Selbermachen

Neue Produkte produzieren Müll, in der Herstellung und der Verpackung. Meistens ist dieser Müll, genauso wie die neuen Produkte selbst, vermeidbar. In Repair-Cafés geben Engagierte kaputten Gegenständen eine zweite Chance – ganz im Sinne der zweiten Stufe der Anti-Verbraucher-Pyramide, dem Selbermachen.

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Das Repair-Café Soldiner Kiez findet in den Räumen der Fabrik Osloer Straße im Berliner Norden statt

Im Hinterhof der Fabrik Osloer Straße muss Olaf Skeries selbst Hand anlegen. Auf dem weißen Schultisch vor ihm steht ein in die Jahre gekommener Philips-Staubsauger, der einfach nicht mehr anspringen will. Für Olaf ist der Fall eine klare Sache: Hier ein bisschen ziehen, dort etwas rütteln und schon schnurrt das Gerät wieder wie zuvor. In weniger als fünf Minuten hat Olaf den scheinbaren Schrottplatz-Kandidaten zu neuem Leben erweckt.

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Olaf Skeries (r.) betreibt das Repair-Café gemeinsam mit anderen Ehrenamtlichen

Hilfe von erfahrenen Tüftler*innen

Als gelernter Autoschlosser versteht Olaf sich aufs Schrauben. Seit mehreren Jahren leiht er seine Expertise gleich mehreren Repair-Cafés im Berliner Norden. Im Repair-Café im Soldiner Kiez trifft er sich jeden zweiten und vierten Donnerstag im Monat mit anderen Ehrenamtlichen. In gemütlicher Atmosphäre reparieren sie dort drei Stunden lang kaputte Gegenstände, die Interessierte von Zuhause mitgebracht haben. Vom Staubsauger über Plattenspieler und Laptops bis hin zur Dunstabzugshaube hat Olaf schon alles gesehen. Meistens kommen Menschen jedoch mit defekten Haushaltsgeräten oder Fahrrädern.

Für die Reparatur-Expert*innen um Olaf ist diese Vielfalt kein Problem: „Der größte Teil von uns sind Handwerker mit viel Erfahrung.“ Im Repair-Café geben sie diese Erfahrung bereitwillig an andere weiter. Trotzdem sind Repair-Cafés wie das im Soldiner Kiez keinesfalls mit klassischen Reparatur-Werkstätten zu verwechseln, sagt Olaf: „Das Konzept wird manchmal falsch verstanden, als billige Reparatur-Möglichkeit“.

Manchmal, wenn schon ein gezielter Handgriff genügt, packt Olaf natürlich selbst mit an. Grundsätzlich geht es ihm und seinen Mitstreitern aber darum, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten: „Ich zeige zwar, welche Schrauben man aufmachen muss, aber aufmachen muss man sie dann schon selbst.“

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Expertise und Werkzeug gibt es im Repair-Café gratis

Wer das Repair-Café besuchen will, muss sich deshalb auch vorab per E-Mail anmelden. So könne man die Interessierten bereits vorab dazu animieren, sich mit der Reparatur ihrer Gegenstände zu beschäftigen. Das bedeutet auch, dass jede*r selbst dafür zuständig ist, Ersatzteile zu besorgen. Verbrauchsmaterialien wie Kleber oder Kabelbinder gibt es dagegen im Repair-Café, finanziert durch die Vertrauenskasse am Eingang. „Und wenn wirklich mal Lötzinn oder so etwas fehlt, holen wir das von unserem Geld“, sagt Olaf.

Nachhaltigkeit als Ziel

In Repair-Cafés wird Nachhaltigkeit nicht nur vorgelebt, sondern erlebbar gemacht. Mit ihrem Wirken wehren die Reparatur-Expert*innen sich gegen wirtschaftliche Strategien wie die geplante Obsoleszenz, also den vom Hersteller beabsichtigten, frühzeitigen Funktionsverlust von Produkten. Als eine Folge der Obsoleszenz stellte das Umweltbundesamt 2016 in einer Studie fest, dass „Geräte heute vermehrt nach kürzeren Nutzungsdauern ersetzt oder entsorgt werden.“ Aus ökologischer Sicht sei diese „Praxis nicht akzeptabel“, schließt die Studie.

Das sieht Olaf ganz ähnlich. Sein Bestreben ist es, Nutzgegenstände so lange wie möglich zu erhalten: „Nicht jedes Gerät ist direkt kaputt, wenn es mal nicht mehr angeht. Oft sind das nur Kleinigkeiten.“ Bei Kaffeemaschinen beispielsweise sei oft nur der Kondensator im Wert von 50 Cent kaputt, eine neue Maschine koste das Hundertfache oder mehr. Im Repair-Café gewinnt so jede*r, selbst wer nicht die Nachhaltigkeit länger genutzter Produkte, sondern den wirtschaftlichen Vorteil im Blick hat.

Trend gegen die Wegwerfgesellschaft

Die Mischung aus Nachbarschaftshilfe und stillem Protest gegen die Wegwerfgesellschaft findet Anklang. Seit die Niederländerin Martine Postma 2009 in Amsterdam das erste Repair-Café initiierte, verbreitet sich die Idee zusehends: Mehr als 1500 vergleichbare Reparatur-Initiativen gibt es inzwischen weltweit, allein in Berlin können Interessierte in 25 Repair-Cafés mehr oder weniger regelmäßig Hilfe beim Reparieren bekommen.

Dabei ist es gerade die Regelmäßigkeit, die laut Olaf maßgeblich für den Erfolg eines Repair-Cafés ist: „Man braucht schon einen langen Atem. Viele machen auch wieder zu, das hängt vom Engagement Ehrenamtlicher ab.“ Wie viele andere Repair-Cafés wurde auch die Werkstatt im Soldiner Kiez erst mehrere Jahre als Projekt gefördert. Mit den Fördermitteln konnten Werkzeuge angeschafft werden, Schrauben, Flickzeug und anderes Material.

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Der Werkzeug-Schrank im Soldiner Kiez wurde im Rahmen einer Projektförderung angeschafft

Mit dem Ende der Projektlaufzeit aber stand auch das Ende des Cafés im Raum. Denn ohne die Fördermittel konnte der ehemalige Betreiber, ein Berliner Verein für Wiederverwertung, die Personalkosten für das Café nicht decken. „Dann haben wir alle uns zusammen getan und beschlossen, trotzdem weiter zu machen“, erzählt Olaf. Seitdem werkeln im Soldiner Kiez nur noch Ehrenamtliche.

Ohne die Sozialen Strukturen aber, in die das Café eingebunden ist, wären auch den Ehrenamtlichen die Hände gebunden. Denn ohne die Räume, die im Soldiner Kiez die Fabrik Osloer Straße zur Verfügung stellt, kann kein Repair-Café arbeiten. Auch die ehrenamtlichen Berliner Quartiersräte tragen als Schnittstelle zur Politik zum reibungslosen Ablauf der Cafés bei, indem sie bei Bedarf zur Deckung laufender Kosten beitragen können.

Dort scheint man erkannt zu haben, dass das regelmäßige Reparieren für den Kiez ein Gewinn ist, und zwar nicht nur aus ökologischer Sicht. Denn Repair-Cafés sind eben nicht nur Reparatur-Werkstätten, sondern auch Cafés, soziale Begegnungsorte also: „Es kommen viele Leute vorbei, die einfach nur guten Tag sagen, einen Kaffee trinken wollen“, sagt Olaf.

In der Fabrik Osloer Straße trifft sich so der ganze Kiez: Junge und Alte, versierte Tüftler*innen, Hobby-Bastler*innen und Laien. Im Repair-Café ist jede*r willkommen, sagt Olaf Skeries: „Auch wer zwei linke Hände hat, kann mitmachen. Und wenn er nur Kaffee kocht.“

Nutzen, was man hat

In dieser Woche möchten wir Ihnen die erste Stufe der Anti-Verbraucher-Pyramide vorstellen. Die größte und wichtigste Stufe der Pyramide sieht vor, zunächst das zu benutzen, was man bereits hat, ohne dafür neue Dinge konsumieren zu müssen.

Der Upcycling-Laden K.W.D.

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Passend zu diesem Konzept haben wir für Sie den Upcycling – Laden K.W.D. im Berliner Stadtteil Friedrichshain besucht. Die Designerin Katja Werner hat uns Einblicke in ihre Arbeit und die Entstehung ihrer Produkte gewährt.

So hat alles angefangen…

Eigentlich hat Katja Werner keinen Hintergrund im Produktdesign oder Handwerk, sondern hat Graphikdesign studiert. Durch ihre Passion auf Flohmärkte zu gehen und dort spannende Funde zu machen, ist die Initialzündung entstanden, aus recycelten Materialien Produkte zu entwerfen. Im Jahr 2007 hat sie dann mit ihrem eigenen Produktlabel K.W.D. begonnen, womit sie sich ihren Wunsch erfüllen konnte, im Beruf ökologische Verantwortung zu übernehmen.

Seit nun schon 12 Jahren kreiert sie aus alten Fahrradschläuchen, Kassenbändern und Luftmatratzen neue Artikel wie beispielsweise Portemonnaies, Rucksäcke und Accessoires wie Schlüsselanhänger oder Schlüsselbretter aus Fahrradventilen. Wichtig ist ihr dabei, dass die vermeintlichen „Abfälle“ zweckentfremdet werden und dadurch bei den Kunden eine Überraschung hervorrufen. Ein gutes Beispiel dafür ist ein derber, alter Schlauch, aus dem Katja Werner ein feines Portemonnaie mit edlem Stoffinnenfutter hergestellt hat. Sie hat Spaß daran, mit den Materialien und Kontrasten zu spielen, um unerwartete Effekte hervorzubringen. 

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Vermeintlichen „Müll“ zu neuem Leben erwecken – so funktioniert das Upcycling-Prinzip. Alle Produkte, die Katja Werner entwirft, sind Unikate, die aus Spielsinn und Erforschen mit recycelten Materialien entstanden sind. Die Wiederverwendung von Material ist oft mit einem höheren Aufwand als die Neuproduktion verbunden, denn das Material muss besorgt, geprüft und dann gegebenenfalls gereinigt und weiterverarbeitet werden. Dies mache laut Katja Werner aber genau die Seele der Produkte aus.

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Dieses Bild zeigt einen Kronleuchter, den Katja Werner auf der Straße gefunden hat. Sie hat ihn mit Zahnbürsten upgecycelt, die sie über vier Jahre hinweg gesammelt hat. Zu der Frage, wie sie auf diese kreativen Ideen kommt, antwortet sie: „Manchmal finde ich etwas und weiß zuerst gar nicht, was ich daraus machen kann. Dann schleiche ich einige Male drum herum und schaue es mir immer wieder an, bis ich eine Idee im Kopf habe.“ Vieles müsse zunächst einfach ausprobiert werden, bis dann ein Resultat heraus komme, mit dem sie zufrieden sei.

Die Materialen für die Produkte

Katja Werner stellt alle ihre Produkte selbst her und versucht hierfür kontinuierlich  neue Materialien zu finden, die sich zum Upcyclen eignen. Die aktuellste Entdeckung ist ein sogenanntes Flexzelt, das für Events draußen wie beispielsweise Festivals oder Hochzeiten verwendet wird und sich durch eine extrem hohe Belastbarkeit auszeichnet. Durch die reißfesten, wasserdichten und UV-stabilen Eigenschaften verwendet die Designerin die Reste des Zelts für ihre Fahrradtaschen.

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Auf dem Fahrrad erkennt man eine Fahrradtasche aus alten Schläuchen und Flexzelt. Rechts daneben befinden sich stabile Taschen aus Kassenband, beispielsweise für den Transport von Holz.

Da neue Materialen eine jeweils individuelle Beschaffenheit aufweisen, lernt Katja Werner immer wieder neue Methoden zum Verarbeiten. So kann sie ihr Portfolio durch die erlernten Fähigkeiten mit weiteren Kunstwerken vergrößern. Um neue Materialquellen zu finden, muss die Designerin Netzwerke aufbauen. Oft entdeckt sie selbst auf Flohmärkten, Schrottplätzen oder auf der Straße Materialen, die sie noch weiter verarbeiten kann. Teilweise kommen Privatpersonen oder Unternehmen aber auch direkt auf sie zu und bieten ihr Materialien an, von denen sie denken, dass es zu schade wäre, diese wegzuwerfen.

Nachhaltigkeit als Thema

Die Designerin bezeichnet Nachhaltigkeit als das Thema ihrer Produkte. Das sei zwar nicht der Motor ihres Handelns, spiele aber eine große Rolle in ihrer täglichen Arbeit. Bei der Produktion ihrer Produkte achtet sie darauf, möglichst alles zu verwerten und überlegt sich Alternativen, was sie mit übrigen Materialresten machen kann.  So freuen sich zum Beispiel Kindergärten über Reste der Produktion zum Basteln mit den Kindern.

Zudem wägt Katja Werner ab, wann es sich aus ökologischer Perspektive lohnt, etwas zu recyceln. Wenn Materialien extrem verschmutzt sind, müsste eine große Menge an Ressourcen aufgewendet werden, um diese zu reinigen – dadurch geht der Nachhaltigkeitsaspekt verloren. Neben dem Einsparen von Ressourcen ist die Bewusstseinsbildung ein großer Pluspunkt ihrer Arbeit. Durch die kreativen Produkte werden Menschen dazu inspiriert zu hinterfragen, ob bestimmte Dinge tatsächlich in den Mülleimer wandern müssen oder ob daraus noch etwas Kreatives geschaffen werden kann.

Bewusster Konsum als Leitidee der #kaufnix-Kampagne

Diese Grundidee, auf der die Arbeit von Katja Werner aufbaut, ist auch die Basis unserer Kampagne. Wir alle sollten unseren Konsum hinterfragen. Und bevor wir ohne nachzudenken etwas kaufen, sollten wir zunächst überlegen, ob wir nicht zu Hause etwas finden, das wir verwenden oder upcyceln können.

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Für mehr Informationen zu K.W.D

Libauer Strasse 1
10245 Berlin
Deutschland

Tel. +49 (0)30. 61073577
Fax +49 (0)30. 61073578