Kann Mode nachhaltig sein? – Warum ein Umdenken notwendig ist

Die Fashion Weeks dieser Erde zeigen uns regelmäßig, welcher Schnitt, welche Farbe und welche Kombinationen von Kleidungsstücken gerade angesagt sind. Mode ist Ausdruck eines bestimmten Zeitgeistes, sie zeichnet sich durch Aktualität, Wechselhaftigkeit und Schnelllebigkeit aus. Und genau hier liegt das Problem. Die Textilindustrie hat einen bemerkenswert großen ökologischen Fußabdruck, was uns zur Frage bringt: Geht Mode auch nachhaltig? NEIN. Nachhaltigkeit ist kein Attribut, sondern ein Nutzungskonzept. Aber schauen wir genauer hin:

Fast Fashion vs. Slow Fashion

Schnelllebigkeit und Aktualität definieren den sogenannten „Fast Fashion“­-Trend. Damit sind die immer kürzer werdenden Abstände zwischen neuen Kollektionen, die sich an den aktuellsten Modetrends orientieren, gemeint. Durch Massenproduktion und das Outsourcen in Billiglohnländer kann diese Form von Mode immer schneller und günstiger produziert werden. Aufgrund der niedrigen Preise und der meist minderwertigen Qualität führt Fast Fashion zu einer Wegwerfgesellschaft und damit zu massiven Umweltschäden.  Ist das nachhaltig? Bestimmt nicht.

Wir müssen weg von Mode und hin zur nachhaltigen Kleidung

Es gibt eine Gegenbewegung zu Fast Fashion: Sie wird als „Slow Fashion“, „Green Fashion“ oder auch „Eco Fashion“ bezeichnet – und setzt auf das Konzept Nachhaltigkeit. Sie zeichnet sich neben einer nachhaltigen und fairen Produktion vor allem durch ihre Langlebigkeit aus. Diese Art von Kleidung soll aus qualitativ hochwertigeren Materialien bestehen und folgt weniger den aktuellen Trends, sondern setzt auf ein klassisches und zeitloses Design. Es setzt auf Langlebigkeit.

Aber Vorsicht: Akteure der Modebranche stellen sich gerne als besonders nachhaltig dar. Influencer*innen, die vegane Marken empfehlen und Modehäuser, die recycelte Ware anbieten: Klingt fortschrittlich, aber ist es das auch? In vielen Fällen ist es schlicht Greenwashing. Anders als oft suggeriert, wird bzw. nicht einmal ein Prozent der getragenen Kleidung zu neuer “Mode” recycelt.

Kriterien

Natürlich muss ab und zu trotzdem etwas “Neues” her. Dabei ist es gar nicht so leicht zu erkennen, ob ein Kleidungsstück nachhaltig produziert wurde oder ob es sich um Greenwashing handelt. Im Quellenverzeichnis findet ihr eine Liste mit Öko-Textil-Siegeln, die umweltfreundlich hergestellte Kleidung kennzeichnet.

1. Materialien aus biologischen Rohstoffen
Es ist wichtig, dass bei der Textilherstellung nur Materialien aus umweltverträglichen und zu 100 % biologisch abbaubaren Rohstoffen verwendet werden. Beim Anbau wird auf den Einsatz von Pestiziden, chemischen Düngemitteln, Insektiziden und anderen schädlichen Substanzen verzichtet. So gelangen weniger Chemikalien ins Grundwasser und in die Böden, dem Insektensterben wird entgegengewirkt und die Schadstoffbelastung der Menschen vor Ort wird erheblich reduziert.

2. Ressourcenschonende Produktion
Neben einem möglichst geringen Wasser- und Energieverbrauch ist die Verwendung schnell nachwachsender Rohstoffe wie z. B. Bambus ein weiteres Kriterium. Lieferwege sollten so kurz wie möglich und die gesamte Lieferkette möglichst in derselben Region verortet sein.

3. Recycling & Upcycling
Ein weiterer essenzieller Teil grüner Mode ist das Recyceln und Upcyclen von verschiedenen Materialien zur Herstellung neuer Kleidungsstücke. Mittlerweile werden auch Abfallprodukte, wie z. B. Schnittreste aus der Forstwirtschaft, Plastikflaschen oder Fischernetze immer häufiger genutzt, um daraus neue Stoffe herzustellen. Der Ressourceneinsatz wird auf ein Minimum reduziert, sodass ebenfalls weniger Müll entsteht.

4. Soziale und faire Produktionsbedingungen/ Arbeitsbedingungen
Green Fashion muss immer gerechte Bezahlung, gute und sichere Arbeitsbedingungen bedeuten. Sie darf nicht aus Kinderarbeit entstehen und Rohstoffpreise entlang der gesamten Produktionskette müssen angemessen bezahlt werden.

Aber wir müssen nicht gänzlich auf Abwechslung im Kleiderschrank verzichten! Es gibt viele Alternativen zum Neukauf: wie z. B. Second Hand, Kleidertauschpartys, Flohmärkte oder Kleidervermietung. In unserer Checkliste haben wir ein paar Tipps zusammengestellt:

Was Verbraucher*innen tun können

Uns als Verbraucher*innen kommt eine entscheiden Rolle zu. Es ist wichtig, dass wir unsere Beziehung zu Kleidung und Konsum grundsätzlich hinterfragen und unser Bewusstsein hin zu einem suffizienten Modekonsum umstellen. Dinge sollten nur dann gekauft werden, wenn sie wirklich benötigt werden und nicht nur zur Freizeitbeschäftigung oder Belohnung. Außerdem müssen wir die Lebensspanne unserer Kleidungsstücke verlängern, um der Wegwerfmentalität und dem dadurch entstehenden Müll entgegenzuwirken. Suffizienz und Degrowth sind dabei wichtige Stichwörter.

Quellen:

Abschlusskonferenz der Nachwuchsforschungsgruppe „Digitalisierung und sozial-ökologische Transformation“

Oft wird die Digitalisierung als Megatrend des 21. Jahrhunderts bezeichnet. Seit der Entwicklung des ersten Computers in den späten 1940er Jahren hat sich vieles verändert. Wir steuern auf eine umfassende Digitalisierung unserer Umwelt zu und selbst das Smart-Home ist keine Zukunftsvision mehr. Es stellt sich die Frage, ob die Digitalisierung in eine smarte grüne Welt führt, in der alle vom technologischen Fortschritt profitieren und dies zum Umweltschutz beiträgt oder ob wir in eine digitale Wachstumsökonomie steuern, die uns noch schneller an die planetaren Grenzen stoßen lässt.

Die Forschungsgruppe „Digitalisierung und sozial-ökologische Transformation“ an der TU Berlin und am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung untersuchte die Suffizienz-Chancen und Rebound-Risiken der Digitalisierung für eine Verringerung des Energie- und Ressourcenverbrauchs. Im Rahmen einer Abschlusskonferenz präsentierte die Nachwuchsforschungsgruppe am 20. Juni 2022 konzeptionelle Forschungsergebnisse im Spreespeicher Berlin. Das Forschungsthema wurde in vier Teilbereiche aufgeschlüsselt:

1. Welche Effekte birgt Digitalisierung für die Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch?

Gleich zu Beginn der Veranstaltung wurde den Teilnehmenden die Illusion genommen, Digitalisierung an sich könnte einen Schub für eine nachhaltige Entwicklung leisten und die Umwelt entlasten. Studien haben gezeigt, dass die Digitalisierung das Wirtschaftswachstum zwar erhöht, die Auswirkungen sind aber bedeutend geringer als vorherige wichtige Technologien, wie z. B. die Einführung des elektrischen Stroms. Die Forschungsgruppe konzentrierte ihre Untersuchungen auf den ökologischen Effekt der Digitalisierung, den Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen. Sie kamen zum Ergebnis, dass in Unternehmen ein höherer Grad an Digitalisierung auch zu größerem CO2-Ausstoß beiträgt. Auf Haushaltsebene führt in manchen Ländern mehr Digitalisierung zu einem erhöhten Ausstoß. In anderen Ländern ist es umgekehrt. Schlussendlich ist der Effekt sehr gering, der CO2-Ausstoß wird durch die Digitalisierung weder wesentlich erhöht, noch verringert.

In Bezug auf den Energieverbrauch heben sich die positiven und negativen ökologischen Effekte gegenseitig auf. Durch eine Energieeffizienzsteigerung und Tertiärisierung wird der Verbrauch zwar verringert, die Herstellung der Geräte und das rasante Wachstum durch Digitalisierungsprozesse erhöhen jedoch den Energieverbrauch.

2. Ist der Online-Konsum ein Potential für Suffizienz oder eher Konsumtreiber?

Online-Shopping vereinfacht den Konsum. Beim Surfen im Web werden Nutzer*innen ständig mit Werbeinhalten konfrontiert und beeinflusst. Im Marketing sollte eine Transformation hin zur Suffizienzförderung stattfinden: ein Angebot an zeitlosen und langlebigen Produkten und von Unternehmensseite aus die Anregung zu kritischem Konsum. Letztlich kann Suffizienz förderndes Marketing den Konsum reduzieren und damit einen nachhaltigen Beitrag leisten, aber nur, wenn die digitalen Marketingtechniken für den Zweck eines nachhaltigen Konsums eingesetzt werden. Dies geschieht leider zu selten im Sinne der Allgemeinwohlorientierung. Online überwiegen Inhalte, die auf Konsumstimulation ausgelegt sind.

3. Führt Digitalisierung zu einer Beschleunigung des Lebenstempos, und wie wirkt sich dies auf Gefühle von (Zeit-)Stress aus?

Digitale Geräte beeinflussen das subjektive und objektive Lebenstempo. Ob eine Be- oder Entschleunigung verspürt wird, ist von der Nutzungsart der digitalen Geräte abhängig. Menschen, die stärker digitalisiert leben, betreiben mehr Multitasking. In ihrer Studie konnte die Nachwuchsforschungsgruppe zeigen, dass Zeit-Rebound-Effekte auftreten, die vermeintlich gewonnene Zeit wird also mit immer mehr Tätigkeiten aufgefüllt. Somit kommt es oft zu mehr Zeitstress. Hierbei wiesen sie darauf hin, dass die Art und Weise, wie Menschen mit digitalen Technologien in Bezug auf ihre Zeit umgehen, vielfältige Konsequenzen für Gesellschaft und Umwelt hat.

4. Welche direkten Umweltwirkungen, aber auch Einsparpotentiale, sind mit digitalen Geräten im “vernetzten Zuhause” (Smart Home) verbunden?

Ob durch Smart Homes wirklich Energie gespart wird, ist nicht so einfach zu sagen. Die Einsparungen sind viel geringer als erhofft, Strom und Treibhausgasemissionen werden zwar verringert, allerdings verbrauchen die digitalen Geräte viel Strom. Zudem werden für die Produktion sehr viele, nicht nachwachsende Ressourcen benötigt. Bei der Nutzung der Geräte steht der Nachhaltigkeitsgedanke zudem meist nicht im Vordergrund, sondern eher der Spaß- und Spielfaktor. Es kommt also zu einer Verschiebung von Umweltwirkungen, digitaler Klimaschutz geht oft zulasten knapper Ressourcenbestände. Smart Home-Systeme sind somit nur unter bestimmten Bedingungen ökologisch sinnvoll, wenn z.B. die Anzahl gering gehalten wird und die Geräte lange genutzt werden.

5. Forschungsergebnis

Die Digitalisierung bietet einige Chancen, soziale und ökologische Nachhaltigkeit zu erreichen, indem die Energie- und Ressourceneffizienz verbessert und durch umweltschonendere Dienstleistungen ersetzt wird. Zugleich bringt Digitalisierung neue Arten von Verbrauch mit sich. Die negativen Effekte gleichen die positiven Effekte aus. Auch der Blick auf soziale Gerechtigkeit zeigt, dass Digitalisierung zwar mehr Flexibilität mit sich bringt, gleichzeitig verstärkt sie aber den Trend schlechter Arbeitsbedingungen im Niedriglohnsektor und wirkt sozialer Nachhaltigkeit entgegen. Digitalisierung muss viel aktiver durch Politik, Unternehmen und Gesellschaft gestaltet werden, damit sie sozialen und ökologischen Zielen dienen kann. Die Forschungsgruppe entwickelte dazu zwei Leitbilder, um dies zu ermöglichen:

1. Digitale Suffizienz: So viel Digitalisierung wie nötig, so wenig wie möglich

2. Gemeinwohlorientierung: Kollaborativ statt kapitalistisch

Festzuhalten ist, dass digitale Technologien nur dann zu einer ökologischen Nachhaltigkeit beitragen können, wenn sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen fundamental verändern und alle Akteur*innen zusammenarbeiten. Nur als Teil einer sozial-ökologischen Transformation jenseits des Wachstums könnte das Potential der Digitalisierung zutage treten. Es braucht nicht nur digitale Investitionsprojekte, sondern auch ein begleitender sozio-kultureller Wandel im Umgang mit Digitalem.

Mehr Informationen zum Forschungsprojekt sind hier abrufbar.

Minimalismus und Wohlbefinden

Raffiniert verleitet uns die Werbeindustrie zum Konsum – auch weil Kaufen Glück und Anerkennung versprechen soll. In den letzten Jahren mehren sich aber Studien, die uns zeigen, dass gesteigerter Konsum nicht unbedingt glücklich macht. Weniger Besitz sei sogar gut für Körper und Geist. Ist da was dran?

Wieviel brauchen wir wirklich?

Im Jahr 2020 brachten Lloyd und Pennington die Studie Towards a Theory of Minimalism and Wellbeing heraus, in der es um die Zusammenhänge zwischen Minimalismus und Wohlbefinden ging. Die Autor*innen der Studie wollten die Hintergründe des minimalistischen Lebensstils verstehen und mit den Ergebnissen dieser Studie eine vorläufige Theorie des Minimalismus aus Sicht der Positiven Psychologie konstruieren. Laut ihrer Hypothese führt der freiwillige Konsumverzicht zu einer Steigerung von Wohlbefinden und Lebenszufriedenheit.

Positive Psychologie beschäftigt sich mit den positiven Seiten des Lebens. Sie möchte Wohlbefinden und Glück von Menschen fördern. Eine zentrale Frage dieser Strömung der Psychologie ist, wie und warum Individuen und Gruppen „flourishen“, also aufblühen, und wann Personen einen Flow-Zustand erleben. (3)
Definition

Minimalismus und Suffizienz

Bei besagtem freiwilligen Konsumverzicht setzt der Minimalismus an. Es geht darum, einfacher, bewusster und nachhaltiger zu leben, das Überflüssige aus dem Leben zu entfernen. Eine zentrale Frage ist, ob eine Person oder ein Gegenstand Freude bringt. Ist dem nicht so und es belastet einen, ist eine Trennung davon zu bevorzugen. Durch diese eigentlich „leichte“ Frage, wird Raum und Zeit für Menschen und Dinge geschaffen, die wirklich wichtig sind. Es geht im Minimalismus nicht darum, asketisch zu leben und den gesamten Besitz aufzugeben. Es geht um nötige Besitztümer für ein gutes Leben.

Mit dieser persönlichen Reflexion und der Frage, ob die Anschaffung eines Gegenstandes wirklich notwendig ist, zeigt sich die Brücke zwischen Minimalismus und Suffizienz. Beide Lebensstile zeichnen sich durch hohes Bewusstsein des Konsums aus und damit einhergehend den Rückgang des Konsumierens.

Auch beim suffizienten Handeln wird überlegt konsumiert. Die zentrale Frage lautet: „Brauche ich diesen Gegenstand wirklich?“. Nur bei einer positiven Antwort soll ein Kauf getätigt werden. Hiermit lässt sich eine Brücke schlagen, die den minimalistischen und den suffizienten Lebensstil verbindet. Durch die kritische Reflexion geht bei beiden Prinzipien ein Rückgang des Konsums einher. 

Studiendesign

Dem bisher wenig erforschten Kontext von Wohlbefinden und Minimalismus näherten sich die Autor*innen der Studie in einem qualitativen Design mithilfe semistrukturierter Interviews. Zehn Personen zwischen 24 und 52 Jahren, die alle minimalistisch leben, nahmen an der Studie teil. Sie kamen u. a. aus Deutschland, Kanada und den USA.

Lloyd und Pennington fanden in ihren Interviews eindeutige Ergebnisse, die ihre Hypothese bestätigten: Durch den minimalistischen Lebensstil hatte sich das Wohlbefinden aller zehn Studienteilnehmer*innen gesteigert. Sie stellten eine verbesserte Einstellung in den Bereichen Autonomie, Kompetenz, mentalem Raum, Achtsamkeit und positiven Emotionen fest. Wo vorher ein „gefangenes“ Gefühl und Unsicherheit war, fühlten sich die Interviewten seit der minimalistischen Lebensweise sicherer und frei. Außerdem sprachen die Interviewten von mehr Zeit für erfüllende Aktivitäten. 

Auch wenn diese Studienergebnisse klar für die minimalistische Lebensweise sprechen, sind diese Ergebnisse unter Vorbehalt zu betrachten: Die Interviewten waren alle aus einem „Weird-Country“ und haben sich aus innerem Antrieb eigenständig für diesen „einfachen“ Lebensstil entschieden. Personen mit einem niedrigeren sozio-ökonomischen Status, die aufgrund externaler und nicht internaler Gründe dieses einfache Leben leben, würden ihr Leben vermutlich anders konnotieren.

Der minimalistische und suffiziente Lebensstil kann – womöglich zunächst kontraintuitiv – eine Bereicherung für unser Leben sein. Vorausgesetzt man entscheidet sich aktiv dazu und wird nicht durch äußere Umstände gezwungen. Durch die Reduktion des Besitzes kann eine mentale Freiheit entstehen. Zu Beginn steht aber der bewusste Konsum. Der Vorteil ist, dass jeder einfach mitmachen kann, ohne gleich die ganze Welt verändern zu müssen. Wir treffen sowieso jeden Tag Konsumentscheidungen – es kostet nur ein paar Gedanken, sie bewusst zu treffen.

Die komplette Studie ist hier abrufbar.

(1) Lloyd, K. & Pennington, W. (2020). Towards a Theory of Minimalism and Wellbeing, International Journal of Applied Positive Psychology (5), 121-136. https://doi.org/10.1007/s41042-020-00030-y

(2) Seligman, M. & Csikszentmihályi, M. (2000). Positivy psychology: An introduction. American Psychologist, 55, 5-14. https://doi.org/10.1037//0003-066X.55.1.5

(3) Positive Psychologie. http://www.positive-psychologie.ch/?page_id=24 (Abruf: 21.06.2022)

Symposium „Konsum Neu Denken“

Suffizienz spielt in unserer Gesellschaft immer noch eine untergeordnete Rolle. In der Wirtschaft wird der Begriff sogar noch als Bedrohung des Wohlstandes aufgenommen. Daher setzt ein jährliches Symposium in Österreich sich zum Ziel, mehr Wissen über dieses Thema zu verbreiten und seine Zukunftsfähigkeit zu untersuchen.

Ab dem 22. September 2022 wird die zweitägige Veranstaltung mit dem Titel „Konsum Neu Denken“ an der Universität für Bodenkultur in Wien neu aufgelegt. Aufbauend auf dem Online-Pre-Symposium im September 2021, stellt es die Themen Mäßigung, Suffizienz und Konsumreduktion in den Mittelpunkt der Diskussion.

Hierzu gab es letztes Jahr bereits interessante Beiträge von Expert*innen aus verschiedenen Bereichen wie dem profilierten Wachstumskritiker Prof. Dr. Niko Paech, der Expertin für nachhaltiges Design und Produktion Prof. Dr. Christina Liedtke sowie zahlreicher Vertreter*innen verschiedener NGOs und Verbände. Durch ihr vielseitiges und interdisziplinäres Format richtet sich die Veranstaltung somit an Expert*innen vieler verschiedener Disziplinen. Eingeladen zur Diskussion werden Vertreter*innen der Wissenschaft, sowie der Praxis wie etwa NGOs, als auch Bürger*innen mit Erfahrung in diesen Bereichen.

„Das Symposium möchte Stimmen aus Wissenschaft, Praxis und von Bürger:innen zusammenbringen. Bei der Vernetzung und dem Austausch von Wissen steht die Frage im Vordergrund, ob und wie Suffizienz zu einem gängigen und von der Gesellschaft getragenen Modell werden kann.“ – Sprecher des Organisationsteams

Das Symposium nimmt sich vor, Chancen und Risiken der Suffizienz zu erörtern. Sie wollen herausfinden, welche Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Gesellschaft geschaffen werden müssen. Dabei widmet sich die Konferenz auch der sozialen Nachhaltigkeit. Sie widmen sich der Frage, wie sich suffiziente Lebensstile auf die Chancen- sowie Ressourcengerechtigkeit auswirken kann. Mehr Informationen zur Veranstaltung können über die begleitende Webseite abgerufen werden.

Den Suffizienzdetektiven auf der Spur

Ein wichtiges Anliegen der Deutschen Umweltstiftung ist es, Kindern und Jugendlichen die Wichtigkeit eines sparsamen Umgangs mit den knappen Ressourcen unseres Planeten nahezubringen. Aus dieser Motivation entstand 2019 die Idee des bundesweiten Wettbewerbs „Einfach machen – Die Suffizienzdetektive“, in dem Schulklassen existierendes Wissen rund um das Thema „ressourcensparsame Lebens- und Freizeitgestaltung” auf positive Weise bearbeiten. Der Wettbewerb richtete sich bundesweit an Schulen. Es adressierte insbesondere Lehrer*innen themennaher Fächer der Sekundarstufe I (Klassen 5 bis 10), die sich in den heterogenen Lehrplänen der Bundesländer mit ökologischen Fragestellungen befassten.

Hintergrund

Suffizienz ist neben Konsistenz und Effizienz eine der wichtigsten Nachhaltigkeitsstrategien. Diese beschreibt „Änderungen in Konsummustern, die helfen, innerhalb der ökologischen Tragfähigkeit der Erde zu bleiben, wobei sich Nutzenaspekte des Konsums ändern”[1]. Meist ist diese Form von Nachhaltigkeit in der Öffentlichkeit negativ konnotiert, da Menschen darunter einen Zwang zum Verzicht sowie eine Einschränkung der freien Gestaltung von Konsumverhalten und Mobilitätsmustern sehen. 

Diese pessimistische Sicht sollte im Projekt überwunden werden, um sozial-ökologische Transformationsprozesse gesamtgesellschaftlich zu initiieren bzw. zu beschleunigen. Es wird verkannt, dass mit den Verhaltensänderungen diverse positive Aspekte wie eine bessere Gesundheit, steigende Fitness, geringere monetäre Ausgaben, soziale Anerkennung oder die Stärkung lokaler Gemeinschaft einhergehen können [2]. „Damit gutes Leben einfacher wird” heißt ein wichtiges Ökologiebuch von Uwe Schneidewindt und Angelika Zahrnt. Genau darum soll es im vorliegenden Projekt gehen: Welche Strategien und Möglichkeiten gibt es, um bereits in jungen Jahren alltägliche Abläufe und das Freizeitverhalten ressourcenschonender und sparsamer zu gestalten und gleichzeitig noch selbst davon zu profitieren. 

Ein gutes Beispiel ist die Verpackung von Schulbroten und das Projekt Bio-Brotbox, bei dem Erstklässler*innen eine wiederverwertbare Brotbox mit gesunden Lebensmitteln zur Einschulung überreicht wird. Neben der frühen Förderung des Verständnisses für gesunde Lebensmittel und der Wichtigkeit eines Schulbrotes lässt sich auch der Verpackungsabfall reduzieren, wenn auf die Extraverpackung des mitgebrachten Essens in Plastiktütchen verzichtet wird.

Herangehensweise

Im Projektverlauf sollten sich die Schulklassen auf positive Art und Weise mit existierendem Wissen rund um das Thema „ressourcensparsame Lebens- und Freizeitgestaltung” auseinandersetzen. Mithilfe der Suffizienzpyramide sollten Schüler*innen vorhandene Best-Practices im Alltag finden und umsetzen.

Zu Beginn des Wettbewerbs wurden Schüler*innen auf der eigens eingerichteten Lernplattform www.suffizienzdetektive.de multimediale Arbeits- und Informationsmaterialien zur Verfügung gestellt. Darunter waren spielerische wie auch kreative Ansätze sich dem Thema zu nähern:

Die Schüler*innen setzten sich im Rahmen von Unterrichtseinheiten mit diesen und weiteren Unterrichtsmaterialien auseinander. Danach starteten Sie in die schulische Aktionsphase:

Zu Beginn sollen in mehreren Gruppendiskussionen die Schüler*innen die planetaren Grenzen einzuschätzen lernen und mit ihrer Lebenswirklichkeit verbinden. Sie erfuhren, dass eine freiwillige Ressourceneinschränkung positive Nebeneffekte für das eigene Leben haben kann und identifizieren Reboundeffekte, für die sie Lösungsvorschläge erarbeiten. In der folgenden Recherchephase suchten sie als Hausaufgabe oder im Rahmen eines Aktionstages bzw. eines ähnlichen Formates gemeinsam nach umgesetzten Maßnahmen und Projekten für ressourcenschonendes Verhalten im Alltag mittels einer Internetrecherche. Sie orientierten sich dabei an Fragebögen für die folgenden verschiedenen Lebensbereiche: Wohnen, Mobilität und Lebensstile. Aus dem auf diese Weise entstandenen Ideenportfolio wählten die Schüler*innen gemeinsam einen Vorschlag aus und erarbeiteten ein Konzept zur Übertragung auf den eigenen Kontext.

Heraus kamen kreative und spannende Ideen – angefangen bei Sammelboxen für alte und kaputte Elektrogeräte wie Smartphones, Tablets, Netzstecker oder Kopfhörer, über Tipps, um den eigenen Papierkonsum im Unterricht zu reduzieren, bis hin zu einem Büchertauschschrank in der Schule. Insgesamt gab es 104 Anmeldungen und 66 Einsendungen.

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Eindrücke aus der Vielfalt der Ideen

Der erste Platz des Wettbewerbs ging an die Jahrgangsstufe 7 der Erlöser-Mittelschule Bamberg. Sie überzeugte die Jury mit einem kreativen Trickfilm zum Thema „Wassersparen beim Abwasch“.

Jahrgangsstufe 7 der Erlöser-Mittelschule

Den zweiten Platz belegt die Klasse 6c der Realschule Renningen. Ihr Beitrag zeigt den lautstarken Protest der Schüler*innen getreu dem Motto „Denke jetzt um!“ und greift den Zeitgeist der Fridays-for-Future-Bewegung auf.  Auf Platz drei haben es sogar drei Schulen geschafft. Zum einen wurde der Wahlpflichtkurs „Klima“ der Schule am Wilzenberg für sein durchgeführtes Upcycling-Projekt ausgezeichnet. Sie nutzten alte T-Shirts, um wiederverwendbare Einkaufstaschen anzufertigen. Eine weitere Prämierung geht an die Klasse BO2 der Friedrich-von-Bodelschwingh-Schule Bergkamen. Die Klasse hat sich ebenfalls mit Upcycling beschäftigt und alten Jeans neues Leben eingehaucht. Abschließend erreichte auch die  Umwelt AG des Martin-Gerbert-Gymnasiums in Horb den dritten Platz. Die Schüler*innen haben ein kreatives Maßnahmenpaket zu suffizientem Verhalten erstellt und zu Hause umgesetzt. 

Es war ein voller Erfolg!

Im Projekt „Einfach machen – die Suffizienzdetektive“ sollten sich Schüler*innen der Sekundarstufe 1 mit dem Thema Suffizienz auf positive Art und Weise auseinandersetzen. Es war ein voller Erfolg. Wie die 66 Einsendungen und 104 Anmeldungen zeigen, waren der Kreativität der Schüler*innen keine Grenzen gesetzt. Gleichzeitig verdeutlicht dies auch die große Vielfalt an Möglichkeiten, wie der Alltag von jedem – angefangen im Kinder und Jugendalter –  ressourcensparender und nachhaltiger gestaltet werden kann. Und somit endete das Projekt „Einfach Machen“ im März 2021, aber die Mission der Suffizienzdetektive ist lange noch nicht abgeschlossen. Suffizienz muss nicht länger ein „Schreckgespenst“ bleiben. Kinder und Jugendliche in Schulen in ganz Deutschland haben es vorbildlich vorgemacht.

Wie geht es weiter?

Die Deutsche Umweltstiftung sucht derzeit nach finanziellen Unterstützer*innen für eine Neuauflage der Suffizienzdetektive. Wenn Sie Interesse an einer Mitwirkung haben, melden Sie sich unter kontakt@suffizienzdetektive.de.

[1] Heyen, D./Fischer, C./Grießhammer, R./Wolff, F./Brunn, C./Keimeyer, F./Barth, R. (2013): Für eine Politik der Suffizienz. Politische Steuerung als notwendiger Baustein einer suffizienten Gesellschaft. Freiburg, Öko-Institut, S. 7.

[2]Heyen, Dirk Arne, et al. “Mehr als nur weniger. Suffizienz: Notwendigkeit und Optionen politischer Gestaltung, Öko-Institut Working Paper 3/2013.” (2013).