Rezension: „Zwischen Selbstverwirklichung und gesellschaftlicher Transformation“

Das Buch „Zwischen Selbstverwirklichung und gesellschaftlicher Transformation“ von Petra Müller setzt sich mit Einflussfaktoren suffizienter Lebensstile auseinander.  Vor dem Hintergrund der massiven Auswirkungen unserer Lebensroutinen und Konsummuster auf die ökologische Tragfähigkeit der Erde beleuchtet die Autorin die Motivation von Menschen, sich für einen reduzierten Lebensstil zu entscheiden. Mittels narrativer Interviews arbeitet sie heraus, welche Beweggründe und Motive diese von ihr als „Pioniere“ bezeichneten Menschen haben, wer sie sind und was sie auszeichnet. 

Eine fundierte theoretische Grundlage für suffiziente Lebensstile

Dazu geht sie in den ersten beiden Kapiteln auf die theoretischen Grundlagen ein und bietet einen umfangreichen Überblick über den Stand der Forschung. Sie erörtert umfassend den Begriff der Suffizienz und ordnet ihn in die übergeordnete Nachhaltigkeitsdebatte ein. Dabei macht sie deutlich, dass Suffizienz mehr ist als bloß „Weniger“ und präsentiert wissenschaftliche Ansätze, die zum einen zeigen, dass herkömmliche eindimensionale Wohlstandsindikatoren wie das Bruttoinlandsprodukt den komplexen Gegebenheiten nicht gerecht werden. Zum anderen geht sie auf Gegenentwürfe wie das Konzept der 4 E’s (Entschleunigung, Entflechtung, Entkommerzialisierung und Entrümpelung) von Wolfgang Sachs ein. Die Darstellung beschränkt sich dabei nicht nur auf die theoretische Betrachtung der Konzepte, sondern bietet auch einen kursorischen Überblick von empirischen Postwachstumsansätzen, in denen das Konzept der Suffizienz eine zentrale Bedeutung innehat. Aufgrund ihres eingangs formulierten Erkenntnisinteresses spielt dabei die individuelle Ebene eine große Rolle. Sie beschließt folgerichtig die theoretische Einführung mit einer Überblicksdarstellung, was unter suffizienten Lebensstilen zu verstehen ist und was diese ausmacht. 

Ein methodisch überzeugendes Vorgehen

Ehe im vierten Kapitel die Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchung präsentiert werden, widmet die Autorin zunächst der Darstellung des methodischen Vorgehens ein eigenes Kapitel. Hier wird besonders deutlich, dass es sich bei der Publikation um eine Dissertation handelt. Detailliert wird u. a. auf die methodologischen Grundlagen, den Prozess der Datenerhebung und die in der Auswertung vorgenommene Typenbildung eingegangen. 

Vielschichtige Handlungstypen und ihre gesellschaftliche Relevanz

Die Auswertungsergebnisse der narrativen Interviews stellt die Autorin im vierten Kapitel vor. Anhand einer komplexen Kategorisierung wird es ihr möglich, vier Handlungstypen hinsichtlich der Zielsetzung eines suffizienten Lebensstils zu bilden. Diesen als Selbstfürsorger, Trittbrettfahrer, Inspiratoren und Transformatoren bezeichneten Typen ist gemein, dass ihnen suffiziente Lebensstile wichtig sind, jedoch variieren ihre dazu wirkenden Orientierungsmuster zwischen einer individuell-alternativen und einer kollektiv-kollaborativen Wertorientierung. Diese Orientierungsmuster gewinnt die Autorin ebenfalls im Rahmen der Auswertung, indem sie als Bezugssystem zunächst eine Binnen- und eine Außenperspektive hinsichtlich der treibenden Faktoren für einen suffizienten Lebensstil erkennt und anschließend im Interview erfragte Belastungsfaktoren damit in Verbindung setzt. Darunter versteht die Autorin negative Lebensaspekte wie bspw. das Gefühl von Einsamkeit, eine empfundene hohe Belastung im Job (Binnendimension) oder artikulierte Gesellschaftskritik bzw. Wahrnehmungen von sozialer Ungerechtigkeit (Außendimension). Diese verdichtet sie sodann methodisch zu zwei grundlegenden Orientierungsmustern suffizienter Lebensstile: einer vorrangig individuell-alternativen Wertorientierung sowie einer stärker kollektiv-kollaborativen Wertorientierung. Auf Basis dieses Konzepts wird es ihr schließlich möglich, vier Handlungstypen suffizienter Lebensstile zu identifizieren, die sich aus der Kombination von Binnen- und Außendimension sowie den beiden weitergeleiteten Orientierungsmustern ergeben: 

    • Selbstfürsorger kennzeichnet demnach ein vorwiegend individuelles Orientierungsmuster und eine starke Innenausrichtung,  

    • Inspiratoren ein individuelles Orientierungsmuster und eine starke Außenausrichtung,

    • Trittbrettfahrer ein kollektives Orientierungsmuster und eine vorherrschende Innenausrichtung sowie schließlich

    • Transformatoren ein kollektives Orientierungsmuster in Verbindung mit einer dominierenden Außenausrichtung. 

Gelungen an der lesenswerten und analytisch überzeugenden Darstellung ist vor allem die konsequente Einbettung der Sichtweisen von Befragten. Die umfangreiche Integration von Zitaten bei der Entwicklung der methodischen Bausteine erleichtert es Leser*innen, die Entwicklung der einzelnen Kategorien zu verstehen und nachzuvollziehen. 

Insgesamt verdeutlicht das Buch einmal mehr den ökologischen und persönlichen Mehrwert von Suffizienz. In Anlehnung an ein wohlbekanntes Sprichwort lässt sich nach seiner Lektüre sagen: Viele individuelle Wege führen in die gemeinsame Suffizienz. 

Buchinformationen
Autor*in: Petra Müller
Titel: Zwischen Selbstverwirklichung und gesellschaftlicher Transformation. Einflussfaktoren für suffiziente Lebensstile
Verfasser*in: Petra Müller
Verlag: Oekom
ISBN: 978-3-98726-042-1
Softcover, 300 Seiten
Erscheinungstermin: 04.04.2024

Aktionswoche „Entrümpeln! – Befreit in den Frühling“

Ältere Semester kennen noch die in den 90er Jahren bekannte Fernsehshow Glücksrad. Kandidat*innen deckten nacheinander Buchstaben auf und versuchten, verdeckte Wörter schnellstmöglich zu erraten. Vokale mussten dabei zulasten eines Teils des möglichen Gewinns gekauft werden und so hieß es oft: „Ich kaufe ein E und möchte lösen“. Um vier „E’s“ geht es auch beim Thema Suffizienz: Entkommerzialisierung, Entflechtung, Entschleunigung und Entrümpelung. Letztere stand passend zum Frühlingsanfang im Mittelpunkt einer Aktionswoche der Deutschen Umweltstiftung.

E wie Entrümpeln

Zu entrümpeln kann die ideale Gelegenheit sein, um unser Konsumverhalten und die Überflussgesellschaft, in der wir leben, zu hinterfragen. Es ist die Chance, einen Blick auf das Wesentliche zurückzugewinnen und sich von „unnötigem“ Ballast zu befreien. Also einfach alles in die Tonne? Auf keinen Fall! Das Statistische Bundesamt meldete eine Rekordmenge an Haushaltsabfällen, darunter ein klarer Anstieg an Sperrmüll. Das geht auch anders! Auf den Social-Media-Kanälen gab es dazu während der Aktionswoche jeden Tag spannende Beiträge. Sie reichten von der Frage, inwiefern wir unser Glück an Besitztümer binden, über die Vorstellung von Entrümpelungsmethoden auf Basis der Suffizienzpyramide bis hin zum Aufräumen des inneren Zuhauses. Dabei waren alle Interessierten eingeladen, sich einzubringen und die Kampagne mit ihren Erfahrungen und Ansichten zu bereichern.

Der Frühling als Symbol für Wandel – in diesem Verständnis sollte die Aktionswoche Suffizienz als Gefühl des „guten Lebens“ der Community auf eine greifbare und aktive Art näherbringen und zum eigenen Handeln ermutigen. Dabei sollte gegenseitiges Lernen im Mittelpunkt stehen und auf das Wissen jedes und jeder Einzelnen aufgebaut werden. Auf einer digitalen Miro-Plattform wurden die Teilnehmenden entlang der Aktionstage geführt und dazu eingeladen, ihre Gedanken mit Kommentaren und Post-its hinzuzufügen. Nach und nach entstand im Laufe der Aktionswoche eine kleine „Miro-Welt“, die sich aus Fragestellungen, Ideensammlungen und Stimmungsbildern zusammensetzt.

Ausschnitt aus dem Miro-Board „Befreit in den Frühling“

Lebhafte Debatte in der „Miro-Welt“

Mit weit über 150 Beiträgen ist eine Sammlung aus inspirierenden Gedanken, Ideen und Tipps entstanden. Jeder Aktionstag wurde einem speziellen Thema gewidmet. So ging es zunächst um die Empfindung von materiellem und immateriellen Glück. Die Beiträge der Teilnehmer*innen zeigten, dass meist Lebenssituationen und -umstände, besonders bezüglich Freund*innen, Familie, Gesundheit und finanzieller Sicherheit, eine deutlich wichtigere Rolle spielen als materielle Güter. Es zeigte sich zudem, dass die Leitfragen „Was ist genug?“ und „Was macht mich dauerhaft zufrieden?“ hilfreiche Wegweiser sein können, um sich den eigenen Bedürfnissen bewusster zu werden. Anschließend ging es um Methoden der Entrümpelung. Diskutiert wurde u. a. nach welchen Faktoren Menschen entscheiden, welche Dinge losgelassen werden und welche nicht. Außerdem wurde diskutiert, ob getroffene Entscheidungen beim Entrümpeln nachhaltig Einfluss auf das Konsumverhalten nehmen.

Einfach rausschmeißen? Auf keinen Fall!

Endlich hat man sich entschieden, von welchen Dingen man sich trennen möchte. Doch was soll nun mit Ihnen passieren? Wertvolle Hinweise auf diese Frage lieferte während der Aktionswoche stetig die Suffizienzpyramide. Denn Vieles ist zu gut für die Schrotthalde und häufig sind Einzelteile verbrauchter oder aussortierter Güter wertvolle Bauteile für anstehende Reparaturen.

Interessierte reflektierten daher gemeinsam die eigenen Konsum- und Verhaltensweisen und entwickelten Ansätze, um ihren Lebensstil suffizienter zu gestalten. Auf den untersten beiden Stufen der Suffizienzpyramide geht es bekanntlich darum, Besitztümer möglichst lange zu benutzen und sie ggf. einem alternativen Verwendungszweck zuzuführen. Das bedeutet vor allem: reparieren, umfunktionieren und so viel wie möglich selbst herstellen. Viele gute Ideen kamen zusammen und hauchten so dem einen oder anderen ausgemusterten Gegenstand ein zweites Leben ein. So wurden bspw. aus Bierdeckeln Ohrringe und alte Kalenderseiten zu Geschenkpapier.

Die beiden mittleren Stufen der Suffizienzpyramide beschäftigen sich mit dem Tauschen und Leihen von Dingen. Vom Leihlokal, über Kleidertausch-Apps bis hin zum Aushang im eigenen Innenhof – viele Ideen und best practices wurden gesammelt und diskutiert. Munter tauschten sich die Beteiligten dabei über bereits erlebte analoge und digitale Formate wie Flohmärkte oder Leihbörsen in Ihrer Region aus. Es war beeindruckend, zu sehen, wie viele Initiativen es verteilt in ganz Deutschland gibt.

Die letzten zwei Stufen der Pyramide thematisieren Second-Hand- und Neukäufe von Gütern. An dieser Stelle drehte sich die Diskussion während der Aktionswoche sehr stark um den (Weiter-)Verkauf gebrauchter Dinge. So wurde deutlich, dass gerade Möbel auch bei jahrelanger Nutzung häufig nahezu keinem Verschleiß unterliegen und ohne Weiteres eine Zweit- oder Drittnutzung erfahren können. Zugleich wurden vor dem Hintergrund eigener, teilweise negativer Erfahrungen jedoch auch Bedenken gegenüber Tausch- und Leihplattformen geäußert. Es sollte daher noch wirksamere Mechanismen geben, um Betrug und kriminellen Energien sowohl auf Käufer- als auch Verkäuferseite wirksam begegnen zu können, bspw. indem Transparenz und wirksame Garantien geschaffen werden.

Suffizienzpyramide

Zum Abschluss der Aktionswoche wurde das innere Zuhause thematisiert. Denn allzu oft erschlagen uns Reizüberflutungen aus unterschiedlichsten Quellen: Smartphones sind omnipräsent, viele Freizeitangebote konkurrieren um Aufmerksamkeit und kaum einer kommt noch an Serienstreaming, YouTube und Social Media vorbei. Die Folge ist ungewollter Stress im Privaten anstatt Zufriedenheit, Entschleunigung und Ruhe. Manchmal hilft es an dieser Stelle, die eigene „geistige Haustüre“ auch mal bewusst zu schließen, um sich der wirklich wichtigen Dinge bewusst zu werden. Die Beteiligten diskutierten dazu passende Strategien wie beispielsweise das Hören von Musik oder das Führen eines Tagebuchs.

Befreit in den Frühling – was nehmen wir mit?

Die Aktionswoche der Deutschen Umweltstiftung war ein großer Erfolg, denn sie hat der Community einen Raum geboten, sich rege und tiefgreifend auszutauschen. Es entstand digital eine freundschaftliche Atmosphäre des gemeinsamen Lernens. Der partizipative Charakter der Aktionswoche fand Anklang bei allen Beteiligten. Die Interaktion auf Miro ermöglichte es den Teilnehmenden, ihre Ideen visuell zu organisieren, sie mit anderen zu teilen und sie gemeinsam weiterzuentwickeln. Die Plattform ermöglichte es, auf die Ideen und Gedanken anderer zu reagieren, Kommentare zu hinterlassen und gemeinsam an der Entwicklung von Inhalten zu arbeiten. Diese Form der digitalen Zusammenarbeit förderte eine offene und kreative Atmosphäre, in der die Teilnehmenden in der Lage waren, aktiv mitzugestalten. Schauen Sie sich gerne die Ergebnisse der Diskussion hier noch einmal detailliert an.

Abschließend möchten wir allen Beteiligten für ihre Beiträge und die Bereitschaft danken, gemeinsam mit uns #BefreitindenFrühling zu starten.

Projektarbeit zu Suffizienz an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE)

Im Wintersemester 2021/22 haben Studierende mögliche Lösungswege für mehr Nachhaltigkeit und weniger Leistungsdruck an der HNEE formuliert. Auf Ihrem Plakat (siehe Bild 1) zeigen sie anhand verschiedener Bereiche des Hochschulsystems, inwiefern diese im Rahmen der 4 E’s der Suffizienz angepasst werden könnten.

Suffizienz meint in dem Kontext, das „richtige“ und „notwendige“ Maß von Ressourcenverbrauch anzustreben, sowohl auf individueller als auch auf organisationaler Ebene. Häufig werden die vier E’s nach Wolfgang Sachs genutzt – Entschleunigung, Entflechtung, Entkommerzialisierung und Entrümpelung – um sich am richtigen Maß zu orientieren.

Bild 1: Suffizienz an der HNEE

Wie sind die vier E´s an der HNEE umsetzbar?

Die Studierenden sehen das größte Potenzial zur Verbesserung der Strukturen in den Bereichen Vernetzung, Bürokratieab- und umbau und der Material-Ressourceneinsparung.

Vernetzung: Die Intensivierung der Vernetzung, d. h. verbesserter Austausch und Kontakt zwischen den Hochschulangehörigen, sowie der Ausbau von fachübergreifenden Lehrveranstaltungen, soll zu Entschleunigung führen. Um das zu bewerkstelligen, sei es notwendig, reale Orte am Standort der Hochschule zu schaffen. Das können sein (1) Silence Space für Ruhe und Achtsamkeit; (2) Aufenthaltsräume, Cafés etc. zum Austausch und für Pausen; (3) Orte der Beratung für Familien und internationale Studierende und Burn-Out-Prävention; und (4) Food-Sharing und Schenkschränke als Orte nach dem Common-Prinzip. Diese Orte sollten gleichermaßen für alle Hochschulangehörigen zugänglich sein.

Bürokratieab- und umbau: Entflechtung werde insbesondere durch Bürokratieabbau erzeugt, indem Zugang zu den Angeboten für alle Menschen z. B. mit Familie, Job und anderen Sondersituationen ermöglicht wird. Die Umstrukturierung, vorwiegend die Vereinfachung der Bürokratie, führe dazu, dass der Transferprozess von Informationen intensiviert wird. Das bedeute, dass transferiertes Wissen z. B. im Rahmen von Amtswechseln in Gremien vereinfacht zugänglich ist.

Material-Ressourceneinsparung: Die Wiederverwendung und Einsparung von Materialien und Ressourcen wird als Maßnahme der materiellen Entrümplung vorgestellt. Eine Umfrage hat ergeben, dass die Studierenden Möglichkeiten der Einsparung vor allem in den Bereichen Heizung/Wärme, Druckerpapier, Wasser, Lehrinhalte und Strom sehen. An der HNEE gibt es bereits einen Beschaffungsleitfaden, welcher den Materialkauf und die Frage „Wann wird etwas weggeworfen?“ regelt. Die Studierenden fordern zudem die Einsparung von z. B. Labormaterialien.

Wie kann der Leistungsdruck an der Hochschule verringert werden?

Neben der materiellen Suffizienz fokussierten die Studierenden auch den sozialen Bereich der Suffizienz. Laut einer Umfrage empfinden 11,38 Prozent der Studierenden, Lehrenden und Mitarbeitenden der Hochschule sehr starken und 45,51 Prozent der Befragten starken Leistungsdruck. Können Ansätze der Suffizienz dem Empfinden hoher Belastung und Leistungsdruck entgegenwirken?

Zur Verbesserung der Lebensqualität an der Hochschule brauche es grundlegende Rahmenbedingungen, die Entschleunigung sowie Entkommerzialisierung hervorrufen. Da Stress auf subjektiver Wahrnehmung beruht, dürfen die Maßnahmen jedoch nicht zu spezifisch formuliert sein. Nachjustieren könnte die HNEE etwa, indem flexible Möglichkeiten der Zeiteinteilung geschaffen werden. Die Auswahl zwischen Voll- und Teilzeit sollte frei wählbar sein und das Angebot von Prüfungszeiträumen müsse ausgebaut werden. Zudem sind das Vertrauen und die Wertschätzung zwischen den Hochschulangehörigen essentiell, um das Gefühl des Leistungsdrucks zu vermindern.

Fazit/Ausblick

Um ein optimales Maß zwischen Einsparung und Verzicht zu finden, sollte Suffizienz in der Hochschulpolitik und -kultur offen besprochen werden. Eine Suffizienzstrategie kann dazu beitragen, die Lebensqualität für alle an der Hochschule zu verbessern. In einem Interview mit Studierenden aus dem Projekt wird deutlich, an welchen Stellen die HNEE bereits Suffizienz praktiziert und wo es Verbesserungsbedarf gibt.

Veröffentlichungen zum Thema Suffizienz an der HNEE

Allan Dietz (2021): Die Gewaltfreie Kommunikation als Ansatz zur Förderung von suffizientem Handeln an Hochschulen. Eine Fallstudie zur Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE). Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde.

Radka Geißler (2022): Mehr ist weniger. Suffizienz an der HNEE. Online unter URL: https://www.ackerdemiker.in/post/mehr-ist-weniger-suffizienz-an-der-hnee (Abruf: 13.10.2022).

Marcel Pfeifer (2022): Konzeptvorschlag zur Entwicklung einer Suffizienz-Strategie für die HNEE. Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde.

Symposium „Konsum Neu Denken“

Suffizienz spielt in unserer Gesellschaft immer noch eine untergeordnete Rolle. In der Wirtschaft wird der Begriff sogar noch als Bedrohung des Wohlstandes aufgenommen. Daher setzt ein jährliches Symposium in Österreich sich zum Ziel, mehr Wissen über dieses Thema zu verbreiten und seine Zukunftsfähigkeit zu untersuchen.

Ab dem 22. September 2022 wird die zweitägige Veranstaltung mit dem Titel „Konsum Neu Denken“ an der Universität für Bodenkultur in Wien neu aufgelegt. Aufbauend auf dem Online-Pre-Symposium im September 2021, stellt es die Themen Mäßigung, Suffizienz und Konsumreduktion in den Mittelpunkt der Diskussion.

Hierzu gab es letztes Jahr bereits interessante Beiträge von Expert*innen aus verschiedenen Bereichen wie dem profilierten Wachstumskritiker Prof. Dr. Niko Paech, der Expertin für nachhaltiges Design und Produktion Prof. Dr. Christina Liedtke sowie zahlreicher Vertreter*innen verschiedener NGOs und Verbände. Durch ihr vielseitiges und interdisziplinäres Format richtet sich die Veranstaltung somit an Expert*innen vieler verschiedener Disziplinen. Eingeladen zur Diskussion werden Vertreter*innen der Wissenschaft, sowie der Praxis wie etwa NGOs, als auch Bürger*innen mit Erfahrung in diesen Bereichen.

„Das Symposium möchte Stimmen aus Wissenschaft, Praxis und von Bürger:innen zusammenbringen. Bei der Vernetzung und dem Austausch von Wissen steht die Frage im Vordergrund, ob und wie Suffizienz zu einem gängigen und von der Gesellschaft getragenen Modell werden kann.“ – Sprecher des Organisationsteams

Das Symposium nimmt sich vor, Chancen und Risiken der Suffizienz zu erörtern. Sie wollen herausfinden, welche Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Gesellschaft geschaffen werden müssen. Dabei widmet sich die Konferenz auch der sozialen Nachhaltigkeit. Sie widmen sich der Frage, wie sich suffiziente Lebensstile auf die Chancen- sowie Ressourcengerechtigkeit auswirken kann. Mehr Informationen zur Veranstaltung können über die begleitende Webseite abgerufen werden.

Den Suffizienzdetektiven auf der Spur

Ein wichtiges Anliegen der Deutschen Umweltstiftung ist es, Kindern und Jugendlichen die Wichtigkeit eines sparsamen Umgangs mit den knappen Ressourcen unseres Planeten nahezubringen. Aus dieser Motivation entstand 2019 die Idee des bundesweiten Wettbewerbs „Einfach machen – Die Suffizienzdetektive“, in dem Schulklassen existierendes Wissen rund um das Thema „ressourcensparsame Lebens- und Freizeitgestaltung” auf positive Weise bearbeiten. Der Wettbewerb richtete sich bundesweit an Schulen. Es adressierte insbesondere Lehrer*innen themennaher Fächer der Sekundarstufe I (Klassen 5 bis 10), die sich in den heterogenen Lehrplänen der Bundesländer mit ökologischen Fragestellungen befassten.

Hintergrund

Suffizienz ist neben Konsistenz und Effizienz eine der wichtigsten Nachhaltigkeitsstrategien. Diese beschreibt „Änderungen in Konsummustern, die helfen, innerhalb der ökologischen Tragfähigkeit der Erde zu bleiben, wobei sich Nutzenaspekte des Konsums ändern”[1]. Meist ist diese Form von Nachhaltigkeit in der Öffentlichkeit negativ konnotiert, da Menschen darunter einen Zwang zum Verzicht sowie eine Einschränkung der freien Gestaltung von Konsumverhalten und Mobilitätsmustern sehen. 

Diese pessimistische Sicht sollte im Projekt überwunden werden, um sozial-ökologische Transformationsprozesse gesamtgesellschaftlich zu initiieren bzw. zu beschleunigen. Es wird verkannt, dass mit den Verhaltensänderungen diverse positive Aspekte wie eine bessere Gesundheit, steigende Fitness, geringere monetäre Ausgaben, soziale Anerkennung oder die Stärkung lokaler Gemeinschaft einhergehen können [2]. „Damit gutes Leben einfacher wird” heißt ein wichtiges Ökologiebuch von Uwe Schneidewindt und Angelika Zahrnt. Genau darum soll es im vorliegenden Projekt gehen: Welche Strategien und Möglichkeiten gibt es, um bereits in jungen Jahren alltägliche Abläufe und das Freizeitverhalten ressourcenschonender und sparsamer zu gestalten und gleichzeitig noch selbst davon zu profitieren. 

Ein gutes Beispiel ist die Verpackung von Schulbroten und das Projekt Bio-Brotbox, bei dem Erstklässler*innen eine wiederverwertbare Brotbox mit gesunden Lebensmitteln zur Einschulung überreicht wird. Neben der frühen Förderung des Verständnisses für gesunde Lebensmittel und der Wichtigkeit eines Schulbrotes lässt sich auch der Verpackungsabfall reduzieren, wenn auf die Extraverpackung des mitgebrachten Essens in Plastiktütchen verzichtet wird.

Herangehensweise

Im Projektverlauf sollten sich die Schulklassen auf positive Art und Weise mit existierendem Wissen rund um das Thema „ressourcensparsame Lebens- und Freizeitgestaltung” auseinandersetzen. Mithilfe der Suffizienzpyramide sollten Schüler*innen vorhandene Best-Practices im Alltag finden und umsetzen.

Zu Beginn des Wettbewerbs wurden Schüler*innen auf der eigens eingerichteten Lernplattform www.suffizienzdetektive.de multimediale Arbeits- und Informationsmaterialien zur Verfügung gestellt. Darunter waren spielerische wie auch kreative Ansätze sich dem Thema zu nähern:

Die Schüler*innen setzten sich im Rahmen von Unterrichtseinheiten mit diesen und weiteren Unterrichtsmaterialien auseinander. Danach starteten Sie in die schulische Aktionsphase:

Zu Beginn sollen in mehreren Gruppendiskussionen die Schüler*innen die planetaren Grenzen einzuschätzen lernen und mit ihrer Lebenswirklichkeit verbinden. Sie erfuhren, dass eine freiwillige Ressourceneinschränkung positive Nebeneffekte für das eigene Leben haben kann und identifizieren Reboundeffekte, für die sie Lösungsvorschläge erarbeiten. In der folgenden Recherchephase suchten sie als Hausaufgabe oder im Rahmen eines Aktionstages bzw. eines ähnlichen Formates gemeinsam nach umgesetzten Maßnahmen und Projekten für ressourcenschonendes Verhalten im Alltag mittels einer Internetrecherche. Sie orientierten sich dabei an Fragebögen für die folgenden verschiedenen Lebensbereiche: Wohnen, Mobilität und Lebensstile. Aus dem auf diese Weise entstandenen Ideenportfolio wählten die Schüler*innen gemeinsam einen Vorschlag aus und erarbeiteten ein Konzept zur Übertragung auf den eigenen Kontext.

Heraus kamen kreative und spannende Ideen – angefangen bei Sammelboxen für alte und kaputte Elektrogeräte wie Smartphones, Tablets, Netzstecker oder Kopfhörer, über Tipps, um den eigenen Papierkonsum im Unterricht zu reduzieren, bis hin zu einem Büchertauschschrank in der Schule. Insgesamt gab es 104 Anmeldungen und 66 Einsendungen.

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Eindrücke aus der Vielfalt der Ideen

Der erste Platz des Wettbewerbs ging an die Jahrgangsstufe 7 der Erlöser-Mittelschule Bamberg. Sie überzeugte die Jury mit einem kreativen Trickfilm zum Thema „Wassersparen beim Abwasch“.

Jahrgangsstufe 7 der Erlöser-Mittelschule

Den zweiten Platz belegt die Klasse 6c der Realschule Renningen. Ihr Beitrag zeigt den lautstarken Protest der Schüler*innen getreu dem Motto „Denke jetzt um!“ und greift den Zeitgeist der Fridays-for-Future-Bewegung auf.  Auf Platz drei haben es sogar drei Schulen geschafft. Zum einen wurde der Wahlpflichtkurs „Klima“ der Schule am Wilzenberg für sein durchgeführtes Upcycling-Projekt ausgezeichnet. Sie nutzten alte T-Shirts, um wiederverwendbare Einkaufstaschen anzufertigen. Eine weitere Prämierung geht an die Klasse BO2 der Friedrich-von-Bodelschwingh-Schule Bergkamen. Die Klasse hat sich ebenfalls mit Upcycling beschäftigt und alten Jeans neues Leben eingehaucht. Abschließend erreichte auch die  Umwelt AG des Martin-Gerbert-Gymnasiums in Horb den dritten Platz. Die Schüler*innen haben ein kreatives Maßnahmenpaket zu suffizientem Verhalten erstellt und zu Hause umgesetzt. 

Es war ein voller Erfolg!

Im Projekt „Einfach machen – die Suffizienzdetektive“ sollten sich Schüler*innen der Sekundarstufe 1 mit dem Thema Suffizienz auf positive Art und Weise auseinandersetzen. Es war ein voller Erfolg. Wie die 66 Einsendungen und 104 Anmeldungen zeigen, waren der Kreativität der Schüler*innen keine Grenzen gesetzt. Gleichzeitig verdeutlicht dies auch die große Vielfalt an Möglichkeiten, wie der Alltag von jedem – angefangen im Kinder und Jugendalter –  ressourcensparender und nachhaltiger gestaltet werden kann. Und somit endete das Projekt „Einfach Machen“ im März 2021, aber die Mission der Suffizienzdetektive ist lange noch nicht abgeschlossen. Suffizienz muss nicht länger ein „Schreckgespenst“ bleiben. Kinder und Jugendliche in Schulen in ganz Deutschland haben es vorbildlich vorgemacht.

Wie geht es weiter?

Die Deutsche Umweltstiftung sucht derzeit nach finanziellen Unterstützer*innen für eine Neuauflage der Suffizienzdetektive. Wenn Sie Interesse an einer Mitwirkung haben, melden Sie sich unter kontakt@suffizienzdetektive.de.

[1] Heyen, D./Fischer, C./Grießhammer, R./Wolff, F./Brunn, C./Keimeyer, F./Barth, R. (2013): Für eine Politik der Suffizienz. Politische Steuerung als notwendiger Baustein einer suffizienten Gesellschaft. Freiburg, Öko-Institut, S. 7.

[2]Heyen, Dirk Arne, et al. „Mehr als nur weniger. Suffizienz: Notwendigkeit und Optionen politischer Gestaltung, Öko-Institut Working Paper 3/2013.“ (2013).