Verbraucher-Pyramide und stellt damit deren kleinstes Element dar. Um ein suffizientes Leben zu verwirklichen, sollte also nur in solchen Fällen gekauft werden, in welchen es sich nich vermeiden lässt. Wenn ein Konsumgut gekauft werden muss, gibt es immerhin noch die Möglichkeit, darauf zu achten, dass das Produkt fair gehandelt, regional und/oder ökologisch hergestellt ist.