Suffizienzpolitik – Praktiken und wie diese gelingen können

Nachhaltigkeit zu wollen, ist leicht. Erwartet wird dabei jedoch häufig, Nachhaltigkeit lasse sich allein durch Innovation erreichen. Die Nachhaltigkeitsstrategie der Suffizienz bezeichnet die bewusste Verringerung des Bedarfs und des Verbrauchs an endlichen Rohstoffen und Energie. Dieser wird mit deutlicher Zurückhaltung, häufig sogar mit Empörung und Widerständen, begegnet. Durch verpflichtende und fördernde Maßnahmen der öffentlichen Hand zielt Suffizienzpolitik auf eine Begrenzung von Produktion und Konsum ab. Dadurch greift sie in das persönliche Leben ein und wird schnell als Beeinträchtigung gesehen, vor allem von denjenigen, die ihren eigenen Wohlstand im Vordergrund sehen und diesen beibehalten möchten oder sogar zu verbessern erstreben. In einem Gastbeitrag auf unserer Seite hat Manfred Linz bereits beispielhaft an Politiken erklärt, wie Suffizienz den Weg vom Alltag in die Politik finden kann. Darauf aufbauend wird im Folgenden basierend auf seiner Handreichung „Wie Suffizienzpolitik gelingen kann“ genauer auf verschiedene Herangehensweisen bei der Gestaltung von Suffizienzpolitiken eingegangen, die förderlich oder erschwerend auf die Akzeptanz und Umsetzung einwirken können.

Do’s and Don’ts bei der Gestaltung von Suffizienzpolitiken 

Um Suffizienzpolitik künftig Erfolg bringend gestalten zu können, ist es von großer Bedeutung zu wissen, durch welche Mittel und Methoden diese staatlichen Maßnahmen von der breiten Bevölkerung annehmbar werden. Hierfür hat Dr. Manfred Linz in seiner Handreichung „Wie Suffizienzpolitik gelingen kann“ 8 unterschiedliche Politiken und deren Akzeptanz und Umsetzung durch die Bevölkerung untersucht. Die Auswertung dieser Beispiele – im Folgenden kurz zusammengefasst – zeigt, welche Erkenntnisse daraus gewonnen werden und was wir daraus für die Entwicklung kommender Politiken lernen können.

Merkmale, die das Gelingen von Suffizienzpolitik befördern

  • Leicht einsehbare Ziele aufstellen – staatliche Maßnahmen, die ein klares, leicht einsehbares Ziel haben, werden leichter umgesetzt als Maßnahmen mit unklaren, zusammenhängenden oder komplexeren Zielen
  • Gewinn im Verzicht erkennbar machen – die Bereitschaft zur Annahme von Maßnahmen steigt, wenn neben der Restriktion ein gleichzeitiger Nutzen erkennbar wird
  • Veränderung in mehreren Stufen – es fällt leichter Veränderungen zu akzeptieren, die nicht mit einem Mal eine große Umstellung verlangen, sondern durch mehrere Teilschritte herbeigeführt werden können
  • Gemeinwohl entscheidet – Vorgaben, die im Allgemeinen dazu beitragen, Schaden von der Gemeinschaft abzuwenden, werden eher angenommen
  • Zustimmung mobilisieren – Maßnahmen können leichter akzeptiert werden, wenn mit der Zustimmung des größten Teils der Bevölkerung gerechnet werden kann

Merkmale, die das Gelingen von Suffizienzpolitik erschweren

Damit die Umsetzung von Suffizienzpolitiken erfolgreich gelingen kann, ist es neben den förderlichen Aspekten auch wichtig die Merkmale zu betrachten, die das Gelingen erschweren können. Auch diese sind im Folgenden zusammengefasst. 

  • Konkurrierende Ziele vermeiden es sollte vermieden werden, komplizierte und inhaltlich nicht zusammenhängende Ziele zu setzen, da diese von der Bevölkerung weniger akzeptiert werden
  • umstrittene Sachverhalte hemmen – schwerer umzusetzen sind Maßnahmen, denen trotz guter Gründe auch berechtigte Einwände entgegenstehen
  • Vermeidung von unmittelbaren Kosten bei erst langfristigem Nutzen – Maßnahmen, die die Betroffenen unmittelbar mit Kosten belasten, jedoch erst über längere Zeit Wirkung zeigen, können die Akzeptanz verringern
  • Bevormundung durch den Staat unerwünscht – Wenn der Staat als Vormund der persönlichen Lebensweise erscheint, ist die Bevölkerung weniger gewillt sich dessen Vorgaben anzunehmen
  • Überforderung vermeiden – politische Maßnahmen, die die Veränderungsbereitschaft der Bürger emotional überfordern sind schwerer umzusetzen
  • Freiheitswünsche bedenken – weniger anerkannt werden Maßnahmen, wenn durch diese persönliche Gefühle, vor allem die der eigenen Unabhängigkeit, als eingeschränkt empfunden werden
  • Wirtschaftliche Interessen einbeziehen – schwerer zu akzeptieren sind Restriktionen, wenn diesen starke ökonomische Interessen entgegenstehen. Besonders hinderlich ist das, wenn diese Interessen von einem Teil der Bürger und bedeutenden Entscheidungsträgern vertreten werden
  • Hindernis Wachstumsglaube – wenn der Glaube gefestigt ist, dass das Wirtschaftswachstum notwendige Voraussetzung für Wohlstand ist, wird es wesentlich schwieriger sein bestimmte Maßnahmen durchzusetzen

Folgerungen für die Gestaltung von Suffizienzpolitik

1. Gemeinwohl ist der ausschließliche Bezugspunkt aller Suffizienzpolitiken

Restriktionen im Rahmen von Suffizienzpolitiken stoßen häufig auf Gegenwehr, da sie mit den persönlichen Wünschen sowie kurzfristigen Gedanken, Gefühlen und Handlungen einzelner Individuen konkurrieren. Um diesen Konflikt auszugleichen, muss das gemeinsame Wohl als langfristiges Ziel in den Vordergrund gestellt werden. Es muss gezeigt werden, dass die Forderungen unverzichtbar sind, um langfristig das Fortbestehen und Wohl der Gesamtgesellschaft zu sichern.

 2. Lokal und regional statt national und europaweit

Die Durchsetzung von neuen Vorgaben gelingt auf regionaler Ebene besser als im nationalen oder europaweiten Raum. Dies resultiert vor allem daraus, dass Probleme auf kleinerer Ebene überschaubarer und greifbarer sind und vieles unmittelbar durch personenbezogene Beziehungen geklärt werden kann. Außerdem sind hierfür lokale Initiatoren entscheidend, die oft durch Engagement und Ausdauer die politische Durchsetzung ermöglichen.

3. Gebote vor Verboten

Ein entscheidender Punkt ist es auch, den Bürgern möglichst viel Wahlfreiheit zu gewährleisten. Diese möchten weitestgehend das Recht behalten, selbst über ihre persönliche Lebensführung entscheiden zu können. Daher ist es von Vorteil, Suffizienzpolitik möglichst durch Vorgaben im Sinne von Begünstigungen, Geboten oder Reglementierungen zu betreiben. Es sollten nur dann Verbote eingesetzt werden, wenn die Ziele nicht auf eine andere Weise zu erreichen sind.

4. Ausgleich für die sozial Schwachen

Einige der Politiken haben zur Folge, dass sie die Lebenskosten erhöhen, was vor allem die sozial schwächeren Bevölkerungsgruppen übermäßig trifft. Diese Mehrbelastungen für Geringverdienende sollten, beispielsweise durch Ausgleichszahlungen, aufgefangen werden.

5. Neue Gewohnheiten stützen die Suffizienz

Die Bildung von neuen Gewohnheiten, die die Vorgaben in das alltägliche Leben integrieren, können zusätzliche Zustimmung geben. Vor allem ist das der Fall, wenn durch die tatsächliche Umsetzung der gesellschaftliche Nutzen erkennbar wird. Ein Beispiel ist das so umstrittene Tempolimit. Die Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass viele Regelungen sehr schnell von den Meisten akzeptiert und zur Gewohnheit werden, wenn sie erst einmal umgesetzt wurden. 

6. Von den leicht zugänglichen zu den herausfordernden Politiken

Suffizienzpolitiken lassen sich in verschiedene Kategorien einteilen, die sich in Bezug auf verschiedene Kriterien, wie Kosten oder Schwierigkeitsgrad, unterscheiden. Die Politiken, die mit spürbaren Einschränkungen verbunden sind, können einen größeren Erfolg erzielen, wenn sie mit kleineren Schritten begonnen werden. So können die Anfänge ohne größere Proteste hingenommen, es können neue Gewohnheiten gebildet werden und die weitere Durchführung hat bessere Chancen.

7. Das Verhältnis von Gewinn und Verlust

Für einen Großteil der Menschen ist Suffizienz ein unerwünschter Verzicht, der gegen den Erhalt ihres materiellen Wohlstands gerichtet ist. Die meisten Menschen wollen nicht weniger. Nur ein kleiner Teil der Gesellschaft kann Suffizienz als Gewinn interpretieren und diesen beispielsweise als Befreiung vom Überfluss ansehen. Nach einer These von Daniel Kahneman und Amos Tversky haben jedoch Verluste und Nachteile einen größeren positiven Einfluss auf uns als Gewinne oder Vorteile. Diese Ungleichmäßigkeit von positiver und negativer Erfahrung ist zudem evolutionsbedingt, denn Lebewesen, die Bedrohungen vorzeitlich behandeln, haben höhere Überlebenschancen. Diese Einsicht vermittelt ein neues Bild über die durch Suffizienz entstehenden vermeintlichen Verluste und könnte die Akzeptanz von Suffizienzpolitiken positiv beeinflussen.

Fazit

Ob Suffizienzpolitiken erfolgreich von der Regierung beschlossen, vom Parlament verabschiedet und von der Bevölkerung akzeptiert werden, hängt von vielen Faktoren ab. Suffizienzpolitiken können gegenwärtig nicht in ihrer vollen Ausprägung durchgesetzt werden, da Klimaschäden unser aktives Lebensumfeld sowie unser Bewusstsein nicht spürbar genug erreichen. Das Gelingen und die Bereitschaft zur Akzeptanz kann jedoch gefördert werden, wenn bestimmte Herangehensweisen bei der Gestaltung der Politiken berücksichtigt werden. Damit die Wirksamkeit der staatlichen Vorgaben und damit die vereinbarten Klimaziele erreicht werden können, muss sich vor allem die gesamtgesellschaftliche Erwartung und Einstellung ändern. Wenn wir dies als Gesellschaft nicht von alleine schaffen, werden wir voraussichtlich früher oder später durch die sich zuspitzenden Ereignisse und die daraus resultierenden Folgen dazu gezwungen. Der steigende Protest von Menschen, die ihre besondere Betroffenheit vom Klimawandel nicht mehr hinnehmen, könnte bereits zu einer Veränderungsbereitschaft der Bevölkerung in gemäßigten Zonen führen. Noch haben wir die Möglichkeit unsere Ansichten zu ändern, als Gesellschaft näher zusammenzurücken und auch von uns aus die nationalen Regierungen zum Handeln zu bewegen. Öffentliche Diskussionen und das Werben für leichte Suffizienzpolitiken können die Aufmerksamkeit für dieses Thema vergrößern und es kann ein Umdenken zur vorher oft kritisch betrachteten Suffizienz stattfinden. Dadurch wird es uns in der Gesellschaft vielleicht leichter fallen, den langfristigen und notwendigen Zielen zur Erhaltung und zum Wohl unserer Gemeinschaft Vorrang zu verschaffen und unseren persönlichen Drang nach übermäßigem Konsum und materiellem Wohlstand hinten anzustellen. 

Quellen

Manfred Linz: Suffizienz als politische Praxis . Ein Katalog. Wuppertal 2015, ISBN 978-3-929944-96-9

Manfred Linz: Wie Suffizienzpolitiken gelingen: Eine Handreichung. Wuppertal 2017, ISBN 978-3-946356-02-8 (Wuppertal Spezial Nr. 52)

Link zur Handreichung “Suffizienz als politische Praxis”: https://epub.wupperinst.org/frontdoor/deliver/index/docId/5735/file/WS49.pdf

Link zur Handreichung “Wie Suffizienzpolitiken gelingen”: https://epub.wupperinst.org/frontdoor/deliver/index/docId/6611/file/WS52.pdf

Zukunftsfähig durch nachhaltige Entwicklung – ein Interview mit Vera Rößiger

„Viele kleine Leute, an vielen kleinen Orten, die viele kleine Schritte tun, können das Gesicht der Welt verändern.“ Dieses Sprichwort passt sehr gut zum Projekt N-Scouts. Vor einiger Zeit haben wir in einem Beitrag über das Fachforum Nachhaltigkeit mit dem Thema „Suffizienz und Ernährung“ berichtet, in dessen Rahmen auch das Projekt N-Scouts des Landesjugendrings Baden-Württemberg e. V. (kurz: ljrbw) vorgestellt wurde. Wir haben mit Vera Rößiger, Referentin für Nachhaltigkeit und Organisatorin des Projekts gesprochen.

zukunftsfähig durch nachhaltige entwicklung

Deutsche Umweltstiftung: Was sind deine Aufgaben im Fachbereich Nachhaltigkeit beim Landesjugendring Baden-Würtemberg e. V.?

Vera Rößiger: Zur Einordnung hole ich ein bisschen aus: Der Landesjugendring Baden-Württemberg e.V. ist eine Arbeitsgemeinschaft von verschiedenen Jugendverbänden auf Landesebene, sowie der Stadt- und Kreisjugendringe in Baden-Württemberg.

Die Fachbereiche werden von dem höchsten Gremium, der Vollversammlung eingesetzt. Diese wählt außerdem Vorstände, die dem jeweiligen Fachbereich vorstehen. Die Vorstände legen gemeinsam mit den Mitgliedern des geschäftsführenden Vorstands die strategischen Ziele des Landesjugendrings fest. In der Geschäftsstelle gibt es dann jeweils eine*n Referent*in für jeden Fachbereich, welche*r dafür zuständig ist, die Aufgaben praktisch umzusetzen.

Meine Aufgaben für den Fachbereich orientieren sich an den Bedürfnissen unserer Mitgliedverbände. Deren Arbeit wiederum orientiert sich an Interessen und Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen. Diese haben angesichts der globalen, ökologischen und sozialen Herausforderungen unserer Zeit berechtigte Sorge um die Zukunft der Welt und damit auch um ihre eigene. Für viele Kinder und Jugendliche ist ein sinnvoller Umgang mit Natur und Umwelt sowie ein global gerechtes Miteinander aller Menschen auf dieser Welt sehr wichtig. Und so ist es kein Wunder, dass Projekte der Jugendverbände sich – wenn auch nicht immer explizit – längst auf die Themen der nachhaltigen Entwicklung bzw. der Zukunftsfähigkeit beziehen. Der Fachbereich Nachhaltigkeit möchte diese vernetzen und gleichzeitig drei Schwerpunktthemen inhaltlich bearbeiten: Öko-fair-soziale Beschaffung, Bildung für nachhaltige Entwicklung und Nachhaltige Gesellschaft.

Ganz konkret organisiere ich zum Beispiel AG-Sitzungen unserer AG-Nachhaltigkeit mit Vertreter*innen der Mitgliedsverbände, um unserer Arbeit an deren Interessen auszurichten. Und wir versuchen die Interessen unserer Mitgliedsverbände im Bereich Nachhaltigkeit auf politischer Ebene zu vertreten: So haben wir etwa eine gemeinsame Stellungnahme von verschiedenen Verbänden (u.a. Landjugend und Naturschutzjugend) initiiert, als ein Gesetz zur Änderung des Naturschutzgesetzes und des Landwirtschafts- und Landeskulturgesetzes erlassen wurde. Solche Stellungnahmen zeigen den Verantwortlichen die Perspektive engagierter Jugendlicher bzw. der Jugendverbände auf. Und dann gibt es da noch das Projekt „N-Scouts“, welches wir in Kooperation mit RENN.süd (RENN=Regionale Netzstellen Nachhaltigkeitsstrategien) umgesetzt haben.

Deutsche Umweltstiftung: Welche Ziele verfolgt ihr mit dem N-Scouts Projekt?

Natürlich möchten wir die Welt verändern! Ein hehres Ziel, dem wir uns mit den N-Scouts annähern wollen. Unser Ziel oder unsere Vision ist es, dass bis zum Jahr 2025 mindestens 25 unserer Mitgliedsorganisationen öko-fair-sozial verantwortlich wirtschaften und dass ihnen suffizientes Handeln ein Begriff ist. Dafür braucht es Menschen, die selbstorganisiert in ihrer Struktur, ihrem Verband oder Ring neue Wege der Beschaffung gehen und jugendorientiert das Thema Suffizienz setzen. Diese Menschen wollen wir als Landesjugendring mit dem Projekt N-Scouts stärken und begleiten, sodass sie die nötigen Veränderungen in ihrem Verband angehen können.

Deutsche Umweltstiftung: Wie wollt ihr diese Vision wahr werden lassen? Welche Herausforderungen siehst du bei der Umsetzung suffizientes Handeln in den Fokus der breiten Gesellschaft zu setzen?

Damit unsere Vision wahr wird, wollen wir (junge) Menschen aus Jugendverbänden dabei stärken, diese Veränderungen anzugehen; ihnen sozusagen „Starthilfe“ geben. Beim Projekt N-Scouts gibt es zwei Wochenendveranstaltungen, die das Problembewusstsein bezüglich Nachhaltigkeit in verschiedenen Bereichen stärken, etwa zum Thema Ernährung, Büromaterialien oder Mobilität – alles im Kontext der Jugend(verbands-)arbeit. Daneben soll es aber auch darum gehen, Handlungswissen zu generieren und zu vermitteln – das heißt, dass die N-Scouts Lösungsansätze und Strategien für ihren Verband entwickeln können – und eine Herangehensweise an nachhaltiges Handeln zu entwickeln. Wir glauben, dass mit einem konkreten Fahrplan solche Veränderungsprozesse angegangen werden können und wir möchten diesen Fahrplan entwickeln helfen.

Um suffizientes Handeln in den Fokus der breiten Gesellschaft zu setzen braucht es genau solche Menschen, wie die N-Scouts, welche Probleme erkennen können und Veränderungen angehen oder auch einfach mal was Neues ausprobieren. Wir brauchen gesamtgesellschaftlich ein größeres Problembewusstsein. Doch das alleine genügt nicht, um suffizientes Handeln in die Breite zu bringen. Es benötigt auch politische Rahmenbedingungen: ob Kommunen, Verwaltung oder Unternehmen, wir brauchen Anreize und Impulse für jede und jeden, damit ressourcenleichteres Leben attraktiver wird und Lebensqualität ohne materiellen Reichtum erreicht werden kann.

Deutsche Umweltstiftung: Wie kann man N-Scout werden?

Um N-Scout zu werden, kann man sich ganz einfach bei mir anmelden.

Du solltest aus Baden-Württemberg kommen und Veränderung in einem Jugendverband oder einer selbstorganisierten Jugendgruppe anstoßen wollen. Dazu benötigst du außerdem ein Mandat deines Verbandes bzw. deiner Gruppe: Wir wollen, dass die Organisation auch bereit ist, Veränderungen umzusetzen und die N-Scouts entsenden.

Coronabedingt werden wir die Wochenendveranstaltungen auf Anfang kommenden Jahres verlegen müssen, genauere Informationen findet ihr dazu auf unserer Homepage: https://ljrbw.de/nachhaltige-entwicklung.

über die interviewpartnerin
© Vera Rößiger

Vera Rößiger ist Referentin beim Langesjugendring Baden-Württemberg e. V. für den Fachbereich Nachhaltigkeit und organisiert in diesem Rahmen das Projekt N-Scouts.

„Raus aus der Kunststofffalle“ – E-Paper zur Plastikproblematik

Im E-Paper„Raus aus der Kunststofffalle“ von Juni 2020 plädiert die Deutsche Umweltstiftung für einen radikalen Wandel im Umgang mit Kunststoffen, stellt alternative Lösungen auf den Prüfstand und richtet konkrete Forderungen an die Politik.

Wir alle kennen die Bilder: Paradiesische Strände, an denen mehr und mehr Plastikmüll angespült wird, riesige Müllhalden, auf denen sich der Kunststoff meterhoch stapelt. Das Problem des Plastikmülls ist mittlerweile allgegenwärtig. Jeder Supermarktbesuch führt uns das vor Augen. Obst, Gemüse, Brot oder Käse – fast alles ist in Plastik verpackt. Dementsprechend ist es kaum verwunderlich, dass jede*r Deutsche im Jahr 2017 durchschnittlich 226,5 kg Verpackungsmüll verursachte.

Doch es gibt nicht nur diese offensichtlichen Auswirkungen auf die Umwelt. Kunststoff stellt aktuell in fast allen Bereichen des Lebens eine Gefahr für uns und unsere Umwelt dar. Kunststoffe sind ein Verpackungsmaterial mit hohen ökologischen Kosten, schlechter Klimabilanz und massiven Beeinträchtigungen für Umwelt und Gesundheit.

Kunststoff als Katalysator des Klimawandels

Der komplette Lebenszyklus eines Kunststoffproduktes verursacht laut des Center for International Environmental Law etwa 850 Millionen Tonnen Treibhausgase. Verantwortlich dafür sind vor allem fossile Brennstoffe, die Grundbestandteil der meisten Kunststoffe sind. Außerdem werden Treibhausgase freigesetzt, wenn Plastikteile im Meer dauerhafter Sonneneinstrahlung ausgesetzt sind. Des Weiteren zersetzen sich die Plastikartikel im Meer in kleinste Teile, sogenanntes Mikroplastik, das Mensch, Tier und Natur schadet.

Quelle: Dustan Woodhouse über Unsplash

Recyclingprozesse konnten die Plastikproblematik bisher nicht gänzlich lösen, das machen die großen Mengen Kunststoffmüll in der Umwelt deutlich. Insbesondere wenn Produkte aus Verbundstoffen statt aus reinem Kunststoff bestehen, gestaltet sich Recycling schwierig, da die Trennung der verschiedenen Stoffe zeitintensiv und teuer ist.

Auch sogenanntes Bio-Plastik als potenzieller Ersatz für umweltschädliche Kunststoffe weist Schwächen auf. So gilt die biologische Abbaubarkeit der Produkte häufig als kompliziert und durch die Produktion kann es zum Verbrauch wertvoller Lebensmittelressourcen kommen.

Vermeiden, Reduzieren, Ersetzen: Wege aus der Kunststofffalle

Was können wir nun also tun, um das Plastikproblem zu lösen? Vermeiden, Reduzieren und Ersetzen – diese Prämissen ebnen den Weg aus der Kunststofffalle.

Wie im E-Paper dargelegt, kann Plastikvermeidung im Alltag sehr einfach sein. Zum Baumwollbeutel statt zur Plastiktüte oder zur Mehrweg- statt zur Einwegflasche zu greifen, kann beispielsweise helfen, den Plastikverbrauch zu reduzieren.

Kunststoff kann außerdem hervorragend eingespart werden, indem der eigene Konsum reduziert wird. Das zeigt die unten dargestellte Anti-Verbraucher-Pyramide. Sie verkörpert den Suffizienzgedanken: Nicht immer muss alles neu gekauft werden. Wir können Energie- und Rohstoffverbrauch sowie Abfall reduzieren, indem wir darüber nachdenken, ob wir etwas nutzen können, das wir bereits besitzen. Ist das nicht der Fall, können wir es eventuell selbst machen, tauschen, leihen oder gebraucht erwerben. Dennoch wird sich das Neukaufen bestimmter Dinge nie gänzlich vermeiden lassen. Daher beleuchtet das E-Paper die Vor- und Nachteile von Substitutionsprodukten für Kunststoffe wie Wellpappe oder Glasbehälter.

Die Anti-Verbaucher-Pyramide zeigt, wie Suffizienz im Alltag möglich ist.

Die Deutsche Umweltstiftung legt im E-Paper folgende Forderungen an die Politik dar:

  • Gestaltung der Rahmenbedingungen, die einen Wandel in Produktion, Verbrauch und Entsorgung ermöglichen
  • Schaffung finanzieller Anreize für Unternehmen, damit eine Umstellung auf Wellpappe oder andere Alternativen gelingt
  • Ausbau der Forschungsförderung
  • Spürbare Besteuerung der Kunststoffverpackungen
  • Ausweitung des EU-Verbot für Plastikeinwegprodukte auf alle Plastikprodukte für die es eine Alternative gibt
  • Bis 2025 30 Prozent der Kunststoffverpackungen durch umweltfreundliche Alternativen ersetzen

Alle Forderungen der Deutschen Umweltstiftung sowie weiterführende Informationen findet ihr im E-Paper.

Quellen:
Center for International Environmental Law (2019): „Plastic & Climate: The Hidden Costs of a Plastic Planet”. URL: https://www.ciel.org/plasticandclimate.
Deutschlandfunk (31.10.2018): Plastikmüll im Meer verursacht Treibhausgase. URL: https://www.deutschlandfunk.de/kli-mawandel-plastikmuell-im-meer-verursacht-treibhausgase.676.de.html?dram:article_id=431970.
Umweltbundesamt (18.11.2019): Verpackungsverbrauch im Jahr 2018. URL: https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/verpackungsver-brauch-im-jahr-2017-weiter-gestiegen.
Umweltbundesamt (2014): „Abfälle im Haushalt: Vermeiden, Trennen, Verwerten“. URL: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikationen/uba_abfall_web.pdf.
Umweltbundesamt (2017): „Tüten aus Bio-Plastik sind keine Alternative“, URL: https://www.umweltbundesamt.de/themen/tueten-aus-bioplastik-sind-keine-alternative
Abfallvermeidungsprogramm“, Broschüre des BMU, https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Pools/Broschueren/abfallvermeidungsprogramm_bf.pdf.
Verbraucherzentrale (2018): „Gefahren für die Gesundheit durch Plastik“. URL: https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/umwelt-haushalt/wohnen/gefahren-fuer-die-gesundheit-durch-plastik-7010.

Das Schweizer Klimabündnis und die Suffizienz-Toolbox für Gemeinden

Das Klimabündnis Europa wurde 1990 gegründet und ist seitdem zu einem bedeutenden umwelt- und energiepolitischen Akteur herangewachsen, in dem über 1700 europäische Städte und Gemeinden agieren. Ihr Ziel ist es, regionale Antworten auf den globalen Klimawandel zu finden und Suffizienz auf lokaler Ebene zu fördern.

Die Schweizer Mitglieder haben sich 1995 noch einmal gesondert zum Klimabündnis Schweiz zusammengeschlossen, die 18 Mitglieder und 1,3 Millionen Einwohner*innen machen rund 15% der Schweizer Bevölkerung aus. Sie haben sich verpflichtet, zusätzliche klimaschonende Maßnahmen zu ergreifen und möchten sicherstellen, dass die Ziele des Pariser Klimaabkommens in der Schweiz eingehalten werden.

Das Klima- Bündnis Schweiz hat unter anderem das Ziel, das Pariser Klimaabkommen einzuhalten.

Ein weiteres Ziel ist, mit der öffentlichen Hand Rahmenbedingungen zu schaffen, die ressourceneffiziente und suffiziente Lebensstile begünstigen. Durch ihre Nähe zur Bevölkerung haben Städte und Gemeinden verschiedene Möglichkeiten, eine ökologische Lebens- und Wirtschaftsweisen zu fördern: sie können Initiativen aus der Bevölkerung unterstützen, durch planerische und gesetzliche Vorgaben einen geeigneten Entwicklungsrahmen festlegen und selber eine Vorbildrolle übernehmen.

Dazu wurde zum Beispiel in Zusammenarbeit mit Pusch, einer Schweizer Stiftung für praxisnahe Umweltbildung, und EBP, einem Unternehmen für Umweltforschung, die Suffizienz-Toolbox ins Leben gerufen. Diese liefert Ideen und Tipps, wie Gemeinden die Weichen für eine ressourcenschonende und lebenswerte Zukunft stellen können. Dies geschieht durch eine Kombination aus Vorschlägen und Beispielen aus der Praxis. So wird zum Beispiel vorgeschlagen, ein Verzeichnis mit Anlaufstellen zur Reparatur alter Elektrogeräte anzulegen und bereits existierende Verzeichnisse zur Inspiration verlinkt. Darüber hinaus gibt es noch die Kategorien Konsumgüter, Raumnutzung, Energie, Ernährung, Mobilität, und Partizipation, die einen umfassenden Überblick über relevante Umweltschutzbereiche bieten. Natürlich soll die Toolbox nicht nur Gemeinden zur Verfügung stehen, sondern auch Bürger*innen einladen, sich zu engagieren und ihre Stadt aktiv mitzugestalten. Neben den verbesserten Rahmenbedingungen für ökologische Lebensweisen werden Einwohner*innen so für das Thema sensibilisiert.

Solche Initiativen sind eine wichtige Brücke, um international beschlossene Klimaschutzmaßnamen lokal zu verankern und die Bevölkerung von ihrer Notwendigkeit zu überzeugen. Durch den Mitmach-Aspekt werden Umweltschutzmaßnamen greifbarer und verdeutlichen, dass auch Einzelpersonen etwas verändern können.

Falls ihr euch selber auch von der Toolbox inspirieren lassen möchtet, findet ihr diese hier, mehr Informationen über das Schweizer Klimabündnis sind hier.

Die 2000-Watt-Gesellschaft der Stadt Zürich- Interview mit dem Umwelt- und Gesundheitsschutz

In Zürich ist der Wunsch nach einer nachhaltigeren Gesellschaft in der Gemeindeordnung verankert. Durch unterschiedliche Maßnahmen und Anreize der Stadtverwaltung, soll der Energieverbrauch der Bevölkerung verringert werden. Die Lebensqualität hingegen soll darunter nicht leiden. Tina Billeter erklärt wie dieses Modell funktioniert und was sich in Zürich dadurch verändert hat.

Der Weg zu einer suffizienten Gesellschaft

Deutsche Umwelstiftung: Sie wenden in Zürich das Modell 2000-Watt-Gesellschaft an. Um was genau handelt es sich und was sind die Ziele?

Tina Billeter: Die 2000-Watt-Gesellschaft ist ein energie- und klimapolitisches Ziel, um eine messbar nachhaltige und umweltfreundliche Gesellschaft zu werden. Dieses Ziel wurde bereits 2008 aufgrund einer demokratischen Volksabstimmung in der Gemeindeordnung der Stadt Zürich verankert. Konkret bedeutet es, dass der Primärenergiekonsum auf 2000 Watt pro Person und der Treibhausgasausstoss bis 2050 auf 1 Tonne pro Person und Jahr gesenkt wird. Energieeffizienz, erneuerbare Energien und die nachhaltige Ernährung werden gefördert; auf Atomkraft verzichtet.

Deutsche Umweltstiftung: In dem Ergebnisbericht „Suffizienz: Ein handlungsleitendes Prinzip zur Erreichung der 2000-Watt-Gesellschaft“ der Arbeitsgruppe Suffizienz, sprechen Sie darüber, dass Suffizienz neben Effizienz und Konsistenz einen erheblichen Einfluss auf die Realisierung der 2000-Watt-Gesellschaft hat. Wieso ist dies der Fall?

Tina Billeter: Im Masterplan Energie sind die drei handlungsleitenden Prinzipien festgehalten: Suffizienz, Effizienz, Konsistenz. Diese beruhen auf Analysen und Szenarien, die u.a. in der Roadmap 2000-Watt-Gesellschaft festgehalten sind: Sie zeigten, dass alleine mittels der zwei Stellschrauben Effizienz und Konsistenz die Ziele der 2000-Watt-Gesellschaft nicht erreicht werden können. Deshalb müssen wir verstärkt auf die Genügsamkeit setzen. Ohne Verringerung des Energie- und Ressourcenverbrauchs können wir den Primärenergiekonsum nicht auf 2000 Watt reduzieren und die Treibhausgasemissionen nicht in den Griff bekommen.

Deutsche Umweltstiftung: Wenn wir von Suffizienz sprechen, ist oftmals Verzicht gemeint. Wie kann der Begriff Verzicht, der in der Regel negative Konnotationen hervorruft, in die Gesellschaft getragen werden?

Tina Billeter: Zurzeit ist die Multifunktionalität im urbanen Kontext nicht negativ konnotiert. Sie zielt aber auf eine Mehrfachnutzung von limitierten Ressourcen und Räumen (z.B. Mindestbelegungsvorgabe in städtischen Wohnungen). Die ‚Stadt der kurzen Wege‘ klingt ebenfalls nach Lebensqualität: Erholungsräume in unmittelbarer Umgebung, Einkaufsmöglichkeiten und Märkte in Gehdistanz, Arbeitswege per Fahrrad, Schulen und Bibliothek um die Ecke. Die Stadt versucht, suffiziente Massnahmen positiv erlebbar zu machen – ohne dies als Suffizienz direkt beim Namen zu nennen.

Deutsche Umweltstiftung: In welchen Lebensbereichen sollte Suffizienz Ihrer Meinung nach zuerst umgesetzt werden?

Tina Billeter: Wir müssen verstärkt auf Suffizienz-Massnahmen setzen, wo die grösste Treibhausgasreduktion bewirkt werden kann: Konsum, Gebäude, Mobilität.

Deutsche Umweltstiftung: Die Ziele der 2000-Watt-Gesellschaft sind schon seit gut zehn Jahren in der Stadtplanung verankert. Was hat sich seither getan? Welche Erfolge konnten erzielt werden?

Tina Billeter: Pro Person konnte in den vergangenen zehn Jahren der Primärenergieverbrauch um rund 20 Prozent auf 3500 Watt und der jährliche Treibhausgasausstoss um zehn Prozent auf 4.4 Tonnen reduziert werden. Wichtige städtische Strategien wie der Masterplan Energie, Masterplan Umwelt, Verkehr2025 oder die 7-Meilen-Schritte bezüglich Gebäude wurden zielkonform angepasst. Der Kommunale Richtplan ist erarbeitet; viele zertifizierte 2000-Watt-Areale wurden errichtet. Die Beschaffungskoordination sowie die Pensionskasse arbeiten mit strengen Nachhaltigkeitskriterien. Den Bürgern wird automatisch Ökostrom geliefert: nebst der Wasserkraft wird die Solar- und Windkraft gefördert. Das Kehrichtheizkraftwerk versorgt bereits Zehntausende von Wohnungen mit Wärme und Strom und das Fernwärmenetz wird erweitert. Erste stadteigene Gebäude wurden gemäss dem Label Minergie-P-Eco gebaut und produzieren mehr Energie als sie benötigen. Die Beratungsstelle Energie-Coaching begleitet Private beim Heizungsersatz respektive beim Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energieträger. Der Öko-Kompass berät KMUs im allen Umweltbelangen. Fuss- und Velowege sowie das öffentliche Verkehrsnetz werden stetig ausgebaut und attraktiver gestaltet. Der Erfolg ist sichtbar: Bereits mehr als die Hälfte aller Zürcher Haushalte besitzt kein Auto mehr.

Deutsche Umweltstiftung: Wie kann das Konzept von anderen Städten/Gemeinden adaptiert werden?

Tina Billeter: Das Bilanzierungskonzept ist öffentlich verfügbar. Die nationale Fachstelle 2000-Watt-Gesellschaft berät interessierte Gemeinden. Schweizweit wurden bereits 45 Gemeinden mit dem Label ‚Energiestadt Gold‘ ausgezeichnet – sie alle befinden sich ebenfalls auf dem Weg zur 2000-Watt-Gesellschaft.

Über die Interviewpartnerin

©Tina Billeter

Tina Billeter, diplomierte Umwelt-Naturwissenschaftlerin ETH,  ist als Senior Projektleiterin Energiestrategie im Umwelt- und Gesundheitsschutz der Stadt Zürich tätig.