Psychologische Barrieren auf dem Weg zu mehr persönlicher Suffizienz

Auto oder Fahrrad? Neu oder Second Hand? Vielen Menschen fällt es schwer, sich bei solchen alltäglichen Entscheidungen für die nachhaltigere Option zu entscheiden, obwohl die Voraussetzungen dafür gegeben wären und sie über die Folgen ihres Handelns Bescheid wissen.

Die psychologische Forschung zeigt, dass es sogenannte psychologische Verhaltensbarrieren gibt, die nachhaltiges Verhalten im Alltag erschweren oder ganz verhindern können – auch bei Menschen mit ausgeprägtem Umweltbewusstsein. Welche das sind und warum es sich lohnen kann, darüber Bescheid zu wissen, erklären wir in diesem Beitrag.

Suffizienz im Alltag

Wenn wir uns die vier E’s der Suffizienz – Entschleunigung, Entflechtung, Entrümpelung und Entkommerzialisierung – nach Wolfgang Sachs anschauen, fallen uns in der Regel schnell einige Dinge ein, die wir uns öfter vornehmen und dann doch wieder vor uns herschieben.

Da wären zum Beispiel der Kleiderschrank, den man aussortieren müsste, das Gemüsebeet im Garten, für das man sich wieder mehr Zeit nehmen wollte, und vieles mehr. Zum Thema Entrümpeln im Frühling gibt es hier einen ganzen Blogbeitrag.

Gute Vorsätze allein reichen nicht aus

Aber zurück zu den psychologischen Verhaltensbarrieren. Die Umweltpsychologin Dr. Josephine Tröger erklärt in diesem #kaufnix-Beitrag, dass es verschiedene Arten von Faktoren gibt, die unser Verhalten beeinflussen. Zum einen sind es persönliche Einstellungen, Werte und Erwartungen, zum anderen äußere Bedingungen, wie zum Beispiel der Zugang zu bestimmten Produkten und Dienstleistungen.

Aber woran genau scheitert es, wenn die Voraussetzungen für ressourcenschonendes Handeln eigentlich gegeben sind und wir uns trotzdem nicht dafür entscheiden? Einige von vielen Antworten auf diese Frage, die Wissenschaftler*innen schon seit Jahren erforschen, stellen wir nun vor.

Confirmation Bias – Wir hören, was wir hören wollen

Der Confirmation Bias (deutsch: Bestätigungstendenz) ist ein bekanntes und vielfach erforschtes Phänomen, das eine kognitive Verzerrung in die Richtung unserer persönlichen Erwartungen beschreibt. Anders formuliert: Wir suchen und beachten im Alltag vor allem solche Informationen, die unsere Erwartungen bestätigen.

Wer also zum Beispiel in einem Umfeld aufgewachsen ist, in dem Autos eine wichtige Rolle spielen, wird im Alltag wahrscheinlich eher soziale Kontakte suchen und Medien konsumieren, in denen Autos positiv dargestellt werden. Informationen zu anderen Verkehrsmitteln, die vielleicht sogar finanzielle und zeitliche Vorteile mit sich bringen würden, werden durch die verzerrte Wahrnehmung eher weniger oder gar nicht beachtet. Dadurch kommt es eher selten zu Verhaltensänderungen im Sinne von Suffizienz und Nachhaltigkeit.

Sunk cost fallacy – Loslassen ist nicht leicht

Den Sunk-Cost-Fallacy-Effekt kennen bestimmt viele aus dem Alltag. Er beschreibt die Tendenz zum Festhalten an einer vergangenen Entscheidung und das Pflichtgefühl, weiterhin an dieser Entscheidung festhalten zu müssen, obwohl sie keinen Nutzen hat oder sogar Schaden anrichtet.

Ein gutes Beispiel hierfür ist der Besitz eines Autos. Die Sunk costs (deutsch: versunkene Kosten) sind in diesem Fall etwa der Kaufpreis und sämtliche Reparatur- und Wartungskosten. Nach einigen Jahren kommt es vielen so vor, als dürften sie gar nicht darüber nachdenken, das Auto zu verkaufen oder wegzugeben, weil sie durch die hohen Investitionen dazu verpflichtet wären, das Auto nun auch lange zu nutzen. Dieser Effekt führt dazu, dass manche Menschen ein Auto besitzen, obwohl sie es kaum nutzen.

Der Rebound-Effekt

Den Begriff Rebound-Effekt (deutsch: Rückschlag-Effekt) kennen viele wahrscheinlich aus dem ökonomischen Kontext. Er beschreibt das Phänomen, dass Einsparungen an einer Stelle durch Ausgaben oder steigenden Verbrauch an anderen Stellen ausgeglichen oder sogar überkompensiert werden. Über die verschiedenen Arten von Rebound-Effekten gibt es hier einen ganzen Blogbeitrag.

In der Umweltpsychologie spricht man zum Beispiel dann vom Rebound-Effekt, wenn man effizientere Glühbirnen kauft und sie dafür dann länger brennen lässt oder ein sehr verschwenderisches Verhalten mit einem anderen ressourcenschonenden Verhalten rechtfertigt. Letzteres wird auch Moral Licensing genannt und liegt zum Beispiel dann vor, wenn eine Person ihr schlechtes Gefühl wegen regelmäßiger Flugreisen mit nachhaltigem Lebensmittelkonsum ausgleicht, obwohl das Verhältnis zwischen ausgestoßenen Emissionen in dem einen und eingesparten Emissionen im anderen Bereich völlig ungleich ist.

Wie wir die psychologischen Barrieren überwinden können

Es gibt in diesem Kontext noch viel mehr psychologische Phänomene, aber nachdem wir nun einige davon kennengelernt haben, lassen sich daraus schon einige nützliche Erkenntnisse für den Alltag ableiten.

Unsere Psyche wird von vielen Faktoren beeinflusst, von denen wir oft gar nicht direkt etwas mitbekommen. Es kann hilfreich sein, wenn man sich im Alltag manchmal vor Augen führt, dass alle Menschen von kognitiven Verzerrungen und Fehlschlüssen betroffen sind. Mit diesem Gedanken kann man vielleicht einerseits nachsichtiger mit sich und anderen Menschen werden. Andererseits kann man sich damit auch motivieren, die eigenen Denkmuster kritisch zu hinterfragen und nicht immer dem ersten, vermeintlich logischen Gedanken zu folgen.

Die psychologische Forschung untersucht neben den Hintergründen menschlichen Verhaltens auch verschiedene Strategien, mit denen wir psychologische Barrieren überwinden und uns damit den Alltag erleichtern können.

Eine dieser Strategien sind sogenannte Wenn-Dann-Pläne. Dabei handelt es sich um Vorsätze für bestimmte Verhaltensweisen in konkreten Situationen. Solche Vorsätze sollen das Einhalten persönlicher Ziele erleichtern und dem Aufbau neuer Gewohnheiten dienen.

Angenommen, eine Person hätte das persönliche Ziel nachhaltiger zu leben und möchte deshalb so oft wie möglich Second Hand statt neuer Kleidung kaufen. Aus Bequemlichkeit und alten Gewohnheiten kauft sie trotzdem kaum Second Hand und fühlt sich nach einiger Zeit schlecht, weil sie gegen ihre eigenen Vorsätze verstößt. Mit einem Wenn-Dann-Plan könnte sie sich selbst dazu verpflichten, ihrem Ziel näher zu kommen. Dieser Plan könnte zum Beispiel so aussehen: „Wenn ich neue Kleidung brauche, dann suche ich immer zuerst nach Second Hand-Angeboten und greife nur dann zu neuer Kleidung, wenn es keine andere Möglichkeit gibt.“ Hier könnten auch noch bestimmte Geschäfte oder Plattformen ergänzt werden. Je konkreter die Beschreibung, desto besser. Diesen konkreten Vorsatz kann die Person sich nun aufschreiben und in Erinnerung rufen, sobald die „Wenn“-Situation eintritt.

Weniger Selbstkritik, mehr Nachsicht

Die psychologische Forschung zeigt, dass es viele Faktoren gibt, die unser Verhalten beeinflussen, ohne dass wir direkt etwas davon mitbekommen. Diese Erkenntnis kann in so manch hitziger Debatte darüber, wie viel Fleischkonsum noch okay ist oder wer im Sommer wo Urlaub macht, vielleicht für mehr Sachlichkeit sorgen. Im besten Fall bringt sie uns aber dazu, unsere eigenen Gedanken und Gewohnheiten zu hinterfragen und uns im nächsten Schritt aktiv für eine nachhaltigere Gesellschaft einzusetzen.

Konsum und Glück – Interview mit Prof. Dr. Ingo Hamm

Was macht uns glücklich? Diese Frage beschäftigt Menschen seit Ewigkeiten. Hinweise auf die Antwort gibt Prof. Dr. Ingo Hamm von der Hochschule Darmstadt im Interview. Der Wirtschaftspsychologe unterscheidet dazu unterschiedliche Motive, die beim Konsum wirken und spricht über die magische Wirkung des Prozentzeichens.

Deutsche Umweltstiftung (DUS): Vielen Dank, Herr Prof. Dr. Hamm, dass Sie heute für ein Interview zur Verfügung stehen. Sie haben sich mit einer Studiengruppe der Hochschule Darmstadt den Zusammenhang von Glück und Konsum erforscht. Was können wir von ihrer Forschung lernen?

Prof. Dr. Hamm: Ich muss vorwegschicken, dass es ein echt großes Thema ist. Was wir aber in diesen konkreten Projekten und darüber hinaus an interessanten Zusammenhängen aufdecken konnten, ist nicht wirklich überraschend. Aber es ist eine Bestätigung für das, was viele Menschen denken. Und zwar, dass Soziales im Leben einen deutlich positiveren Einfluss wie das Materielle hat, zumindest bei vielen Menschen. Es ist kein universelles Gesetz – es gilt aber für viele Menschen in unserer Gesellschaft, vielleicht auch in Deutschland. Ich habe wenige Erkenntnisse, die über unseren deutschen Sprachraum hinausgehen. Die Studie von 2019 ergab, dass Menschen sich unheimlich gerne mit anderen Menschen treffen, diese unkomplizierten Momente mit anderen Menschen unter anderem in der Familie schätzen und dass sie diese tatsächlich als Glück begreifen. Vielleicht nicht unbedingt in dem Moment als ein euphorisches Glück, aber gerade auch in Rückblick und in der Lebensplanung als etwas, was am meisten glücklich sein verspricht, und das finde ich ganz interessant.

DUS: In der öffentlichen Wahrnehmung wird doch häufig Glück assoziiert mit Häusern, neuen Autos oder Reisen. Wie kommt es zu dieser Wahrnehmung und gibt es letztendlich die Formel für ein glückliches Leben?

Also DIE FORMEL gibt es nicht. Ich fange noch einmal mit den teilweisen materiellen Aspekten von Glück an. Wir haben Möglichkeiten des Konsums, die uns zumindest häufig Glück versprechen. Es gibt da sehr viele Arten von Motiven, die beim Konsum wirken. Man kann unterscheiden zwischen den positiven Wirkungen von Kaufen – im aller weitesten Sinne das Kaufen von Dingen, von Dienstleistungen und von Erlebnissen. Es handelt sich dabei nicht nur um Luxusprodukte. Was hier eher glücklich macht, ist der Umstand, dass es zur Selbsterweiterung beiträgt. Also, dass ich mehr aus mir und meinen Fähigkeiten machen kann.

Produkte, die meine Individualität unterstreichen, mit denen ich meine Einzigartigkeit beispielsweise durch Mode zum Ausdruck bringen kann oder auch der Konsum und das Kaufen als moralischer Ausdruck. Wenn ich das Gefühl habe, dass ich nicht nur ein beliebiges Produkt kaufe, sondern mit diesem Produkt etwas Gutes tue, oder etwas Schlechtes vermeide. Damit fördere ich eine Denke in der Gesellschaft oder überhaupt ein gesellschaftliches oder wirtschaftliches Leben, das meinen moralischen Überzeugungen folgt. Im Konsumkontext sind dies positiv wahrgenommene Käufe, die ich tätigen kann. (Ich fördere eine Denke in der Gesellschaft oder überhaupt ein gesellschaftliches oder wirtschaftliches Leben was meinen moralischen Überzeugungen folgt.. Wie gesagt nicht nur von Produkten, auch Dienstleistungen und Erlebnisse fallen darunter. Was häufig nicht nachhaltig glücklich macht, sondern nach kurzer Zeit wieder verschwindet an Glücksgefühl, ist das, was wir so üblicherweise kaufen um uns im sozialen Vergleich mit anderen zu messen) Um uns auf einer Art von Statusleiter nach oben zu bewegen und anderen – unter anderem durch den Kauf von teureren Produkten – zu demonstrieren, ich kann mir das leisten, ich kann mir vielleicht auch mehr leisten als andere Menschen. Alle Menschen tun dies. Niemand ist grundsätzlich dagegen gefeit.

Viele Menschen erleben oder erleben eben nicht diese sehr kurzfristig wirkenden Facetten des Konsums, die vielleicht schon im eigentlichen Augenblick oder nur für Minuten oder Stunden wirken. Nach Tagen, nach Monaten fördert dieses Verhalten aber auch dieses noch mehr, noch weiter, noch höher. Das ist letztlich psychologisch nicht förderlich oder gesund.

DUS: Und die Formel für ein glückliches Leben?

Ich würde gerne auf einen anderen Aspekt eingehen, den ich durch meine jüngere Forschung im Arbeitskontext „New Work“ gefunden habe. Und dazu passt dann zufällig diese Frage, die Sie stellen. Ich habe festgestellt, dass heutzutage in der Arbeitswelt häufig von Menschen die Frage nach dem Sinn gestellt wird. Was soll das alles? Macht mich mein Job glücklich oder nicht? Da wird eigentlich dieselbe Frage gestellt, vielleicht noch viel fundamentaler als beim Kaufen oder beim Einkaufen. 

Verkürzt dargestellt habe ich herausgefunden, dass vor allem die Selbstwirksamkeit ein wichtiger Faktor ist. Also, wenn ich in einer Arbeit oder durch meine Arbeit, aber auch beim privaten Engagement (Ehrenamt, Hobbys etc.) die Möglichkeit habe, Kompetenzen und Neigungen zu zeigen, zu verwirklichen, und ich dazu auch ein gewisses positives Feedback bekomme, dann ist das ungemein befriedigend. Viele Leute sagen sogar, das macht glücklich. Es macht vielmehr glücklich, als wenn ich mir bestimmte Dinge oder Dienstleistungen kaufe. Ich glaube, das ist der Punkt, wo wir Selbstverwirklichung erfahren können, wenn wir diesen gewissen Fokus auf die Arbeit, Alternativen zur Arbeit im Privatleben oder im Engagement setzten und mit diesem Fokus überlegen, wo wir denn Kompetenzen verwirklichen könnten oder ausleben könnten.

Ganz nebenbei, es zählt auch das Helfen dazu. Anderen Menschen ganz selbstlos mit guten Taten zu helfen, ist eine ungemein und universell wirksame SelbstwirksamkeitserfahrungWir haben dies bei großen Katastrophen, wie z.B. letztes Jahr im Ahrtal festgestellt. Ich war fast überrascht, dass so viele Menschen selbstlos geholfen haben, hingefahren sind, angepackt haben und alle waren unheimlich glücklich und zufrieden dadurch, dass sie einfach nur helfen konnten. Ich glaube, die Selbstwirksamkeitserfahrung des Helfens zählt wahrscheinlich viel mehr als jede Art von käuflichem Konsum.

DUS: Am 25. November ist Black Friday. Wie würden Sie es psychologisch erklären, dass Menschen von diesem Event so angezogen werden?

Ja, das ist vielleicht nicht einmal wahnsinnig psychologisch, sondern teilweise auch ein ökonomisches Verhalten. Und das zählt heute mehr denn je, dass Menschen sparen wollen. Und wenn es irgendeine Möglichkeit gibt, die schon vorab bekannt ist, und weitestgehend kommuniziert ist, sodass man bestimmte Dinge stark rabattiert bekommt, kann fast niemand dazu nein sagen. Derartige Vorteile – ja mit dieser fast magischen Wirkung eines Prozentzeichens – ergreift man im Alltag fast immer. Das hat eine wahnsinnige symbolische Bedeutung bekommen. Man realisiert kaum noch, was eigentlich die wahren Wertigkeiten sind, oder welche Vergleichspreise es gibt, die ich anderswo auch so bekäme. Sondern da wirkt ja das Prozentzeichen an sich fast schon überzeugend. Das ist dann die Dimension, dass man hier ein Schnäppchen machen will.

DUS: Wir von der Deutschen Umweltstiftung betonen in unserer Arbeit immer wieder den Suffizienzgedanken. „Suffizienz“ steht für ein „Weniger“. Es zielt auf den bewussten Umgang unserer begrenzten natürlichen Ressourcen ab – auf das, was wirklich notwendig ist – ohne auf das gute Leben zu verzichten. Wie sehen sie die Strategie, vielleicht auch in Verbindung mit dem Konsum?

Aus Sicht der Wirtschaftspsychologie kann ich das in einem kurzen Satz zusammenfassen. Es geht nicht um weniger, sondern um weniger mehr.

Das ist das, was in der Psychologie eigentlich eine Rolle spielt. Wir Menschen haben nämlich eine Art Verlustaversion. Alle Menschen – davor kann sich niemand ernsthaft schützen – haben diese fast schon Angst davor oder diese Reflexe etwas abzugeben, von dem, was sie haben. Und Programme zu fahren, um den Konsum zu reduzieren, die sind vielleicht gut gemeint, aber ich glaube, jeder kann sicherlich von sich sagen: in gewissen Punkten des Lebens oder des Alltags habe ich in den eigenen vier Wänden das oder jenes Mal weggeschmissen oder auf ein bisschen verzichtet. Auf Dauer und im großen Stil fällt uns das als Menschen unheimlich schwer. Das ist einfach Psychologie.

Aber zu sagen, ich versuche nicht noch etwas darauf zu packen, diesen Wachstumsgedanken in den Griff bekommen und zu verstehen, dass diese Formen von Wachstum immer mit bestimmten Investitionen psychologischer Art, aber auch von Ressourcenseite her verbunden sind, das muss mal erstmal verinnerlichen. Dann fällt es aber auch leicht zu sagen: Ok, ich kann einen hohen Lebensstandard behalten und ich kann bestimmte Dinge weiter machen. Ich muss sie nicht abgeben und ich muss mein Leben nicht komplett umkrempeln, sondern ich vermeide einfach ein „immer mehr“ und „immer weiter“ und somit auch in mancher Hinsicht nicht nur diesen stetigen oder wachsenden Konsum, sondern vielleicht auch den Wettbewerb. Einen Leistungsgedanken, den ich vielleicht ein bisschen reduziere, der aus einer Mühe heraus kommt, die viele an sich in der Arbeit auch nur noch ungern mitmachen. Das ist so der Kerngedanke von dem, was Sie Suffizienz nennen.

DUS: Zum Abschluss noch eine etwas süffisante Frage. Werden Sie auch bei dem einen oder anderen Angebot am Back Friday zuschlagen?

Nein, eigentlich nicht, ich hätte aber nichts dagegen, wenn ich für die ein oder anderen Weihnachtseinkäufe, die ich schon fest geplant habe, also ich weiß genau wen ich was schenke, wenn ich da das ein oder andere auch günstiger erwerben könnte, dann würde ich auch zuschlagen.

ÜBER DEN INTERVIEWPARTNER

Ingo Hamm ist Professor für Wirtschaftspsychologie, war McKinsey-Berater, arbeitete in einem internationalen Konzern und folgte schließlich seinem forscherischen Freiheitsdrang. Er hat seitdem zahlreiche Bücher publiziert und unterstützt Menschen und Organisationen beim Wandel der Arbeitswelt.

Ingo Hamm (by Julian Beekmann Fotografie)

Kann Mode nachhaltig sein? – Warum ein Umdenken notwendig ist

Die Fashion Weeks dieser Erde zeigen uns regelmäßig, welcher Schnitt, welche Farbe und welche Kombinationen von Kleidungsstücken gerade angesagt sind. Mode ist Ausdruck eines bestimmten Zeitgeistes, sie zeichnet sich durch Aktualität, Wechselhaftigkeit und Schnelllebigkeit aus. Und genau hier liegt das Problem. Die Textilindustrie hat einen bemerkenswert großen ökologischen Fußabdruck, was uns zur Frage bringt: Geht Mode auch nachhaltig? NEIN. Nachhaltigkeit ist kein Attribut, sondern ein Nutzungskonzept. Aber schauen wir genauer hin:

Fast Fashion vs. Slow Fashion

Schnelllebigkeit und Aktualität definieren den sogenannten „Fast Fashion“­-Trend. Damit sind die immer kürzer werdenden Abstände zwischen neuen Kollektionen, die sich an den aktuellsten Modetrends orientieren, gemeint. Durch Massenproduktion und das Outsourcen in Billiglohnländer kann diese Form von Mode immer schneller und günstiger produziert werden. Aufgrund der niedrigen Preise und der meist minderwertigen Qualität führt Fast Fashion zu einer Wegwerfgesellschaft und damit zu massiven Umweltschäden.  Ist das nachhaltig? Bestimmt nicht.

Wir müssen weg von Mode und hin zur nachhaltigen Kleidung

Es gibt eine Gegenbewegung zu Fast Fashion: Sie wird als „Slow Fashion“, „Green Fashion“ oder auch „Eco Fashion“ bezeichnet – und setzt auf das Konzept Nachhaltigkeit. Sie zeichnet sich neben einer nachhaltigen und fairen Produktion vor allem durch ihre Langlebigkeit aus. Diese Art von Kleidung soll aus qualitativ hochwertigeren Materialien bestehen und folgt weniger den aktuellen Trends, sondern setzt auf ein klassisches und zeitloses Design. Es setzt auf Langlebigkeit.

Aber Vorsicht: Akteure der Modebranche stellen sich gerne als besonders nachhaltig dar. Influencer*innen, die vegane Marken empfehlen und Modehäuser, die recycelte Ware anbieten: Klingt fortschrittlich, aber ist es das auch? In vielen Fällen ist es schlicht Greenwashing. Anders als oft suggeriert, wird bzw. nicht einmal ein Prozent der getragenen Kleidung zu neuer „Mode“ recycelt.

Kriterien

Natürlich muss ab und zu trotzdem etwas „Neues“ her. Dabei ist es gar nicht so leicht zu erkennen, ob ein Kleidungsstück nachhaltig produziert wurde oder ob es sich um Greenwashing handelt. Im Quellenverzeichnis findet ihr eine Liste mit Öko-Textil-Siegeln, die umweltfreundlich hergestellte Kleidung kennzeichnet.

1. Materialien aus biologischen Rohstoffen
Es ist wichtig, dass bei der Textilherstellung nur Materialien aus umweltverträglichen und zu 100 % biologisch abbaubaren Rohstoffen verwendet werden. Beim Anbau wird auf den Einsatz von Pestiziden, chemischen Düngemitteln, Insektiziden und anderen schädlichen Substanzen verzichtet. So gelangen weniger Chemikalien ins Grundwasser und in die Böden, dem Insektensterben wird entgegengewirkt und die Schadstoffbelastung der Menschen vor Ort wird erheblich reduziert.

2. Ressourcenschonende Produktion
Neben einem möglichst geringen Wasser- und Energieverbrauch ist die Verwendung schnell nachwachsender Rohstoffe wie z. B. Bambus ein weiteres Kriterium. Lieferwege sollten so kurz wie möglich und die gesamte Lieferkette möglichst in derselben Region verortet sein.

3. Recycling & Upcycling
Ein weiterer essenzieller Teil grüner Mode ist das Recyceln und Upcyclen von verschiedenen Materialien zur Herstellung neuer Kleidungsstücke. Mittlerweile werden auch Abfallprodukte, wie z. B. Schnittreste aus der Forstwirtschaft, Plastikflaschen oder Fischernetze immer häufiger genutzt, um daraus neue Stoffe herzustellen. Der Ressourceneinsatz wird auf ein Minimum reduziert, sodass ebenfalls weniger Müll entsteht.

4. Soziale und faire Produktionsbedingungen/ Arbeitsbedingungen
Green Fashion muss immer gerechte Bezahlung, gute und sichere Arbeitsbedingungen bedeuten. Sie darf nicht aus Kinderarbeit entstehen und Rohstoffpreise entlang der gesamten Produktionskette müssen angemessen bezahlt werden.

Aber wir müssen nicht gänzlich auf Abwechslung im Kleiderschrank verzichten! Es gibt viele Alternativen zum Neukauf: wie z. B. Second Hand, Kleidertauschpartys, Flohmärkte oder Kleidervermietung. In unserer Checkliste haben wir ein paar Tipps zusammengestellt:

Was Verbraucher*innen tun können

Uns als Verbraucher*innen kommt eine entscheiden Rolle zu. Es ist wichtig, dass wir unsere Beziehung zu Kleidung und Konsum grundsätzlich hinterfragen und unser Bewusstsein hin zu einem suffizienten Modekonsum umstellen. Dinge sollten nur dann gekauft werden, wenn sie wirklich benötigt werden und nicht nur zur Freizeitbeschäftigung oder Belohnung. Außerdem müssen wir die Lebensspanne unserer Kleidungsstücke verlängern, um der Wegwerfmentalität und dem dadurch entstehenden Müll entgegenzuwirken. Suffizienz und Degrowth sind dabei wichtige Stichwörter.

Quellen:

Minimalismus und Wohlbefinden

Raffiniert verleitet uns die Werbeindustrie zum Konsum – auch weil Kaufen Glück und Anerkennung versprechen soll. In den letzten Jahren mehren sich aber Studien, die uns zeigen, dass gesteigerter Konsum nicht unbedingt glücklich macht. Weniger Besitz sei sogar gut für Körper und Geist. Ist da was dran?

Wieviel brauchen wir wirklich?

Im Jahr 2020 brachten Lloyd und Pennington die Studie Towards a Theory of Minimalism and Wellbeing heraus, in der es um die Zusammenhänge zwischen Minimalismus und Wohlbefinden ging. Die Autor*innen der Studie wollten die Hintergründe des minimalistischen Lebensstils verstehen und mit den Ergebnissen dieser Studie eine vorläufige Theorie des Minimalismus aus Sicht der Positiven Psychologie konstruieren. Laut ihrer Hypothese führt der freiwillige Konsumverzicht zu einer Steigerung von Wohlbefinden und Lebenszufriedenheit.

Positive Psychologie beschäftigt sich mit den positiven Seiten des Lebens. Sie möchte Wohlbefinden und Glück von Menschen fördern. Eine zentrale Frage dieser Strömung der Psychologie ist, wie und warum Individuen und Gruppen „flourishen“, also aufblühen, und wann Personen einen Flow-Zustand erleben. (3)
Definition

Minimalismus und Suffizienz

Bei besagtem freiwilligen Konsumverzicht setzt der Minimalismus an. Es geht darum, einfacher, bewusster und nachhaltiger zu leben, das Überflüssige aus dem Leben zu entfernen. Eine zentrale Frage ist, ob eine Person oder ein Gegenstand Freude bringt. Ist dem nicht so und es belastet einen, ist eine Trennung davon zu bevorzugen. Durch diese eigentlich „leichte“ Frage, wird Raum und Zeit für Menschen und Dinge geschaffen, die wirklich wichtig sind. Es geht im Minimalismus nicht darum, asketisch zu leben und den gesamten Besitz aufzugeben. Es geht um nötige Besitztümer für ein gutes Leben.

Mit dieser persönlichen Reflexion und der Frage, ob die Anschaffung eines Gegenstandes wirklich notwendig ist, zeigt sich die Brücke zwischen Minimalismus und Suffizienz. Beide Lebensstile zeichnen sich durch hohes Bewusstsein des Konsums aus und damit einhergehend den Rückgang des Konsumierens.

Auch beim suffizienten Handeln wird überlegt konsumiert. Die zentrale Frage lautet: „Brauche ich diesen Gegenstand wirklich?“. Nur bei einer positiven Antwort soll ein Kauf getätigt werden. Hiermit lässt sich eine Brücke schlagen, die den minimalistischen und den suffizienten Lebensstil verbindet. Durch die kritische Reflexion geht bei beiden Prinzipien ein Rückgang des Konsums einher. 

Studiendesign

Dem bisher wenig erforschten Kontext von Wohlbefinden und Minimalismus näherten sich die Autor*innen der Studie in einem qualitativen Design mithilfe semistrukturierter Interviews. Zehn Personen zwischen 24 und 52 Jahren, die alle minimalistisch leben, nahmen an der Studie teil. Sie kamen u. a. aus Deutschland, Kanada und den USA.

Lloyd und Pennington fanden in ihren Interviews eindeutige Ergebnisse, die ihre Hypothese bestätigten: Durch den minimalistischen Lebensstil hatte sich das Wohlbefinden aller zehn Studienteilnehmer*innen gesteigert. Sie stellten eine verbesserte Einstellung in den Bereichen Autonomie, Kompetenz, mentalem Raum, Achtsamkeit und positiven Emotionen fest. Wo vorher ein „gefangenes“ Gefühl und Unsicherheit war, fühlten sich die Interviewten seit der minimalistischen Lebensweise sicherer und frei. Außerdem sprachen die Interviewten von mehr Zeit für erfüllende Aktivitäten. 

Auch wenn diese Studienergebnisse klar für die minimalistische Lebensweise sprechen, sind diese Ergebnisse unter Vorbehalt zu betrachten: Die Interviewten waren alle aus einem „Weird-Country“ und haben sich aus innerem Antrieb eigenständig für diesen „einfachen“ Lebensstil entschieden. Personen mit einem niedrigeren sozio-ökonomischen Status, die aufgrund externaler und nicht internaler Gründe dieses einfache Leben leben, würden ihr Leben vermutlich anders konnotieren.

Der minimalistische und suffiziente Lebensstil kann – womöglich zunächst kontraintuitiv – eine Bereicherung für unser Leben sein. Vorausgesetzt man entscheidet sich aktiv dazu und wird nicht durch äußere Umstände gezwungen. Durch die Reduktion des Besitzes kann eine mentale Freiheit entstehen. Zu Beginn steht aber der bewusste Konsum. Der Vorteil ist, dass jeder einfach mitmachen kann, ohne gleich die ganze Welt verändern zu müssen. Wir treffen sowieso jeden Tag Konsumentscheidungen – es kostet nur ein paar Gedanken, sie bewusst zu treffen.

Die komplette Studie ist hier abrufbar.

(1) Lloyd, K. & Pennington, W. (2020). Towards a Theory of Minimalism and Wellbeing, International Journal of Applied Positive Psychology (5), 121-136. https://doi.org/10.1007/s41042-020-00030-y

(2) Seligman, M. & Csikszentmihályi, M. (2000). Positivy psychology: An introduction. American Psychologist, 55, 5-14. https://doi.org/10.1037//0003-066X.55.1.5

(3) Positive Psychologie. http://www.positive-psychologie.ch/?page_id=24 (Abruf: 21.06.2022)

Ästhetik und Suffizienz – Interview mit Alien Spiller

Suffizienz gilt neben Konsistenz und Effizienz als ein wichtiger Bestandteil effektiver Nachhaltigkeitsstrategien[1]. Mittlerweile hält das Konzept Einzug in verschiedene Lebens- und Alltagsbereiche. Unsere Interviewpartnerin Alien Spiller berichtet auf ihrem Blog über die Marke „Your Loving Nature“ (YLN), die Suffizienz im Bereich Kosmetik etabliert. Alien arbeitete im Rahmen eines wissenschaftlich begleiteten Nachhaltigkeitsprojekts in ihrem Masterstudium mit YLN zusammen. Die Friseurin Marion Garz entwickelt seit 2018 Haarpflegeprodukte für YLN, die ohne aggressive Waschtenside, synthetische Weichmacher, überflüssige Verpackungen und lange Handelswege auskommen. Das Projekt steht unter dem Motto „Vom minimalistischen Design zu bewusstem Konsum“. Im Jahr 2021 wurde YLN beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis von der Jury ins Finale gewählt und konnte sich gegen eine Vielzahl anderer Unternehmen, Agenturen und Startups durchsetzen.

Im Zuge unseres Interviews sprachen wir mit Alien darüber, was das Produkt so besonders macht und warum die Verbindung von Ästhetik und Suffizienz ein für unsere Gesellschaft relevantes Zukunftskonzept ist.

Deutsche Umweltstiftung (DUS): Dein Blog trägt den Namen „Ästhetik und Suffizienz“. Wie bist du auf das Thema gekommen? Und wie lassen sich deiner Meinung nach Ästhetik und Suffizienz verbinden oder welcher Zusammenhang besteht bereits?

Alien Spiller (AS): Mich hat grundsätzlich der Ansatz fasziniert, dass die reduzierte Ästhetik eines Produktes Wirkungen erzeugen könnte, die sich schrittweise auf andere Lebensbereiche übertragen lassen, dem Wunsch nach einem nachhaltigeren Lebensstil sozusagen eine Form verleiht. Design und Ästhetik haben ja grundsätzlich die Aufgabe, sich auf eine wesentliche Aussage zu konzentrieren. Und da landen wir auch gleich bei der Suffizienz, die auf ein Genug oder Weniger abzielt und somit ebenso die Frage nach dem Wesentlichen stellt.

DUS: Bevor wir nun zu deinem Thema von Suffizienz und Ästhetik kommen, magst du vielleicht zu Beginn zunächst kurz erläutern, was genau unter dem Suffizienz-Gedanken deiner Ansicht nach zu verstehen ist?

AS: In der Nachhaltigkeitsdebatte leitet sich das Konzept der Suffizienz aus der Annahme der Ressourcengerechtigkeit innerhalb und zwischen den Generationen ab und dass sich das aktuelle Konsumverhalten in der westlichen Welt nicht auf die gesamte Menschheit übertragen lässt, sondern eine Genügsamkeit in den Lebensstilen erfordert. Der Suffizienzgedanke lässt sich dann in verschiedene Strategien übersetzen, die Reduktion, Entschleunigung, Entkommerzialisierung und Regionalisierung umfassen.

DUS: In deinem ersten Blogpost gehst du zum einen auf das Konzept Suffizienz und zum anderen auf deine Zusammenarbeit mit dem Berliner Unternehmen YLN ein. Warum hast du dich für diese Kooperation im Bereich der Kosmetikprodukte entschieden?

AS: Ich bin schon seit vielen Jahren Kundin von Marion Garz, der Inhaberin von YLN, und war im wahrsten Sinne des Wortes hautnah bzw. haarnah bei der Produktentwicklung dabei. Ihr konzeptioneller Ansatz, Ästhetik, Funktion und den Wunsch nach gesellschaftlicher Veränderung hin zu mehr Nachhaltigkeit in einem Produkt aufeinander zu beziehen, hat mich überzeugt. Dem wollte ich im Rahmen meines Nachhaltigkeitsprojekts auf den Grund gehen und bot dem Unternehmen eine Zusammenarbeit an.

DUS: Inwiefern entspricht die Kosmetikmarke YLN deiner Meinung nach dem Konzept der Suffizienz?

AS: Während unserer Kooperation haben wir eine Lebenszyklusanalyse der festen YLN Shampoos im Vergleich zu konventionellen Shampoos in Plastikflaschen durchgeführt. Hier hat sich das Suffizienzkonzept vom Design bis zur Entsorgung durch den gesamten Produktlebenszyklus gezogen. Klar, die Verwendung biologischer statt konventioneller Inhaltsstoffe ist der Konsistenzstrategie zuzuordnen, also Produkte umweltfreundlicher herzustellen. Aber das minimalistische, platzsparende Design, die regionale Produktion mit kurzen Lieferwegen, die Einsparung von Wasser bei der Verwendung (z.B. durch Leave-in Conditioner) sowie der Wegfall von Verpackungsmüll sind Suffizienzstrategien und verursachen weniger Umweltwirkungen als etwa ein konventionelles Shampoo. Auch die bewusste Entscheidung des Unternehmens, das Wachstum zu begrenzen und im Kiez verankert zu bleiben, gehört in den Kontext der Suffizienz.

DUS: Insbesondere im Bereich Kosmetik ist Nachhaltigkeit inzwischen zum absoluten Trendthema geworden. In Drogerien lassen sich neben Zahnbürsten und Abschminktüchern, die nach eigener Angabe Nachhaltigkeitsversprechen erfüllen, seit einiger Zeit auch Produkte wie festes Shampoo und Duschgel von nahezu allen Kosmetikmarken finden. Inwiefern unterscheiden sich die Produkte von YLN von nachhaltigen Haarpflegeprodukten anderer Marken?

AS: Der große Unterschied ist, dass die Marke YLN aus dem Friseursalon heraus entwickelt wurde, basierend auf den Bedürfnissen und Wünschen von Kund*innen. Ich erinnere mich, dass ich vor einigen Jahren mit meiner eigenen Shampooflasche zum Haareschneiden gekommen bin, weil ich die konventionellen Produkte aus dem Salon nicht mehr verwenden wollte. Marion Garz ist dann noch einen Schritt weiter gegangen, einerseits biologische Inhaltsstoffe zu verarbeiten und gleichzeitig auf die Plastikverpackung zu verzichten. Irgendwann stellte sie mir dann ihre ersten festen Shampoos vor. So haben sich die Produkte im direkten Kund*innenkontakt immer weiter entwickelt und 2018 unter dem Label YLN in neuem Produktdesign und mit hochwertigen konzentrierten Inhaltsstoffen einen Relaunch erfahren. YLN ist da dem Boom der festen Kosmetikprodukte immer noch zeitlich voraus gewesen und hat eine echte Produktinnovation geschaffen.

DUS: Inwiefern ist der Ansatz von vielen unterschiedliche Pflegeprodukte (von Spülung, über Öl, bis zur Kur) deiner Meinung nach überhaupt mit dem Suffizienzgedanken und einer suffizienten Lebensweise vereinbar?

AS: Nein, so viele Produkte zu verwenden, hat meiner Meinung nach wenig mit Suffizienz zu tun. In der Kosmetikbranche wurden sicher auch Bedarfe geschaffen, dass für schönes Haar dieses und jenes Produkt benötigt wird. Ich selbst habe über die Jahre gemerkt, dass ich bestimmte Produkte gar nicht oder sehr selten benutze (wie Spülung oder Kur) und dann irgendwann wegschmeiße. Deshalb frage ich mich jetzt vor dem Kauf immer, brauche ich das wirklich?

DUS: In welchen anderen Bereichen des alltäglichen Konsums oder des generellen Konsums denkst du, kann man Suffizienz noch ausweiten und auf Resonanz/ positive Reaktionen in der Gesellschaft treffen? Wie kann man deiner Meinung nach mehr Menschen mit solchen nachhaltigen Produktideen erreichen und überzeugen?

AS: Ich denke, dass sich Suffizienz auf alle Lebensbereiche ausdehnen lässt oder sogar einen Lebensstil prägen kann. Der Gedanke ist meiner Ansicht nach leider nicht so populär, weil er oft mit Verzicht in Verbindung gebracht wird. Wenn man jedoch eine andere Rahmung nutzt, könnte man sich von einem möglichen Verzicht weg und auf die Frage zubewegen, was ein gutes Leben wirklich ausmacht und beim Konsum entsprechend bewusster vorgehen. Wie eingangs bereits angedeutet, lassen Produktideen wie die von YLN eine mögliche Zukunftsvision eines solchen ressourcenschonenden Lebens Realität werden. Sie stärken so die Selbstwirksamkeit der Menschen, ein nachhaltigeres Leben auf unserem Planeten Erde mitzugestalten. Man erreicht die Menschen wahrscheinlich am aller ehesten, wenn sie Teil dieser Geschichte sind und diese mit erzählen können.

[1] Zell-Ziegler, Corinna/Förster, Hannah: Mit Suffizienz mehr Klimaschutz modellieren. Relevanz von Suffizienz in der Modellierung. Übersicht über die aktuelle Modellierungspraxis und Ableitung methodischer Empfehlungen, im Auftrag des Umweltbundesamtes, Berlin 2018, S. 13-14, URL: Mit Suffizienz mehr Klimaschutz modellieren – Relevanz von Suffizienz in der Modellierung, Übersicht über die aktuelle Modellierungspraxis und Ableitung methodischer Empfehlungen – Zwischenbericht (researchgate.net), letzter Zugriff am 28.03.2022.

ÜBER DIE INTERVIEWPARTNERIN

© Hoffotografen

Alien Spiller ist im Politikumfeld tätig und befindet sich gerade in beruflicher Umorientierung. An der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde studiert sie berufsbegleitend strategisches Nachhaltigkeitsmanagement.  Aktuell schreibt Alien an ihrer Masterarbeit, die sich auch um das Thema Suffizienz  und Ästhetik dreht.