Das Leben in suffizienten Gemeinschaften – ein Interview mit Andreas Sallam

Andreas Sallams Vision ist es, im Einklang mit anderen Menschen und der Natur zu leben. Foto: Lukas / Pexels.

Andreas Sallam ist ein Nachhaltigkeits-Allrounder: Er ist IT-Manager, Musiker und Mitbegründer mehrerer Initiativen für für einen ökosozialen Wandel. Im Interview spricht er über das Leben in suffizienten Gemeinschaften, die Zukunft der Nachhaltigkeitsszene und worauf es beim Streben nach einem guten Leben für alle wirklich ankommt.

Deutsche Umweltstiftung (DUS): Die #kaufnix-Kampagne fordert „Schluss mit unbedachtem Konsum“. Schaffen wir so den Weg in eine nachhaltige Zukunft?

Andreas Sallam (AS): Hinter dem Kaufen steht immer ein Bedürfnis, das durch Werbestrategien gefüttert wird. Die suggerieren einem, dass man ein bestimmtes Produkt unbedingt braucht. Ich glaube nicht, dass wir weiter kommen, indem wir den Menschen sagen „lasst das“. Ich halte viel mehr davon, wenn Menschen zu der Erkenntnis kommen, dass es ihnen nicht gut tut, dieses oder jenes zu kaufen. Zum Beispiel die Schokolade, die vermeintlich glücklich macht, aber hinterher wieder dazu führt, dass mensch dicker wird und sich dadurch eigentlich nicht gesünder fühlt.

Mensch muss sich dazu die eigenen Bedürfnisse klarer machen. Zum Beispiel, dass es uns besser geht, wenn wir mit anderen Menschen zusammen sind. Wenn wir diese Zusammenhänge erkennen, kommen wir auch zu der Erkenntnis, dass wir dieses oder jenes gar nicht brauchen, weil es uns nicht gut tut. Und dann verändert mensch sein Konsumverhalten automatisch.

DUS: Wie können wir diesen persönlichen Bewusstseinswandel fördern, ohne Menschen mit erhobenem Zeigefinger dazu zu ermahnen?

AS: Ich glaube, das wichtigste ist dabei, dass wir aus den patriarchischen Fallstricken unserer Gesellschaft herausfinden. Das heißt, Vertrauen zu fördern, indem wir uns gegenseitig Wahrnehmung verschaffen. Sodass eine Kultur entsteht, innerhalb der wir selbst entscheiden können, was richtig und was falsch ist, in der wir aber auch Fehler machen dürfen und anderen ihre Fehler nachsehen.

Die Einladung ist, sich selbst und die Anderen wieder mehr wahrzunehmen, zu spüren und besser zusammen zu kommen. So entsteht eine ganz neue, andere Kultur des Miteinanders, die nicht konkurrierend ist, sondern in der Menschen sich gegenseitig etwas gönnen oder wir uns etwas schenken, ohne etwas zurückzuerwarten. Das führt dann wiederum dazu, dass die Strukturen sich ändern und die Hierarchien verschwinden. Ich glaube, dass es gesund ist, wenn wir zurück kommen zu einer Kultur, in der wir uns im Kleinen wahrnehmen und von dort aus zu einem größeren System finden.

DUS: Du bist Mitbegründer der Herzensgemeinschaft Wolfen, einer ökologischen, nachhaltigen und suffizienten Lebensgemeinschaft. Sind solche idyllischen Ökodörfer der richtige Ort, um sich im Kleinen selbst zu bestimmen?

AS: Ich bin kein Freund davon, einfach in die Idylle zu gehen, in irgendeine Landschaft, in der es schön ist und leicht, miteinander zu leben, einfach weil die Natur dort toll ist. Meine Erfahrung ist, dass es meistens nicht am Ort liegt, sondern am Zwischenmenschlichen. 

Der erste Anlauf, den wir mit der Herzensgemeinschaft Wolfen gemacht haben, ist daher auch mehr oder weniger gescheitert. Erstens waren Menschen dabei, die nicht in der Lage waren, bei sich selbst zu reflektieren, sich zu hinterfragen oder nach den eigenen Schatten zu suchen. Der zweite große Fehler war der, dass wir unsere Vision davon, die Natur und freien Felder umzugestalten, nicht hinreichend mit allen Menschen geteilt haben. Der dritte und vielleicht auch massivste Fehler war, dass ich mich nicht durchgesetzt habe, was die Begleitung durch neutrale Dritte angeht. Es braucht eigentlich immer Außenstehende, die nicht am Prozess beteiligt sind und die von außen sehr klar sehen können, wo die Probleme sitzen. Denn die Beteiligten sehen diese Probleme irgendwann nicht mehr, weil sie „betriebsblind“ werden.

DUS: Eurer Vision von der Umgestaltung der freien Natur sollte für den Übergang ein gemeinsames Leben im Plattenbau vorausgehen. Warum gerade dort?

AS: Ich glaube, dass es wertvoll ist, mit Menschen zusammen zu leben, die sich im Moment überhaupt nicht abgeholt fühlen, sondern ganz im Gegenteil sich eher abgehängt vorkommen. Das ist in der Platte öfter der Fall. Es ist, glaube ich, wichtig, dass gerade in diesem Umfeld andere Menschen leben, die denen vor Ort Aufmerksamkeit schenken und die Möglichkeit geben, wahrgenommen zu werden, egal wo sie stehen oder wer sie sind. Somit können wir ihnen, ohne missionarisch wirken zu wollen, Alternativen zeigen und sie einladen, auch andere, gemeinschaftliche Erfahrungen zu machen, sofern sie das möchten.

DUS: Was zeichnet diese Alternative aus, die ihr in der Herzensgemeinschaft vorleben wollt?

AS: Ich glaube, der wichtigste Wert ist Respekt für und Würdigung von anderen Lebensformen und von Anderssein generell. Dabei anders zu kommunizieren, anders miteinander umzugehen und die eigenen Bedürfnisse sowie die der Anderen in einer gesunden Weise wahrzunehmen und zu unterstützen.

Eine Welt, in der wir durch Abgrenzung glänzen, durch Nicht-Vertrauen, in der andere nicht sehen dürfen, wo ich mich klein, schwach, unfähig oder einsam fühle, oder in der ich meine Energie nicht zeigen darf, ist unglaublich krank. Ich glaube, es ist wichtig, eine Kultur der Möglichkeiten zu schaffen, in der wir Räume haben, wo jeder er oder sie selbst sein darf. Die Hauptsache ist, dass es Begegnung, ein gegenseitiges Wahrnehmen und ein würdevolles Miteinander gibt. Daran fehlt es oft wegen Zeitmangel, Überforderung, wegen zu viel Stress oder vermeintlichen Hamsterrädern und anderen Routinen, die wir meinen erledigen zu „müssen“.

Wenn wir ein Gutes Leben für alle anstreben, bedarf das auch immer eines eigenen Zurücknehmens und eines Nachforschens, wo die eigenen Schattenseiten liegen. Die Frage ist, wie wir das Paradies, das eigentlich da sein könnte, gemeinschaftlich mit anderen erreichen können.

DUS: In suffizienten Kommunen wie der Herzensgemeinschaft wird genau das versucht, die gegebene Natur gemeinschaftlich zu nutzen. Ist das der Weg in eine nachhaltige Zukunft?

AS: Wir haben den Anspruch, Kreisläufe zu generieren, die nicht auf Kosten Dritter oder auf Kosten der Erde gehen, sondern berücksichtigen, dass acht Milliarden Menschen leben wollen. Mensch kann sich einmal vor Augen führen, wie viele Produkte weggeworfen werden oder wie viel Anbaufläche weltweit dafür verwendet wird, Fleisch herzustellen. Und das ist dann noch nicht einmal gesundes Fleisch, sondern aus Massentierhaltung, die hormongesteuert auf schnelles Wachstum aus ist und nur der Rendite dient. Damit werden vermeintliche Glücksgefühle bedient, denn Menschen denken, wenn sie kein Fleisch essen gehören sie nicht dazu.

Das sind letztlich alles Kopfgeschichten. Ich bin in vielen Ökodörfern unterwegs, wo traumhafte Gerichte erzeugt werden, vegetarisch und vegan. Da kann ich nur sagen, dass das auch anders geht und mensch auch anders leben kann. Dabei bin ich selbst gerade kein Veganer und esse auch gern manchmal Fleisch – aber eben nur, wenn die Tiere gesund in einem gesunden Kreislauf leben und nicht nur industriell ausgebeutet werden. Das Gleiche gilt für mich aber auch für Pflanzen. Ich möchte keine Tomaten aus Massenanbau essen oder Bio-Kartoffeln, die aber in Ägypten mit Grundwasser erzeugt wurden, das dort in der Folge immer mehr versalzt.

Es gibt so viel Müll in dieser Welt, der nur auf Renditenorientierung basiert. Wenn mensch sich damit beschäftigt, welche Möglichkeiten wir haben, indem wir zum Beispiel Permakultur einsetzen, dann wird schnell klar, dass wir auch andere Systeme schaffen können. Systeme, die erstens unseren Planeten gesünder behandeln, zweitens keine Ressourcen vernichten, die elementar für diesen Planeten sind, und drittens eine Verteilungsgerechtigkeit schaffen, die uns alle wesentlich besser zurecht kommen lässt.

DUS: Bewegungen wie Fridays for Future legen nahe, dass diese Haltung immer mehr Unterstützer*innen findet. Du selbst bist in der Nachhaltigkeitsszene sehr aktiv und arbeitest unter anderem an der Vernetzung verschiedener Akteure. Was ist dein Eindruck, sind suffiziente Lebensstile mehrheitsfähig?

AS: Meine Wahrnehmung ist, dass wir immer mehr werden. Deswegen haben wir das Bündnis für den sozial-ökologischen Wandel gegründet. Ich erlebe seit fünf Jahren, dass es immer mehr Aktive gibt, die aber in der Regel viel zu wenig miteinander zu tun haben und sich viel zu wenig austauschen. Zum Beispiel Extinction Rebellion oder die heranwachsenden Aktiven von Fridays for Future. Das sind wahnsinnig spannende Kreise und es werden auch immer mehr, die ein Bewusstsein dafür haben, dass es so nicht weitergehen kann und es eine Umsteuerung braucht.

Das System, das wir haben, ist ein System, das sich seit Jahrhunderten gebildet hat, eigentlich aus patriarchischen Bestrebungen heraus: immer schneller, besser, größer, weiter, toller zu werden und so Konkurrenz untereinander statt ein Miteinander zu fördern. Das wiederum bringt dann eine Spezialisierung und Fokussierung auf renditenorientierte Systeme hervor. Und diese Fokussierung auf Rendite fördert zwar alles, was Gewinnoptimierung bringt, verhindert aber all das, was mit Rendite nicht abzugreifen ist. Zum Beispiel ethische oder moralische Systeme und all das, was Menschen eigentlich ausmacht, alles, was unsere Herzen betrifft. Diese Ebenen werden gar nicht berücksichtigt, weil es meist nur darum geht, Quartalszahlen zu steigern. Das hat natürlich eine fatale Wirkung darauf, wie wir miteinander leben und was dabei im Fokus steht.

Ich selbst bin davon überzeugt, dass alle, die noch in den alten Systemen hängen, oft nur von dem ausgehen, was sie kennen. Viele Menschen leben eigentlich in der Vergangenheit und wissen es bloß nicht. Sie haben gar nicht den Zugang zu Systemen wie Soziokratie oder anderen Methoden wie Community Building oder Dragon Dreaming. Ich bin immer wieder tief berührt, was zwischen Menschen damit möglich ist. Es ist erstaunlich, was es bewirken kann, wenn sich Menschen auf solche Methoden einlassen und lernen davon abzusehen, andere überzeugen zu müssen, die eigene Meinung als wichtiger oder richtiger zu betrachten und vermeintliche Gegensätze als Bereicherung zu erkennen und akzeptieren.

DUS: Wie schaffen wir es, dieser Renditenorientierung zu trotzen und den sozial-ökologischen Wandel einzuleiten? Reicht es, alternative Methoden der Kommunikation auszuprobieren und uns besser zu vernetzen?

AS: Das ist das Bemühen. Wir als Wandelbündnis versuchen, nicht zu bestimmen, wer genau was tut, sondern uns als Dienstleister zu begreifen und eine Infrastruktur für Akteure des sozial-ökologischen Wandels aufzubauen. Dadurch können sie unter anderem zusammen arbeiten und gemeinsame Interessen auch gemeinsam vertreten. Es wäre unglaublich gut, wenn wir unsere Interessen bündeln und diese zu einer wesentlich stärkeren, präsenteren und auch resilienteren Struktur entwickeln, ohne Vielfalt zu schwächen. Wir sind Hunderttausende, vielleicht sogar Millionen von Menschen. Und wenn wir das realisieren, bekommen wir auch eine wesentlich tragfähigere gesellschaftliche Relevanz. Die Einladung ist, dass wirklich viele mitmachen, damit wir auch in der Gesellschaft deutlicher wahrgenommen werden und so wir auch andere abholen können, die vielleicht auch noch nicht den Zugang zu dieser Art ganzheitlichen Herangehens haben.

Wenn wir immer mehr Akteure werden und auch wahrnehmen, dass wir viele sind, werden letztlich auch die Forderungen mehr Gewicht bekommen, die wir an die politische, aber auch an die gesellschaftliche Willensbildung stellen. Dazu gehören nicht zuletzt Gremien wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Dort herrscht noch viel „Alte-Welt-Denke“ und unsere Kreise werden als Esoterik, Spinnertum oder selbstverliebtes Müsliessen abgetan. Das liegt an mangelnder Erfahrung damit. Genau deshalb ist es wichtig, dass wir alle, die wir anders denken, uns gegenseitig stärken und auch andere dazu einladen, eine ähnliche Erfahrung machen zu können.

Wer Interesse am Mitmachen hat, kann sich gern unter der im Entstehen befindlichen Seite  www.wandelbuendnis.org bei uns melden.

Über den Interviewpartner
© Andreas Sallam

Getreu seinem Motto „Sei die Veränderung, die du in der Welt sehen willst“ widmet Sallam sich als IT-Manager und Aktivist dem Aufbau nachhaltiger Vernetzungsstrukturen und dem ökosozialen Wandel. Er ist unter anderem Gründer des gemeinwohlorientierten und nachhaltigen IT-Unternehmens Digital Builders und des green net project, Mitgründer des Transition-Ökodorfs „Herzensgemeinschaft Wolfen“ und des Bündnis für den sozial-ökologischen Wandel sowie Mitglied des Koordinationskreises deutscher Transition Initiativen.

Frugalismus – Ist weniger manchmal mehr?

Regionale Kartoffeln statt eingeflogener Avocado: Der Einkauf von Frugalist*innen ist billig und oft auch umweltschonend. Foto: Stevepb / Pixabay.

Rente mit 40 und dann nie wieder arbeiten: Für Frugalist*innen ist das keine Wunschvorstellung, sondern ein erklärtes Ziel. Denn wer sich dem Frugalismus verschreibt, achtet aufs Geld, wo es nur geht.

Der Begriff Frugalismus kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „sparsam“. Und das ist genau das, was den Alltag von Frugalisten ausmacht: kein unnötiges Verreisen, keine impulsiven Kaufentscheidungen, bedachter Konsum. Ihr gespartes Geld legen Frugalisten dann möglichst sinnvoll an, um irgendwann finanziell vollständig unabhängig zu sein.

Im Video von BRalpha bekommen Sie einen Einblick in den Frugalismus als Lebensphilosophie:

https://www.youtube.com/watch?v=R_jVmvRJmRA

Indem Frugalist*innen ihren Konsum einer genauen Prüfung unterziehen, leben Frugalist*innen nicht nur sparsam, sondern in den meisten Fällen auch suffizient. Trotzdem steht eine frugale Lebensweise nicht automatisch für Umweltschutz. Denn gerade beim Einkaufen bedeutet die Entscheidung für das günstigere Produkt nicht gleichzeitig die Entscheidung für die umweltschonende Alternative.

Regionale Kartoffeln mögen zwar günstiger sein als exotisches Obst und Gemüse mit weiten Transportwegen. Gerade mit Blick auf tierische Produkte wie Fleisch und Käse schlägt gute Qualität sich in vielen Fällen in teureren Preisen nieder. Umweltbewusste Sparer*innen argumentieren dagegen, dass der Frugalismus in Kombination mit einem ausgeprägten Bewusstsein für ökologische Zusammenhänge durchaus eine nachhaltige Lebensweise darstellt.

Im ersten Beitrag auf unserer Kampagnen-Webseite haben wir bereits erläutert, warum Sparsamkeit keine Verschlechterung der Lebensqualität bedeuten muss. Im Gegenteil bestätigen auch viele Frugalist*innen immer wieder, dass ihr Leben durch den Wandel bewusster geworden sei – und damit intensiver. Halten Sie den Frugalismus für einen geeigneten Weg in eine suffiziente und nachhaltige Zukunft?

Wie Sie Energie sparen können – ein Gastbeitrag von Dr. Klaus Müschen

Foto: rawpixel /Pixabay

Acht von zehn Menschen in unserem Land wissen, dass sie wegen des Klimawandels ihre Art und Weise zu leben ändern müssen. Alle und jede*r ist gefragt, wenn wir innerhalb von zwei Jahrzehnten keine fossilen Brennstoffe mehr verbrauchen wollen, um so das Klima zu schützen. Die Nutzung von Energie für alle menschlichen Aktivitäten ist ein zentraler Baustein. Für unser Verhalten gilt: „Weniger ist mehr!“  Und dies in allen Lebensbereichen – von der Arbeit über das Wohnen, den Transport, die Freizeit, den Konsum. Was ist zu tun? Gehen wir ins Detail.

Deutsche haben mit den größten ökologischen Fußabdruck auf unserem Planeten. Jede*r kann mithilfe eines CO2Rechners selbst herausfinden, wie sein/ihr Verhalten im Alltag, bei der Arbeit oder auf Reisen dabei wirkt.

Wohnen

Foto: geralt/Pixabay

70% der Energie beim Wohnen werden für das Heizen verwendet. In jeder Wohnung können wir durch bewusstes Heizen und Lüften Energie sparen. Dazu sollten Fenster abgedichtet werden, Rollläden und Vorhänge nachts genutzt werden, um den Wärmeverlust zu mindern. Wichtig ist es, für die verschiedenen Räume die richtige Raumtemperatur zu finden. Das Umweltbundesamt empfiehlt für den Wohnbereich 20-22° C, für die Küche 18° C, für Schlafzimmer 17-18° C und für das Bad 22° C. Nachts sollte je nach Lebensrhythmus die Temperatur um 4-5° C abgesenkt werden.

Aber wie sind die Häuser beschaffen, in denen wir leben? Für Hauseigner*innen sind bauliche Maßnahmen sehr effektiv, um den Energieverbrauch zu senken. Eine gute Wärmedämmung sollte beim Neubau oder bei der Sanierung, ebenso wie ein effizientes Heizsystem möglichst mit erneuerbaren Energien  geplant werden. Hilfreich ist dabei die Unterstützung durch Energieberater*innen und die Hinweise auf entsprechenden Webseiten, z.B. auf der Internetseite von Blauer Engel.

Natürlich hängt der Energieverbrauch auch von der Fläche ab. Wie viel Quadratmeter braucht der Mensch zum Wohnen?  Seit den sechziger Jahren hat sich die Wohnfläche pro Person in Deutschland von 20 m² mehr als verdoppelt. Diese Entwicklung wirkt der steigenden Energieeffizienz entgegen. Und hier kann jede*r selbst durch die Wahl der Größe der Wohnung aktiv werden.

Ernährung

Foto: tinajedlicka/Pixabay

Besonders klimaschädlich sind tierische Produkte wie Fleisch, Käse oder Butter. Gegenüber Rindfleisch wird bei der Produktion von Obst und Gemüse weniger als ein Zehntel an Treibhausgasen emittiert. Daher ist eine mediterrane Kost nachhaltiger mit sehr viel weniger Fleisch, viel Gemüse und wenig Kohlenhydraten. Noch nachhaltiger ist es, sich vegetarisch oder vegan  zu ernähren. Wichtig ist es ebenso, dass die Lebensmittel regional und saisonal erzeugt und genutzt werden. So werden große zusätzliche Transporte vermieden.

Mobilität

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Den Energieverbrauch im Verkehr beeinflussen wir am meisten durch Fernreisen, die gefahrenen Kilometer mit dem Auto sowie den Kraftstoffverbrauch der Verkehrsmittel. Technische Verbesserungen für die Energieeffizienz im Verkehr der letzten Jahrzehnte wurden durch mehr Verkehr und umweltschädlichere Formen konterkariert.

Nachhaltig mobil sein bedeutet, die Schädigung der Umwelt durch kohlenwasserstoffhaltige Treibstoffe und Ressourcenverbrauch so weit wie möglich zu reduzieren. Priorität hat der Umstieg auf den „Umweltverbund“: Busse, Bahnen, Fahrrad und Zu-Fuß-Gehen. Das Auto sollte so wenig wie möglich – wenn überhaupt vorhanden – benutzt werden.

In einem Modellversuch mit 32 Wuppertaler Bürger*innen  konnten zwei Drittel der Treibhausgase im Verkehr eingespart werden. Folgende Handlungsoptionen stehen zur Verfügung: Wege mit verhaltensbedingt geringem Emissionsfaktor zurücklegen, Wegelängen verkürzen, Wegeanzahl verringern. Die sparsamsten Teilnehmenden erreichten sogar eine Minderung der Treibhausgase von 90%.

Nun ist das Ergebnis des Modellversuchs nicht ohne Weiteres von einer Großstadt mit gutem Nahverkehr auf ländliche Regionen übertragbar.  Daher müssen auch dort die Rahmenbedingungen verbessert werden. Dieselben Regeln gelten gleichermaßen beim Reisen für die Verkehrsmittel. Für längere Reisen sollte die Bahn benutzt werden. Bleibe im Lande und genieße stressfrei den Urlaub.

Konsum

Foto: stevepb/ Pixabay

Auch hier gilt „Weniger ist Mehr“. Es betrifft alle Kaufentscheidungen, die wir in unserem Leben treffen. Achten wir auf Langlebigkeit von Produkten, auf lokale und regionale handwerkliche Produktion, auf Energieeffizienz, Wiederverwendbarkeit und Recycelbarkeit.

Die Anti-Verbraucher-Pyramide von #kaufnix zeigt den richtigen nachhaltigen Weg auf für welches Produkt auch immer, Möbel, Haushaltsgeräte, Werkzeug, Kleidung,  täglicher Bedarf, usw..

Information und Kommunikation

Foto: terimakasih0/Pixabay

Unser Informationsverhalten hat sich in den letzten Jahren massiv verändert. Elektronische Medien werden häufiger verwendet, der damit erzeugte Energieverbrauch steigt immer stärker, aber wird meist nicht beachtet. Nicht nur bei den Endgeräten, sondern in der ganzen Nutzungskette von der Produktion über die Speicherung in Servern und die Verteilung im Netz.

Eine neue französische Studie weist nach, dass die Energieintensität jedes Jahr um rund vier Prozent zunimmt. Wir brauchen nicht nur effizientere Geräte, sondern auch ein geändertes Nutzungsverhalten und zusätzliche Anstrengungen, auf diese Techniken zu verzichten.

Ein Dilemma der „Weniger ist mehr“-Strategie ist der sogenannte Suffizienz-Rebound. Unsere Gesellschaft ist so reich, dass Verzicht oder Reduzierung von Aktivitäten in einzelnen Bereichen als Auslöser für Mehrkonsum in anderen Bereichen wirken kann. Es gilt also aufmerksam zu sein und zu bleiben, um die jeweiligen Auswirkungen unserer Handlungen zu bewerten.

Die Broschüre „Klimaneutral Leben“ des Umweltbundesamtes zeigt an Beispielen unterschiedlicher Lebensweisen, wie individuelle Einsparpotenziale genutzt werden können. Jede*r ist selbst verantwortlich für seinen/ihren ökologischen Fußabdruck!

Individuelle Entscheidungen ersetzen keine strukturellen Änderungen und umgekehrt. Beides ist notwendig. Daher müssen wir für den Klimaschutz auch politisch steuern durch  CO2-Steuer, Emissionshandel, EEG-Umlage, Plastikverbote, Tempolimit, Förderung von Power to X  oder Netzausbau. Aber das ist eine andere Geschichte.

Die Techniken sind vielfältig erforscht, es kommt darauf an, sie anzuwenden.

Über den Autor
© Klaus Müschen

Dr. Klaus Müschen arbeitet seit 40 Jahren im Klimaschutz und zur Energiewende. Von 2006 bis 2016 leitete er die Abteilung „Klimaschutz und Energie“ am Umweltbundesamt in Dessau. Davor leitete er seit 1989 das Referat Klimaschutz und Energieplanung/Informations-system Umwelt der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz des Landes Berlin. In dieser Zeit vertrat er Berlin im Aufsichtsrat der Berliner Energieagentur.  Nach dem Studium der Elektrotechnik und Sozialwissenschaften an der Universität Hannover promovierte er 1979 in Politischer Wissenschaft und Soziologie. Danach arbeitete er als Berufsschullehrer, als Hochschulassistent für Elektrotechnik an der Universität Hamburg und nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl am Öko-Institut in Freiburg zu Ausstiegsszenarien und zu Energiedienstleistungen.

Wie können wir darauf verzichten, die Mitwelt zu zerstören? – ein Gastbeitrag von Maja Göpel

Beim Gedanken an eine suffiziente Wirtschaft ziehen die betroffenen Akteure/Akteurinnen häufig ein saures Gesicht und lästern über Verzichtsrhetorik. Das ist alltäglichem Verhalten und politischen Rahmenbedingungen geschuldet – muss aber nicht so bleiben.

Ein Gutes Leben für alle ist nur im Einklang mit den Regenerationszyklen der Natur möglich. Foto: SplitShire / Pixabay.

Wieso wird es in Wohlstandsgesellschaften mit stabilen Bevölkerungszahlen als naiv oder politisch unrealistisch abgetan, eine Suffizienzwirtschaft zu fordern? Wieso scheint ein Wohlfahrtsmodell mit genug materieller Versorgung für ein glückliches, gesundes und produktives Leben der Bevölkerung utopisch zu sein – selbst wenn die negativen Folgen eines überdrehten Wachstumsmodells der Überproduktion und Müllproblematik bekannt sind?

Diese Fragen sind für Nachhaltigkeitsforscher*innen und -politiker*innen zentral. Denn ein Wohlfahrtsmodell des friedlichen globalen Zusammenlebens kann nur eines sein, das ein Gutes Leben für alle Menschen mit den Logiken der Regeneration unserer Ozeane, Wälder, Böden, Artenvielfalt und Klimastabilität in Einklang bringt. Wie aber kommen wir zu einem solchen Modell?

1. In der Komfortzone sein ist menschlich

Menschen sparen durch Routinen viel Energie. Neurowissenschaftler*innen können abbilden, wie sich eingeschleifte Abläufe mit weniger aktivem Nachdenken und Hinterfragen entspannend auf das Gehirn auswirken. Wir funktionieren dann auf Auto-Pilot. Verhaltensforscher*innen haben durch Beobachtungen festgestellt, dass wir bevorzugen, was uns bekannt vorkommt, gute Assoziationen hervorruft oder schlicht im Geschäft auf Augenhöhe steht.

Neues testen und Routinen durchbrechen bedeutet mehr Anstrengung, selbst wenn es sich spannend anfühlt. Unter dem Schlagwort „Nudging“, dem Versuch der aktiven Beeinflussung von menschlichen Verhaltensweisen, wurden diese Erkenntnisse für Strategien in Richtung Nachhaltigkeit diskutiert. Es hagelte Proteste. Der Staat solle uns nicht bevormunden. Was nicht diskutiert wurde, waren die Effekte der schon jetzt überall vorhandenen Nudges. Auch seltsam unterbelichtet blieb die Tatsache, dass ein riesiger Werbe- und Marketingsektor sich durch den Verkauf erfolgreicher Nudging-Strategien definiert und finanziert.

Die aktuellen Nudges stupsen uns oft gerade nicht in Richtung Nachhaltigkeit, sondern Überkonsum. Diesen „normalen“ Lebensstil kultiviert z.B. die Werbung. Sie nutzt die Forschungsergebnisse der Psychologie, Neurowissenschaften und Soziologie um zu verhindern, dass wir uns für ein anderes Produkt entscheiden oder uns mit dem zufrieden geben, was wir haben.

Nicht die Produktmerkmale, sondern Geschichten über damit verbundene Erlebnisse, also unsere Assoziationen und Emotionen, stehen dabei im Mittelpunkt. Abenteuer, Status, Spaß, Geld sparen. Und je stärker die Geschichten ziehen, desto höher bewerten wir den Vorteil, desto mehr hormonelle Botenstoffe belohnen uns für diese Leistung mit Glücksgefühlen. Dieser biologische Nudge aus Zeiten der Überlebenssicherung wirkt selbst in Übersättigungsgesellschaften – wenn auch nur kurzfristig.

Denn neben der Bequemlichkeit wohnen in der Komfortzone auch Gewöhnung und Sicherheit. Studien zur „Hedonistischen Tretmühle“ zeigen auf, dass Zugewinne sich schnell als Standard anfühlen. Dadurch wächst das, was wir als genug empfinden ständig mit. Insbesondere wenn wir uns mit anderen vergleichen und diese deutlich mehr haben. 

2. Überproduktionsgesellschaften: ständig davonlaufende Komfortzone 

Wir leben in einer Form des Wirtschaftens, die nur eine Richtung kennt: Mehr. Wachstum der produzierten Waren und Dienstleistungen ist und bleibt das übergeordnete Ziel, trotz lange stabiler Bevölkerungszahlen und historisch einzigartigem Wohlstand wie Reichtum. Wieso ist das so?

Befragen wir die traditionelle Ökonomie, ist das schlicht rational. Sie hat ihr ganzes Theoriegebäude um ein Menschenbild gebaut, das egoistische Nutzenmaximierer beschreibt. Die Anteile des Altruismus, der Freude am Teilen und des Nein-Sagens im menschlichen Repertoire kommen in der Theorie nicht vor. Wir bleiben nur dann friedlich und glücklich, wenn unser Konsum und Besitz kontinuierlich ansteigt. 

Nur sind sie in einer Zeit entstanden, in der es etwa 1 Milliarde Menschen gab, wenig materielle Versorgung und keine Ahnung, dass Menschen die Erde in ihrem Metabolismus verändert könnten. Jetzt befinden wir uns mitten im Anthropozän: Die Vorstellung von immer mehr für alle und für immer ist schlicht unrealistisch geworden.

Glücklicherweise können wir das Wissen darum, dass es v.a. Erlebnisse und Erfahrungen sind, die Wohlergehen ausmachen, auch für material- und emissionsarme Lebensstile nutzen. Denn ist die materielle Versorgung gesichert, stehen Gesundheit, soziale Beziehungen und produktive Teilhabe sowie Anerkennung im Mittelpunkt eines Lebens mit hoher Lebensqualität.

Doch dafür gilt es, die Idee und gesellschaftliche Organisation des Guten Lebens neu auszurichten. Denn aktuell tut die Konsum- und Wettbewerbskultur alles dafür, dass diese Erlebnisse und Erfahrungen direkt mit „mehr haben“ zusammenhängen: Sage mir, was du verdienst, besitzt und bereist und ich sehe, was du wert bist. Dazu kommt die Privatisierung in vielen Bereichen der Daseinsvorsorge – gute Bildung, Krankenversicherung, Wohnraum, Rente und ökologische Lebensmittel sind im Zweifel nur noch dann sicher zugänglich, wenn ich zuzahlen kann. 

Gleichzeitig ist gerade seit der Finanzkrise 2008 so viel Geld in Umlauf gebracht worden und Zinsen so stark gesenkt worden, dass ungekannte Geldvolumen in privater Hand auf der Suche nach möglichst hoher oder sicherer Rendite die Privatisierung weltweit vorantreiben. Rasante Steigerungen der Mieten und Grundstückspreise sind die Konsequenz. Gekoppelt mit verhältnismäßig geringen Lohnsteigerungen sowie zerschmelzenden Ersparnissen durch Minimal-Zinsen wird ein Teilzeitjob zur Hochrisiko-Strategie. Die vergleichsweise höheren Preise für ökologisch-sozial produzierte Waren und Dienstleistungen werden dagegen zur Barriere für Durchschnittsverdiener*innen. So leben wir heute in Strukturen, in denen ein auf Suffizienz und starke Nachhaltigkeit ausgelegtes Leben genau eins bedeutet: gegen den Strom zu schwimmen.

3. Ein großes Umdenken für unsere gemeinsame Zukunft

Das macht doch keinen Sinn? Finden immer mehr Menschen in Deutschland auch. Und so wird in einigen, meist urbanen Ballungszentren aus dem Gegen-den-Strom Schwimmen ein Trend. Und Trends haben den Vorteil, dass sie die Komfortzonen verändern. Bestelle nicht nur ich die Bio-Kiste, sondern viele andere auch, können wir unsere Informationen und Erfahrungen teilen, uns gegenseitig in der guten Intention bestätigen. Wir können die Kisten von der Lieferstation mitbringen und anderen davon erzählen. Das reduziert den Aufwand und führt im besten Fall zu mehr Anbieter*innen und damit mehr Liefertagen und einem breiteren Spektrum an Produkten – also einfacheren Routinen.

Ist eine bestimmte Anzahl von Menschen in den Trend eingestiegen, verändern sich Normsetzungen und Idealvorstellungen darüber, was angemessen, sinnvoll und erfolgreich ist.  Schritt für Schritt zeigen sich neue Erfolgsdefinitionen, Geschäftsmodelle, Kooperationsformen und Investitionsstrategien. Das Angebot an alternativen Komfortzonen wächst und wir verzichten darauf, die Umwelt zu ruinieren. Bald ist eine kritische Masse erreicht, bei der das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer starken Gruppe entsteht.

Um aber aus der Nische zu kommen und volkswirtschaftlich stabil zu funktionieren, braucht eine Suffizienzwirtschaft zunächst einmal einen anderen Polarstern: das endlose Wachstum ökonomischer Produktion und dessen Absatz, wie im BIP gemessen, steht einem Genug schlicht im Weg. Ein neuer Polarstern könnte Wohlbefinden (Wellbeing) oder eben Gutes Leben sein, was sich nun auch ein global rasant wachsendes Netzwerk mit vielen Initiativen und einige Regierungen auf die Fahnen geschrieben haben. Verbindliche Leitplanken des Verbrauchs von natürlichen Ressourcen sind ein Anteil, z.B. Konsumbudgets für CO2, ein Steuersystem, das Ressourcenproduktivät anreizt und nicht die noch intensivere Ausbeutung menschlicher Arbeitszeit oder ihren Ersatz durch Roboter.

Die Produktivitätsgewinne und Automatisierungsprozesse durch neue Technologien gilt es mit Arbeitszeit-, Einkommens- und Sozialversicherungssystemen auszubalancieren, die Wertschöpfung wieder bei den daran Beteiligten ankommen lässt und Wertextraktion in Richtung der Investoren reduziert. Verbindliche Reduktion der Arbeitszeit für Alle ließe aus der Hochrisikostrategie den Zeitwohlstand werden, den viele als Wunsch formulieren. 

Und zu guter Letzt gilt es, die massive Konzentration von Reichtum zurückzudrehen. Aktuell gewinnen fast ausschließlich Menschen mit Investitionskapital dazu und viel zu viele Lebensräume – Wohnungen wie Infrastruktur wie Natur – werden in Investitionsobjekte transformiert, also in Renditeträger, deren Preise steigen sollen. Wenn die Angst weniger wird, hinter die anderen und das Gute Leben zurückzufallen, kann sich auch eine Kultur des Miteinanders leichter entfalten.

4. Suffizienzpolitik als Strategie für Gutes Leben im 21. Jahrhundert

Das klingt wie ein System-Update und ist es auch. Historisch betrachtet haben Projekte dieser Größenordnung aber schon stattgefunden. Sie gingen immer mit einem Paradigmenwechsel einher, der auch die geistigen Landkarten zum Verständnis der Welt neu zeichnete. So wie der Umbruch aus feudalen Agrargesellschaften zu kapitalistischen Industriegesellschaften mit neuen philosophischen und polit-ökonomischen Theorien einherging, so brauchen wir diese neuen Landkarten auch heute in Form von Institutionenrevolutionen und Technologiedurchbrüchen.

Solche tiefgreifenden Veränderungen finden längst rund um uns herum statt. Nur sind viele von ihnen nicht auf das Ziel der nachhaltigen Suffizienzwirtschaft ausgerichtet. Daher geht es neben dem Experimentieren, Trend-Setzen und Kommunizieren auch um das politische Einmischen für Suffizienzpolitik. Es geht um die Neukonfiguration von Identitäten, Interessen, Privilegien und Macht.

Suffizienzpolitik steht dafür, qualitativ blindes und zunehmend stressiges und ungerecht verteiltes Wachstum von Produktions- und Konsummengen unter der Diktatur der Finanzmärkte mit einer neuen Idee von Wertschöpfung zu ersetzen, die unter den Bedingungen eines 21. Jahrhunderts mit vielen Menschen und wenig Naturreserven sinnvoll ist. Sinnvoll weil friedens- und wohlfahrtstiftend, Menschen und ihre Mitwelt respektierend. Sinnvoll weil langfristig möglich im Sinne des Genug. Für Alle. Für Immer.

Über die Autorin
© Kai Müller

Als Generalsekretärin des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) arbeitet Maja Göpel an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Politik und Gesellschaft zum Thema Nachhaltigkeitstransformationen. Maja Göpel ist Professorin an der Leuphana Universität Lüneburg, Mitglied des Club of Rome, der Balaton Group und des Deutschen Sustainable Development Solutions Network sowie Beirätin der Generationenstiftung und der Stiftung Entwicklung und Frieden und seit 2019 Policy Fellow beim Progressiven Zentrum. Maja Göpel ist diplomierte Medien-Wirtin, in Politischer Ökonomie promoviert und Mutter zweier großartiger Töchter.

Leihen statt kaufen

Der heutige Beitrag bezieht sich auf die 4. Stufe der Anti-Verbraucher-Pyramide, die das (Ver)leihen von Konsumgütern als Alternative zum Kaufen vorschlägt.

Gerade wenn ein Gegenstand, wie zum Beispiel ein Werkzeug, nur für eine einmalige Benutzung gebraucht wird, macht es bereits aus finanzieller Sicht mehr Sinn, den Gegenstand auszuleihen anstatt diesen zu kaufen. Zudem kommt die ökologische Komponente hinzu, da Ressourcen geschont werden, wenn der Gegenstand nicht neu produziert werden muss.

Quelle: cuncon / Pixabay

Die meisten Menschen kennen das Konzept des Leihens insbesondere im Nachbar*innen-, Freund*innen- oder Bekanntenkreis. Angenommen das eigene Fahrrad hat einen platten Reifen und man bekommt von einer Freundin das Angebot mit ihrem Fahrrad in die Stadt zu fahren. Davon profitieren beide Parteien, da es praktisch ist und die eine Person der anderen eine Freude macht.

Zunehmend findet das Konzept auch im öffentlichen Rahmen Beachtung. Es gibt zahlreiche Internetplattformen, über die Personen entweder für einen geringen Preis oder gänzlich umsonst Dinge ausleihen können.

In Berlin können auf dieser Plattform aus verschiedenen Kategorien umsonst Dinge ausgeliehen werden können, wenn die Nutzenden sich anmeldet haben und selbst drei Dinge zum Ausleihen anbieten. Die Kategorien der Gegenstände, die sich zum Leihen eignen, reichen hierbei von Elektronik, über Haushaltsgeräte bis hin zu Spielen und Werkzeugen.

Für bestimmte Bereiche wie beispielsweise Bücher nutzen viele Personen die Möglichkeit des Ausleihens in der Bibliothek. Dahingegen ist das Ausleihen von Kleidung außerhalb des Familien- Freund*innenkreises eher ungewöhnlich.

©KALEIH

Celin ist Gründerin des Projekts KALEIH. Sie hat auf EcoCrowd, der nachhaltigen Crowdfunding-Plattform der Deutschen Umweltstiftung, im Februar eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne gestartet. In ihrem Projekt KALEIH handelt es sich um einen nachhaltigen Kleidungsverleih, bei dem als Alternative zum neu kaufen Second-Hand-Kleidung verliehen wird.

Durch dieses Konzept muss kein Kleidungsstück unter unfairen, menschenunwürdigen und umweltschädlichen Bedingungen neu produziert werden und die Nutzungs- und Lebensdauer von vorhandenen Kleidungsstücken wird verlängert.

Insgesamt bietet das Leihen Vorteile auf allen Ebenen der Nachhaltigkeit – Soziales, Ökonomie und Ökologie. Geld wird gespart, Ressourcen werden geschont und vorhandene Kontakte gestärkt oder neue Kontakte geknüpft.