Suffizienz in der Philosophiegeschichte

Wir kennen die drei großen Nachhaltigkeitsstrategien Effizienz, Konsistenz und Suffizienz. Effizienz kommt aus dem technisch-ökonomischen Bereich und versucht den gleichen Output bei reduziertem Ressourceneinsatz zu realisieren. Auch Konsistenz verfolgt einen eher technischen Ansatz. Sie versucht, neue Stoffe zu entwickeln, die sich für eine Kreislaufwirtschaft eignen. Prominent ist die Cradle-to-Cradle Bewegung, bei der nicht die Konsumreduktion im Mittelpunkt steht, sondern die Errichtung eines Kreislaufs, in dem sich möglichst alle genutzten Produkte bewegen und in dem wenig bis keine Abfälle anfallen. 

Suffizienz geht einen anderen Weg. Sie versucht nicht, neue Wege für die Befriedigung von Bedürfnissen zu finden, sondern sie hinterfragt diese Bedürfnisse selbst (vgl. Eser 2015, 94). Sie kommt aus einer moralisch-philosophischen Denkrichtung. In der Nachhaltigkeitsstrategie ist die Suffizienz deutlich jünger als die Effizienz. Während Effizienz auf die Zeit der industriellen Revolution zurückgeht, entwickelte sich Suffizienz erst im Laufe des 20. Jahrhunderts. Ein Blick in die Geschichte der Philosophie zeigt jedoch: Suffizienz ist kein neues Konzept. Schon in der Philosophie der Antike war Suffizienz, wenn auch nicht unter diesem Namen, ein prominentes Thema. Damals gab es Denker, die einen – nach heutigen Maßstäben – nachhaltigen Lebensstil propagierten. Welche Strömungen und Theorien über die Suffizienz sich im Lauf der Geschichte entwickelt haben, soll Inhalt dieses Beitrags sein. Dabei werden nur einige, besonders wichtige Schlaglichter gezeigt, denn das volle Ausmaß der philosophischen Geschichte der Suffizienz würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen.

Von der Antike zur Aufklärung: Die philosophischen Wurzeln der Suffizienz

Wir beginnen unseren Rundgang durch die Geschichte in der Antike. Eine der einflussreichsten philosophischen Schulen der Antike ist die der Stoa. Die Strömung ist eudaimonistisch ausgerichtet, das heißt, die ‚Frage nach dem guten Leben‘ steht im Zentrum ihres philosophischen Schaffens (vgl. Schnor 2015, 15). In der Philosophie der Stoa erreicht man das gute Leben vor allem durch Selbstbeherrschung und Lossagung von äußeren Einflüssen wie materiellen Besitztümern. Das Festhalten an Tugenden wie Weisheit, Mut, Gerechtigkeit und Besonnenheit steht im Zentrum. Noch heute begegnet uns die Lehre der Stoa, wenn wir das gleichmütige, beherrschte Verhalten eines Menschen als ‚stoisch‘ bezeichnen. Auch wenn Suffizienz als Begriff nicht in der Stoa verwendet wird, finden sich in der von ihr formulierten, genügsamen Lebensweise, die wenig Güter beansprucht, doch zahlreiche Anknüpfungspunkte. Sie entsagt nicht jeglichem Luxus, betont aber „materielle (…) Einfachheit“ (Schild 2021, 104), die Gefahr von Unbegrenztheit, und das Streben, nicht in Abhängigkeit von weltlichen Dingen, die sich jenseits der Tugenden befinden, zu geraten (vgl. Schnor 2015, 35).

Ein paar Jahrhunderte später, in der christlichen Theologie, die unseren „westlichen Gesellschaften prägend zugrunde liegt und sich auch durch die Narrative der Umweltbewegung zieht“ (Dallmer 2020, 177), spielt die Askese, also die Entsagung von weltlichen Gütern und die freiwillige Begrenzung von Bedürfnissen, eine zentrale Rolle im religiösen und philosophischen Denken. Versteht man die Askese als eine „Kunst und Technik (…) kontrollierter Lebensführung“ (Macho 2007, 1), wird sie nicht erlitten wie eine Krankheit, sondern “geübt und praktiziert wie die Verwendung eines Werkzeugs oder das Spiel eines Musikinstruments” (ebd.). Schon ab dem 4. Jahrhundert finden sich im katholischen Katechismus die vier Kardinaltugenden, wovon eine die Mäßigung ist. Diese taucht auch auf bei Thomas von Aquin, einem der bedeutendsten christlichen Philosophen des Mittelalters (Balthasar 2021). Mit der zur gleichen Zeit beginnenden Entstehung der Klöster entwickelte sich aus dem Konzept der Askese eine Lebensführung, die dem heutigen Verständnis von Suffizienz schon recht nahekommt. 

Klösterliche Gemeinschaften entwickelten neben persönlicher Enthaltsamkeit auch Praktiken der Selbstversorgung, die heute durchaus als nachhaltig bezeichnet werden könnten: Sie bauten Lebensmittel an, stellten Werkzeug und Kleidung selbst her und lebten weitgehend unabhängig von äußeren Einflüssen. Franz von Assisi nimmt hierbei eine wichtige Rolle ein. Als Begründer des Franziskanerordens legte er mit den Grundstein für ein christliches Suffizienzverständnis. In seiner zweiten Enzyklika ‚Laudato si‘ spricht der aktuelle Papst Franziskus im Jahr 2015 über Franz von Assisi als Vorbild „für die Achtsamkeit gegenüber dem Schwachen und für eine froh und authentisch gelebte ganzheitliche Ökologie“ (Heimbach-Steins/Lienkamp 2015, 159). 

Suffizienz in Religion und Gesellschaft: Von klösterlicher Askese bis zur Romantik

Interessanterweise finden sich auch in den anderen Weltreligionen, zum Beispiel dem Buddhismus, Ansätze, die ein suffizientes Leben jenseits von Eigennutz und Besitzdenken empfehlen. In der Lehre des achtfachen Pfades (auch mittlerer Weg genannt) werden Entschleunigung, Großzügigkeit und Selbstbegrenzung praktiziert (vgl. Folkers 2015, 9), die nicht nur Restriktion mit sich bringen, sondern das Potenzial in sich tragen, Kreativität und Produktivität freizusetzen (vgl. ebd., 10). Diese Perspektive zeigt eine spannende Parallele zur christlichen Idee der Bedürfnislosigkeit und verdeutlicht, wie in ganz verschiedenen Kulturen die Idee der Suffizienz zur Erreichung spiritueller Ziele verfolgt wurde und wird.

Anknüpfend an die christliche Tradition gehen wir als Nächstes in die Romantik mit ihrem prominenten Vertreter Jean-Jacques Rousseau. Er wirkte im 18. Jahrhundert und gilt als wichtiger Vordenker der Aufklärung und der Französischen Revolution. Im Kontext der Suffizienz argumentiert Rousseau mit der Idee der Einfachheit, der Romantisierung des Land- gegenüber des Stadtlebens und dem Ideal der Autarkie und Naturverbundenheit (vgl. Dallmer 2020, 70f; 165). Etwa 100 Jahre später, 1854, veröffentlicht Henry David Thoreau mit seinem Buch Walden ein Werk, in dem die Rückkehr zur Natur und das Entkommen aus einem Zustand, „in dem wir unsere eigenen Sklavenaufseher sind” (Napp 2022) eine zentrale Rolle einnimmt. Thoreau gilt bis heute als Vorbild diverser Protestbewegungen, darunter der 68er-Bewegung, dem Civil Rights Movement oder auch Extinction Rebellion (vgl. ebd.). 

Suffizienz im 20. und 21. Jahrhundert: Nachhaltigkeit neu gedacht

Mit zunehmender Relevanz von Nachhaltigkeitsthemen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, unter anderem geprägt durch die Anti-Atomkraft-Bewegung in den 1970ern, der Veröffentlichung der Studie Die Grenzen des Wachstums 1972, des Montreal-Protokolls 1987 sowie der Rio-Konferenz 1992 nahm die Idee der Suffizienz als Nachhaltigkeitsstrategie neue Fahrt auf. Die Werke Small is beautiful von Ernst Schumacher (1973) und Das Prinzip Verantwortung von Hans Jonas (1979) ebnen den Weg für das Konzept der Suffizienz, wie wir es heute kennen. Im deutschsprachigen Raum wird der Begriff Suffizienz erstmals 1993 von Wolfgang Sachs verwendet: „‘Effizienzrevolution’ bleibt richtungsblind, wenn sie nicht von einer ‘Suffizienzrevolution’ begleitet wird. Nichts ist schließlich so irrational, als mit einem Höchstmaß an Effizienz in die falsche Richtung zu jagen.” (Sachs 1993, 2). Heute gelten vor allem Manfred Linz (Weder Mangel noch Übermaß, 2004), Serge Latouche (Farewell to Growth, 2009) und Niko Paech (Befreiung vom Überfluss, 2012) als bekannte Fürsprecher des Suffizienzkonzepts. 

Kritische Reflexion: Grenzen und Potenziale der Suffizienz heute und morgen

Ob nun aus Sicht der antiken Stoa, des mittelalterlichen Christentums oder aufklärerischer Philosophen, die Idee der Suffizienz muss stets auch kritisch betrachtet werden, ist sie doch nach wie vor ein äußerst idealistisches und voraussetzungsreiches Konzept, um den multiplen Krisen unserer Zeit entgegenzutreten. Sie schafft potenziell Raum für „autoritäre (Ökodiktatur) oder auch sozialdarwinistische Lösungen, wenn der Wert der Natur über den des (einzelnen) Menschen gestellt wird” (Dallmer 2020, 178). Mag die Suffizienz auch normativ plausibel sein, mangelt es doch „an Belegen, dass jemals eine Gesellschaft nach ihren Werten gelebt hat und die Menschen dies mehrheitlich als gutes Leben definiert haben” (ebd., 176). Deshalb muss Suffizienz stets mit realistischen politischen Umsetzungsmodellen zusammen gedacht werden. Diese Modelle zu finden und umzusetzen, gilt im Zuge des Fortschreitenden multipler ökologischer Krisen als eine der zentralen Aufgaben des 21. Jahrhunderts.

Literaturverzeichnis

Balthasar, Susanne (2021): Bescheidenheit – Die Wiederentdeckung der Mäßigung. Deutschlandfunk Kultur, 12.06.2021. URL: https://www.deutschlandfunkkultur.de/bescheidenheit-die-wiederentdeckung-der-maessigung-100.html

Dallmer, Jochen (2020): Glück und Nachhaltigkeit. transcript Verlag, Bielefeld. 

Eser, Uta (2015): Glück und Suffizienz. In: Schloßberger, Matthias (Hrsg.): Die Natur und das gute Leben, BfN-Skripten 403 Potsdam. S. 93-97. 

Folkers, Manfred (2015): Suffizienz und Zufriedenheit – Buddhistische Motive für eine Kultur des Genug. Rohfassung eines Vortrags in der „Ringvorlesung zur Postwachstumsökonomie“ am 14.01.2015. URL: http://www.postwachstumsoekonomie.de/wp-content/uploads/2015-01-14_Folkers-Suffizienz-und-Zufriedenheit.pdf 

Heimbach-Steins, Marianne/ Lienkamp, Andreas (2015): Die Enzyklika „Laudato si’“ von Papst Franziskus – Auch ein Beitrag zur Problematik des Klimawandels und zur Ethik der Energiewende. In: Jahrbuch für Christliche Sozialwissenschaften, 56 (2015), Aschendorff Verlag, Münster. 

Macho, Thomas (2007): Über Askese. In: Künste der Verneinung, 153. 10.18452/1724 URL: https://edoc.hu-berlin.de/server/api/core/bitstreams/c8963262-a92e-4ca3-852c-fad51a15d5f9/content

Sachs, Wolfgang (1993): Die vier E’s – Merkposten für einen maß-vollen Wirtschaftsstil. URL: https://epub.wupperinst.org/frontdoor/deliver/index/docId/66/file/66_Sachs.pdf

Schild, Kirstin (2021): Resonanz durch Suffizienz – Wie eine suffiziente Lebensweise Resonanz und somit ein gutes Leben befördert. Inauguraldissertation, Universität Bern.
URL: https://boristheses.unibe.ch/3028/1/21schild_k.pdf 

Schnor, Jannik (2015): Suffizienz und die Frage nach dem guten Leben – Betrachtungen von Suffizienz mithilfe von Konzeptionen des guten Lebens von Epikur und der Stoa. Leuphana Schriftenreihe Nachhaltigkeit und Recht, Leuphana Universität Lüneburg. URL: https://www.leuphana.de/fileadmin/user_upload/Forschungseinrichtungen/ifus/professuren/energie-und-umweltrecht/Schriftenreihe/NR_-_Nr._11__Schnor___Suffizienz__Epikur-Stoa.pdf

Rezension: „Zwischen Selbstverwirklichung und gesellschaftlicher Transformation“

Das Buch „Zwischen Selbstverwirklichung und gesellschaftlicher Transformation“ von Petra Müller setzt sich mit Einflussfaktoren suffizienter Lebensstile auseinander.  Vor dem Hintergrund der massiven Auswirkungen unserer Lebensroutinen und Konsummuster auf die ökologische Tragfähigkeit der Erde beleuchtet die Autorin die Motivation von Menschen, sich für einen reduzierten Lebensstil zu entscheiden. Mittels narrativer Interviews arbeitet sie heraus, welche Beweggründe und Motive diese von ihr als „Pioniere“ bezeichneten Menschen haben, wer sie sind und was sie auszeichnet. 

Eine fundierte theoretische Grundlage für suffiziente Lebensstile

Dazu geht sie in den ersten beiden Kapiteln auf die theoretischen Grundlagen ein und bietet einen umfangreichen Überblick über den Stand der Forschung. Sie erörtert umfassend den Begriff der Suffizienz und ordnet ihn in die übergeordnete Nachhaltigkeitsdebatte ein. Dabei macht sie deutlich, dass Suffizienz mehr ist als bloß „Weniger“ und präsentiert wissenschaftliche Ansätze, die zum einen zeigen, dass herkömmliche eindimensionale Wohlstandsindikatoren wie das Bruttoinlandsprodukt den komplexen Gegebenheiten nicht gerecht werden. Zum anderen geht sie auf Gegenentwürfe wie das Konzept der 4 E’s (Entschleunigung, Entflechtung, Entkommerzialisierung und Entrümpelung) von Wolfgang Sachs ein. Die Darstellung beschränkt sich dabei nicht nur auf die theoretische Betrachtung der Konzepte, sondern bietet auch einen kursorischen Überblick von empirischen Postwachstumsansätzen, in denen das Konzept der Suffizienz eine zentrale Bedeutung innehat. Aufgrund ihres eingangs formulierten Erkenntnisinteresses spielt dabei die individuelle Ebene eine große Rolle. Sie beschließt folgerichtig die theoretische Einführung mit einer Überblicksdarstellung, was unter suffizienten Lebensstilen zu verstehen ist und was diese ausmacht. 

Ein methodisch überzeugendes Vorgehen

Ehe im vierten Kapitel die Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchung präsentiert werden, widmet die Autorin zunächst der Darstellung des methodischen Vorgehens ein eigenes Kapitel. Hier wird besonders deutlich, dass es sich bei der Publikation um eine Dissertation handelt. Detailliert wird u. a. auf die methodologischen Grundlagen, den Prozess der Datenerhebung und die in der Auswertung vorgenommene Typenbildung eingegangen. 

Vielschichtige Handlungstypen und ihre gesellschaftliche Relevanz

Die Auswertungsergebnisse der narrativen Interviews stellt die Autorin im vierten Kapitel vor. Anhand einer komplexen Kategorisierung wird es ihr möglich, vier Handlungstypen hinsichtlich der Zielsetzung eines suffizienten Lebensstils zu bilden. Diesen als Selbstfürsorger, Trittbrettfahrer, Inspiratoren und Transformatoren bezeichneten Typen ist gemein, dass ihnen suffiziente Lebensstile wichtig sind, jedoch variieren ihre dazu wirkenden Orientierungsmuster zwischen einer individuell-alternativen und einer kollektiv-kollaborativen Wertorientierung. Diese Orientierungsmuster gewinnt die Autorin ebenfalls im Rahmen der Auswertung, indem sie als Bezugssystem zunächst eine Binnen- und eine Außenperspektive hinsichtlich der treibenden Faktoren für einen suffizienten Lebensstil erkennt und anschließend im Interview erfragte Belastungsfaktoren damit in Verbindung setzt. Darunter versteht die Autorin negative Lebensaspekte wie bspw. das Gefühl von Einsamkeit, eine empfundene hohe Belastung im Job (Binnendimension) oder artikulierte Gesellschaftskritik bzw. Wahrnehmungen von sozialer Ungerechtigkeit (Außendimension). Diese verdichtet sie sodann methodisch zu zwei grundlegenden Orientierungsmustern suffizienter Lebensstile: einer vorrangig individuell-alternativen Wertorientierung sowie einer stärker kollektiv-kollaborativen Wertorientierung. Auf Basis dieses Konzepts wird es ihr schließlich möglich, vier Handlungstypen suffizienter Lebensstile zu identifizieren, die sich aus der Kombination von Binnen- und Außendimension sowie den beiden weitergeleiteten Orientierungsmustern ergeben: 

    • Selbstfürsorger kennzeichnet demnach ein vorwiegend individuelles Orientierungsmuster und eine starke Innenausrichtung,  

    • Inspiratoren ein individuelles Orientierungsmuster und eine starke Außenausrichtung,

    • Trittbrettfahrer ein kollektives Orientierungsmuster und eine vorherrschende Innenausrichtung sowie schließlich

    • Transformatoren ein kollektives Orientierungsmuster in Verbindung mit einer dominierenden Außenausrichtung. 

Gelungen an der lesenswerten und analytisch überzeugenden Darstellung ist vor allem die konsequente Einbettung der Sichtweisen von Befragten. Die umfangreiche Integration von Zitaten bei der Entwicklung der methodischen Bausteine erleichtert es Leser*innen, die Entwicklung der einzelnen Kategorien zu verstehen und nachzuvollziehen. 

Insgesamt verdeutlicht das Buch einmal mehr den ökologischen und persönlichen Mehrwert von Suffizienz. In Anlehnung an ein wohlbekanntes Sprichwort lässt sich nach seiner Lektüre sagen: Viele individuelle Wege führen in die gemeinsame Suffizienz. 

Buchinformationen
Autor*in: Petra Müller
Titel: Zwischen Selbstverwirklichung und gesellschaftlicher Transformation. Einflussfaktoren für suffiziente Lebensstile
Verfasser*in: Petra Müller
Verlag: Oekom
ISBN: 978-3-98726-042-1
Softcover, 300 Seiten
Erscheinungstermin: 04.04.2024

Den Suffizienzdetektiven auf der Spur

Ein wichtiges Anliegen der Deutschen Umweltstiftung ist es, Kindern und Jugendlichen die Wichtigkeit eines sparsamen Umgangs mit den knappen Ressourcen unseres Planeten nahezubringen. Aus dieser Motivation entstand 2019 die Idee des bundesweiten Wettbewerbs „Einfach machen – Die Suffizienzdetektive“, in dem Schulklassen existierendes Wissen rund um das Thema „ressourcensparsame Lebens- und Freizeitgestaltung” auf positive Weise bearbeiten. Der Wettbewerb richtete sich bundesweit an Schulen. Es adressierte insbesondere Lehrer*innen themennaher Fächer der Sekundarstufe I (Klassen 5 bis 10), die sich in den heterogenen Lehrplänen der Bundesländer mit ökologischen Fragestellungen befassten.

Hintergrund

Suffizienz ist neben Konsistenz und Effizienz eine der wichtigsten Nachhaltigkeitsstrategien. Diese beschreibt „Änderungen in Konsummustern, die helfen, innerhalb der ökologischen Tragfähigkeit der Erde zu bleiben, wobei sich Nutzenaspekte des Konsums ändern”[1]. Meist ist diese Form von Nachhaltigkeit in der Öffentlichkeit negativ konnotiert, da Menschen darunter einen Zwang zum Verzicht sowie eine Einschränkung der freien Gestaltung von Konsumverhalten und Mobilitätsmustern sehen. 

Diese pessimistische Sicht sollte im Projekt überwunden werden, um sozial-ökologische Transformationsprozesse gesamtgesellschaftlich zu initiieren bzw. zu beschleunigen. Es wird verkannt, dass mit den Verhaltensänderungen diverse positive Aspekte wie eine bessere Gesundheit, steigende Fitness, geringere monetäre Ausgaben, soziale Anerkennung oder die Stärkung lokaler Gemeinschaft einhergehen können [2]. „Damit gutes Leben einfacher wird” heißt ein wichtiges Ökologiebuch von Uwe Schneidewindt und Angelika Zahrnt. Genau darum soll es im vorliegenden Projekt gehen: Welche Strategien und Möglichkeiten gibt es, um bereits in jungen Jahren alltägliche Abläufe und das Freizeitverhalten ressourcenschonender und sparsamer zu gestalten und gleichzeitig noch selbst davon zu profitieren. 

Ein gutes Beispiel ist die Verpackung von Schulbroten und das Projekt Bio-Brotbox, bei dem Erstklässler*innen eine wiederverwertbare Brotbox mit gesunden Lebensmitteln zur Einschulung überreicht wird. Neben der frühen Förderung des Verständnisses für gesunde Lebensmittel und der Wichtigkeit eines Schulbrotes lässt sich auch der Verpackungsabfall reduzieren, wenn auf die Extraverpackung des mitgebrachten Essens in Plastiktütchen verzichtet wird.

Herangehensweise

Im Projektverlauf sollten sich die Schulklassen auf positive Art und Weise mit existierendem Wissen rund um das Thema „ressourcensparsame Lebens- und Freizeitgestaltung” auseinandersetzen. Mithilfe der Suffizienzpyramide sollten Schüler*innen vorhandene Best-Practices im Alltag finden und umsetzen.

Zu Beginn des Wettbewerbs wurden Schüler*innen auf der eigens eingerichteten Lernplattform www.suffizienzdetektive.de multimediale Arbeits- und Informationsmaterialien zur Verfügung gestellt. Darunter waren spielerische wie auch kreative Ansätze sich dem Thema zu nähern:

Die Schüler*innen setzten sich im Rahmen von Unterrichtseinheiten mit diesen und weiteren Unterrichtsmaterialien auseinander. Danach starteten Sie in die schulische Aktionsphase:

Zu Beginn sollen in mehreren Gruppendiskussionen die Schüler*innen die planetaren Grenzen einzuschätzen lernen und mit ihrer Lebenswirklichkeit verbinden. Sie erfuhren, dass eine freiwillige Ressourceneinschränkung positive Nebeneffekte für das eigene Leben haben kann und identifizieren Reboundeffekte, für die sie Lösungsvorschläge erarbeiten. In der folgenden Recherchephase suchten sie als Hausaufgabe oder im Rahmen eines Aktionstages bzw. eines ähnlichen Formates gemeinsam nach umgesetzten Maßnahmen und Projekten für ressourcenschonendes Verhalten im Alltag mittels einer Internetrecherche. Sie orientierten sich dabei an Fragebögen für die folgenden verschiedenen Lebensbereiche: Wohnen, Mobilität und Lebensstile. Aus dem auf diese Weise entstandenen Ideenportfolio wählten die Schüler*innen gemeinsam einen Vorschlag aus und erarbeiteten ein Konzept zur Übertragung auf den eigenen Kontext.

Heraus kamen kreative und spannende Ideen – angefangen bei Sammelboxen für alte und kaputte Elektrogeräte wie Smartphones, Tablets, Netzstecker oder Kopfhörer, über Tipps, um den eigenen Papierkonsum im Unterricht zu reduzieren, bis hin zu einem Büchertauschschrank in der Schule. Insgesamt gab es 104 Anmeldungen und 66 Einsendungen.

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Eindrücke aus der Vielfalt der Ideen

Der erste Platz des Wettbewerbs ging an die Jahrgangsstufe 7 der Erlöser-Mittelschule Bamberg. Sie überzeugte die Jury mit einem kreativen Trickfilm zum Thema „Wassersparen beim Abwasch“.

Jahrgangsstufe 7 der Erlöser-Mittelschule

Den zweiten Platz belegt die Klasse 6c der Realschule Renningen. Ihr Beitrag zeigt den lautstarken Protest der Schüler*innen getreu dem Motto „Denke jetzt um!“ und greift den Zeitgeist der Fridays-for-Future-Bewegung auf.  Auf Platz drei haben es sogar drei Schulen geschafft. Zum einen wurde der Wahlpflichtkurs „Klima“ der Schule am Wilzenberg für sein durchgeführtes Upcycling-Projekt ausgezeichnet. Sie nutzten alte T-Shirts, um wiederverwendbare Einkaufstaschen anzufertigen. Eine weitere Prämierung geht an die Klasse BO2 der Friedrich-von-Bodelschwingh-Schule Bergkamen. Die Klasse hat sich ebenfalls mit Upcycling beschäftigt und alten Jeans neues Leben eingehaucht. Abschließend erreichte auch die  Umwelt AG des Martin-Gerbert-Gymnasiums in Horb den dritten Platz. Die Schüler*innen haben ein kreatives Maßnahmenpaket zu suffizientem Verhalten erstellt und zu Hause umgesetzt. 

Es war ein voller Erfolg!

Im Projekt „Einfach machen – die Suffizienzdetektive“ sollten sich Schüler*innen der Sekundarstufe 1 mit dem Thema Suffizienz auf positive Art und Weise auseinandersetzen. Es war ein voller Erfolg. Wie die 66 Einsendungen und 104 Anmeldungen zeigen, waren der Kreativität der Schüler*innen keine Grenzen gesetzt. Gleichzeitig verdeutlicht dies auch die große Vielfalt an Möglichkeiten, wie der Alltag von jedem – angefangen im Kinder und Jugendalter –  ressourcensparender und nachhaltiger gestaltet werden kann. Und somit endete das Projekt „Einfach Machen“ im März 2021, aber die Mission der Suffizienzdetektive ist lange noch nicht abgeschlossen. Suffizienz muss nicht länger ein „Schreckgespenst“ bleiben. Kinder und Jugendliche in Schulen in ganz Deutschland haben es vorbildlich vorgemacht.

Wie geht es weiter?

Die Deutsche Umweltstiftung sucht derzeit nach finanziellen Unterstützer*innen für eine Neuauflage der Suffizienzdetektive. Wenn Sie Interesse an einer Mitwirkung haben, melden Sie sich unter kontakt@suffizienzdetektive.de.

[1] Heyen, D./Fischer, C./Grießhammer, R./Wolff, F./Brunn, C./Keimeyer, F./Barth, R. (2013): Für eine Politik der Suffizienz. Politische Steuerung als notwendiger Baustein einer suffizienten Gesellschaft. Freiburg, Öko-Institut, S. 7.

[2]Heyen, Dirk Arne, et al. „Mehr als nur weniger. Suffizienz: Notwendigkeit und Optionen politischer Gestaltung, Öko-Institut Working Paper 3/2013.“ (2013).

Welche Arten von Rebound-Effekten gibt es?

Die Einhaltung planetarer Grenzen ist erforderlich, um die Lebensgrundlagen des Menschen auf der Erde zu erhalten. Eine Herausforderung ist dabei der anhaltend starke Konsum insbesondere in den Industrieländern. Allerdings haben in den letzten Jahren erfreulicherweise viele Menschen angefangen, ihr Verhalten zu verändern. Sie achten nicht nur darauf, Ressourcen effektiver zu nutzen und sparsam einzusetzen, sondern auch weniger zu konsumieren. Durch verändertes Verbraucherverhalten kann aber die angestrebte Wirkung von bspw. Effizienzmaßnahmen gemindert werden oder sogar zu einem Mehrverbrauch führen. Es kommt zu einem unerwünschten Phänomen: dem Rebound-Effekt. [1]

Der Effekt – auch Abprall- oder Rückschlag-Effekt genannt – wurde bereits 1865 bei der Einführung der Dampfmaschine entdeckt und seit den 1980er Jahren wissenschaftlich erforscht und diskutiert [2, 4]. Nichtsdestotrotz bleibt die Thematik in umweltpolitischen Debatten und Untersuchungen bis heute oft unberücksichtigt [4].

Forschende differenzieren zwischen verschiedenen Arten von Rebound-Effekten:

Direkter Rebound-Effekt

Der direkte Rebound-Effekt bezieht sich auf die erhöhte Nachfrage und stärkeren Nutzung der gleichen Dienstleistung bzw. des Produktes aufgrund ihrer gesteigerten Effizienz. [3]. Zum Beispiel wird durch eine effizientere Glühbirne Energie eingespart, die (teilweise) für längere Beleuchtungszeiten verwendet wird.

Indirekter Rebound-Effekt

Der indirekte Rebound-Effekt kommt zustande, wenn aufgrund der Effizienzsteigerung, Einsparungen an anderer Stelle wieder ausgegeben werden. Dadurch steigt der Energieverbrauch durch die Nutzung alternativer Leistungen und Produkte. [3]

Beispielsweise wird ein energieeffizientes Auto angeschafft, das die Kosten für den benötigten Treibstoff stark minimiert. Das ersparte Geld wird im Gegenzug dafür verwendet, häufiger in den Urlaub zu fliegen. 

Direkter und indirekter Rebound-Effekt

Mentaler Rebound-Effekt 

Der mentale Rebound-Effekt (auch psychologischer Rebound-Effekt genannt) erklärt die Kausalität von zusätzlichem Verbrauch und Effizienz-Einsparungen mit moralischer Selbstlegitimierung (Moral licensing). Wer durch die Nutzung effizienter Technologien erfolgreich Ressourcen oder Energie gespart hat, bewertet die eigene Verhaltensweise als moralisch richtig. Folglich erscheint das Handeln entgegen ökologischer Maßstäbe an anderer Stelle leichter zu rechtfertigen [3].

Zum Beispiel kann durch die Investition in ein Nullenergiehaus der häusliche Energieverbrauch auf das Minimum reduziert werden. Im Umkehrschluss ist das schlechte Gewissen, anschließend ein Auto mit einem hohen Energieverbrauch anzuschaffen eher gering.

Makroökonomischer Rebound-Effekt

Wird das Phänomen auf einer gesamtgesellschaftlichen Ebene betrachtet, so treten neben den bereits aufgeführten Folgen zusätzliche makroökonomische Rebound-Effekte auf. Diese können beispielsweise aus Preiseffekten resultieren, wenn ein effizienter hergestelltes Produkt günstiger und dadurch häufiger verkauft wird. Dies führt wiederum zu einer gesteigerten Nutzung auf Seite der Konsument*innen. Zudem können Wachstumseffekte zu makroökonomischen Rebound-Effekten beitragen, wenn eine höhere Effizienz die Produktivität von Energie oder Werkstoffen erhöht und diese fortan im gesamten Wirtschaftszweig mehr genutzt werden. [7]

Beispielsweise kann es einem Unternehmen gelingen, eine vergleichsweise zu Konkurrenzprodukten deutlich energieeffizientere Waschmaschine herzustellen. Durch Subventionen und eine hohe Nachfrage seitens der Kunden ist es dem Unternehmen möglich, das Produkt zu einem kostengünstiger anzubieten. So kann eine wachsende Kundenzahl die neue Waschmaschine erwerben. Folglich entsteht eine größere Menge an Werkstoffen als auch ein höherer Energieaufwand in der Produktion.

Wie können Rebound-Effekte vermieden werden? 

Energie und Ressourcen effizienter einzusetzen, muss also nicht zwangsläufig zur gewünschten Einsparung führen. Suffizienz könnte die Antwort sein. Ein suffizientes Leben wirkt sich in vier Dimensionen aus, den „vier E´s“: Entkommerzialisierung, Entflechtung, Entrümpelung und Entschleunigung. Die Begriffe stellen im Sinne von Leitplanken eine Hilfestellung dar, um den Alltag suffizienter zu gestalten und Reboundeffekte zu vermeiden.

Entkommerzialisierung ist eine Strategie, die darauf abzielt, dem Leben und Wirtschaften außerhalb von „Kaufen und Besitzen“ wieder mehr Bedeutung beizumessen.

Entflechtung fordert uns auf, die eigene Region und das Lokale wieder stärker wertzuschätzen. 

Das Prinzip der Entrümpelung verdeutlicht uns, dass wir in einer Überflussgesellschaft leben. Es lohnt sich daher innezuhalten und das Leben von nicht mehr benötigten Dingen zu befreien.

Das Postulat der Entschleunigung geht Hand in Hand mit dem der Entrümpelung. Denn unsere moderne Zeit ist von Hektik geprägt. Eher ist es ratsam, den sprichwörtlichen Gang herunterzuschalten und sich auf das Wesentliche zu besinnen. 

Ein weiteres Prinzip ist die Suffizienzpyramide – auch Anti-Verbraucher-Pyramide – genannt. Mithilfe von unterschiedlich großen Segmenten verdeutlicht sie, in welchem Umfang bestimmte Konsum- und Verhaltensweisen zu einem suffizienteren Leben beitragen können. Je größer eine Stufe ist, desto höher der Beitrag dazu.

Suffizienzpyramide

Im Sinne der Suffizienz sollte bspw. das Auto von Freund*innen ausgeliehen oder die öffentlichen Verkehrsmittel genutzt werde, anstatt ein eigenes anzuschaffen. Küchengeräte können oft gebraucht gekauft oder im persönlichen Bekanntenkreis geliehen werden. Es gibt viele Möglichkeiten, den Kauf neuer Konsumgüter zu umgehen und dadurch nachhaltiger zu leben. 

Suffizienz stellt einen notwendigen gesellschaftlichen Kulturwandel in den Mittelpunkt. Dieser verlangt nicht, in Armut, Hunger oder Askese zu leben. Stattdessen geht es um das richtige Maß der Bedürfnisbefriedigung vor dem Hintergrund knapper und wertvoller Ressourcen. Wer Nachhaltigkeit plant, muss immer Suffizienz mitdenken. Dadurch können Maßnahmen zur Effizienzsteigerung so konzipiert werden, dass Potenziale weitestgehend ausgeschöpft und Rebound-Effekte vermieden werden [1].

Quellenangaben 

[1] Umweltbundesamt, 2016: abgerufen am 06.12.2021 von  https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/376/publikationen/rebound-effekte_wie_koennen_sie_effektiv_begrenzt_werden_handbuch.pdf

[2] Klimareporter: abgerufen am 05.12.2021 von https://www.klimareporter.de/lexikon/reboundeffekt (keine Primärquellen angegeben) 

[3] Integration nachhaltiger Entwicklung in die Berufsbildung – INEBB, 2018: abgerufen am 15.12.2021 von https://inebb.org/wp-content/uploads/2018/12/M3-06_Effizienz-Suffizienz-Rebound-Effekt.pdf

[4] Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH, 2013: abgerufen am 15.12.2021 von https://epub.wupperinst.org/frontdoor/deliver/index/docId/4219/file/ImpW5.pdf 

[5] Suffizienzpyramide (Anti-Vebraucher*innen-Pyramide), Deutsche Umweltstiftung, 2021: abgerufen am 07.01.2022 von https://suffizienzdetektive.de/wp-content/uploads/2020/08/A3-Erklaerposter-Anti-Verbraucher-Pyramide-1.png 

[6] Institut für ökologische Wirtschaftsforschung GmbH, 2021: abgerufen am 27.01.2022 von https://www.macro-rebounds.org/deutsch/rebound-effekt/makro-rebounds/


Ökohumanismus und Suffizienz – das Gute Leben und unsere Zukunft in der Natur

Die (Un-)Ordnung unserer globalisierten, auf Egoismen beruhenden Welt führt zu immer mehr Ressourcenverbrauch und treibt ungebremst den Klimawandel voran. Nahezu täglich erreichen uns in diesem Zusammenhang neue Schlagzeilen über schwerwiegende Naturereignisse und Katastrophen aus der ganzen Welt. Schnell werden Mitgefühl und Hilfsangebote an Betroffene bekundet und Themen wie Klimawandel und Artensterben im öffentlichen Diskurs neu debattiert. Seitens Politik und Gesellschaft wird Besserung versprochen und die großen Fragen unserer Zeit sollen nun endlich angegangen werden. Diese tiefgreifenden Probleme lassen sich jedoch nicht mit alten Denkweisen lösen oder gar in Zukunft vermeiden. 

„Es geht nicht darum, irgendetwas zu tun, sondern das Richtige.

Das Ökohumanistische Manifest, 2021

Suffizienz kann hier das richtige Instrument sein. Es bietet mögliche Handlungsansätze, der Problematik der planetaren Grenzen durch Sparsamkeit im Umgang mit Ressourcen zu begegnen.

Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch das Ökohumanistische Manifest. Die Autoren Pierre L. Ibisch und Jörg Sommer setzen hierbei dem alten Denken, das unsere multiplen Krisen verursacht, ihre im positiven Sinne radikale Philosophie des Ökohumanismus entgegen. 

„Das Ökohumanistische Manifest trifft den Kern heutiger Notwendigkeiten. Ich gratuliere!“

Ernst von Weizsäcker, Ehrenpräsident des Club of Rome

Ihr leidenschaftliches und Mut machendes Manifest verknüpft die Akzeptanz der planetaren Grenzen mit dem Ziel einer gerechten Welt. Es rückt den Menschen und seine Stärken in den Mittelpunkt der Debatte um die Ökologie und unsere Zukunft.

Das Ökohumanistische Manifest erschien am 13. Oktober 2021 im Hirzel Verlag.

Im Buch analysieren Sie die globalen Probleme ebenso wie die oft naiven Vorschläge zu ihrer Überwindung – und sie bieten ein ebenso einfaches, wie überzeugendes neues Denkmodell an, das im Grunde auf (nur) zwei Prinzipien beruht:

  • der Akzeptanz der ökologischen Grenzen und
  • dem universalen Menschenrecht auf ein Gutes Leben für Alle. Alles andere ergibt sich daraus – und führt zu fundamental neuen Konzepten von Wirtschaft, Politik und Religion.

Das Ökohumanistische Manifest in 10 Thesen

Grundlage der Publikation sind zehn zentrale Thesen. Sie stellen die Grundlagen des Ökohumanismus dar und hinterfragen sämtliche Prämissen, auf denen unsere moderne, globalisierte, rücksichtslose Art des Lebens und Wirtschaftens basiert. Ausführlich werden sie im Buch begründet, hier stellen wir sie kurz vor:

  1. Zwischen Mensch und Natur herrscht kein Widerspruch – Ein Freund der Erde ist ein Freund der Menschheit
  2. Die Weisheit ist in uns allen – Von und mit der Natur für den Menschen lernen
  3. Die Natur hat immer Recht – Naturgesetze sind nicht verhandelbar
  4. Es gibt kein Eigentum – Die Illusion von Besitz braucht neue Antworten
  5. Wirtschaft ist ein Werkzeug – Die Natur lehrt uns zukunftsfähiges Wirtschaften
  6. Technik ist keine Befreiung – Menschlichkeit ist nicht programmierbar
  7. Glauben ist keine Handlungsanweisung – Ökohumanismus und Spiritualität sind kompatibel
  8. Menschlichkeit ist eine Kompetenz – Entfaltungshilfe ist es, nicht Bildung, was wir brauchen
  9. Macht ist eine Täuschung – Gesellschaftliche Gestaltung ist nicht delegierbar
  10. Alles ist eine Frage der Prinzipien – Wir brauchen Haltung statt Regeln

Die Thesen des Buches reihen sich in die Thematik ein, die auch wir von #kaufnix häufig diskutieren: Wer die Zukunft der Menschheit sichern will, muss sich vom Gedanken des unendlichen materiellen Wachstums lösen. Um zukünftigen Generationen ein Gutes Leben zu ermöglichen, muss der Gedanke der Suffizienz in allen Bereichen – persönlich, politisch und ökonomisch – verinnerlicht werden.

„Es ist überfällig, endlich die ökologischen Grenzen zu akzeptieren. Wir müssen deshalb aus der Spirale des permanenten Wachstums aussteigen, bevor es zu spät ist.“

Prof. Dr. Hubert Weiger, ehem. Vorsitzender des BUND

In diesem Zusammenhang diskutieren Jörg Sommer und Pierre L. Ibisch auch die Frage nach einem Guten Leben für Alle innerhalb der planetaren Grenzen. Sie plädieren für ein möglichst sorgenfreies Leben, welches die Befriedigung notwendiger Bedürfnisse erfüllt und den Menschen Glück, Sicherheit und Zufriedenheit im Kreise anderer Menschen ermöglicht, die ihnen wichtig sind. Entsprechend sollten wir uns alle fragen: Wie wollen wir in Zukunft leben? Sollte die Gesellschaft der Zukunft vielleicht häufiger hinterfragen, ob Konsum wirklich glücklich macht? Ist es an der Zeit soziale Interaktionen in den Fokus des Erstrebenswerten zu stellen? Denn am Ende des Tages wird uns das tausendste Kleidungsstück im Schrank, das neueste Handy oder ein weiterer Shoppingtrip nach New York nicht glücklich machen, wenn dies mit der Zerstörung unserer Lebensgrundlage – dem „Ökosystem Erde“ – einhergeht.

Das Ökohumanistische Manifest kann in lokalen Buchhandlungen oder auf der begleitenden Webseite oekohumanismus.de bestellt werden.

Bibliografie

Pierre Leonhard Ibisch, Jörg Sommer
Das Ökohumanistische Manifest 
Unsere Zukunft in der Natur 
176 Seiten, € 15,- ISBN 978-3-7776-2865-3

Die Autoren

Pierre L. Ibisch und Jörg Sommer

Pierre Leonhard Ibisch ist Biologe und Professor für Naturschutz an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde. Jörg Sommer ist Politikwissenschaftler und Soziologe, Journalist, Buchautor und Vorstandsvorsitzender der 1982 gegründeten Deutschen Umweltstiftung, der ältesten und mit über 3.500 Stifter*innen größten Bürgerstiftung Europas. Im Juni 2021 wurde ihm das Bundesverdienstkreuz für sein Engagement im Umwelt- und Klimaschutz verliehen.