Psychologische Barrieren auf dem Weg zu mehr persönlicher Suffizienz

Auto oder Fahrrad? Neu oder Second Hand? Vielen Menschen fällt es schwer, sich bei solchen alltäglichen Entscheidungen für die nachhaltigere Option zu entscheiden, obwohl die Voraussetzungen dafür gegeben wären und sie über die Folgen ihres Handelns Bescheid wissen.

Die psychologische Forschung zeigt, dass es sogenannte psychologische Verhaltensbarrieren gibt, die nachhaltiges Verhalten im Alltag erschweren oder ganz verhindern können – auch bei Menschen mit ausgeprägtem Umweltbewusstsein. Welche das sind und warum es sich lohnen kann, darüber Bescheid zu wissen, erklären wir in diesem Beitrag.

Suffizienz im Alltag

Wenn wir uns die vier E’s der Suffizienz – Entschleunigung, Entflechtung, Entrümpelung und Entkommerzialisierung – nach Wolfgang Sachs anschauen, fallen uns in der Regel schnell einige Dinge ein, die wir uns öfter vornehmen und dann doch wieder vor uns herschieben.

Da wären zum Beispiel der Kleiderschrank, den man aussortieren müsste, das Gemüsebeet im Garten, für das man sich wieder mehr Zeit nehmen wollte, und vieles mehr. Zum Thema Entrümpeln im Frühling gibt es hier einen ganzen Blogbeitrag.

Gute Vorsätze allein reichen nicht aus

Aber zurück zu den psychologischen Verhaltensbarrieren. Die Umweltpsychologin Dr. Josephine Tröger erklärt in diesem #kaufnix-Beitrag, dass es verschiedene Arten von Faktoren gibt, die unser Verhalten beeinflussen. Zum einen sind es persönliche Einstellungen, Werte und Erwartungen, zum anderen äußere Bedingungen, wie zum Beispiel der Zugang zu bestimmten Produkten und Dienstleistungen.

Aber woran genau scheitert es, wenn die Voraussetzungen für ressourcenschonendes Handeln eigentlich gegeben sind und wir uns trotzdem nicht dafür entscheiden? Einige von vielen Antworten auf diese Frage, die Wissenschaftler*innen schon seit Jahren erforschen, stellen wir nun vor.

Confirmation Bias – Wir hören, was wir hören wollen

Der Confirmation Bias (deutsch: Bestätigungstendenz) ist ein bekanntes und vielfach erforschtes Phänomen, das eine kognitive Verzerrung in die Richtung unserer persönlichen Erwartungen beschreibt. Anders formuliert: Wir suchen und beachten im Alltag vor allem solche Informationen, die unsere Erwartungen bestätigen.

Wer also zum Beispiel in einem Umfeld aufgewachsen ist, in dem Autos eine wichtige Rolle spielen, wird im Alltag wahrscheinlich eher soziale Kontakte suchen und Medien konsumieren, in denen Autos positiv dargestellt werden. Informationen zu anderen Verkehrsmitteln, die vielleicht sogar finanzielle und zeitliche Vorteile mit sich bringen würden, werden durch die verzerrte Wahrnehmung eher weniger oder gar nicht beachtet. Dadurch kommt es eher selten zu Verhaltensänderungen im Sinne von Suffizienz und Nachhaltigkeit.

Sunk cost fallacy – Loslassen ist nicht leicht

Den Sunk-Cost-Fallacy-Effekt kennen bestimmt viele aus dem Alltag. Er beschreibt die Tendenz zum Festhalten an einer vergangenen Entscheidung und das Pflichtgefühl, weiterhin an dieser Entscheidung festhalten zu müssen, obwohl sie keinen Nutzen hat oder sogar Schaden anrichtet.

Ein gutes Beispiel hierfür ist der Besitz eines Autos. Die Sunk costs (deutsch: versunkene Kosten) sind in diesem Fall etwa der Kaufpreis und sämtliche Reparatur- und Wartungskosten. Nach einigen Jahren kommt es vielen so vor, als dürften sie gar nicht darüber nachdenken, das Auto zu verkaufen oder wegzugeben, weil sie durch die hohen Investitionen dazu verpflichtet wären, das Auto nun auch lange zu nutzen. Dieser Effekt führt dazu, dass manche Menschen ein Auto besitzen, obwohl sie es kaum nutzen.

Der Rebound-Effekt

Den Begriff Rebound-Effekt (deutsch: Rückschlag-Effekt) kennen viele wahrscheinlich aus dem ökonomischen Kontext. Er beschreibt das Phänomen, dass Einsparungen an einer Stelle durch Ausgaben oder steigenden Verbrauch an anderen Stellen ausgeglichen oder sogar überkompensiert werden. Über die verschiedenen Arten von Rebound-Effekten gibt es hier einen ganzen Blogbeitrag.

In der Umweltpsychologie spricht man zum Beispiel dann vom Rebound-Effekt, wenn man effizientere Glühbirnen kauft und sie dafür dann länger brennen lässt oder ein sehr verschwenderisches Verhalten mit einem anderen ressourcenschonenden Verhalten rechtfertigt. Letzteres wird auch Moral Licensing genannt und liegt zum Beispiel dann vor, wenn eine Person ihr schlechtes Gefühl wegen regelmäßiger Flugreisen mit nachhaltigem Lebensmittelkonsum ausgleicht, obwohl das Verhältnis zwischen ausgestoßenen Emissionen in dem einen und eingesparten Emissionen im anderen Bereich völlig ungleich ist.

Wie wir die psychologischen Barrieren überwinden können

Es gibt in diesem Kontext noch viel mehr psychologische Phänomene, aber nachdem wir nun einige davon kennengelernt haben, lassen sich daraus schon einige nützliche Erkenntnisse für den Alltag ableiten.

Unsere Psyche wird von vielen Faktoren beeinflusst, von denen wir oft gar nicht direkt etwas mitbekommen. Es kann hilfreich sein, wenn man sich im Alltag manchmal vor Augen führt, dass alle Menschen von kognitiven Verzerrungen und Fehlschlüssen betroffen sind. Mit diesem Gedanken kann man vielleicht einerseits nachsichtiger mit sich und anderen Menschen werden. Andererseits kann man sich damit auch motivieren, die eigenen Denkmuster kritisch zu hinterfragen und nicht immer dem ersten, vermeintlich logischen Gedanken zu folgen.

Die psychologische Forschung untersucht neben den Hintergründen menschlichen Verhaltens auch verschiedene Strategien, mit denen wir psychologische Barrieren überwinden und uns damit den Alltag erleichtern können.

Eine dieser Strategien sind sogenannte Wenn-Dann-Pläne. Dabei handelt es sich um Vorsätze für bestimmte Verhaltensweisen in konkreten Situationen. Solche Vorsätze sollen das Einhalten persönlicher Ziele erleichtern und dem Aufbau neuer Gewohnheiten dienen.

Angenommen, eine Person hätte das persönliche Ziel nachhaltiger zu leben und möchte deshalb so oft wie möglich Second Hand statt neuer Kleidung kaufen. Aus Bequemlichkeit und alten Gewohnheiten kauft sie trotzdem kaum Second Hand und fühlt sich nach einiger Zeit schlecht, weil sie gegen ihre eigenen Vorsätze verstößt. Mit einem Wenn-Dann-Plan könnte sie sich selbst dazu verpflichten, ihrem Ziel näher zu kommen. Dieser Plan könnte zum Beispiel so aussehen: „Wenn ich neue Kleidung brauche, dann suche ich immer zuerst nach Second Hand-Angeboten und greife nur dann zu neuer Kleidung, wenn es keine andere Möglichkeit gibt.“ Hier könnten auch noch bestimmte Geschäfte oder Plattformen ergänzt werden. Je konkreter die Beschreibung, desto besser. Diesen konkreten Vorsatz kann die Person sich nun aufschreiben und in Erinnerung rufen, sobald die „Wenn“-Situation eintritt.

Weniger Selbstkritik, mehr Nachsicht

Die psychologische Forschung zeigt, dass es viele Faktoren gibt, die unser Verhalten beeinflussen, ohne dass wir direkt etwas davon mitbekommen. Diese Erkenntnis kann in so manch hitziger Debatte darüber, wie viel Fleischkonsum noch okay ist oder wer im Sommer wo Urlaub macht, vielleicht für mehr Sachlichkeit sorgen. Im besten Fall bringt sie uns aber dazu, unsere eigenen Gedanken und Gewohnheiten zu hinterfragen und uns im nächsten Schritt aktiv für eine nachhaltigere Gesellschaft einzusetzen.

Aktionswoche „Entrümpeln! – Befreit in den Frühling“

Ältere Semester kennen noch die in den 90er Jahren bekannte Fernsehshow Glücksrad. Kandidat*innen deckten nacheinander Buchstaben auf und versuchten, verdeckte Wörter schnellstmöglich zu erraten. Vokale mussten dabei zulasten eines Teils des möglichen Gewinns gekauft werden und so hieß es oft: „Ich kaufe ein E und möchte lösen“. Um vier „E’s“ geht es auch beim Thema Suffizienz: Entkommerzialisierung, Entflechtung, Entschleunigung und Entrümpelung. Letztere stand passend zum Frühlingsanfang im Mittelpunkt einer Aktionswoche der Deutschen Umweltstiftung.

E wie Entrümpeln

Zu entrümpeln kann die ideale Gelegenheit sein, um unser Konsumverhalten und die Überflussgesellschaft, in der wir leben, zu hinterfragen. Es ist die Chance, einen Blick auf das Wesentliche zurückzugewinnen und sich von „unnötigem“ Ballast zu befreien. Also einfach alles in die Tonne? Auf keinen Fall! Das Statistische Bundesamt meldete eine Rekordmenge an Haushaltsabfällen, darunter ein klarer Anstieg an Sperrmüll. Das geht auch anders! Auf den Social-Media-Kanälen gab es dazu während der Aktionswoche jeden Tag spannende Beiträge. Sie reichten von der Frage, inwiefern wir unser Glück an Besitztümer binden, über die Vorstellung von Entrümpelungsmethoden auf Basis der Suffizienzpyramide bis hin zum Aufräumen des inneren Zuhauses. Dabei waren alle Interessierten eingeladen, sich einzubringen und die Kampagne mit ihren Erfahrungen und Ansichten zu bereichern.

Der Frühling als Symbol für Wandel – in diesem Verständnis sollte die Aktionswoche Suffizienz als Gefühl des „guten Lebens“ der Community auf eine greifbare und aktive Art näherbringen und zum eigenen Handeln ermutigen. Dabei sollte gegenseitiges Lernen im Mittelpunkt stehen und auf das Wissen jedes und jeder Einzelnen aufgebaut werden. Auf einer digitalen Miro-Plattform wurden die Teilnehmenden entlang der Aktionstage geführt und dazu eingeladen, ihre Gedanken mit Kommentaren und Post-its hinzuzufügen. Nach und nach entstand im Laufe der Aktionswoche eine kleine „Miro-Welt“, die sich aus Fragestellungen, Ideensammlungen und Stimmungsbildern zusammensetzt.

Ausschnitt aus dem Miro-Board „Befreit in den Frühling“

Lebhafte Debatte in der „Miro-Welt“

Mit weit über 150 Beiträgen ist eine Sammlung aus inspirierenden Gedanken, Ideen und Tipps entstanden. Jeder Aktionstag wurde einem speziellen Thema gewidmet. So ging es zunächst um die Empfindung von materiellem und immateriellen Glück. Die Beiträge der Teilnehmer*innen zeigten, dass meist Lebenssituationen und -umstände, besonders bezüglich Freund*innen, Familie, Gesundheit und finanzieller Sicherheit, eine deutlich wichtigere Rolle spielen als materielle Güter. Es zeigte sich zudem, dass die Leitfragen „Was ist genug?“ und „Was macht mich dauerhaft zufrieden?“ hilfreiche Wegweiser sein können, um sich den eigenen Bedürfnissen bewusster zu werden. Anschließend ging es um Methoden der Entrümpelung. Diskutiert wurde u. a. nach welchen Faktoren Menschen entscheiden, welche Dinge losgelassen werden und welche nicht. Außerdem wurde diskutiert, ob getroffene Entscheidungen beim Entrümpeln nachhaltig Einfluss auf das Konsumverhalten nehmen.

Einfach rausschmeißen? Auf keinen Fall!

Endlich hat man sich entschieden, von welchen Dingen man sich trennen möchte. Doch was soll nun mit Ihnen passieren? Wertvolle Hinweise auf diese Frage lieferte während der Aktionswoche stetig die Suffizienzpyramide. Denn Vieles ist zu gut für die Schrotthalde und häufig sind Einzelteile verbrauchter oder aussortierter Güter wertvolle Bauteile für anstehende Reparaturen.

Interessierte reflektierten daher gemeinsam die eigenen Konsum- und Verhaltensweisen und entwickelten Ansätze, um ihren Lebensstil suffizienter zu gestalten. Auf den untersten beiden Stufen der Suffizienzpyramide geht es bekanntlich darum, Besitztümer möglichst lange zu benutzen und sie ggf. einem alternativen Verwendungszweck zuzuführen. Das bedeutet vor allem: reparieren, umfunktionieren und so viel wie möglich selbst herstellen. Viele gute Ideen kamen zusammen und hauchten so dem einen oder anderen ausgemusterten Gegenstand ein zweites Leben ein. So wurden bspw. aus Bierdeckeln Ohrringe und alte Kalenderseiten zu Geschenkpapier.

Die beiden mittleren Stufen der Suffizienzpyramide beschäftigen sich mit dem Tauschen und Leihen von Dingen. Vom Leihlokal, über Kleidertausch-Apps bis hin zum Aushang im eigenen Innenhof – viele Ideen und best practices wurden gesammelt und diskutiert. Munter tauschten sich die Beteiligten dabei über bereits erlebte analoge und digitale Formate wie Flohmärkte oder Leihbörsen in Ihrer Region aus. Es war beeindruckend, zu sehen, wie viele Initiativen es verteilt in ganz Deutschland gibt.

Die letzten zwei Stufen der Pyramide thematisieren Second-Hand- und Neukäufe von Gütern. An dieser Stelle drehte sich die Diskussion während der Aktionswoche sehr stark um den (Weiter-)Verkauf gebrauchter Dinge. So wurde deutlich, dass gerade Möbel auch bei jahrelanger Nutzung häufig nahezu keinem Verschleiß unterliegen und ohne Weiteres eine Zweit- oder Drittnutzung erfahren können. Zugleich wurden vor dem Hintergrund eigener, teilweise negativer Erfahrungen jedoch auch Bedenken gegenüber Tausch- und Leihplattformen geäußert. Es sollte daher noch wirksamere Mechanismen geben, um Betrug und kriminellen Energien sowohl auf Käufer- als auch Verkäuferseite wirksam begegnen zu können, bspw. indem Transparenz und wirksame Garantien geschaffen werden.

Suffizienzpyramide

Zum Abschluss der Aktionswoche wurde das innere Zuhause thematisiert. Denn allzu oft erschlagen uns Reizüberflutungen aus unterschiedlichsten Quellen: Smartphones sind omnipräsent, viele Freizeitangebote konkurrieren um Aufmerksamkeit und kaum einer kommt noch an Serienstreaming, YouTube und Social Media vorbei. Die Folge ist ungewollter Stress im Privaten anstatt Zufriedenheit, Entschleunigung und Ruhe. Manchmal hilft es an dieser Stelle, die eigene „geistige Haustüre“ auch mal bewusst zu schließen, um sich der wirklich wichtigen Dinge bewusst zu werden. Die Beteiligten diskutierten dazu passende Strategien wie beispielsweise das Hören von Musik oder das Führen eines Tagebuchs.

Befreit in den Frühling – was nehmen wir mit?

Die Aktionswoche der Deutschen Umweltstiftung war ein großer Erfolg, denn sie hat der Community einen Raum geboten, sich rege und tiefgreifend auszutauschen. Es entstand digital eine freundschaftliche Atmosphäre des gemeinsamen Lernens. Der partizipative Charakter der Aktionswoche fand Anklang bei allen Beteiligten. Die Interaktion auf Miro ermöglichte es den Teilnehmenden, ihre Ideen visuell zu organisieren, sie mit anderen zu teilen und sie gemeinsam weiterzuentwickeln. Die Plattform ermöglichte es, auf die Ideen und Gedanken anderer zu reagieren, Kommentare zu hinterlassen und gemeinsam an der Entwicklung von Inhalten zu arbeiten. Diese Form der digitalen Zusammenarbeit förderte eine offene und kreative Atmosphäre, in der die Teilnehmenden in der Lage waren, aktiv mitzugestalten. Schauen Sie sich gerne die Ergebnisse der Diskussion hier noch einmal detailliert an.

Abschließend möchten wir allen Beteiligten für ihre Beiträge und die Bereitschaft danken, gemeinsam mit uns #BefreitindenFrühling zu starten.

Mobilität teilen – Ressourcen sparen

Trotz aller Bemühungen stellt uns der Verkehrssektor weiterhin vor ökologische Herausforderungen. Befürworter*innen der E-Mobilität versprechen sich nun von der Elektrifizierung des Verkehrs die Problemlösung. Doch ist ein „weiter so“ die Lösung oder braucht es ein grundsätzliches Umdenken? Eines, das nicht nur die rurale Mobilität stärkt, sondern zugleich den sozialen Zusammenhalt fördert. Wie dies gelingen kann, zeigt ein Projekt der Deutschen Umweltstiftung in Partnerschaft mit der Universität Kassel. Über eine digitale Mobilitätstafel können Bürger*innen Fahrgemeinschaften bilden und Hilfsangebote organisieren.

Projektleiter Michael Golze der Deutschen Umweltstiftung bei der Eröffnung der Mobilitätstafel in Kahl am Main.

In den vergangenen zehn Jahren wuchs die Anzahl zugelassener PKWs in Deutschland stetig. 2021 besaßen von 1000 Einwohner*innen im Schnitt 580 ein Auto, 2011 hatte die Pkw-Dichte bundesweit noch bei 517 gelegen. 

Trotz der öffentlichen Debatte über die Verkehrswende wird die Anzahl der PKWs auch zukünftig steigen. Sicherlich: Mit dem absehbaren Ende des Verbrennungsmotors werden diese zukünftig mit anderen Energiequellen – insb. elektrisch – betrieben werden (müssen). In der ersten Jahreshälfte 2022 betrug der Anteil von Autos mit ausschließlichem Elektroantrieb bei den Zulassungen bereits 13,6 Prozent oder in absoluten Zahlen ausgedrückt: 356.000 [7, 8]. 

Um das Ziel der Dekarbonisierung des Verkehrs zu erreichen, wird aus Sicht der Politik diese Zahl schnell ansteigen müssen. Immerhin sollen bis 2030 16 Millionen Verbrenner durch Elektroautos ersetzt werden [10]. 

Sind Elektroautos wirklich die Lösung?

Aber lösen Elektroautos wirklich die derzeitigen Probleme der Infrastruktur und die ökologischen Herausforderungen, vor denen unsere Gesellschaft steht? Durch eine Substitution von Verbrennern mit Elektroautos wird es weder weniger Staus in der Rush Hour geben, noch wird der Platzmangel in den Städten und Gemeinden verringert, denn auch Elektroautos benötigen Parkplätze. Einen Betrag zur Verminderung der Nutzungskonkurrenz verschiedener Verkehrsteilnehmer*innen leisten sie nicht. Vielmehr droht auch weiterhin eine Überlastung der Straßen.

Außerdem, wenn bis 2030 16 Mio. E-Autos auf deutschen Straßen rollen sollen, bedeutet es auch, dass diese produziert werden müssen. Die Herstellung elektrobetriebener Pkws verbraucht große Mengen an Ressourcen. Diverse seltene Erden werden u. a. für den Bau der Akkus gebraucht. Ihr Abbau findet zumeist unter menschenrechtlich kritischen Bedingungen statt und stellt eine ökologische Belastung dar [1, 2].

Out of the box gedacht

Dieser kurze Exkurs zeigt, dass unsere Probleme im Verkehrsbereich mitnichten nur durch einen Wechsel von Benzin zu Strom gelöst werden. Erfolgversprechender scheint es, individuell und gemeinsam als Gesellschaft umzudenken und neue Handlungsmöglichkeiten zu erschließen. Diese sollten nicht nur die Mobilität der Menschen sicherstellen, sondern auch vereinbar mit den ökologischen Grenzen unseres Planeten sein. Die Idee der Suffizienz, also die kritische Auseinandersetzung mit der Frage, welche Güter und Lebensweisen ein erfülltes und sinnstiftendes Leben ermöglichen, bietet an dieser Stelle wertvolle Anregungen.  

Sie lädt uns nicht nur dazu ein, die Notwendigkeit etablierter Verhaltensweisen oder den Mehrwert vermeintlich essenzieller Dinge kritisch zu hinterfragen, sondern betont zugleich auch die bisweilen vergessenen Vorzüge von Alternativen. 

Suffizienz – nur eine Möglichkeit in der Stadt?

Dies gilt grundsätzlich sowohl in den Städten als auch auf dem Land. Allerdings besteht ein wichtiger Unterschied: In vielen urbanen Räumen gibt es bereits heute eine Reihe alternativer Angebote, um die eigene Mobilität nachhaltiger und suffizienter zu gestalten. Aufgrund der vielfach kurzen Wege spielen Fahrräder dabei eine zentrale Rolle. Der Wechsel vom PKW auf das Bike schont nicht nur Ressourcen, sondern fördert die Gesundheit und – zugegebenermaßen an sonnigen und warmen Tagen stärker – das persönliche Wohlbefinden. Gemeinsam von der Hausgemeinschaft angeschaffte Sharing-Räder entrümpeln überfüllte Keller und gemeinsame Reparaturwochenenden fördern den sozialen Zusammenhalt. Größere Distanzen lassen sich problemlos mit Bus und Bahn in regelmäßiger Taktung erreichen und falls es doch mal ein Auto sein muss, stehen diverse Sharing-Anbieter schon bereit. 

Vergleichbares ist aufgrund der weiteren Distanzen auf dem Land trotz der rasanten Zunahme von E-Bikes nach wie vor schwierig umsetzbar. Zudem ist mit dem ÖPNV auch die zweite Alternative zum eigenen PKW in vielen ruralen Gebieten keine brauchbare Alternative (mehr), da sie schlicht unzureichend verfügbar ist. Häufig verbleibt das Auto somit als letzte Option [4, 5, 6]. 

Fahrgemeinschaften zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts

Wie man aus dieser vermeintlichen Not eine Tugend macht, zeigt eindrucksvoll die gemeinsam von der Deutschen Umweltstiftung und der Universität Kassel entwickelte Mobilitätstafel.

Sie wird aktuell in den drei bayrischen Gemeinden Schöllkrippen, Mömbris, Kahl am Main sowie dem sächsischen Netzschkau erprobt und erlaubt es Bürger*innen kostenlos Mitfahrangebote einzustellen und/oder wahrzunehmen. Dank der privaten Initiative der Bürger*innen entsteht auf diese Weise nicht nur eine bessere Anbindung an den ÖPNV in größeren Ortschaften und ein dichteres Mobilitätsnetz. Es werden außerdem doppelte, ressourcenintensive Wege und unnötige Alleinfahrten eingespart. Dies ist im Einklang mit der Forschung, die gerade in ländlich geprägten Räumen in der Bündelung von Autofahrten einen wirksamen Hebel zur Senkung von umwelt- und klimaschädlichen Emissionen sieht [4,9]. 

Weitere Funktionen auf der Mobilitätstafel unterstützen diese Stärkung des sozialen Zusammenhalts: So können Kulturschaffende auf aktuelle Veranstaltungen hinweisen und Fahrgemeinschaften organisiert werden, Mitbringangebote und -gesuche inseriert werden und Bürger*innen kostenlose Hilfsangebote auf der Plattform einstellen. 

Autos und Kompetenzen auf freiwilliger Basis teilen und einander helfen – auf diese Weise fördert die Mobitafel die Lebensqualität im ländlichen Raum. Sind Sie nun neugierig geworden, wie sie im Detail funktioniert? Dann schauen Sie sich doch einfach einmal an: Zur Mobitafel.

Quellen

[1] BGR (2021): Seltene Erden. Informationen zur Nachhaltigkeit. In: https://www.bgr.bund.de/DE/Gemeinsames/Produkte/Downloads/Informationen_Nachhaltigkeit/seltene_erden.pdf?__blob=publicationFile&v=3 (zuletzt aufgerufen am 09.12.2022). 

[2] BMUV (2020): Ressourcenbilanz: Welchen Rohstoffbedarf haben Elektroautos?. In: https://www.bmuv.de/themen/luft-laerm-mobilitaet/verkehr/elektromobilitaet/ressourcenbilanz (zuletzt aufgerufen am 09.12.2022).

[3] Europäisches Parlament (2019): CO₂-Emissionen von Pkw: Zahlen und Fakten (Infografik), in: https://www.europarl.europa.eu/news/de/headlines/society/20190313STO31218/co2-emissionen-von-pkw-zahlen-und-fakten-infografik (zuletzt aufgerufen am 07.12.2022).

[4] Kühl, Jana (2020): Gemeinsam fahren als Beitrag zur Mobilitätswende in ländlichen Räumen? Empirische Hinweise auf Potenziale und Grenzen, in: Tagungsband MobilEr 2020, Melanie Herget (Hrsg.), Braunschweig. 

[5] Schering, Johannes/Sandau, Alexander/Jahns, Martina/Samland, Ute/Theesen, Cedrik 2020: Mitfahren als Schlüssel zur Lösung von Mobilitätsproblemen im ländlichen Raum, in: Tagungsband MobilEr 2020, Melanie Herget (Hrsg.), Braunschweig. 

[6] Schröder, Annika (2021): Fahrradstraßen 2.0: Mehr Raum und Aufmerksamkeit für den Radverkehr in Münster. In: Deutscher Verband für Angewandte Geographie (DVAG), 2021, 45, 77-82.

[7] Statistisches Bundesamt (2022a): Presse. Pkw-Dichte im Jahr 2021 auf Rekordhoch, in: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/09/PD22_N058_51.html (zuletzt aufgerufen am 07.12.2022).

[8] Statistisches Bundesamt (2022b): Presse. Produktion von Elektroautos 2021 um 86 % gegenüber Vorjahr gestiegen, in: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/05/PD22_N030_51.html (zuletzt aufgerufen am 09.12.2022).

[9] Umweltbundesamt (2019): Fahrgemeinschaften verringern die Kosten und den CO2-Ausstoß, in: https://www.umweltbundesamt.de/umwelttipps-fuer-den-alltag/mobilitaet/fahrgemeinschaften#gewusst-wie (zuletzt aufgerufen, am 07.12.2022). 

[10] Umweltbundesamt (2022): Klimaschutz im Verkehr, in: https://www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr-laerm/klimaschutz-im-verkehr#pkw (zuletzt aufgerufen, am 09.12.2022).

KI und Suffizienz – Wie passt das zusammen?

KI-Systeme bestimmen unseren Alltag. Sie personalisieren Musik-, Film- oder Kaufempfehlungen, generieren automatische Untertitel und optimieren Übersetzungen [1]. Insbesondere die Informations- und Kommunikationstechnologie, der Fahrzeugbau sowie unternehmerische Dienstleistungen machen bereits seit langem einen Großteil der KI-Anwendungen aus und wachsen rasant [2]. Aber was bedeutet KI überhaupt?

Definition: „Künstliche Intelligenz“
KI bezeichnet scheinbar intelligentes Verhalten von digitalen Anwendungen.
„KI wird im engeren Sinne wird definiert als ‚Lernende Systeme‘, die auf Methoden des maschinellen Lernens basieren. Warum „lernend“? Anders als in der klassischen Programmierung gibt ein Algorithmus hier nicht jeden Schritt der Lösung vor. Stattdessen „lernt“ das KI-System den Weg zur Lösung ähnlich wie ein Mensch auf Basis von Beobachtungen – den Daten – in vielen aufeinander aufbauenden „Trainingsläufen“. Dies geschieht, indem maschinelle Lernverfahren komplexe Muster oder Abweichungen in Datensätzen erkennen und auf ihrer Basis Vorhersagen treffen.“[3]
Abgrenzung: „Bei künstlichen Intelligenzen wird zwischen schwacher und starker KI unterscheiden. Während sich die schwache KI in der Regel mit konkreten Anwendungsproblemen beschäftigt, geht es bei der starken KI darum, eine allgemeine Intelligenz zu schaffen, die der des Menschen gleicht oder diese übertrifft. Oft wird davon gesprochen, dass schwache KI Intelligenz nur simuliert, während starke KI wirklich intelligent ist und dazulernt.“[4]

Beispiel: Reboundeffekte beim Streamen

KI-Systeme finden sich auch im Alltag wieder. Das Empfehlungssystem von Netflix analysiert tagtäglich unsere Sehgewohnheiten anhand der Tageszeiten, die verwendeten Geräte sowie die Nutzungsdauer [5]. Netflix nutzt KI, um Filme, uns Serien passgenau zu empfehlen. Der damit verbundene Mehrkonsum führt zu einer Erhöhung des Energieverbrauchs.

Der Studie „Shift Project“ (2019) zufolge, setzen sich bereits heute 80 Prozent des globalen Datenverkehrs aus Video-Daten zusammen. 34 Prozent (100 Millionen Tonnen CO2-Equivalent) entstehen durch „Video-on-Demand-Services“. Die dadurch entstandene CO2-Fußabdruck bezifferte der Konzern Netflix im Jahr 2020 auf rund 1,1 Millionen Tonnen – und dabei sind die Rechenzentren nicht einmal mit berücksichtigt [6].

Heutige Onlinedienste bieten die Möglichkeit, Filme und Videos an jedem Tag und zu jeder Stunde zu streamen. 29 Prozent der Deutschen nutzen den Streamingdienst mindestens wöchentlich und 13 Prozent sogar täglich (Stand 11.11.2021) [7]. Bis 2027 soll sich der Umsatz durch das deutschlandweite Streaming sogar nahezu verdoppeln [8]. Der Energieverbrauch ist immens. Zwar sparen wir – aufgrund des verminderten Verkaufs einer DVD – Ressourcen ein, dennoch leiten uns Streamingdienste dazu, mehr zu sehen als jemals zuvor. Dieser Effekt, dass Leute zwar auf den DVD-Kauf verzichten und damit eigentlich diesen Ressourceneinsatz minimieren, sie im Umkehrschluss aber mehr streamen, dämpft das Einsparpotential. Dieses Prinzip wird in der Wissenschaft und Politik als Reboundeffekt benannt.

Beispiel: Nachhaltiger Suchassistent

Künstliche Intelligenz kann aber auch genutzt werden, um unser nachhaltiges Konsumverhalten zu beeinflussen. Ein Beispiel ist der „Green Consumption Assistent“ der Technischen Universität Berlin. 2020 entwickelten Sie in Zusammenarbeit eine KI-basierte Produktdatenbank. Das System setzt auf maschinelles Lernen, indem grüne Produktalternativen genannt und Informationen über nachhaltigere Alternativen zum Neukauf dargelegt werden. Durch grüne Banner der Kategorien „nachhaltig“, „B-Ware“ oder „gebraucht“, können sich Konsument*innen über nachhaltigere Konsumalternativen, also Produkte mit geringeren sozialen und ökologischen Kosten informieren. Repair-, Verleih- und Sharing-Optionen werden auf der Seite des Projektpartners ECOSIA prioritär angezeigt. Die vereinfachte Darstellung („Nudging“) soll die Konsument*innen zum nachhaltigen Konsum „stupsen“ und dem ausbleibenden Nachhaltigkeitsanspruch im entscheidenden Moment entgegenwirken (die „Value-Action-Gap“ schließen). Das maschinelle Lernen der GreenDB soll außerdem Gefahren des Greenwashings eindämmen, indem die Relevanz und Validität entsprechender Nachhaltigkeitslabel überprüft werden [9]

Bis heute ist die grüne Datenbank auf ca. 220.000 Produkte  (Kleidung und Elektronik) aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien angewachsen (Stand: Mai 2022). Neben einer wöchentlichen Aktualisierung der Produktinformationen sollen zukünftig auch die Siegel, Nachhaltigkeitsinformationen sowie Produktbewertungen diversifiziert werden, indem z. B. ein dunkles Kohle-Symbol, als Klassifikation unternehmerischer Förderung fossiler Energie, vergeben wird [10].

Es zeigt sich, mit Künstlicher Intelligenz gehen nicht nur Chancen, sondern auch Risiken einher. Wo der Mensch wirkt, werden Ressourcen verbraucht. KI-Systeme können auch gegen uns verwendet werden. Dabei geht es nicht um die vielfach prophezeite „Weltherrschaft“, sondern um die Möglichkeit der Manipulation unseres Konsumverhaltens in positiver aber auch negativer Richtung. Fakt ist: Der Einsatz Künstlicher Intelligenz benötigt Ressourcen. KI kann uns bei der Bearbeitung komplexer Sachverhalte unterstützen. Es nimmt uns aber nicht das selbstbestimmte, verantwortungsvolle Denken und Handeln ab.

Quellen

[1] Sustain Magazin (2022): sustain. Nachhaltige KI in der Praxis. Im Internet unter: https://algorithmwatch.org/de/sustain-magazin-2022 

[2] Boucher, Philip; European Parliamentary Research Service (Hg.) (2020): Artificial intelligence: How does it work, why does it matter, and what can we do about it? DOI: 10.2861/ 44572 

[3] BMU, Arbeitsgruppe „Umwelt- informationen, Daten, Künstliche Intelligenz“ (2021): Fünf-Punkte-Programm „Künstliche Intelligenz für Umwelt und Klima“. Im Internet unter: https://www.bmuv.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Digitalisierung/factsheet_ki_bf.pdf

[4] Uni Oldenburg (2008/2009): Schwache KI und Starke KI, in: http://www.informatik.uni-oldenburg.de/~iug08/ki/Grundlagen_Starke_KI_vs._Schwache_KI.html

[5] Netflix (o.J.): Wie funktioniert das Empfehlungssystem von Netflix?, in: https://help.netflix.com/de/node/100639

[6] Schmidt, Katharina (2021): Netflix, Youtube, Spotify: So klimaschädlich ist Streaming wirklich, in: Utopia (Hrsg.), https://utopia.de/ratgeber/streaming-dienste-klima-netflix-co2/

[7] Statista (2021): Nutzungshäufigkeit von Mediatheken und Streamingdiensten in Deutschland im Jahr 2022, in: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/627483/umfrage/nutzungshaefigkeit-von-videostream-anbietern-in-deutschland/

[8] Statista (o.J.): Video-Streaming (SVoD) – Deutschland, in: https://de.statista.com/outlook/dmo/digitale-medien/video-on-demand/video-streaming-svod/deutschland

[9] Staiger, Teresa (2022): Reparieren statt kaufen, alt statt neu: Wie eine Datenbank nachhaltigeren Konsum fördern will, in: reframe[Tech] (Hrsg.), https://www.reframetech.de/2022/07/25/reparieren-statt-kaufen-alt-statt-neu-wie-eine-datenbank-nachhaltigeren-konsum-foerdern-will/

[10] Green Konsumtion Assistant (2022): Produkt-Update III: Ecosia Shopping und Green Database sind verfügbar, in: https://green-consumption-assistant.de/update-iii/

Projektarbeit zu Suffizienz an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE)

Im Wintersemester 2021/22 haben Studierende mögliche Lösungswege für mehr Nachhaltigkeit und weniger Leistungsdruck an der HNEE formuliert. Auf Ihrem Plakat (siehe Bild 1) zeigen sie anhand verschiedener Bereiche des Hochschulsystems, inwiefern diese im Rahmen der 4 E’s der Suffizienz angepasst werden könnten.

Suffizienz meint in dem Kontext, das „richtige“ und „notwendige“ Maß von Ressourcenverbrauch anzustreben, sowohl auf individueller als auch auf organisationaler Ebene. Häufig werden die vier E’s nach Wolfgang Sachs genutzt – Entschleunigung, Entflechtung, Entkommerzialisierung und Entrümpelung – um sich am richtigen Maß zu orientieren.

Bild 1: Suffizienz an der HNEE

Wie sind die vier E´s an der HNEE umsetzbar?

Die Studierenden sehen das größte Potenzial zur Verbesserung der Strukturen in den Bereichen Vernetzung, Bürokratieab- und umbau und der Material-Ressourceneinsparung.

Vernetzung: Die Intensivierung der Vernetzung, d. h. verbesserter Austausch und Kontakt zwischen den Hochschulangehörigen, sowie der Ausbau von fachübergreifenden Lehrveranstaltungen, soll zu Entschleunigung führen. Um das zu bewerkstelligen, sei es notwendig, reale Orte am Standort der Hochschule zu schaffen. Das können sein (1) Silence Space für Ruhe und Achtsamkeit; (2) Aufenthaltsräume, Cafés etc. zum Austausch und für Pausen; (3) Orte der Beratung für Familien und internationale Studierende und Burn-Out-Prävention; und (4) Food-Sharing und Schenkschränke als Orte nach dem Common-Prinzip. Diese Orte sollten gleichermaßen für alle Hochschulangehörigen zugänglich sein.

Bürokratieab- und umbau: Entflechtung werde insbesondere durch Bürokratieabbau erzeugt, indem Zugang zu den Angeboten für alle Menschen z. B. mit Familie, Job und anderen Sondersituationen ermöglicht wird. Die Umstrukturierung, vorwiegend die Vereinfachung der Bürokratie, führe dazu, dass der Transferprozess von Informationen intensiviert wird. Das bedeute, dass transferiertes Wissen z. B. im Rahmen von Amtswechseln in Gremien vereinfacht zugänglich ist.

Material-Ressourceneinsparung: Die Wiederverwendung und Einsparung von Materialien und Ressourcen wird als Maßnahme der materiellen Entrümplung vorgestellt. Eine Umfrage hat ergeben, dass die Studierenden Möglichkeiten der Einsparung vor allem in den Bereichen Heizung/Wärme, Druckerpapier, Wasser, Lehrinhalte und Strom sehen. An der HNEE gibt es bereits einen Beschaffungsleitfaden, welcher den Materialkauf und die Frage „Wann wird etwas weggeworfen?“ regelt. Die Studierenden fordern zudem die Einsparung von z. B. Labormaterialien.

Wie kann der Leistungsdruck an der Hochschule verringert werden?

Neben der materiellen Suffizienz fokussierten die Studierenden auch den sozialen Bereich der Suffizienz. Laut einer Umfrage empfinden 11,38 Prozent der Studierenden, Lehrenden und Mitarbeitenden der Hochschule sehr starken und 45,51 Prozent der Befragten starken Leistungsdruck. Können Ansätze der Suffizienz dem Empfinden hoher Belastung und Leistungsdruck entgegenwirken?

Zur Verbesserung der Lebensqualität an der Hochschule brauche es grundlegende Rahmenbedingungen, die Entschleunigung sowie Entkommerzialisierung hervorrufen. Da Stress auf subjektiver Wahrnehmung beruht, dürfen die Maßnahmen jedoch nicht zu spezifisch formuliert sein. Nachjustieren könnte die HNEE etwa, indem flexible Möglichkeiten der Zeiteinteilung geschaffen werden. Die Auswahl zwischen Voll- und Teilzeit sollte frei wählbar sein und das Angebot von Prüfungszeiträumen müsse ausgebaut werden. Zudem sind das Vertrauen und die Wertschätzung zwischen den Hochschulangehörigen essentiell, um das Gefühl des Leistungsdrucks zu vermindern.

Fazit/Ausblick

Um ein optimales Maß zwischen Einsparung und Verzicht zu finden, sollte Suffizienz in der Hochschulpolitik und -kultur offen besprochen werden. Eine Suffizienzstrategie kann dazu beitragen, die Lebensqualität für alle an der Hochschule zu verbessern. In einem Interview mit Studierenden aus dem Projekt wird deutlich, an welchen Stellen die HNEE bereits Suffizienz praktiziert und wo es Verbesserungsbedarf gibt.

Veröffentlichungen zum Thema Suffizienz an der HNEE

Allan Dietz (2021): Die Gewaltfreie Kommunikation als Ansatz zur Förderung von suffizientem Handeln an Hochschulen. Eine Fallstudie zur Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE). Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde.

Radka Geißler (2022): Mehr ist weniger. Suffizienz an der HNEE. Online unter URL: https://www.ackerdemiker.in/post/mehr-ist-weniger-suffizienz-an-der-hnee (Abruf: 13.10.2022).

Marcel Pfeifer (2022): Konzeptvorschlag zur Entwicklung einer Suffizienz-Strategie für die HNEE. Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde.