Junge Menschen für Suffizienz begeistern

Jugendliche

Digitale Anwendungen können neue Wege eröffnen, um den eigenen Ressourcenverbrauch sichtbar zu machen und konkrete Alternativen zu erproben. Interaktive Selbsttests helfen, individuelle Konsummuster einzuordnen, deren Umweltauswirkungen in Zahlen zu fassen und dadurch persönliche Handlungsspielräume nachvollziehbar zu machen. Ein bekanntes Beispiel ist der CO2-Rechner des Umweltbundesamtes, mit dem Nutzer*innen ihren CO2-Fußabdruck bspw. bei einer Flugreise ermitteln können. Eine stärker ganzheitlich auf das Thema Suffizienz ausgerichtete Alternative ist der SuffizienzCheck des ifeu, über den hier berichtet wird. In diesem Beitrag steht nun der schulische Fokus und die Lebenswirklichkeit junger Menschen im Mittelpunkt der Betrachtung.

Suffizienz entdecken 

Mit Unterstützung des Umweltbundesamtes und dem Umweltministerium hat die Deutsche Umweltstiftung 2020 die Suffizienzdetektive entwickelt: suffizienzdetektive.de

Es handelt sich um eine multimediale Internetseite für junge Menschen, die auf spielerische und leicht zugängliche Weise erklärt, was es bedeutet, die eigene Lebens- und Freizeitgestaltung ressourcenschonend vorzunehmen und wie dies im Alltag gelingen kann.

In einem Prozess des Erforschens und Entdeckens können die jungen Nutzer*innen mehr über die Methoden erfahren, mit denen sie das Prinzip der Suffizienz in ihr Leben integrieren können. Auf der Internetseite finden sich dazu neben vielen Tipps und Tricks auch Poetry Slams, Videos und ein Browsergame, bei dem die junge Emma durch die vielfältig auftretenden Dilemma einer suffizienten Lebensgestaltung geführt werden muss. Auf diese Weise verbindet die Internetseite spielerischen Wissenserwerb mit der Einladung zur kritischen Selbstreflexion und persönlichen Veränderung.

Browsergame „Emma im Dilemma“

Ein kleiner Hinweis für Lehrkräfte 

Die Internetseite ist auch hervorragend geeignet, um das Thema in den Unterricht oder einen Projekttag zu integrieren. Sie enthält dazu diverse Unterrichtsmaterialien, um Schüler*innen mit dem Thema Nachhaltigkeit allgemein und insbesondere Suffizienz vertraut zu machen.

Lehrkräfte können kostenlos einen Ablaufplan für eine videogestützte Unterrichtseinheit herunterladen. Die Videos sind bewusst auf junge Menschen und ihre Alltagswirklichkeit zugeschnitten. Dabei werden Themen wie der eigene Lebensstil, die persönliche Ernährung, der Umgang mit elektronischen Geräten oder Kleidung sowie das eigene Mobilitätsverhalten betrachtet. Experteninterviews und ein Audioguide zur suffizienteren Gestaltung des schulischen Alltags runden das Angebot ab.

Suffizienz im eigenen Leben verankern

Sicherlich: Damit sich Menschen suffizient verhalten können, braucht es zukünftig noch mehr politische Weichenstellungen und entsprechende Angebote. Dennoch sollte dies keine Ausrede sein, um das eigene Verhalten nicht kritisch reflektieren zu müssen. Denn oft lassen sich suffiziente Veränderungen im persönlichen Kontext bereits heute mit kleinen Maßnahmen erreichen. Digitale Anwendungen wie der CO2-Rechner des Umweltbundesamtes, der SuffizienzCheck des ifeu oder die Suffizienzdetektive helfen dabei – egal, ob jung oder alt.

SuffizienzCheck

Nachhaltigkeit steht bei vielen Menschen hoch im Kurs. Tipps, wie man sich entsprechend verhält, und illustrierende alltagsnahe Beispiele wurden bis vor einigen Jahren zumeist in Form von Broschüren und Ratgebern verbreitet. Im Zeitalter der Digitalisierung tritt an diese Stelle verstärkt ein digitales Angebot mit Informationsportalen und zunehmend auch interaktiv bzw. spielerisch gestalteten Apps. 

Ein großer Vorteil ist dabei, dass diese Anwendungen häufig die Eingabe eigener Daten erlauben. Dies ermöglicht es Nutzer*innen, binnen von Minuten einen quantifizierten Eindruck ihrer persönlichen Lebenssituation zu erhalten. Das vermutlich bekannteste Beispiel für eine derartige Anwendung ist der CO₂-Rechner des Umweltbundesamtes, mit dem Nutzer*innen ihren CO₂-Fußabdruck bestimmen und so bspw. die Klimawirkung ihrer Flugreise ermitteln können. 

In diesem Beitrag soll ein anderes Beispiel im Fokus stehen: der SuffizienzCheck. Er wurde vom Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu) im Rahmen eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungsprojekts „SuPraStadt II – Lebensqualität, Teilhabe und Ressourcenschonung durch soziale Diffusion von Suffizienzpraktiken in Stadtquartieren” entwickelt. 

Ernährung, Reisen, Wohnen 

Das Besondere an der Anwendung ist der Fokus auf ressourcenschonende Lebensstile. Die Anwendung erlaubt es User*innen anonym, die eigenen Mobilitätsmuster, die aktuelle Wohnsituation und die persönliche Ernährung hinsichtlich des Grads an Suffizienz binnen weniger Minuten abzuschätzen. Dazu führt das Programm den oder die Anwender*in durch einen themenspezifischen Fragebogen, um die relevanten Eckpunkte zu ermitteln. So werden bspw. zur Ermittlung des Nutzerprofils bei der Wohnsituation die Eigentumsverhältnisse (Miete, Eigentum), die Quadratmeter, Zimmer- und Personenanzahl des Haushalts abgefragt. Auf Basis dessen wird sodann eine relative Bewertung im Vergleich zum bundesdeutschen Durchschnitt generiert und darüber hinaus ein anzustrebender Optimalwert als Richtwert unter Berücksichtigung globaler Gerechtigkeitserwägungen generiert. 

Im Bereich „Reisen” können die ökologischen Auswirkungen privater und dienstlich bedingter Mobilität ermittelt werden. Dabei verdeutlicht die Anwendung per Klick grafisch anschaulich die unterschiedlichen Treibhausgasemissionen und den relativen Anteil von Reise- und Aufenthaltszeit. Letzteres wird dabei der allgemeinen Grundeinstellung zuwiderlaufend nicht zwingend negativ verstanden, sondern als ein Indikator der Entschleunigung interpretiert. So kann durch die Brille der Suffizienz betrachtet, ein längerer Reiseweg bereits ungeachtet der ökologischen Vorteile erstrebenswert sein, wenn er positive Erlebnisse, Erholung oder Spaß fördert. Das altbekannte Sprichwort „Der Weg ist das Ziel” erscheint hier in neuem Gewand. 

In der dritten Kategorie steht die persönliche Ernährung im Vordergrund. Nutzer*innen können aus einer Vielzahl von Menükomponenten repräsentative Mahlzeiten bestehend aus einer Hauptkomponente, zwei Beilagen und einer Nachspeise kreieren. Optional können zudem bereits praktizierte Maßnahmen ausgewählt werden, die der Lebensmittelverschwendung entgegenwirken, wie bspw. die Beteiligung an lokalen Foodsharingprojekten. Anschließend erhalten die Nutzer*innen Informationen hinsichtlich der damit einhergehenden Treibhausgasemissionen. 

Ein alltagsnaher Begleiter

Eine ganze Reihe von Dingen macht den SuffizienzCheck zu einer rundum gelungenen Anwendung.

  1. Visualisierte Soll-Ist-Vergleiche

Die Anwendung bietet für alle Bereiche grafische Elemente, die die ermittelten Werte veranschaulichen, sei es die relative Größe der eigenen Wohnung zum bundesweiten Durchschnitt oder die Klimarelevanz unterschiedlicher Nahrungsmittel. 

  1. Konkrete Tipps

Anders als andere Anwendungen endet der Prozess nicht bei der quantitativen Darstellung. Ergänzend erfolgt eine qualitative Einordnung, die das Konsummuster einordnet und alltagsnahe Tipps gibt, wie das eigene Verhalten noch ressourcenschonender gestaltet werden könnte.

  1. Vermittlung von Hintergrundwissen

An vielen Stellen erfahren User*innen mit kompakten Informationsblöcken mehr zum Thema Suffizienz allgemein bzw. bezogen auf die Bereiche Ernährung, Reisen und Wohnen. Dabei ist der Tenor betont sachlich und informativ. Für Neugierige bieten weiterführende Links die Möglichkeit, tiefer in die Materie einzusteigen.   

Abschließend bleibt zu sagen: Checken Sie hier Ihre Suffizienz.

Rezension: „Befreiung vom Überfluss – das Update“

Nachdem Niko Paech bereits 2012 das Buch „Befreiung vom Überfluss. Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie“ veröffentlichte, hat er nun 13 Jahre später eine aktualisierte Fassung seines Werkes erstellt, die aktueller kaum sein könnte. In dieser setzt sich der bekannte Wachstumskritiker – um es mit den Worten Winfried Kretschmers auf dem Buchdeckel zu sagen „pointiert, scharfzüngig, aber immer präzise argumentierend“ mit dem weiterhin vorherrschenden ressourcenintensiven Wachstumsdogma auseinander.  

Dabei vermag er eine zunehmende Parallelität zweier Entwicklungen zu erkennen: Einerseits schreiten die multiplen Krisen unweigerlich voran und die Ökosphäre stehe mehr denn je unter Druck. Zugleich erfahre das Konzept der Postwachstumsökonomie vermehrt Aufmerksamkeit – nicht nur akademisch bzw. theoretisch, sondern auch ganz konkret in Form sich Gehör verschaffender Protestbewegungen wie Fridays for Future, Ende Gelände oder Extinction Rebellion.  

„Kein weiter so“ 
Vor diesem Hintergrund benennt der Autor direkt das Ziel der überarbeiteten Fassung des Buchs: Es habe den bescheidenen Zweck, den Abschied von einem Wohlstandsmodell zu erleichtern, das aufgrund seiner chronischen Wachstumsabhängigkeit unrettbar geworden ist (S. 17). 

Um dies zu zeigen, stellt er sodann drei Thesen auf, denen er sich im Folgenden widmet: Erstens, der nur durch permanentes Wachstum aufrecht zu erhaltende Wohlstand gehe nicht zufällig mit einer umfassenden ökologischen Plünderung einher. In den ersten drei Kapiteln führt er dazu aus, dass die Menschen vielmehr einer umfangreichen Selbsttäuschung unterlägen, die dazu führe, dass sie in dreifacher Weise über ihre Verhältnisse lebten. Sie eignen sich „Dinge an, die in keiner äquivalenten Beziehung zu ihrer eigenen Leistungsfähigkeit stehen. Sie entgrenzen ihren Bedarf erstens von den gegenwärtigen Möglichkeiten, zweitens von den eigenen körperlichen Fähigkeiten und drittens von den lokal oder regional vorhandenen Ressourcen (S. 19).”  

Unzähmbarer Hunger 
Dazu zeigt er anschaulich, wie moderne Konsumgesellschaften systematisch über ihre Verhältnisse leben, absurde Konsumbedürfnisse entwickeln und dabei die ökologischen Grundlagen der gegenwärtigen und zukünftigen Generationen untergraben. Er setzt sich intensiv mit der ausgeprägten gesellschaftlichen und politischen Bereitschaft auseinander, gegenwärtige Ansprüche mittels Verschuldung zu befriedigen und begründet diese. Die Verschuldung verstärke jedoch den Wachstumszwang, da nur so die Schulden zukünftig getilgt werden können. Dabei verdeutlicht der Autor, dass zweifelhafte politische Motivationen und Weichenstellungen mit der Folge ökologisch katastrophaler Steuer- und Subventionsanreize wesentliche Treiber dieser Entwicklungen sind.   

Im Folgenden setzt er sich vor dem Hintergrund des schlechten Zustands der Ökosphäre kritisch mit zentralen Elementen orthodoxer Wirtschaftstheorie auseinander – seien es postulierte Mehrwerte infolge technischer Innovationen, der Digitalisierung oder schlicht der globalen Arbeitsteilung. Dabei arbeitet er auch heraus, dass ein falsch verstandenes Fortschrittsverständnis das Aufkommen einer „Bequemokratie” (S. 40) begünstigt, in dessen Folge es zu erheblichen Kompetenzverlusten der Menschen kommt (Verlust handwerklichen Geschicks, zunehmender Bewegungsmangel etc.). Verstärkt werde dies noch durch die immer größere Bedeutung sogenannter „Energiesklaven“ (S. 40). Gemeint sind damit Maschinen und elektronische Geräte wie Smartphones oder Laubsauger, die Menschen körperliche Arbeit abnehmen, aber zugleich dazu beitragen, manuelle Fähigkeiten verkümmern zu lassen sowie einen enormen Energieverbrauch nach sich ziehen. Dabei betont der Autor, dass der immense Energie- und Ressourcenhunger längst nicht nur auf die Oberschicht begrenzt bleibt, sondern breite Teile des Mittelstandes betrifft, wie die anhaltend ausgeprägte Flugbereitschaft und das Streben nach immer weiterer vermeintlicher Wohlstandsmehrung eindrücklich zeigen. Die gewachsenen Konsummöglichkeiten entstammen dabei aus Sicht von Paech nicht einer größeren Schaffenskraft der Menschen, sondern basieren auf einer leistungslosen Aneignung. Im Ergebnis fordert er daher in Tradition von Leopold Kohr und Ernst Friedrich Schumacher eine Rückkehr auf das menschliche Maß, also eine Einhegung körperlicher, räumlicher und zeitlicher Entgrenzung (S. 52). Er entwickelt sodann Ansätze, wie eine derartige stärker auf Selbstversorgung ausgerichtete Gesellschaft aussehen könnte und grenzt sie zum vorherrschenden System der Fremdversorgung ab.   

Das Märchen vom grünen Wachstum
Das vierte Kapitel ist der Erörterung seiner zweiten These gewidmet. Er setzt sich dazu kritisch mit den Annahmen des green growth auseinander und zeigt, dass technische Innovationen nicht dazu im Stande sind, Wachstum und Umweltschäden dauerhaft voneinander zu entkoppeln. Aus einer längeren Darstellung des Rebound-Effektes leitet er schließlich ab, dass es nicht um die Gestaltung nachhaltiger Produkte oder Technologien gehe. Nachhaltigkeit könne sich lediglich in Form veränderter Lebensstile ausdrücken. Zugleich sollten die Auswirkungen des subjektiven Handelns nur in ihrer Summe in Form persönlicher Ökobilanzen beleuchtet werden. Hier offenbart sich jedoch die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit: So betrage die aktuelle durchschnittliche CO₂-Bilanz eines Bundesbürgers schätzungsweise rund 11 Tonnen pro Jahr und überschreitet mithin den mit dem globalen Klimaschutz vereinbaren Wert um ein Vielfaches. Um die Gesamtheit der ökologischen Auswirkungen systematisch zu erfassen, plädiert Paech daher für die Verwendung eines ökobilanziellen Ansatzes, trotz bestehender methodischer Herausforderungen und Schwächen (S. 88).  

Die Alternative 
Im Anschluss an eine Betrachtung der vorherrschenden strukturellen und kulturellen Wachstumszwänge, -imperative und -treiber (Kapitel 5) widmet sich der Autor schließlich im sechsten Kapitel seiner dritten These. Diese sieht eine radikale Abkehr vom bisherigen ökonomischen Handeln vor. Eine Postwachstumsökonomie würde zwar eine drastische Reduktion der industriellen Produktion und des Technologieeinsatzes bedeuten, hätte jedoch zwei Vorzüge: Sie würde im Sinne der Resilienz die ökonomische Stabilität der Versorgung stärken und zugleich eine höhere Lebensqualität eröffnen (vgl. S. 20). 

Eine wichtige Rolle spielen dabei die Prinzipien der Subsistenz, Suffizienz und Reduktion. Die Postwachstumsökonomie zeichne sich durch regionale, arbeitsintensive und kapitalarme Produktionsweisen aus, die lokale Wertschöpfung ermöglichen und zugleich die Abhängigkeit von globalisierten Lieferketten verringern. Ziel müsse es sein, eine neue Form der Lebensqualität zu implementieren, die auf Zeit, Gemeinschaft und Selbstbestimmung basiere anstatt auf Konsum und Status. Dies solle u. a. durch die Verkürzung der Arbeitszeit auf 20 Stunden pro Woche, der Wiederaneignung von Reparatur- und Selbstversorgungskompetenzen, der vermehrt gemeinschaftlichen Nutzung von Gütern, der Entwicklung langlebiger Produkte sowie der Einführung regionaler Komplementärwährungen möglich werden. Auch in einem postwachstumsökonomischen Gesellschaftszustand würde es laut des Autors zwar Unternehmen geben, jedoch in deutlich veränderter Form. 

Fazit 
Trotz der umfassend vorgeschlagenen Alternative bleibt das Problem der realen Umsetzbarkeit bestehen. Paech selbst weiß um diese Problematik und betont, dass viele seiner Positionen aktuell in der Gesellschaft nicht mehrheitsfähig sind. Vor dem Hintergrund der sich zuspitzenden ökologischen Herausforderungen – seien es Artensterben oder der fortschreitende Klimawandel – ist vermutlich gerade deswegen seine radikale Sicht lesenswerter denn je. Denn es braucht rasch in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft grundlegende Veränderungen, wenn wir eine Überlastung der Erdsystemprozesse mit fatalen Folgen für die Menschheit verhindern wollen. Die Lektüre von „Befreiung vom Überfluss” öffnet nicht nur die Augen, sondern zeigt zugleich einen alternativen Pfad auf, dessen Beschreitung jedoch viel Mut und Veränderungsbereitschaft verlangt – von jedem Einzelnen. 

Buchinformationen

Autor: Niko Paech 
Titel: Befreiung vom Überfluss – das Update. Eine Postwachstumsökonomie für das 21. Jahrhundert. 
Verlag: oekom 
ISBN: 978-3-98726-139-8 
Hardcover, 144 Seiten  
Erscheinungstermin: 03.04.2025 

Wie die nachhaltige Transformation gelingen kann – ein Interview mit Oliver Wagner vom Wuppertal Institut

Die notwendige Nachhaltigkeitstransformation der Gesellschaft stellt eine immense Herausforderung dar. Kommunen als Orten des alltäglichen Lebens der Menschen wird dabei eine wichtige Rolle zugeschrieben. Zugleich sehen sich viele von ihnen aufgrund mangelnder Ressourcen und einer großen Aufgabenfülle als überlastet an. Welche ökonomischen Weichenstellungen braucht es mithin im föderalen Mehrebenensystem und welche Relevanz können Suffizienzstrategien bei der Lösung dieses Dilemmas haben? Diese Fragen werden im Interview mit Oliver Wagner erörtert.
Deutsche Umweltstiftung (DUS): Herr Wagner, Sie haben im Rahmen eines kürzlich beendeten Projektes des Wuppertal Instituts „Gute Beispiele für eine gelingende Transformation“ erforscht. Bitte erläutern Sie uns, worum es in diesem Projekt ging.
Oliver Wagner (OW): Mit dem Wahlkampf-Slogan „It’s the economy, stupid!“, gewann Bill Clinton 1992 die US-Präsidentschaftswahlen. Seitdem wird dieser Spruch öfters auch abgewandelt verwendet, wie beispielsweise in der Stellungnahme des Rates für Nachhaltige Entwicklung „It’s the politics, stupid – Die Verantwortung von Staat und Gesellschaft für nachhaltige Lebenswelten“. Vor dem Hintergrund dieses Papiers wurde das Wuppertal Institut vom Rat für Nachhaltige Entwicklung beauftragt, Beispiele einer gelungenen Transformation zu recherchieren und daraus Gelingensfaktoren abzuleiten. Dabei sollten verschiedene Transformationsbereiche, also Verkehr, Ressourcen, Energie, Flächenverbrauch usw. adressiert werden. Wichtig war außerdem, dass verschiedene Politikinstrumente vorgestellt werden, welche die Daseinsvorsorge, Nachhaltige Infrastrukturen, den Um- bzw. Abbau umweltschädlicher Subventionen, das Feld der Sharing Economy, Ökonomische Anreiz- und Steuerungsinstrumente sowie ordnungsrechtliche, also regulatorische Instrumente berühren.
DUS: Wenn man auf die 14 im Projekt betrachteten Maßnahmen schaut, erkennt man, dass diese die drei Nachhaltigskeitsstrategien Effizienz, Konsistenz und Suffizienz berücksichtigen. In der Praxis wird letztere jedoch häufig etwas stiefmütterlich behandelt. Woran liegt das aus Ihrer Sicht und wie ließe sich das ändern?
OW: Erlauben Sie mir zunächst eine Einordnung der drei Säulen der Nachhaltigkeit. Eine vorwiegend technische Konsistenzstrategie, die durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz und die schnellen Markterfolge erneuerbarer Energien große Fortschritte erzielen konnte, ist in den Augen vieler Menschen Sinnbild der Energiewende. Doch für eine erfolgreiche Energiewende sind auch wirksame Effizienz- und Suffizienzstrategien notwendig. Diese beiden weisen jedoch bisher noch erhebliche Umsetzungsdefizite auf, vor allem die Suffizienz. Um es mit einem einfachen Beispiel zu verdeutlichen: wenn eine Photovoltaikanlage mit einem Batteriespeicher (Konsistenzstrategie) dazu genutzt wird, eine Vielzahl von LED-Strahlern zu betreiben (Effizienzstrategie), um im Vorgarten einer Reihenhaussiedlung die Gartenzwerge zu beleuchten, ist dies konsistent und effizient, es bleibt aber Verschwendung. Ohne Suffizienz ist daher die Gefahr groß, dass es zu einer effizienten Verschwendung kommt. Denn in dem Maße, wie technische Innovationen, beispielsweise Photovoltaik oder effiziente LED-Leuchtmittel, immer günstiger werden, nehmen deren Einsatzbereiche zu. In diesem Kontext hat sich auch unser Verständnis von Suffizienz verändert. Wurden darunter früher oftmals Verzichtsaspekte verstanden, reden wir heute vermehrt darüber, den Verbrauch lediglich nicht zu steigern. Denn wir sehen in sehr vielen Anwendungsbereichen, dass Klimaschutz- und Effizienzgewinne ausbleiben, weil beispielsweise die Kühlschränke, die Wohnfläche pro Person, die Bildschirmdiagonalen von Fernsehgeräten, die Autos usw. immer größer werden.

Aber um Ihre Frage zu beantworten, woran das liegt: Da ist mein Eindruck, dass dem Begriff Suffizienz noch zu stark das Stigma des negativen Verzichts anhaftet. Dass die Nachteile kommuniziert werden, die Vorteile aber nicht. Dabei liegen viele Vorteile auf der Hand und die zeigen sich vor allem in kooperativen Formen des Zusammenwirkens. Im gemeinsamen Nutzen, bis hin zu der persönlichen Beziehungsebene: Wer zu zweit oder sich mit noch mehr Leuten eine Wohnung teilt, braucht weniger Platz, weniger Ressourcen, weniger Energie und hat dennoch viele Vorteile, wie soziale Beziehungen, weniger Aufwand für Hausarbeit usw. Wer statt alleine mit dem Auto zu fahren den Bus nimmt, kann die Fahrtzeit nutzen, um andere sinnvolle Dinge zu erledigen, zu lesen oder zu arbeiten und braucht am Ende nicht einmal einen Parkplatz suchen. So gibt es viele Beispiele, doch ihnen wohnt immer auch eine Ermöglichungsvoraussetzung inne. Wenn der Bus nicht fährt oder nicht so fährt, wie ich ihn brauche, wenn er überfüllt, vielleicht sogar dreckig und überfüllt ist, dann schwinden die Vorteile schnell dahin. Wenn es für ein Paar teurer wird, nach dem Auszug der Kinder eine kleine Wohnung zu mieten, als in der viel zu großen alten Wohnung zu bleiben, dann ist der Vorteil ebenso futsch, wie in dem Fall, wo eine Reparatur teurer ist als die Neuanschaffung. Kurzum: Die Rahmenbedingungen für einen suffizienten Lebensstil sind trotz vieler Vorteile schlecht. Das liegt auch daran, dass wir in einem auf Wachstum getrimmten System leben, in dem es von allem immer mehr braucht.

Im Bericht zeigen wir mit unseren Beispielen, dass Politik dennoch Gestaltungsmöglichkeiten hat, um Suffizienzanreize für Bürger*innen zu setzen. Unsere Beispiele zeigen, dass Anreize gegeben werden können, die zu einer individuellen Verhaltensänderung führen, die mit weniger Energie- beziehungsweise Ressourcenverbrauch verbunden ist. Das sind z.B. Ermöglichungsstrukturen wie beim kostenfreien ÖPNV, der Bibliothek der Dinge, durch Autostilllegungsprämien und kommunale Wohnraumagenturen.

DUS: In Ihrem Forschungsvorhaben setzen Sie sich auch mit den Wechselwirkungen zwischen Kommunal- und Bundesebene auseinander. Ist das föderale System aus Ihrer Sicht eher ein Vor- oder Nachteil bei der Umsetzung von Transformationsprozessen zur Stärkung der Nachhaltigkeit?
OW: Wichtig ist zunächst einmal deutlich zu machen, dass Transformationsprozesse vor allem in den Kommunen operational umgesetzt werden. Die Kommunen sind somit im föderalen System zentrale Transformationsakteure. Im Kern ist das föderale System ein Vorteil, denn die Kommunen sind viel näher an den Menschen und der täglichen Lebensrealität, den Herausforderungen und Freuden als die Landes- oder Bundesebene. Sie sind aber auch strukturell unterfinanziert und benötigen daher dringend den finanziellen Spielraum, den es für diese wichtigen Aufgaben braucht. Derzeit erleben aber viele Menschen den Staat, allen voran die Kommunen, als umsetzungsschwach in Bezug auf Transformationsaufgaben. Die Kommune ist dabei der Ort, wo die meisten Menschen den Staat unmittelbar erleben, denn dort gehen sie oder ihre Kinder zur Schule, dort müssen sie ins Rathaus oder treffen sich zum Vereinssport in einer städtischen Sporthalle oder einem Schwimmbad. Da ist dann oftmals nicht zu erkennen, dass die öffentlichen Einrichtungen ihrer Vor- und Leitbildfunktion ausreichend nachkommen. Die Sorge, dass der Staat zentrale Dienstleistungen nicht mehr zufriedenstellend bereitstellt, weil z. B. öffentliche Gebäude und Infrastrukturen baufällig und sanierungsbedürftig sind, der ÖPNV eingeschränkt wird, Bücken einstürzen und Schultoiletten stinken ist ja leider nicht unbegründet. Für ein Gelingen der Transformation kommt es aber darauf an, Zukunftsinvestitionen in technische, sowie soziale und kulturelle Infrastrukturen anzustoßen, vor allem in den Kommunen.

Das Dezernat Zukunft – Institut für Makrofinanzen hat kürzlich zusammengetragen, was in den verschiedenen Ebenen insgesamt an Investitionen nötig wäre und kommt dabei auf einen zusätzlichen Bedarf von 782 Milliarden Euro bis 2030, wovon 210 Milliarden allein auf die Kommunen fallen. Die größten Mehrbedarfe ergeben sich im Bereich der allgemeinbildenden Schulen, wo 57,1 Milliarden Euro zusätzlicher Mittel benötigt werden, um den Investitionsrückstand abzubauen, weitere 9,0 Milliarden Euro werden an Schulen für die Digitalisierung gebraucht. Damit wäre dann der Investitionsstau beseitigt, Klimaneutralität wäre aber noch nicht erreicht.

Ein Grund für die schlechte Haushaltslage der Kommunen ist darin zu sehen, wie die öffentlichen Steuereinnahmen im politischen Mehrebenensystem verteilt werden. Wir sehen hier eine strukturelle Steuerungerechtigkeit auf der Einnahmenseite. Im Grunde fehlt es den Kommunen an allem: Sie haben zu wenig Geld, um die Transformationsaufgaben zu stemmen und selbst wenn es attraktive Förderprogramme gibt, haben sie oft zu wenig Personal, um Fördermittel zu beantragen. Im interkommunalen Wettbewerb machen sich die Kommunen sogar noch gegenseitig Konkurrenz, um möglichst geringe Hebesetze bei der Gewerbesteuer, um billiges Land für Unternehmensansiedlungen und so weiter. So dominiert unter den Kommunen quasi ein Preiswettbewerb. Statt eines Qualitätswettbewerbs um die schönsten Grünanlagen, das reichhaltigste Kulturangebot, den besten ÖPNV und die hochwertigsten Schulgebäude, zählt vor allem der „billige Jakob“, weil damit die Hoffnung verbunden wird, Arbeitsplätze zu schaffen.

DUS: Eine Reihe von Beispielen – u. a. verkehrsberuhigte Bereiche – zeigen, dass insbesondere suffizienzbasierte Nachhaltigkeitsmaßnahmen in der Gesellschaft schnell auf Akzeptanzprobleme stoßen können. Inwieweit kann aus Ihrer Erfahrung die Einbindung der Bürger*innen bei der Maßnahmenwahl und -ausgestaltung Widerstände verringern respektive die Zustimmung zu Veränderungsprozessen sogar erhöhen?
OW: Diese Frage ist schnell beantwortet, denn wir haben festgestellt, dass die Einbindung der Bürger*innen, der Unternehmer*innen und insgesamt möglichst vieler Akteure ein zentraler Gelingensfaktor ist. Es zeigt sich deutlich, dass insbesondere solche Maßnahmen eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz genießen, die sich durch die Einbindung und Vernetzung von Zivilgesellschaft, Verwaltung, Politik und Wirtschaft auszeichnen, denen es mithin gelungen ist, unter Beteiligung verschiedener gesellschaftlicher Akteur*innen umgesetzt worden zu sein.
DUS: Dem Projektbericht ist zu entnehmen, dass die hohe Schuldenlast der Kommunen deren Investitionsfähigkeit erheblich beeinträchtigt. In welcher Weise sollte dieses Dilemma im Zuge des aktuell verhandelten Schuldenpakets bedacht werden?
OW: Sie verwenden den Begriff „Schuldenpaket“ und das ist schon einmal ein grundsätzlich falscher oder zumindest irreführender Begriff. Denn wenn wir nicht investieren, sind die Schulden noch viel höher. Wenn wir zukünftigen Generationen kaputte Schienenwege, marode Brücken defekte Ampelanlage und Schulen hinterlassen, bei denen es durchs Dach regnet, dann ist doch für niemanden etwas gewonnen. Völlig zurecht wird daher auch von einem „Sondervermögen“ gesprochen. Es ist gut, dass die alte Schuldenbremse abgeschafft wurde. Denn es macht einen riesigen Unterschied, ob das Geld für investive oder für konsumtive Ausgaben verwendet wird. Von den Investitionen in die öffentliche Infrastruktur profitieren ja auch zukünftige Generationen und daher ist es auch gerechtfertigt, dafür Schulden zu machen. Anders verhält es sich bei konsumtiven Ausgaben, denn diese Ausgaben stiften keinen Nutzen für die Zukunft sonders nutzen nur im Moment ihres Verbrauchs. Wir können sogar mit den investiven Ausgaben von heute die konsumtiven Ausgaben der Zukunft reduzieren: indem wir Energieeinsparmaßnahmen finanzieren und umsetzen werden nämlich die konsumtiven Ausgaben für der Zukunft reduziert. Die Heizungssanierung und die Wärmedämmung eines Kindergartens erspart uns in Zukunft Kosten für Energie. Bei der Schuldenbremse wurde diese wichtige Unterscheidung bislang nicht gemacht und in der Diskussion taten manche so, als wolle man mit Schulden Champagnerparties veranstalten. Es macht aber einen großen Unterschied, ob mit dem Geld Gehälter, Renten und Energierechnungen beglichen werden oder ob es für Schulsanierungen und Bahngleise und Brücken ausgegeben wird.

Über den Interviewpartner

Oliver Wagner ist am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie als Co-Leiter des Forschungsbereichs Energiepolitik tätig. Seit 1995 arbeitet der diplomierte Sozialwissenschaftler dort zu verschiedenen Fragestellungen rund um das Thema Klimaschutz und Energieeinsparung. Seine Arbeitsschwerpunkte reichen von kommunaler Energiespar- und Klimaschutzpolitik, über Instrumente zur Bekämpfung von Energiearmut, bis hin zur Bildung für nachhaltige Entwicklung im Themenfeld Klimaschutz. In zahlreichen Veröffentlichungen, beispielsweise als Mitautor des Spiegel-Bestsellers „Earth for All – Deutschland“ und in zahlreichen Projektarbeiten hat Oliver Wagner die Bedeutung von dezentralen Akteuren und zivilgesellschaftlichen Initiativen für den Klimaschutz herausgearbeitet. Er verfügt über umfangreiche Erfahrungen als Mitglied in diversen Beratungs- und Aufsichtsratsgremien.

Suffizienz im Quartier – Anregungen für kommunale Akteure

Brände in Kalifornien, Überschwemmungen in Saudi-Arabien, im vergangenen Sommer Starkregen in Deutschland – die Klimakrise ist in den Nachrichten und unserer Umgebung allgegenwärtig. Viele Menschen verspüren den Wunsch, ein suffizienteres Leben zu führen, das sich innerhalb der planetaren Grenzen bewegt und unsere Erde schützt. 

Doch die Vorstellung, den gesamten Alltag und das eigene Konsumverhalten radikal auf den Kopf zu stellen, hält viele davon ab, es zu versuchen. Die Aussicht, sich spontan drastisch verändern zu müssen, wirkt überfordernd und abschreckend. Dabei können bereits kleine Veränderungen und Aktionen im eigenen Kiez einen Beitrag zur ökologischen Transformation unserer Städte leisten. Die steigende Umweltqualität trägt wiederum zu einer höheren Lebensqualität im Quartier bei und gemeinsame ehrenamtliche Anstrengungen fördern zugleich das soziale Miteinander sowie den lokalen Zusammenhalt.

Kommunen als Ermöglicher
Nicht immer kann dies jedoch vollständig selbstorganisiert gelingen. Sicherlich man kann sich in der Nachbarschaft, mit Freund*innen und Bekannten über eine zukunftsgerechte Reiseplanung austauschen oder Gartengeräte gemeinsam nutzen. Doch sobald es noch handfester werden soll, braucht es schnell dauerhafte Räumlichkeiten oder Flächen und eine grundlegende Ressourcenausstattung, um Mikroprojekte wie bspw. einen Gemeinschaftsgarten im Quartier dauerhaft umzusetzen. Hier können kommunale Akteure wie Fachämter, aber auch Wohnungsbaugesellschaften und lokale Organisationen eine wichtige Rolle einnehmen und gleichzeitig selbst von den Ergebnissen profitieren.

Anregungen und konkrete Projektvorschläge, wie diese „Rolle eines Ermöglichers“ aussehen kann und welche kommunalen Akteur*innen dafür infrage kommen, bietet die kürzlich erschienene Handreichung SUPRA-STADT-Toolbox. Sie wurde im Rahmen des gleichnamigen Projektes vom Institut für Energie und Umweltforschung Heidelberg (IFEU) entwickelt.

Sie stellt fünf Projektideen detailliert vor, mit denen ein Beitrag zu einer partizipativen sozial-ökologischen Transformation im Quartier geleistet werden kann. Dabei wird anschaulich erklärt, welche Akteur*innen als Initiator*innen und Träger*innen des Projektes infrage kommen, wer die Zielgruppen und Profiteur*innen des Vorhabens sein können, wie die Vorhaben exemplarisch umgesetzt werden können und mit welchem Ressourcenaufwand zu rechnen ist.

Suffizienz im Quartier stärken 
Exemplarisch sollen nachfolgend drei Beispiele aus der Handreichung zur Verdeutlichung vorgestellt werden:

Gemeinsam Gärtnern im Quartier ist ein längerfristig angelegtes Projekt. Im Rahmen von Workshops und Mitmachaktionen rund um den naturnahen Anbau erlernen die Teilnehmenden grundlegende gärtnerische Kompetenzen und betätigen sich gemeinsam beim Bestellen von Beeten, Unkraut jäten und natürlich der Ernte. Ziel ist es einerseits, unmittelbaren Zugang zu frischen und gesunden Lebensmitteln wie Obst und Gemüse zu ermöglichen. Andererseits werden tragfähige Strukturen durch die weitgehend selbstorganisierte Bewirtschaftung der genutzten Flächen geschaffen, der soziale Zusammenhalt,  die nachbarschaftliche Vernetzung und das Gefühl der Selbstwirksamkeit bei den Beteiligten gestärkt. Das Projekt kann von Wohnungsgesellschaften, kommunalen Akteur*innen und Ämtern aber auch Stadtentwicklungsbüros ins Leben gerufen und betreut werden.

Fahrrad fahren ist gesund und gut bekanntlich gut für die Umwelt. Doch was tun, wenn der alte Drahtesel defekt ist? Die Idee der Rad-Checks setzt hier an. Sie fördern nachhaltige Mobilität, indem im Quartier kostenlose, regelmäßige Reparaturangebote für Fahrräder gemacht werden. Die Teilnehmenden lernen unter Anleitung von Freiwilligen, selbstständig kleinere Reparaturen durchzuführen, wodurch sie nicht nur Geld sparen, sondern auch neue Fähigkeiten erwerben. Neben dem Spaß am Selbermachen steht auch bei diesen Aktivitäten der Gemeinschaftsgedanke im Vordergrund – denn das informelle Lernen stärkt zugleich den Zugehörigkeitssinn im Quartier. 

Das Format der Klimanachbarschaft umfasst eine mehrteilige Veranstaltungsreihe, die Themen wie nachhaltige Ernährung, Mobilität, Energie und Konsum aufgreift. Ziel ist es, den Teilnehmenden zu zeigen, wie sie ressourcenschonendes Verhalten in ihren Alltag integrieren können. Beispiele aus der Praxis reichen von Repair-Cafés über Workshops zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung bis hin zu Mitmachaktionen wie der „Naturwerkstatt“, in der Kinder spielerisch nachhaltige Praktiken entdecken. Ein zentrales Element der Klimanachbarschaft sind regelmäßige offene Treffen, wie etwa ein Klimacafé, das Raum für Austausch und Reflexion bietet. Hier können Nachbar*innen auch praktische Tools wie CO₂-Fußabdruckrechner nutzen, um ihren eigenen Beitrag zum Klimaschutz zu ermitteln. Die Veranstaltungen können beispielsweise von Vereinen oder Akteur*innen des Bildungsbereichs durchgeführt und individuell auf die Bedarfe im jeweiligen Kiez angepasst werden.

Gemeinsam mehr bewegen
Die in der Publikation SUPRA-STADT-Toolbox vorgestellten Projektideen sind ein schöner Beleg für die Möglichkeiten, die Kommunen mit relativ wenig Ressourcenaufwand haben, um Menschen im Quartier bei der Erprobung suffizienter Verhaltensveränderungen zu unterstützen. Sie zeigen zudem, dass derartige Vorgaben eine doppelte Rendite erwirtschaften: Sie stärken den sozialen Zusammenhalt und leisten einen Beitrag zur Nachhaltigkeit. Ein Gewinn für die Kommunen und ihre Bewohner*innen.