Suffizienz und aktuelle Herausforderungen in der Coronakrise – ein Interview mit Jörg Göpfert

Im Rahmen eines Interviews sprachen wir mit dem Studienleiter Jörg Göpfert der Evangelische Akademie Sachsen-Anhalt e. V. über Suffizienz und aktuelle Herausforderungen in der Coronakrise.

Sie arbeiten als Studienleiter an der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt e. V. und sind in dieser Eigenschaft auch als Redakteur der Zeitschrift „Briefe. Zur Orientierung im Konflikt Mensch – Erde“ tätig. In der aktuellen Ausgabe dieser Zeitschrift schreiben Sie: „Der Klimawandel könnte tatsächlich das Ende der Selbstverständlichkeiten bedeuten […].“ Was meinen Sie damit?

Jörg Göpfert: Die Corona-Krise hat die Verletzlichkeit des Menschen und seiner gesellschaftlichen Sub- und Sicherungssysteme deutlich gemacht. „Normale“ Verhaltensweisen wie das Händeschütteln sind zum Risiko und Feiern zur Gefahr geworden. Sogar Oster- und Weihnachtsgottesdienste fielen aus. Der Heidelberger Theologe Philipp Stoellger hat die Corona-Krise deshalb als „Riss“ bezeichnet, der einen „gravierenden Lebensweltwandel“ mit sich bringe1 . Er spricht vom „Ende von Wirklichkeiten, in denen wir selbstverständlich lebten“. Das war und ist für viele eine erschreckende Erfahrung. Es lässt sich aber davon ausgehen, dass die Corona-Pandemie – ähnlich wie frühere Pandemien – vorübergehen wird. Irgendwann werden alle, die nicht an ihr sterben, immun geworden sein – mit oder ohne Impfung. Das wird vielleicht einige Jahre dauern, aber dann können die Überlebenden aufatmen und zur „Normalität“ zurückkehren.

Bei der Klimakrise ist das anders. Sollte die Menschheit es nicht schaffen, die Erwärmung der Erdatmosphäre zu stoppen und die globale Durchschnittstemperatur auf einen Wert zu begrenzen, der maximal 1,5 bis 2 Grad über dem vorindustriellen liegt, ist mit massiven Veränderungen zu rechnen. Wetterextreme würden weiter zunehmen, Wüsten würden wachsen, und viele Inseln und Küstenregionen würden vom steigenden Meeresspiegel überflutet werden. Vor allem aber würde sich der globale Wasserkreislauf – zu Lande und in der Luft – massiv verändern. Dann kämen auf die Wirtschafts- und Sozialsysteme Belastungen zu, die weit größer sein dürften, als die jetzigen durch die Corona-Krise. Und dann droht tatsächlich das Ende der „Selbstverständlichkeiten“. Dann stehen nicht nur Reisen oder Einkäufe in Baumärkten zur Disposition, sondern womöglich auch die Rundumversorgung mit Trinkwasser, Lebensmitteln und Transportmöglichkeiten. Eine Überwindung dieses Dauerstresses würde Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte dauern, wenn sie überhaupt möglich wäre.

In dem Zusammenhang sprechen Sie auch von Suffizienz. Welchen Stellenwert hat die Thematik für die Evangelische Akademie Sachsen-Anhalt e. V.?

Einen großen. Seit Jahren bemühen wir uns, das Thema „Große Transformation“, wie es der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen nannte2 , im gesellschaftlichen Diskurs voranzubringen. Und dazu gehört ganz wesentlich die Suffizienz, also das Auskommen mit weniger. Denn mit Effizienz und Konsistenz allein wird eine nachhaltige Lebens- und Wirtschaftsweise nicht möglich sein. Effizienz, also das Herstellen einer bestimmten Menge an Waren oder Dienstleistungen mit weniger Materialaufwand als zuvor, wird oft durch eine Ausweitung des Angebots überkompensiert. Die LEDs sind ein Beispiel. Sie verbrauchen zwar weniger Strom als herkömmliche Glühlampen, lassen sich aber für neue Zwecke verwenden. Plötzlich ist es möglich – und erschwinglich – die gesamte Hausfassade in eine funkelnde Weihnachtswelt zu verwandeln. Bei der Konsistenz wird versucht, umweltbelastende Materialien durch umweltverträglichere oder endliche Ressourcen durch nachwachsende zu ersetzen. Ein guter Ansatz. Aber der kompostierbare Computer dürfte schwer realisierbar sein, und falls doch, wären sehr große Anbauflächen nötig, um die benötigten Rohstoffmengen bereitzustellen. Fruchtbare Böden sind aber ein knappes Gut und geraten auch durch den Klimawandel massiv unter Druck. Folglich gibt es für die Menschheit nur zwei Strategien: entweder die Zahl der Menschen drastisch zu reduzieren oder den Verbrauch jedes Einzelnen und aller zusammen. Letzteres wird nur mit Hilfe einer sehr intelligenten Kombination von Effizienz, Konsistenz und Suffizienz gelingen.

Wie schätzen Sie die gesellschaftliche Akzeptanz eines „Weniger“ ein?

Lange Zeit war Suffizienz ein Tabu. Und im politischen Raum ist es das immer noch. Denn eine Strategie des „Weniger“ ist mit einer wachstumsorientierten Wirtschaft und einer ebensolchen Politik schwer vereinbar. Erfreulich ist aber, dass das Interesse an Suffizienz sowohl in der Wissenschaft als auch in der Zivilgesellschaft zunimmt. Das zeigt zum Beispiel der Aufruf „Für eine klima- und naturverträgliche, sozial gerechte Lebens- und Wirtschaftsweise: Energie- und Ressourcenverbrauch drastisch reduzieren“3. Er wurde mit den Unterschriften von 200 Personen aus der Wissenschaft und ihrem Umfeld herausgegeben. Mehr als 3000 weitere Bürgerinnen und Bürger haben ihn inzwischen unterzeichnet. Es gibt ein „Forschungsnetzwerk Suffizienz“ und viele neuere Publikationen zum Thema. Auch das aktuelle Heft unserer Zeitschrift „Briefe“ ist ihm gewidmet4. All das zeigt: Suffizienz ist im Kommen. Sie braucht aber noch mehr Unterstützung, damit sie auch in die Praxis umgesetzt werden kann. Dafür kommt es nicht nur auf den guten Willen einzelner an, sondern auch auf die richtigen politischen Rahmensetzungen, also eine Suffizienzpolitik. Und die braucht gesellschaftlichen Druck und gesellschaftliche Mehrheiten.

Welche Chancen sehen Sie, dass sich junge Menschen heute für ressourcenschonende und damit suffiziente Lebensweisen begeistern?

Die Chancen sind größer denn je, weil ein Umdenken bereits begonnen hat. Viele, vor allem jüngere Menschen reduzieren ihren Fleischkonsum. Auch das Auto ist für sie kein Muss mehr, besonders in größeren Städten. Die Bewegung „Fridays For Future“ setzt sich für Suffizienz ein. Und eine große Zahl junger Menschen wählt inzwischen Berufe im Bereich des Umwelt- und Naturschutzes sowie der Nachhaltigkeit. Die Zahl der Ausbildungsangebote ist enorm gewachsen. Als ich 1978 mit meinem Studium begann, war ich einer der ersten in Deutschland, die „Technischen Umweltschutz“ studieren konnten. Heute gibt es ganze Hochschulen, die dem Thema Nachhaltigkeit gewidmet sind, etwa die Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde in Brandenburg. Es gibt ein bundesweites studentisches „netzwerk N“, das Hochschulen nachhaltiger machen will. Nicht auszudenken, was möglich wird, wenn all diese gut ausgebildeten, hoch motivierten jungen Menschen eines Tages im Berufsleben stehen und Entscheidungen treffen. Hoffentlich finden viele von ihnen auch den Weg in die Politik. Denn dort werden nach wie vor wichtige Weichen gestellt.


[1] Philipp Stoellger: „Eröffnung: Corona als Riss der Lebenswelt. Zur Orientierung über Naherwartungen, Enttäuschungsrisiken und Nebenwirkungen“; in Benjamin Held et al. (Hrsg.): „Corona als Riss: Perspektiven für Kirche, Politik und Ökonomie“, Heidelberg: heiBOOKS, 2020 (FEST kompakt – Analysen – Stellungnahmen – Perspektiven , Band 1). Kostenloser Download: https://books.ub.uni-heidelberg.de/heibooks/reader/download/701/701-3-90267-1-10-20200916.pdf

[2] https://www.wbgu.de/de/publikationen/publikation/welt-im-wandel-gesellschaftsvertrag-fuer-eine-grosse-transformation

[3] https://bereit-zum-wandel.de/aufruf/

[4] https://ev-akademie-wittenberg.de/sites/default/files/publikationen/briefe_2020-4.pdf

ÜBER Den INTERVIEWPARTNEr

Jörg Göpfert, geboren 1960 in Berlin, ist Absolvent des Studiengangs Dipl.-Ing. für Technischen Umweltschutz an der TU Berlin. An der Deutschen Journalistenschule in München wurde er zum Redakteur ausgebildet. Seit 1988 ist er freier Umwelt- und Wissenschaftsjournalist und seit vielen Jahren Kommunikations- und Medientrainer für Wissenschaftler/-innen. Im Januar 2000 begann seine Tätigkeit an der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt in Lutherstadt Wittenberg. Als Studienleiter im Bereich Umwelt & Soziales ist er Mitbegründer des Netzwerks „Ökumenischer Prozess ‚Umkehr zum Leben – den Wandel gestalten‘“ und einer von zwei Redakteuren der Zeitschrift „Briefe. Zur Orientierung im Konflikt Mensch – Erde“, einer der ältesten Umweltzeitschriften in Deutschland. Seine jüngste Publikation: „Es reicht. Von der Last und Leichtigkeit der Suffizienz“, in Brigitte Bertelmann, Klaus Heidel (Hrsg.): „Leben im Anthropozän. Christliche Perspektiven für eine Kultur der Nachhaltigkeit“, oekom verlag, München 2018.

© Jörg Göpfert

Suffizienz an Hochschulen – Eine Good-Practice-Sammlung

Wie wird Suffizienz an Hochschulen bereits umgesetzt? Was lässt sich aus existierenden Projekten lernen und wie könnte man diese noch weiterführen? Diesen Fragen gehen Dr. Michael Flohr und Lucas Markus in ihrer Good-Practice-Sammlung „Suffizienz an Hochschulen im ländlichen Raum“ nach. Indem sie untersuchen, wie Suffizienz an Hochschulen gelingen kann, setzen sie einen Gegenpunkt zur bequemen aber zugleich riskanten Wette auf eine alleinig effiziente Zukunft. 

Übersichtskarte suffizienter Initiativen an Hochschulen, die in der Good-Practice-Sammlung aufgeführt werden, © Dr. Michael Flohr

Suffizienz im ländlichen Raum

In Deutschland ist grundsätzlich auffällig, dass vor allem kleinere und mittlere Hochschulen nachhaltige Maßnahmen umsetzen. Ländliche Räume haben gewisse Merkmale, die Suffizienz befördern können. Überschaubare Sozialgefüge und enge Netzwerke führen beispielsweise dazu, dass solidarische Aktivitäten wie Tauschen leichter umgesetzt werden können, als das in der Anonymität von Großstädten der Fall ist. Außerdem können gerade ländliche Räume zu Reallaboren werden, um gewohnte Wachstumspfade zu verlassen und neue, suffiziente Wege zu erproben. Das geschieht, indem neue Lebens-, Lern- und Arbeitsformen gewagt werden. Ländliche Hochschulen haben daher häufig eine Innovations- und Vorbildfunktion inne.

Suffizienz – Orientierung am rechten Maß

Suffizienz meint, das „richtige“ und „notwendige“ Maß von Ressourcenverbrauch anzustreben, sowohl auf individueller als auch auf organisationaler Ebene. Häufig werden die 4 E’s nach Wolfgang Sachs genutzt – Entschleunigung, Entflechtung, Entkommerzialisierung und Entrümpelung – um sich am richtigen Maß zu orientieren. 

Bei der Entschleunigung geht es um das richtige Maß an Zeit. Der Rhythmus soll angepasst und damit langsamer und zuverlässiger werden – im Verkehrsbereich, in der Arbeitswelt und in den Produktzyklen von Gütern. So werden Qualität und Langlebigkeit erzielt. Entflechtung meint das richtige Maß für den Raum. Globales und regionales Wirtschaften soll neu aufgeteilt werden, zum Beispiel durch eine Regionalisierung der Lebensmittelproduktion und der Energieversorgung. Entrümpelung bezeichnet das richtige Maß an Besitz hin zu „einfacher“ und „weniger“. Dabei geht es vor allem darum, Gerümpel gar nicht erst entstehen zu lassen, indem zum Beispiel Güter langlebig und reparierbar produziert werden. Das vierte E, die Entkommerzialisierung, betrifft das richtige Maß für den Markt. Der zunehmenden Kommerzialisierung soll entgegengewirkt werden, indem Menschen zu Glück jenseits von Konsum befähigt werden. 

Die vier E‘s wurden im Paper genutzt, um Ansätze und Projekte nach ihrem primären Fokus geordnet darzustellen. Im Folgenden wird zu jedem „E“ ein Beispiel einer Hochschule vorgestellt, welche ein suffizientes Projekt im jeweiligen Bereich umsetzt. 

Entschleunigung

Lebenswelt Campus der Leuphana Universität Lüneburg © Leuphana Universität Lüneburg

Einen Fokus auf Entschleunigung setzt das Projekt „Lebenswelt Campus“ der Leuphana Universität Lüneburg. Studierende, Lehrende, Verwaltungsmitarbeitende und die Hochschulleitung versuchen in diesem Projekt, den Campus so zu gestalten, dass alle sich wohlfühlen, miteinander ins Gespräch kommen und sich unterstützen können. Zunächst wurde dafür der Campus zu einem verkehrsberuhigten Raum gemacht. Nachfolgend sollen die Straßen entsiegelt werden, um einen Campuspark zu gestalten. Diverse Nutzungsanforderungen an den Campus sollen in das neu entwickelte Konzept einbezogen werden. Dazu gehören unter anderem Orte zum Verweilen, Repräsentativität, Biodiversität, Lehre, Lernen, Bewegungen, essbarer Campus und Barrierefreiheit. Der partizipative Prozess und ein langfristiger Blick auf die Gestaltung des Campus zeigen neben dem gemeinsam genutzten Raum, der reduzierten Abgasbelastung und angebautem Obst, Gemüse und Kräutern auf dem Campus die deutlichen Bezüge zur Suffizienz. Das Projekt könnte gut an andere Hochschulen übertragen werden, wobei Themen und Schwerpunkte von der jeweiligen Hochschule selbst gesetzt werden können. Aber auch für die Universität Lüneburg geht es noch weiter mit der Entschleunigung: „Das Projekt Lebenswelt Campus lebt davon, dass sich die Ideen weiterentwickeln und mit allen Stakeholdern abgestimmt realisiert werden. So sind wir gespannt und offen, was in den nächsten Jahren noch kommt.“

Entflechtung

Klimaschutz-Mensa des Studentenwerks Schleswig-Holstein © Studentenwerk Schleswig-Holstein

Das Studentenwerk Schleswig-Holstein wirkt mit einer „Klimaschutz-Mensa“ auf dem Campus Flensburg im Bereich der Entflechtung. Ein wachsendes Angebot an vegetarischen und veganen Gerichten und Maßnahmen zur Energieeinsparung und Müllvermeidung wurden seit 2018 erfolgreich umgesetzt. Auch in diesem Projekt arbeiten Studierende, Hochschulleitung, Lehrende und Verwaltungsmitarbeitende zusammen für eine suffizientere Hochschule. Mitarbeitende der Mensa werden regelmäßig geschult, sodass sich Auswahl und Qualität an vegetarischen und veganen Gerichten vergrößert. Regionale Produkte und kurze Transportwege werden bevorzugt. Außerdem werden mit einem Stand in der Mensa Studierende für das Thema Klimaschutzmanagement sensibilisiert. Durch gute Öffentlichkeitsarbeit rund um das Thema Nachhaltigkeit und ein attraktives Angebot klimagerechter Speisen konnte auf dem Campus Flensburg Genuss verbunden mit Klimaschutz zu moderaten Preisen in die Mensa gebracht werden. Übertragen werden kann das Konzept der Klimamensa auf jede Hochschule mit Mensabetrieb.

Entrümpelung

CREAPOLIS Makerspace der Hochschule Coburg © CREAPOLIS Makerspace

An der Hochschule Coburg wurde von Lehrenden der „CREAPOLIS Makerspace“ geschaffen, eine offene Werkstatt, wo sowohl digitale als auch anaolge Werkzeuge geteilt werden. Dem ganzen liegt die Idee zugrunde eine neue Art von Begegnungsplattform für die Hochschule und Region Coburg zu schaffen. Ein Erfolg zeichnet das Repair Café, welches zweimal im Monat angeboten wird und sich großer Beliebtheit erfreut. Darüber hinaus bietet das Projekt Bürger*innen, Initiativen und Unternehmen Infrastruktur in Form von Räumlichkeiten, um Vorhaben umzusetzen und (in Kooperation) nachhaltige Innovationen entstehen zu lassen. Für die Entwicklung ähnlicher Projekte an anderen Orten wird das Wissen zum Makerspace bereits genutzt. Darüber hinaus ist in Planung, einen Arbeitsbericht zu veröffentlichen, der es neuen Projektstarter*innen noch einfacher macht. 

Entkommerzialisierung

Klimamap der Europa-Universität Flensburg, Quelle: Screenshot KlimaMap Flensburg,  https://klimaschutz.campus-flensburg.de/?page_id=3210

Vom Klimaschutzmanagement der Universität Flensburg wurde die „Klimaschutzmap“ ins Leben gerufen. Diese beschreibt eine Online Karte mit über 250 Einträgen in neun Kategorien. Ziel ist es, Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sich in Flensburg für Klimaschutz eingesetzt werden kann. Aufgenommen sind Repair Cafés, Secondhand-Läden, Foodsharing-Angebote, Unverpackt-Läden und vieles mehr. Eine Besonderheit dieses Projektes ist, dass es nicht nur Hochschulmitglieder erreicht, sondern darüber hinaus auch von Interessierten Bürger*innen genutzt werden kann. Eine KlimaMap mit Angeboten zum klimafreundlichen Handeln kann grundsätzlich mit genügend Engagement ganz einfach ins Leben gerufen werden. Wichtig ist, die Klimaschutzmap kontinuierlich zu pflegen, da sich in einigen Kategorien Angaben laufend ändern, wie beispielsweise die Anzahl an Stromtankstellen in der Stadt.

Fazit

Die vier vorgestellten Projekte bilden nur eine kleine Auswahl an Beispielen aus der Good Practice Sammlung zu Suffizienz an Hochschulen. Vom Umweltcampus der Hochschule Trier über Foodsharing an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt bis hin zu einem Fahrradverleihsystem an der Hochschule Emden-Leer gibt es noch viele weitere spannende Projekte zu Suffizienz zu entdecken. Der Projektinitiator vom Fahrradverleihsystem sagt als Tipp für alle, die selbst ein Nachhaltigkeitsprojekt starten wollen: „Einfach loslegen!“ 

Wer gerne erstmal Ideen sammeln, sich inspirieren lassen oder weitere wertvolle Tipps erhalten möchte, findet all dies ausführlich im besagten Paper. Neben der Good Practice Sammlung gibt es noch weitere Beiträge. Zum Beispiel geben zwei Umweltpsychologinnen im Interview Anregungen, wie studentische Initiativen andere Menschen an der Hochschule von einem suffizienten Projekt überzeugen können.

Quellen

https://www.researchgate.net/publication/342991904_Suffizienz_an_Hochschulen_im_landlichen_Raum

Suffizienzpolitik – Praktiken und wie diese gelingen können

Nachhaltigkeit zu wollen, ist leicht. Erwartet wird dabei jedoch häufig, Nachhaltigkeit lasse sich allein durch Innovation erreichen. Die Nachhaltigkeitsstrategie der Suffizienz bezeichnet die bewusste Verringerung des Bedarfs und des Verbrauchs an endlichen Rohstoffen und Energie. Dieser wird mit deutlicher Zurückhaltung, häufig sogar mit Empörung und Widerständen, begegnet. Durch verpflichtende und fördernde Maßnahmen der öffentlichen Hand zielt Suffizienzpolitik auf eine Begrenzung von Produktion und Konsum ab. Dadurch greift sie in das persönliche Leben ein und wird schnell als Beeinträchtigung gesehen, vor allem von denjenigen, die ihren eigenen Wohlstand im Vordergrund sehen und diesen beibehalten möchten oder sogar zu verbessern erstreben. In einem Gastbeitrag auf unserer Seite hat Manfred Linz bereits beispielhaft an Politiken erklärt, wie Suffizienz den Weg vom Alltag in die Politik finden kann. Darauf aufbauend wird im Folgenden basierend auf seiner Handreichung „Wie Suffizienzpolitik gelingen kann“ genauer auf verschiedene Herangehensweisen bei der Gestaltung von Suffizienzpolitiken eingegangen, die förderlich oder erschwerend auf die Akzeptanz und Umsetzung einwirken können.

Do’s and Don’ts bei der Gestaltung von Suffizienzpolitiken 

Um Suffizienzpolitik künftig Erfolg bringend gestalten zu können, ist es von großer Bedeutung zu wissen, durch welche Mittel und Methoden diese staatlichen Maßnahmen von der breiten Bevölkerung annehmbar werden. Hierfür hat Dr. Manfred Linz in seiner Handreichung „Wie Suffizienzpolitik gelingen kann“ 8 unterschiedliche Politiken und deren Akzeptanz und Umsetzung durch die Bevölkerung untersucht. Die Auswertung dieser Beispiele – im Folgenden kurz zusammengefasst – zeigt, welche Erkenntnisse daraus gewonnen werden und was wir daraus für die Entwicklung kommender Politiken lernen können.

Merkmale, die das Gelingen von Suffizienzpolitik befördern

  • Leicht einsehbare Ziele aufstellen – staatliche Maßnahmen, die ein klares, leicht einsehbares Ziel haben, werden leichter umgesetzt als Maßnahmen mit unklaren, zusammenhängenden oder komplexeren Zielen
  • Gewinn im Verzicht erkennbar machen – die Bereitschaft zur Annahme von Maßnahmen steigt, wenn neben der Restriktion ein gleichzeitiger Nutzen erkennbar wird
  • Veränderung in mehreren Stufen – es fällt leichter Veränderungen zu akzeptieren, die nicht mit einem Mal eine große Umstellung verlangen, sondern durch mehrere Teilschritte herbeigeführt werden können
  • Gemeinwohl entscheidet – Vorgaben, die im Allgemeinen dazu beitragen, Schaden von der Gemeinschaft abzuwenden, werden eher angenommen
  • Zustimmung mobilisieren – Maßnahmen können leichter akzeptiert werden, wenn mit der Zustimmung des größten Teils der Bevölkerung gerechnet werden kann

Merkmale, die das Gelingen von Suffizienzpolitik erschweren

Damit die Umsetzung von Suffizienzpolitiken erfolgreich gelingen kann, ist es neben den förderlichen Aspekten auch wichtig die Merkmale zu betrachten, die das Gelingen erschweren können. Auch diese sind im Folgenden zusammengefasst. 

  • Konkurrierende Ziele vermeiden es sollte vermieden werden, komplizierte und inhaltlich nicht zusammenhängende Ziele zu setzen, da diese von der Bevölkerung weniger akzeptiert werden
  • umstrittene Sachverhalte hemmen – schwerer umzusetzen sind Maßnahmen, denen trotz guter Gründe auch berechtigte Einwände entgegenstehen
  • Vermeidung von unmittelbaren Kosten bei erst langfristigem Nutzen – Maßnahmen, die die Betroffenen unmittelbar mit Kosten belasten, jedoch erst über längere Zeit Wirkung zeigen, können die Akzeptanz verringern
  • Bevormundung durch den Staat unerwünscht – Wenn der Staat als Vormund der persönlichen Lebensweise erscheint, ist die Bevölkerung weniger gewillt sich dessen Vorgaben anzunehmen
  • Überforderung vermeiden – politische Maßnahmen, die die Veränderungsbereitschaft der Bürger emotional überfordern sind schwerer umzusetzen
  • Freiheitswünsche bedenken – weniger anerkannt werden Maßnahmen, wenn durch diese persönliche Gefühle, vor allem die der eigenen Unabhängigkeit, als eingeschränkt empfunden werden
  • Wirtschaftliche Interessen einbeziehen – schwerer zu akzeptieren sind Restriktionen, wenn diesen starke ökonomische Interessen entgegenstehen. Besonders hinderlich ist das, wenn diese Interessen von einem Teil der Bürger und bedeutenden Entscheidungsträgern vertreten werden
  • Hindernis Wachstumsglaube – wenn der Glaube gefestigt ist, dass das Wirtschaftswachstum notwendige Voraussetzung für Wohlstand ist, wird es wesentlich schwieriger sein bestimmte Maßnahmen durchzusetzen

Folgerungen für die Gestaltung von Suffizienzpolitik

1. Gemeinwohl ist der ausschließliche Bezugspunkt aller Suffizienzpolitiken

Restriktionen im Rahmen von Suffizienzpolitiken stoßen häufig auf Gegenwehr, da sie mit den persönlichen Wünschen sowie kurzfristigen Gedanken, Gefühlen und Handlungen einzelner Individuen konkurrieren. Um diesen Konflikt auszugleichen, muss das gemeinsame Wohl als langfristiges Ziel in den Vordergrund gestellt werden. Es muss gezeigt werden, dass die Forderungen unverzichtbar sind, um langfristig das Fortbestehen und Wohl der Gesamtgesellschaft zu sichern.

 2. Lokal und regional statt national und europaweit

Die Durchsetzung von neuen Vorgaben gelingt auf regionaler Ebene besser als im nationalen oder europaweiten Raum. Dies resultiert vor allem daraus, dass Probleme auf kleinerer Ebene überschaubarer und greifbarer sind und vieles unmittelbar durch personenbezogene Beziehungen geklärt werden kann. Außerdem sind hierfür lokale Initiatoren entscheidend, die oft durch Engagement und Ausdauer die politische Durchsetzung ermöglichen.

3. Gebote vor Verboten

Ein entscheidender Punkt ist es auch, den Bürgern möglichst viel Wahlfreiheit zu gewährleisten. Diese möchten weitestgehend das Recht behalten, selbst über ihre persönliche Lebensführung entscheiden zu können. Daher ist es von Vorteil, Suffizienzpolitik möglichst durch Vorgaben im Sinne von Begünstigungen, Geboten oder Reglementierungen zu betreiben. Es sollten nur dann Verbote eingesetzt werden, wenn die Ziele nicht auf eine andere Weise zu erreichen sind.

4. Ausgleich für die sozial Schwachen

Einige der Politiken haben zur Folge, dass sie die Lebenskosten erhöhen, was vor allem die sozial schwächeren Bevölkerungsgruppen übermäßig trifft. Diese Mehrbelastungen für Geringverdienende sollten, beispielsweise durch Ausgleichszahlungen, aufgefangen werden.

5. Neue Gewohnheiten stützen die Suffizienz

Die Bildung von neuen Gewohnheiten, die die Vorgaben in das alltägliche Leben integrieren, können zusätzliche Zustimmung geben. Vor allem ist das der Fall, wenn durch die tatsächliche Umsetzung der gesellschaftliche Nutzen erkennbar wird. Ein Beispiel ist das so umstrittene Tempolimit. Die Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass viele Regelungen sehr schnell von den Meisten akzeptiert und zur Gewohnheit werden, wenn sie erst einmal umgesetzt wurden. 

6. Von den leicht zugänglichen zu den herausfordernden Politiken

Suffizienzpolitiken lassen sich in verschiedene Kategorien einteilen, die sich in Bezug auf verschiedene Kriterien, wie Kosten oder Schwierigkeitsgrad, unterscheiden. Die Politiken, die mit spürbaren Einschränkungen verbunden sind, können einen größeren Erfolg erzielen, wenn sie mit kleineren Schritten begonnen werden. So können die Anfänge ohne größere Proteste hingenommen, es können neue Gewohnheiten gebildet werden und die weitere Durchführung hat bessere Chancen.

7. Das Verhältnis von Gewinn und Verlust

Für einen Großteil der Menschen ist Suffizienz ein unerwünschter Verzicht, der gegen den Erhalt ihres materiellen Wohlstands gerichtet ist. Die meisten Menschen wollen nicht weniger. Nur ein kleiner Teil der Gesellschaft kann Suffizienz als Gewinn interpretieren und diesen beispielsweise als Befreiung vom Überfluss ansehen. Nach einer These von Daniel Kahneman und Amos Tversky haben jedoch Verluste und Nachteile einen größeren positiven Einfluss auf uns als Gewinne oder Vorteile. Diese Ungleichmäßigkeit von positiver und negativer Erfahrung ist zudem evolutionsbedingt, denn Lebewesen, die Bedrohungen vorzeitlich behandeln, haben höhere Überlebenschancen. Diese Einsicht vermittelt ein neues Bild über die durch Suffizienz entstehenden vermeintlichen Verluste und könnte die Akzeptanz von Suffizienzpolitiken positiv beeinflussen.

Fazit

Ob Suffizienzpolitiken erfolgreich von der Regierung beschlossen, vom Parlament verabschiedet und von der Bevölkerung akzeptiert werden, hängt von vielen Faktoren ab. Suffizienzpolitiken können gegenwärtig nicht in ihrer vollen Ausprägung durchgesetzt werden, da Klimaschäden unser aktives Lebensumfeld sowie unser Bewusstsein nicht spürbar genug erreichen. Das Gelingen und die Bereitschaft zur Akzeptanz kann jedoch gefördert werden, wenn bestimmte Herangehensweisen bei der Gestaltung der Politiken berücksichtigt werden. Damit die Wirksamkeit der staatlichen Vorgaben und damit die vereinbarten Klimaziele erreicht werden können, muss sich vor allem die gesamtgesellschaftliche Erwartung und Einstellung ändern. Wenn wir dies als Gesellschaft nicht von alleine schaffen, werden wir voraussichtlich früher oder später durch die sich zuspitzenden Ereignisse und die daraus resultierenden Folgen dazu gezwungen. Der steigende Protest von Menschen, die ihre besondere Betroffenheit vom Klimawandel nicht mehr hinnehmen, könnte bereits zu einer Veränderungsbereitschaft der Bevölkerung in gemäßigten Zonen führen. Noch haben wir die Möglichkeit unsere Ansichten zu ändern, als Gesellschaft näher zusammenzurücken und auch von uns aus die nationalen Regierungen zum Handeln zu bewegen. Öffentliche Diskussionen und das Werben für leichte Suffizienzpolitiken können die Aufmerksamkeit für dieses Thema vergrößern und es kann ein Umdenken zur vorher oft kritisch betrachteten Suffizienz stattfinden. Dadurch wird es uns in der Gesellschaft vielleicht leichter fallen, den langfristigen und notwendigen Zielen zur Erhaltung und zum Wohl unserer Gemeinschaft Vorrang zu verschaffen und unseren persönlichen Drang nach übermäßigem Konsum und materiellem Wohlstand hinten anzustellen. 

Quellen

Manfred Linz: Suffizienz als politische Praxis . Ein Katalog. Wuppertal 2015, ISBN 978-3-929944-96-9

Manfred Linz: Wie Suffizienzpolitiken gelingen: Eine Handreichung. Wuppertal 2017, ISBN 978-3-946356-02-8 (Wuppertal Spezial Nr. 52)

Link zur Handreichung “Suffizienz als politische Praxis”: https://epub.wupperinst.org/frontdoor/deliver/index/docId/5735/file/WS49.pdf

Link zur Handreichung “Wie Suffizienzpolitiken gelingen”: https://epub.wupperinst.org/frontdoor/deliver/index/docId/6611/file/WS52.pdf

Zukunftsfähig durch nachhaltige Entwicklung – ein Interview mit Vera Rößiger

„Viele kleine Leute, an vielen kleinen Orten, die viele kleine Schritte tun, können das Gesicht der Welt verändern.“ Dieses Sprichwort passt sehr gut zum Projekt N-Scouts. Vor einiger Zeit haben wir in einem Beitrag über das Fachforum Nachhaltigkeit mit dem Thema „Suffizienz und Ernährung“ berichtet, in dessen Rahmen auch das Projekt N-Scouts des Landesjugendrings Baden-Württemberg e. V. (kurz: ljrbw) vorgestellt wurde. Wir haben mit Vera Rößiger, Referentin für Nachhaltigkeit und Organisatorin des Projekts gesprochen.

zukunftsfähig durch nachhaltige entwicklung

Deutsche Umweltstiftung: Was sind deine Aufgaben im Fachbereich Nachhaltigkeit beim Landesjugendring Baden-Würtemberg e. V.?

Vera Rößiger: Zur Einordnung hole ich ein bisschen aus: Der Landesjugendring Baden-Württemberg e.V. ist eine Arbeitsgemeinschaft von verschiedenen Jugendverbänden auf Landesebene, sowie der Stadt- und Kreisjugendringe in Baden-Württemberg.

Die Fachbereiche werden von dem höchsten Gremium, der Vollversammlung eingesetzt. Diese wählt außerdem Vorstände, die dem jeweiligen Fachbereich vorstehen. Die Vorstände legen gemeinsam mit den Mitgliedern des geschäftsführenden Vorstands die strategischen Ziele des Landesjugendrings fest. In der Geschäftsstelle gibt es dann jeweils eine*n Referent*in für jeden Fachbereich, welche*r dafür zuständig ist, die Aufgaben praktisch umzusetzen.

Meine Aufgaben für den Fachbereich orientieren sich an den Bedürfnissen unserer Mitgliedverbände. Deren Arbeit wiederum orientiert sich an Interessen und Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen. Diese haben angesichts der globalen, ökologischen und sozialen Herausforderungen unserer Zeit berechtigte Sorge um die Zukunft der Welt und damit auch um ihre eigene. Für viele Kinder und Jugendliche ist ein sinnvoller Umgang mit Natur und Umwelt sowie ein global gerechtes Miteinander aller Menschen auf dieser Welt sehr wichtig. Und so ist es kein Wunder, dass Projekte der Jugendverbände sich – wenn auch nicht immer explizit – längst auf die Themen der nachhaltigen Entwicklung bzw. der Zukunftsfähigkeit beziehen. Der Fachbereich Nachhaltigkeit möchte diese vernetzen und gleichzeitig drei Schwerpunktthemen inhaltlich bearbeiten: Öko-fair-soziale Beschaffung, Bildung für nachhaltige Entwicklung und Nachhaltige Gesellschaft.

Ganz konkret organisiere ich zum Beispiel AG-Sitzungen unserer AG-Nachhaltigkeit mit Vertreter*innen der Mitgliedsverbände, um unserer Arbeit an deren Interessen auszurichten. Und wir versuchen die Interessen unserer Mitgliedsverbände im Bereich Nachhaltigkeit auf politischer Ebene zu vertreten: So haben wir etwa eine gemeinsame Stellungnahme von verschiedenen Verbänden (u.a. Landjugend und Naturschutzjugend) initiiert, als ein Gesetz zur Änderung des Naturschutzgesetzes und des Landwirtschafts- und Landeskulturgesetzes erlassen wurde. Solche Stellungnahmen zeigen den Verantwortlichen die Perspektive engagierter Jugendlicher bzw. der Jugendverbände auf. Und dann gibt es da noch das Projekt „N-Scouts“, welches wir in Kooperation mit RENN.süd (RENN=Regionale Netzstellen Nachhaltigkeitsstrategien) umgesetzt haben.

Deutsche Umweltstiftung: Welche Ziele verfolgt ihr mit dem N-Scouts Projekt?

Natürlich möchten wir die Welt verändern! Ein hehres Ziel, dem wir uns mit den N-Scouts annähern wollen. Unser Ziel oder unsere Vision ist es, dass bis zum Jahr 2025 mindestens 25 unserer Mitgliedsorganisationen öko-fair-sozial verantwortlich wirtschaften und dass ihnen suffizientes Handeln ein Begriff ist. Dafür braucht es Menschen, die selbstorganisiert in ihrer Struktur, ihrem Verband oder Ring neue Wege der Beschaffung gehen und jugendorientiert das Thema Suffizienz setzen. Diese Menschen wollen wir als Landesjugendring mit dem Projekt N-Scouts stärken und begleiten, sodass sie die nötigen Veränderungen in ihrem Verband angehen können.

Deutsche Umweltstiftung: Wie wollt ihr diese Vision wahr werden lassen? Welche Herausforderungen siehst du bei der Umsetzung suffizientes Handeln in den Fokus der breiten Gesellschaft zu setzen?

Damit unsere Vision wahr wird, wollen wir (junge) Menschen aus Jugendverbänden dabei stärken, diese Veränderungen anzugehen; ihnen sozusagen „Starthilfe“ geben. Beim Projekt N-Scouts gibt es zwei Wochenendveranstaltungen, die das Problembewusstsein bezüglich Nachhaltigkeit in verschiedenen Bereichen stärken, etwa zum Thema Ernährung, Büromaterialien oder Mobilität – alles im Kontext der Jugend(verbands-)arbeit. Daneben soll es aber auch darum gehen, Handlungswissen zu generieren und zu vermitteln – das heißt, dass die N-Scouts Lösungsansätze und Strategien für ihren Verband entwickeln können – und eine Herangehensweise an nachhaltiges Handeln zu entwickeln. Wir glauben, dass mit einem konkreten Fahrplan solche Veränderungsprozesse angegangen werden können und wir möchten diesen Fahrplan entwickeln helfen.

Um suffizientes Handeln in den Fokus der breiten Gesellschaft zu setzen braucht es genau solche Menschen, wie die N-Scouts, welche Probleme erkennen können und Veränderungen angehen oder auch einfach mal was Neues ausprobieren. Wir brauchen gesamtgesellschaftlich ein größeres Problembewusstsein. Doch das alleine genügt nicht, um suffizientes Handeln in die Breite zu bringen. Es benötigt auch politische Rahmenbedingungen: ob Kommunen, Verwaltung oder Unternehmen, wir brauchen Anreize und Impulse für jede und jeden, damit ressourcenleichteres Leben attraktiver wird und Lebensqualität ohne materiellen Reichtum erreicht werden kann.

Deutsche Umweltstiftung: Wie kann man N-Scout werden?

Um N-Scout zu werden, kann man sich ganz einfach bei mir anmelden.

Du solltest aus Baden-Württemberg kommen und Veränderung in einem Jugendverband oder einer selbstorganisierten Jugendgruppe anstoßen wollen. Dazu benötigst du außerdem ein Mandat deines Verbandes bzw. deiner Gruppe: Wir wollen, dass die Organisation auch bereit ist, Veränderungen umzusetzen und die N-Scouts entsenden.

Coronabedingt werden wir die Wochenendveranstaltungen auf Anfang kommenden Jahres verlegen müssen, genauere Informationen findet ihr dazu auf unserer Homepage: https://ljrbw.de/nachhaltige-entwicklung.

über die interviewpartnerin
© Vera Rößiger

Vera Rößiger ist Referentin beim Langesjugendring Baden-Württemberg e. V. für den Fachbereich Nachhaltigkeit und organisiert in diesem Rahmen das Projekt N-Scouts.

„Raus aus der Kunststofffalle“ – E-Paper zur Plastikproblematik

Im E-Paper„Raus aus der Kunststofffalle“ von Juni 2020 plädiert die Deutsche Umweltstiftung für einen radikalen Wandel im Umgang mit Kunststoffen, stellt alternative Lösungen auf den Prüfstand und richtet konkrete Forderungen an die Politik.

Wir alle kennen die Bilder: Paradiesische Strände, an denen mehr und mehr Plastikmüll angespült wird, riesige Müllhalden, auf denen sich der Kunststoff meterhoch stapelt. Das Problem des Plastikmülls ist mittlerweile allgegenwärtig. Jeder Supermarktbesuch führt uns das vor Augen. Obst, Gemüse, Brot oder Käse – fast alles ist in Plastik verpackt. Dementsprechend ist es kaum verwunderlich, dass jede*r Deutsche im Jahr 2017 durchschnittlich 226,5 kg Verpackungsmüll verursachte.

Doch es gibt nicht nur diese offensichtlichen Auswirkungen auf die Umwelt. Kunststoff stellt aktuell in fast allen Bereichen des Lebens eine Gefahr für uns und unsere Umwelt dar. Kunststoffe sind ein Verpackungsmaterial mit hohen ökologischen Kosten, schlechter Klimabilanz und massiven Beeinträchtigungen für Umwelt und Gesundheit.

Kunststoff als Katalysator des Klimawandels

Der komplette Lebenszyklus eines Kunststoffproduktes verursacht laut des Center for International Environmental Law etwa 850 Millionen Tonnen Treibhausgase. Verantwortlich dafür sind vor allem fossile Brennstoffe, die Grundbestandteil der meisten Kunststoffe sind. Außerdem werden Treibhausgase freigesetzt, wenn Plastikteile im Meer dauerhafter Sonneneinstrahlung ausgesetzt sind. Des Weiteren zersetzen sich die Plastikartikel im Meer in kleinste Teile, sogenanntes Mikroplastik, das Mensch, Tier und Natur schadet.

Quelle: Dustan Woodhouse über Unsplash

Recyclingprozesse konnten die Plastikproblematik bisher nicht gänzlich lösen, das machen die großen Mengen Kunststoffmüll in der Umwelt deutlich. Insbesondere wenn Produkte aus Verbundstoffen statt aus reinem Kunststoff bestehen, gestaltet sich Recycling schwierig, da die Trennung der verschiedenen Stoffe zeitintensiv und teuer ist.

Auch sogenanntes Bio-Plastik als potenzieller Ersatz für umweltschädliche Kunststoffe weist Schwächen auf. So gilt die biologische Abbaubarkeit der Produkte häufig als kompliziert und durch die Produktion kann es zum Verbrauch wertvoller Lebensmittelressourcen kommen.

Vermeiden, Reduzieren, Ersetzen: Wege aus der Kunststofffalle

Was können wir nun also tun, um das Plastikproblem zu lösen? Vermeiden, Reduzieren und Ersetzen – diese Prämissen ebnen den Weg aus der Kunststofffalle.

Wie im E-Paper dargelegt, kann Plastikvermeidung im Alltag sehr einfach sein. Zum Baumwollbeutel statt zur Plastiktüte oder zur Mehrweg- statt zur Einwegflasche zu greifen, kann beispielsweise helfen, den Plastikverbrauch zu reduzieren.

Kunststoff kann außerdem hervorragend eingespart werden, indem der eigene Konsum reduziert wird. Das zeigt die unten dargestellte Anti-Verbraucher-Pyramide. Sie verkörpert den Suffizienzgedanken: Nicht immer muss alles neu gekauft werden. Wir können Energie- und Rohstoffverbrauch sowie Abfall reduzieren, indem wir darüber nachdenken, ob wir etwas nutzen können, das wir bereits besitzen. Ist das nicht der Fall, können wir es eventuell selbst machen, tauschen, leihen oder gebraucht erwerben. Dennoch wird sich das Neukaufen bestimmter Dinge nie gänzlich vermeiden lassen. Daher beleuchtet das E-Paper die Vor- und Nachteile von Substitutionsprodukten für Kunststoffe wie Wellpappe oder Glasbehälter.

Die Anti-Verbaucher-Pyramide zeigt, wie Suffizienz im Alltag möglich ist.

Die Deutsche Umweltstiftung legt im E-Paper folgende Forderungen an die Politik dar:

  • Gestaltung der Rahmenbedingungen, die einen Wandel in Produktion, Verbrauch und Entsorgung ermöglichen
  • Schaffung finanzieller Anreize für Unternehmen, damit eine Umstellung auf Wellpappe oder andere Alternativen gelingt
  • Ausbau der Forschungsförderung
  • Spürbare Besteuerung der Kunststoffverpackungen
  • Ausweitung des EU-Verbot für Plastikeinwegprodukte auf alle Plastikprodukte für die es eine Alternative gibt
  • Bis 2025 30 Prozent der Kunststoffverpackungen durch umweltfreundliche Alternativen ersetzen

Alle Forderungen der Deutschen Umweltstiftung sowie weiterführende Informationen findet ihr im E-Paper.

Quellen:
Center for International Environmental Law (2019): „Plastic & Climate: The Hidden Costs of a Plastic Planet”. URL: https://www.ciel.org/plasticandclimate.
Deutschlandfunk (31.10.2018): Plastikmüll im Meer verursacht Treibhausgase. URL: https://www.deutschlandfunk.de/kli-mawandel-plastikmuell-im-meer-verursacht-treibhausgase.676.de.html?dram:article_id=431970.
Umweltbundesamt (18.11.2019): Verpackungsverbrauch im Jahr 2018. URL: https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/verpackungsver-brauch-im-jahr-2017-weiter-gestiegen.
Umweltbundesamt (2014): „Abfälle im Haushalt: Vermeiden, Trennen, Verwerten“. URL: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikationen/uba_abfall_web.pdf.
Umweltbundesamt (2017): „Tüten aus Bio-Plastik sind keine Alternative“, URL: https://www.umweltbundesamt.de/themen/tueten-aus-bioplastik-sind-keine-alternative
Abfallvermeidungsprogramm“, Broschüre des BMU, https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Pools/Broschueren/abfallvermeidungsprogramm_bf.pdf.
Verbraucherzentrale (2018): „Gefahren für die Gesundheit durch Plastik“. URL: https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/umwelt-haushalt/wohnen/gefahren-fuer-die-gesundheit-durch-plastik-7010.