Den Suffizienzdetektiven auf der Spur

Ein wichtiges Anliegen der Deutschen Umweltstiftung ist es, Kindern und Jugendlichen die Wichtigkeit eines sparsamen Umgangs mit den knappen Ressourcen unseres Planeten nahezubringen. Aus dieser Motivation entstand 2019 die Idee des bundesweiten Wettbewerbs „Einfach machen – Die Suffizienzdetektive“, in dem Schulklassen existierendes Wissen rund um das Thema „ressourcensparsame Lebens- und Freizeitgestaltung” auf positive Weise bearbeiten. Der Wettbewerb richtete sich bundesweit an Schulen. Es adressierte insbesondere Lehrer*innen themennaher Fächer der Sekundarstufe I (Klassen 5 bis 10), die sich in den heterogenen Lehrplänen der Bundesländer mit ökologischen Fragestellungen befassten.

Hintergrund

Suffizienz ist neben Konsistenz und Effizienz eine der wichtigsten Nachhaltigkeitsstrategien. Diese beschreibt „Änderungen in Konsummustern, die helfen, innerhalb der ökologischen Tragfähigkeit der Erde zu bleiben, wobei sich Nutzenaspekte des Konsums ändern”[1]. Meist ist diese Form von Nachhaltigkeit in der Öffentlichkeit negativ konnotiert, da Menschen darunter einen Zwang zum Verzicht sowie eine Einschränkung der freien Gestaltung von Konsumverhalten und Mobilitätsmustern sehen. 

Diese pessimistische Sicht sollte im Projekt überwunden werden, um sozial-ökologische Transformationsprozesse gesamtgesellschaftlich zu initiieren bzw. zu beschleunigen. Es wird verkannt, dass mit den Verhaltensänderungen diverse positive Aspekte wie eine bessere Gesundheit, steigende Fitness, geringere monetäre Ausgaben, soziale Anerkennung oder die Stärkung lokaler Gemeinschaft einhergehen können [2]. „Damit gutes Leben einfacher wird” heißt ein wichtiges Ökologiebuch von Uwe Schneidewindt und Angelika Zahrnt. Genau darum soll es im vorliegenden Projekt gehen: Welche Strategien und Möglichkeiten gibt es, um bereits in jungen Jahren alltägliche Abläufe und das Freizeitverhalten ressourcenschonender und sparsamer zu gestalten und gleichzeitig noch selbst davon zu profitieren. 

Ein gutes Beispiel ist die Verpackung von Schulbroten und das Projekt Bio-Brotbox, bei dem Erstklässler*innen eine wiederverwertbare Brotbox mit gesunden Lebensmitteln zur Einschulung überreicht wird. Neben der frühen Förderung des Verständnisses für gesunde Lebensmittel und der Wichtigkeit eines Schulbrotes lässt sich auch der Verpackungsabfall reduzieren, wenn auf die Extraverpackung des mitgebrachten Essens in Plastiktütchen verzichtet wird.

Herangehensweise

Im Projektverlauf sollten sich die Schulklassen auf positive Art und Weise mit existierendem Wissen rund um das Thema „ressourcensparsame Lebens- und Freizeitgestaltung” auseinandersetzen. Mithilfe der Suffizienzpyramide sollten Schüler*innen vorhandene Best-Practices im Alltag finden und umsetzen.

Zu Beginn des Wettbewerbs wurden Schüler*innen auf der eigens eingerichteten Lernplattform www.suffizienzdetektive.de multimediale Arbeits- und Informationsmaterialien zur Verfügung gestellt. Darunter waren spielerische wie auch kreative Ansätze sich dem Thema zu nähern:

Die Schüler*innen setzten sich im Rahmen von Unterrichtseinheiten mit diesen und weiteren Unterrichtsmaterialien auseinander. Danach starteten Sie in die schulische Aktionsphase:

Zu Beginn sollen in mehreren Gruppendiskussionen die Schüler*innen die planetaren Grenzen einzuschätzen lernen und mit ihrer Lebenswirklichkeit verbinden. Sie erfuhren, dass eine freiwillige Ressourceneinschränkung positive Nebeneffekte für das eigene Leben haben kann und identifizieren Reboundeffekte, für die sie Lösungsvorschläge erarbeiten. In der folgenden Recherchephase suchten sie als Hausaufgabe oder im Rahmen eines Aktionstages bzw. eines ähnlichen Formates gemeinsam nach umgesetzten Maßnahmen und Projekten für ressourcenschonendes Verhalten im Alltag mittels einer Internetrecherche. Sie orientierten sich dabei an Fragebögen für die folgenden verschiedenen Lebensbereiche: Wohnen, Mobilität und Lebensstile. Aus dem auf diese Weise entstandenen Ideenportfolio wählten die Schüler*innen gemeinsam einen Vorschlag aus und erarbeiteten ein Konzept zur Übertragung auf den eigenen Kontext.

Heraus kamen kreative und spannende Ideen – angefangen bei Sammelboxen für alte und kaputte Elektrogeräte wie Smartphones, Tablets, Netzstecker oder Kopfhörer, über Tipps, um den eigenen Papierkonsum im Unterricht zu reduzieren, bis hin zu einem Büchertauschschrank in der Schule. Insgesamt gab es 104 Anmeldungen und 66 Einsendungen.

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Eindrücke aus der Vielfalt der Ideen

Der erste Platz des Wettbewerbs ging an die Jahrgangsstufe 7 der Erlöser-Mittelschule Bamberg. Sie überzeugte die Jury mit einem kreativen Trickfilm zum Thema „Wassersparen beim Abwasch“.

Jahrgangsstufe 7 der Erlöser-Mittelschule

Den zweiten Platz belegt die Klasse 6c der Realschule Renningen. Ihr Beitrag zeigt den lautstarken Protest der Schüler*innen getreu dem Motto „Denke jetzt um!“ und greift den Zeitgeist der Fridays-for-Future-Bewegung auf.  Auf Platz drei haben es sogar drei Schulen geschafft. Zum einen wurde der Wahlpflichtkurs „Klima“ der Schule am Wilzenberg für sein durchgeführtes Upcycling-Projekt ausgezeichnet. Sie nutzten alte T-Shirts, um wiederverwendbare Einkaufstaschen anzufertigen. Eine weitere Prämierung geht an die Klasse BO2 der Friedrich-von-Bodelschwingh-Schule Bergkamen. Die Klasse hat sich ebenfalls mit Upcycling beschäftigt und alten Jeans neues Leben eingehaucht. Abschließend erreichte auch die  Umwelt AG des Martin-Gerbert-Gymnasiums in Horb den dritten Platz. Die Schüler*innen haben ein kreatives Maßnahmenpaket zu suffizientem Verhalten erstellt und zu Hause umgesetzt. 

Es war ein voller Erfolg!

Im Projekt „Einfach machen – die Suffizienzdetektive“ sollten sich Schüler*innen der Sekundarstufe 1 mit dem Thema Suffizienz auf positive Art und Weise auseinandersetzen. Es war ein voller Erfolg. Wie die 66 Einsendungen und 104 Anmeldungen zeigen, waren der Kreativität der Schüler*innen keine Grenzen gesetzt. Gleichzeitig verdeutlicht dies auch die große Vielfalt an Möglichkeiten, wie der Alltag von jedem – angefangen im Kinder und Jugendalter –  ressourcensparender und nachhaltiger gestaltet werden kann. Und somit endete das Projekt „Einfach Machen“ im März 2021, aber die Mission der Suffizienzdetektive ist lange noch nicht abgeschlossen. Suffizienz muss nicht länger ein „Schreckgespenst“ bleiben. Kinder und Jugendliche in Schulen in ganz Deutschland haben es vorbildlich vorgemacht.

Wie geht es weiter?

Die Deutsche Umweltstiftung sucht derzeit nach finanziellen Unterstützer*innen für eine Neuauflage der Suffizienzdetektive. Wenn Sie Interesse an einer Mitwirkung haben, melden Sie sich unter kontakt@suffizienzdetektive.de.

[1] Heyen, D./Fischer, C./Grießhammer, R./Wolff, F./Brunn, C./Keimeyer, F./Barth, R. (2013): Für eine Politik der Suffizienz. Politische Steuerung als notwendiger Baustein einer suffizienten Gesellschaft. Freiburg, Öko-Institut, S. 7.

[2]Heyen, Dirk Arne, et al. „Mehr als nur weniger. Suffizienz: Notwendigkeit und Optionen politischer Gestaltung, Öko-Institut Working Paper 3/2013.“ (2013).

Klimaschutz & digitale Transformation – erfolgreiches Zusammenspiel oder trügerische Illusion?

Die Digitalisierung gilt als großes Versprechen für eine nachhaltige Zukunft. Insbesondere in den letzten beiden Jahren der Corona-Pandemie bekam cloud-basiertes Arbeiten im Home-Office einen immer höheren Stellenwert. ​​Digitale Neuheiten und neue Arbeitsstrukturen sollen bei der CO₂-Einsparung helfen. Das Home-Office erspart Arbeitswege mit dem Auto, Meetings ersetzen aufwändige Geschäftsreise und alte Geräte werden mit energieeffizienteren Alternativen ausgetauscht.

Aber können derartige Veränderungen einen Beitrag zur sozial-ökologischen Transformation leisten? Oder neutralisieren Faktoren wie Rebound-Effekte die vermeintlichen Erfolge der Digitalisierung?

Diesen und weiteren Fragen widmet sich das Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit aus Berlin mit seinen Projektpartnern, dem Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und dem Mannheimer Zweckverband Kommunale Datenverarbeitung Oldenburg (KDO), in einer aktuellen Studie über die Klimaschutzpotenziale der digitalen Transformation. Im Gegensatz zu bisherigen Publikationen berücksichtigen die Untersuchungen zentrale Wirkungsmechanismen und greifen Rebound-Effekte, mögliche Verhaltensänderungen, Effekte erhöhter Nachfrage und mögliche nationale und internationale Produktionsverlagerungen auf.

Die empirische Arbeit betrachtet hierfür die Effekte der Digitalisierung auf den Klimaschutz in vier Anwendungsfeldern. Mithilfe ausführlicher Literaturrecherche, leitfadengestützter Interviews und Datenanalysen zum jeweiligen CO₂-Ausstoß in den einzelnen Anwendungsfeldern kam die Studie zu folgenden Ergebnissen: 

Videokonferenzen & Homeoffice

Im ersten Schritt wurden Veränderungen des Arbeits-, Reise- und Mobilitätsverhaltens durch cloudbasierte Online-Zusammenarbeit im Homeoffice sowie durch Telefon- und Videokonferenzen untersucht. Den Untersuchungen zufolge ermöglicht die vermehrte Nutzung  von Videokonferenzen einen deutlichen Rückgang von Reisen und zeigt, dass Online-Meetings ein guter Ersatz für Auswärtstermine sein können. Dabei kommt es zum einen zu veränderten Ansprüchen an die Wohnung, wie der Wunsch nach einer größeren Fläche. Zum anderen kompensieren zusätzliche Fahrten für bspw. Einkäufe mögliche Einsparungen durch wegfallende Arbeitswege. Die Einsparungen werden demnach durch sogenannte Reboundeffekte erheblich gemindert. Folglich sorgt das Homeoffice kaum für signifikant positive Effekte auf die Klimabilanz.

Virtualisierung & Cloud Computing

In öffentlichen Einrichtungen wurden die Auswirkungen der Umstellung von hausinternen IT-Systemen (Server, Speicher) auf Cloud-Lösungen und auf neue energieeffizientere Geräte untersucht. Die Nutzung neuer energie- & ressourcenschonender Endgeräte kann den Energieverbrauch erheblich reduzieren. Auch wenn dies im Einzelfall sinnvoll erscheint, sorgt die Ausweitung der Nutzung von Informations- und Kommunikationstechniken wie Cloud-Lösungen sowie digitaler Endgeräte wiederum für einen erhöhten Energiebedarf. Das Ergebnis: Virtualisierung und Cloud Computing führen nicht unbedingt zu einem geringeren Energiebedarf.

Private Mediennutzung und Automatisierung

Des Weiteren wurde die Entwicklung der durch Internet- und Mediennutzung verursachten Treibhausgasemissionen, mit Beachtung der Geräteherstellung und Gerätenutzung in typischen Haushalten beobachtet und analysiert. Trotz der Nutzung und Umstellung auf energieeffizientere Geräte, ist die positive Auswirkung gering. Hier fällt ebenfalls eine gesteigerte Nutzungsintensität und ein erhöhter Datenverbrauch ins Gewicht. Zudem wird durch eine verkürzte Lebensdauer der Geräte, dem gesteigerten Energieverbrauch bei der Herstellung und des erhöhten Produktionsvolumens die zunehmende Energieeffizienz gebremst.

Digitalisierung in der Produktion

Im Bereich der Produktion standen innovative Technologien wie das Elektroauto im Fokus der Studie. Es heißt, die Digitalisierung ermögliche neue Produktqualitäten und könne somit einen erheblichen Beitrag für eine nachhaltigere Energiezukunft leisten. 

Schlussendlich folgern die Autor*innen aus den erarbeiteten Ergebnissen, dass die digitale Transformation im Großen und Ganzen nicht eigendynamisch zum Klimaschutz beitrage. Es benötige politische Anreize und Regelungen, wie eine Energiesteuer, um die Klimaschutzpotenziale der digitalen Transformation effektiv ausschöpfen zu können. 

Digitalisierung reicht nicht. Wir brauchen einen soziokulturellen Wandel.

Die Einführung von Steuern und regulatorischen Anreizen lässt jedoch die Möglichkeiten und Verantwortlichkeiten auf der Individualebene mit Blick auf das Konzept der Suffizienz außen vor. Wir brauchen dringend einen soziokulturellen Wandel im Konsumverhalten. Dafür benötigen Verbraucher*innen ausführliche Informationen zu den Auswirkungen des eigenen Konsumverhaltens. Es ist nach wie vor leicht, der Illusion zu verfallen, dass mit dem Kauf eines neuen energieeffizienten Geräts, die Klimabilanz verbessert wird. Daher gilt:

  • Die Nutzungsdauer von Geräten sollte so lange wie möglich – auch durch Reparaturen – ausgereizt werden.
  • Funktionsfähige Geräte sind für andere Bürger*innen vielleicht vom Wert. Ein Second-Hand-Verkauf und -Ankauf lohnt sich – nicht nur finanziell.
  • Bei einer Neuanschaffung ist genau zu überlegen, ob man das Gerät wirklich braucht, oder es vielleicht geliehen werden kann.

Die Digitalisierung kann eine zentrale Rolle beim Klimaschutz einnehmen. Allerdings ist digitaler Klimaschutz kein Selbstläufer, sondern muss von den Bürger*innen mit Achtsamkeit auf das eigene Konsumverhalten reflektiert und von der Politik gezielt flankiert werden. Wir brauchen bspw. mehr Informationsangebote, um Umwelteffekte des digitalen Lebensstils weitergehend an Verbraucher*innen zu kommunizieren. Nur dann wird aus der Digitalisierung keine trügerische Illusion.

Quellenangaben:

Clausen, J., Niebel, T., Hintemann, R., Schramm, S., Axenbeck, J. & Iffländer, S. (2022). Klimaschutz durch digitale Transformation: Realistische Perspektive oder Mythos? CliDiTrans Endbericht. Berlin: Borderstep Institut

https://pixabay.com/de/photos/netzwerk-erde-blockchain-globus-3537394/

Welche Arten von Rebound-Effekten gibt es?

Die Einhaltung planetarer Grenzen ist erforderlich, um die Lebensgrundlagen des Menschen auf der Erde zu erhalten. Eine Herausforderung ist dabei der anhaltend starke Konsum insbesondere in den Industrieländern. Allerdings haben in den letzten Jahren erfreulicherweise viele Menschen angefangen, ihr Verhalten zu verändern. Sie achten nicht nur darauf, Ressourcen effektiver zu nutzen und sparsam einzusetzen, sondern auch weniger zu konsumieren. Durch verändertes Verbraucherverhalten kann aber die angestrebte Wirkung von bspw. Effizienzmaßnahmen gemindert werden oder sogar zu einem Mehrverbrauch führen. Es kommt zu einem unerwünschten Phänomen: dem Rebound-Effekt. [1]

Der Effekt – auch Abprall- oder Rückschlag-Effekt genannt – wurde bereits 1865 bei der Einführung der Dampfmaschine entdeckt und seit den 1980er Jahren wissenschaftlich erforscht und diskutiert [2, 4]. Nichtsdestotrotz bleibt die Thematik in umweltpolitischen Debatten und Untersuchungen bis heute oft unberücksichtigt [4].

Forschende differenzieren zwischen verschiedenen Arten von Rebound-Effekten:

Direkter Rebound-Effekt

Der direkte Rebound-Effekt bezieht sich auf die erhöhte Nachfrage und stärkeren Nutzung der gleichen Dienstleistung bzw. des Produktes aufgrund ihrer gesteigerten Effizienz. [3]. Zum Beispiel wird durch eine effizientere Glühbirne Energie eingespart, die (teilweise) für längere Beleuchtungszeiten verwendet wird.

Indirekter Rebound-Effekt

Der indirekte Rebound-Effekt kommt zustande, wenn aufgrund der Effizienzsteigerung, Einsparungen an anderer Stelle wieder ausgegeben werden. Dadurch steigt der Energieverbrauch durch die Nutzung alternativer Leistungen und Produkte. [3]

Beispielsweise wird ein energieeffizientes Auto angeschafft, das die Kosten für den benötigten Treibstoff stark minimiert. Das ersparte Geld wird im Gegenzug dafür verwendet, häufiger in den Urlaub zu fliegen. 

Direkter und indirekter Rebound-Effekt

Mentaler Rebound-Effekt 

Der mentale Rebound-Effekt (auch psychologischer Rebound-Effekt genannt) erklärt die Kausalität von zusätzlichem Verbrauch und Effizienz-Einsparungen mit moralischer Selbstlegitimierung (Moral licensing). Wer durch die Nutzung effizienter Technologien erfolgreich Ressourcen oder Energie gespart hat, bewertet die eigene Verhaltensweise als moralisch richtig. Folglich erscheint das Handeln entgegen ökologischer Maßstäbe an anderer Stelle leichter zu rechtfertigen [3].

Zum Beispiel kann durch die Investition in ein Nullenergiehaus der häusliche Energieverbrauch auf das Minimum reduziert werden. Im Umkehrschluss ist das schlechte Gewissen, anschließend ein Auto mit einem hohen Energieverbrauch anzuschaffen eher gering.

Makroökonomischer Rebound-Effekt

Wird das Phänomen auf einer gesamtgesellschaftlichen Ebene betrachtet, so treten neben den bereits aufgeführten Folgen zusätzliche makroökonomische Rebound-Effekte auf. Diese können beispielsweise aus Preiseffekten resultieren, wenn ein effizienter hergestelltes Produkt günstiger und dadurch häufiger verkauft wird. Dies führt wiederum zu einer gesteigerten Nutzung auf Seite der Konsument*innen. Zudem können Wachstumseffekte zu makroökonomischen Rebound-Effekten beitragen, wenn eine höhere Effizienz die Produktivität von Energie oder Werkstoffen erhöht und diese fortan im gesamten Wirtschaftszweig mehr genutzt werden. [7]

Beispielsweise kann es einem Unternehmen gelingen, eine vergleichsweise zu Konkurrenzprodukten deutlich energieeffizientere Waschmaschine herzustellen. Durch Subventionen und eine hohe Nachfrage seitens der Kunden ist es dem Unternehmen möglich, das Produkt zu einem kostengünstiger anzubieten. So kann eine wachsende Kundenzahl die neue Waschmaschine erwerben. Folglich entsteht eine größere Menge an Werkstoffen als auch ein höherer Energieaufwand in der Produktion.

Wie können Rebound-Effekte vermieden werden? 

Energie und Ressourcen effizienter einzusetzen, muss also nicht zwangsläufig zur gewünschten Einsparung führen. Suffizienz könnte die Antwort sein. Ein suffizientes Leben wirkt sich in vier Dimensionen aus, den „vier E´s“: Entkommerzialisierung, Entflechtung, Entrümpelung und Entschleunigung. Die Begriffe stellen im Sinne von Leitplanken eine Hilfestellung dar, um den Alltag suffizienter zu gestalten und Reboundeffekte zu vermeiden.

Entkommerzialisierung ist eine Strategie, die darauf abzielt, dem Leben und Wirtschaften außerhalb von „Kaufen und Besitzen“ wieder mehr Bedeutung beizumessen.

Entflechtung fordert uns auf, die eigene Region und das Lokale wieder stärker wertzuschätzen. 

Das Prinzip der Entrümpelung verdeutlicht uns, dass wir in einer Überflussgesellschaft leben. Es lohnt sich daher innezuhalten und das Leben von nicht mehr benötigten Dingen zu befreien.

Das Postulat der Entschleunigung geht Hand in Hand mit dem der Entrümpelung. Denn unsere moderne Zeit ist von Hektik geprägt. Eher ist es ratsam, den sprichwörtlichen Gang herunterzuschalten und sich auf das Wesentliche zu besinnen. 

Ein weiteres Prinzip ist die Suffizienzpyramide – auch Anti-Verbraucher-Pyramide – genannt. Mithilfe von unterschiedlich großen Segmenten verdeutlicht sie, in welchem Umfang bestimmte Konsum- und Verhaltensweisen zu einem suffizienteren Leben beitragen können. Je größer eine Stufe ist, desto höher der Beitrag dazu.

Suffizienzpyramide

Im Sinne der Suffizienz sollte bspw. das Auto von Freund*innen ausgeliehen oder die öffentlichen Verkehrsmittel genutzt werde, anstatt ein eigenes anzuschaffen. Küchengeräte können oft gebraucht gekauft oder im persönlichen Bekanntenkreis geliehen werden. Es gibt viele Möglichkeiten, den Kauf neuer Konsumgüter zu umgehen und dadurch nachhaltiger zu leben. 

Suffizienz stellt einen notwendigen gesellschaftlichen Kulturwandel in den Mittelpunkt. Dieser verlangt nicht, in Armut, Hunger oder Askese zu leben. Stattdessen geht es um das richtige Maß der Bedürfnisbefriedigung vor dem Hintergrund knapper und wertvoller Ressourcen. Wer Nachhaltigkeit plant, muss immer Suffizienz mitdenken. Dadurch können Maßnahmen zur Effizienzsteigerung so konzipiert werden, dass Potenziale weitestgehend ausgeschöpft und Rebound-Effekte vermieden werden [1].

Quellenangaben 

[1] Umweltbundesamt, 2016: abgerufen am 06.12.2021 von  https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/376/publikationen/rebound-effekte_wie_koennen_sie_effektiv_begrenzt_werden_handbuch.pdf

[2] Klimareporter: abgerufen am 05.12.2021 von https://www.klimareporter.de/lexikon/reboundeffekt (keine Primärquellen angegeben) 

[3] Integration nachhaltiger Entwicklung in die Berufsbildung – INEBB, 2018: abgerufen am 15.12.2021 von https://inebb.org/wp-content/uploads/2018/12/M3-06_Effizienz-Suffizienz-Rebound-Effekt.pdf

[4] Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH, 2013: abgerufen am 15.12.2021 von https://epub.wupperinst.org/frontdoor/deliver/index/docId/4219/file/ImpW5.pdf 

[5] Suffizienzpyramide (Anti-Vebraucher*innen-Pyramide), Deutsche Umweltstiftung, 2021: abgerufen am 07.01.2022 von https://suffizienzdetektive.de/wp-content/uploads/2020/08/A3-Erklaerposter-Anti-Verbraucher-Pyramide-1.png 

[6] Institut für ökologische Wirtschaftsforschung GmbH, 2021: abgerufen am 27.01.2022 von https://www.macro-rebounds.org/deutsch/rebound-effekt/makro-rebounds/


Suffizienz im Lichte der ökologischen Nachhaltigkeit im Koalitionsvertrag

Seit Jahrzehnten warnen Wissenschaftler*innen vor dem zunehmend negativen Einfluss des menschlichen Handelns auf den Planeten. Parallel demonstrieren immer mehr Menschen regelmäßig für eine ökologische Wende. Der Ruf nach mehr klimapolitischer Initiative seitens der Politik war im letzten Wahlkampf dementsprechend deutlich zu vernehmen. Umweltverbände und Klimaaktivist*innen wie Luisa Neubauer und Greta Thunberg sprachen noch wenige Tage vor der Wahl davon, dass es sich ökologisch betrachtet um eine Jahrhundertwahl handle.

Dementsprechend hoch war die Erwartungshaltung vieler, dass sich mit der neuen Regierung nun endlich etwas ändern wird. Am 24. November war es dann soweit und die Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen stellte ihren Koalitionsvertrag vor.

Aber wie viel Umweltschutz steckt jetzt eigentlich im neuen Koalitionsvertrag?

Kurz gesagt: Hinter allen Versprechen und Zielen steckt, wie so oft, die gleiche alte Denkweise: Man fokussiert sich lediglich auf Aspekte der populären Nachhaltigkeitsstrategien: der Effizienz und Konsistenz. Dies alleine wird jedoch nicht ausreichen, um das 1,5 Grad Ziel zu erreichen. Daher sollten wir uns bereits heute auf die Suche nach Alternativen machen. Eine davon ist Suffizienz.

Suffizienz findet sich aber mit keinem Wort im Koalitionsvertrag wieder.

Die Deutsche Umweltstiftung fordert daher schon lange ein Umdenken in Politik und Gesellschaft hin zu mehr Suffizienz. Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Umweltstiftung Jörg Sommer mahnt:

„Wir besitzen, plündern, verkaufen und zerstören Ökosysteme, die uns nicht gehören – und nennen das erfolgreiches Wirtschaften. Die Menschheit hat sich verheddert, verwirtschaftet und verzockt. Wirtschaften ist nichts anderes als der Umgang mit begrenzten Ressourcen. Soziale Gerechtigkeit kann daher auch nur mit und in der Natur gelingen. Oftmals ist das Mantra der digitalen Welt jedoch: „Wachsen, wachsen, wachsen!“.

Jörg Sommer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Umweltstiftung

Um allen Menschen ein “Gutes Leben” innerhalb der planetaren Grenzen zu ermöglichen, braucht es dringend eine kritische Debatte über Glück und Wohlstand. Es soll dabei nicht um Selbstkasteiung und Askese gehen, sondern um die bewusste gemeinsame Auseinandersetzung mit der Frage, welche materiellen und immateriellen Dinge zu einem guten Leben beitragen. Es geht dabei um ein gesundes Maß an Genügsamkeit.

Vor diesem Hintergrund engagiert sich die Deutsche Umweltstiftung seit Jahren für mehr Suffizienz in der Gesellschaft und hat dazu eine Reihe von Projekten und Kampagnen erfolgreich durchgeführt:

Die mehrmonatige Crossmedia-Kampagne “#kaufnix – Schluss mit unbedachtem Konsum” sprach sich 2019 gegen grenzenloses Wachstum und unbedachten Konsum aus. Es war das klare Ziel des Vorhabens, aktuell vorherrschende Konsummuster zur Diskussion zu stellen, die ein maßloses Wirtschaftswachstum beflügeln. Dazu stellte die Deutsche Umweltstiftung in Zusammenarbeit mit zahlreichen renommierten Gastautor*innen und Interviewpartner*innen wie Niko Paech, Angelika Zahrnt und Claudia Kemfert das Konzept der Suffizienz als Lösungsansatz für eine nachhaltige Zukunft vor.

Im Jahr darauf folgte der Schulwettbewerb „Einfach machen – Die Suffizienzdetektive“. Schulklassen, Schüler*innengruppen und Arbeitsgemeinschaften der Sekundarstufe 1 sollten existierendes Wissen rund um das Thema „ressourcensparende Lebens- und Freizeitgestaltung” auf positive Weise bearbeiten. Mittels bestehender Best Practices und niederschwelliger Informationen entwickelten junge Menschen eigene Aktionen für ressourcenschonende Lebensweise im Alltag.

Die vielen Projekte der Schüler*innen und Beiträge von Expert*innen zeigen, dass Suffizienz eine spannende und beachtenswerte Alternative zu etablierten Denkmustern darstellt. Sie begegnet der Problematik planetarer Grenzen durch Sparsamkeit im Umgang mit Ressourcen und einem neuen Blick auf die Welt.

Entsprechend argumentieren auch die Autoren Pierre L. Ibisch und Jörg Sommer des kürzlich veröffentlichten und viel beachteten Ökohumanistischen Manifests, indem sie das tradierte Denken hinterfragen, das unsere multiplen Krisen verursacht hat. Sie setzen ihm ihre im positiven Sinne radikale Philosophie des Ökohumanismus entgegen.

Ihr leidenschaftliches und Mut machendes Manifest verknüpft die Akzeptanz der planetaren Grenzen mit dem Ziel einer gerechten Welt. Es rückt den Menschen und seine Stärken in den Mittelpunkt der Debatte um die Ökologie und unsere Zukunft.

Es bleibt zu hoffen, dass viele Regierungsmitglieder ihr Buch zur Kenntnis nehmen und dieses neue Verständnis Einzug in die Politik der kommenden vier Jahre erhält.

Black Friday – same procedure as every year

Klimaaktivistin Greta Thunberg sprach sich in der letzten Woche gegen den alljährlichen Konsumwahnsinn am Black Friday aus: „Kauft kein Zeug, das ihr nicht braucht!“, mahnte die 17-jährige Schwedin in den sozialen Medien und fügte an: „Überkonsum zerstört die gegenwärtigen und künftigen Lebensbedingungen und den Planeten selbst“ [1].

Schriftzug Black Friday

Diese und ähnliche Worte prägen immer mehr die öffentliche Kommunikation – aber wirkt es sich tatsächlich auf unser materielles Konsumverhalten aus? Immerhin stammt ein großer Teil unserer Treibhausgasemissionen unmittelbar oder mittelbar aus der Produktion, dem Transport und der Verwendung von Gütern. Und das betrifft auch vermeintlich „grüne“ Dinge wie E-Autos oder (Lasten-)Fahrräder. 

Unübersehbar bleibt auf jeden Fall der Widerstand der Fridays-for-Future-Bewegungen: Kurz vor der Weltklimakonferenz in Madrid hatten noch Hunderttausende Menschen in Deutschland und weltweit für eine wirksame Politik gegen den Klimawandel demonstriert. Allein in Deutschland waren es nach Angaben von Fridays for Future über 630.000 Menschen [1]. Hinzu kommt die Hoffnung, dass die neue Ampel-Regierung endlich konsequente Klimapolitik umsetzt.

Alles auf die Politik zu schieben, ist aber zu einfach. Was ist mit uns – den Bürger*innen? Folgen wir den Appellen der Wissenschaftler*innen und Klimaaktivist*innen? In der Nachhaltigkeitsblase auf den sozialen Kanälen kann man gar das Gefühl einer heilen Welt bekommen. Ein guter Realitätscheck ist der alljährliche Black Friday.

Online-Shopping und die Auswirkungen auf die Umwelt

Reduzierte Preise, Rabattaktionen und dazu unglaublich viel Verpackungsmüll werden leider auch dieses Jahr wieder das bundesweite Bild prägen. In Deutschland werden hunderte Shops offline – aber vor allem auch online – vermeintliche Schnäppchen anbieten, um Verbrauchende zum Kaufen anzuregen [2]. Der Handelsverband Deutschland (HDE) rechnet mit einem Umsatz von rund 4,9 Milliarden Euro für den diesjährigen Black Friday und Cyber-Monday. Das wäre eine Steigerung von 27 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Immer mehr Kund*innen nutzen dabei gezielt die Online-Angebote [3]. Das erzeugt nicht nur zusätzlichen Verpackungsmüll, sondern auch immense ökologische Transportkosten. 

Globaler Versand auf Kosten der Ressourcen

Deutschland verschifft den entstandenen Müll dabei überwiegend ins Ausland – so viel wie kein anderes EU-Land. Der Müll landet in Malaysia und – seit dem Importstopp nach China – auch in den Niederlanden, Frankreich, Polen und Bulgarien. Nur ein Teil davon wird auch recycelt und für die wertlosen Reste existieren häufig keine umweltgerechten Entsorgungsstandards. Die Folge: Diese Abfälle werden oft illegal in der Umwelt entsorgt oder verbrannt. Die dabei freigesetzten hochgiftigen Schadstoffe sickern dann in den Boden und ins Grundwasser [4].  Mit dem erhöhten Konsum am Black Friday verschärft sich die Problematik 

Stopp!

Am Black Friday liegt es vor allem in der Hand der Verbraucher*innen. Das heißt nicht, dass niemand konsumieren soll. Vielmehr sollten wir uns hinterfragen, ob die Produkte wirklich neu gekauft werden müssen, oder ob es alternative Erwerbsmodelle wie das Leihen und Teilen gibt. Und ja, manchmal muss etwas gekauft werden. Dann achtet aber auf eine umweltschonende Verpackung und Lieferung sowie sozial-ökologische Produktionsstandards. Let’s make it green!

Quellenangaben

[1] Spiegel, 2021: »Kauft kein Zeug, das ihr nicht braucht«. https://www.spiegel.de/wirtschaft/service/greta-thunberg-am-black-friday-kauft-kein-zeug-das-ihr-nicht-braucht-a-aace299f-2eb4-488e-8526-3a22890d1105

[2] Utopia, 2021: Green Friday: Schnäppchen machen mit gutem Gewissen? https://utopia.de/ratgeber/green-friday-alternative-black-friday/

[3] Handelsverband Deutschland, 2021: Black Friday und Cyber Monday. https://einzelhandel.de/blackfriday[4] MDR, 2021: Verbraucher machen in der Corona-Pandemie mehr Müll. https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/panorama/mehr-verpackungsmuell-durch-corona-100.html

[4] MDR, 2021: Verbraucher machen in der Corona-Pandemie mehr Müll. https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/panorama/mehr-verpackungsmuell-durch-corona-100.html