Wie Sie Energie sparen können – ein Gastbeitrag von Dr. Klaus Müschen

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Acht von zehn Menschen in unserem Land wissen, dass sie wegen des Klimawandels ihre Art und Weise zu leben ändern müssen. Alle und jede*r ist gefragt, wenn wir innerhalb von zwei Jahrzehnten keine fossilen Brennstoffe mehr verbrauchen wollen, um so das Klima zu schützen. Die Nutzung von Energie für alle menschlichen Aktivitäten ist ein zentraler Baustein. Für unser Verhalten gilt: „Weniger ist mehr!“  Und dies in allen Lebensbereichen – von der Arbeit über das Wohnen, den Transport, die Freizeit, den Konsum. Was ist zu tun? Gehen wir ins Detail.

Deutsche haben mit den größten ökologischen Fußabdruck auf unserem Planeten. Jede*r kann mithilfe eines CO2Rechners selbst herausfinden, wie sein/ihr Verhalten im Alltag, bei der Arbeit oder auf Reisen dabei wirkt.

Wohnen

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70% der Energie beim Wohnen werden für das Heizen verwendet. In jeder Wohnung können wir durch bewusstes Heizen und Lüften Energie sparen. Dazu sollten Fenster abgedichtet werden, Rollläden und Vorhänge nachts genutzt werden, um den Wärmeverlust zu mindern. Wichtig ist es, für die verschiedenen Räume die richtige Raumtemperatur zu finden. Das Umweltbundesamt empfiehlt für den Wohnbereich 20-22° C, für die Küche 18° C, für Schlafzimmer 17-18° C und für das Bad 22° C. Nachts sollte je nach Lebensrhythmus die Temperatur um 4-5° C abgesenkt werden.

Aber wie sind die Häuser beschaffen, in denen wir leben? Für Hauseigner*innen sind bauliche Maßnahmen sehr effektiv, um den Energieverbrauch zu senken. Eine gute Wärmedämmung sollte beim Neubau oder bei der Sanierung, ebenso wie ein effizientes Heizsystem möglichst mit erneuerbaren Energien  geplant werden. Hilfreich ist dabei die Unterstützung durch Energieberater*innen und die Hinweise auf entsprechenden Webseiten, z.B. auf der Internetseite von Blauer Engel.

Natürlich hängt der Energieverbrauch auch von der Fläche ab. Wie viel Quadratmeter braucht der Mensch zum Wohnen?  Seit den sechziger Jahren hat sich die Wohnfläche pro Person in Deutschland von 20 m² mehr als verdoppelt. Diese Entwicklung wirkt der steigenden Energieeffizienz entgegen. Und hier kann jede*r selbst durch die Wahl der Größe der Wohnung aktiv werden.

Ernährung

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Besonders klimaschädlich sind tierische Produkte wie Fleisch, Käse oder Butter. Gegenüber Rindfleisch wird bei der Produktion von Obst und Gemüse weniger als ein Zehntel an Treibhausgasen emittiert. Daher ist eine mediterrane Kost nachhaltiger mit sehr viel weniger Fleisch, viel Gemüse und wenig Kohlenhydraten. Noch nachhaltiger ist es, sich vegetarisch oder vegan  zu ernähren. Wichtig ist es ebenso, dass die Lebensmittel regional und saisonal erzeugt und genutzt werden. So werden große zusätzliche Transporte vermieden.

Mobilität

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Den Energieverbrauch im Verkehr beeinflussen wir am meisten durch Fernreisen, die gefahrenen Kilometer mit dem Auto sowie den Kraftstoffverbrauch der Verkehrsmittel. Technische Verbesserungen für die Energieeffizienz im Verkehr der letzten Jahrzehnte wurden durch mehr Verkehr und umweltschädlichere Formen konterkariert.

Nachhaltig mobil sein bedeutet, die Schädigung der Umwelt durch kohlenwasserstoffhaltige Treibstoffe und Ressourcenverbrauch so weit wie möglich zu reduzieren. Priorität hat der Umstieg auf den „Umweltverbund“: Busse, Bahnen, Fahrrad und Zu-Fuß-Gehen. Das Auto sollte so wenig wie möglich – wenn überhaupt vorhanden – benutzt werden.

In einem Modellversuch mit 32 Wuppertaler Bürger*innen  konnten zwei Drittel der Treibhausgase im Verkehr eingespart werden. Folgende Handlungsoptionen stehen zur Verfügung: Wege mit verhaltensbedingt geringem Emissionsfaktor zurücklegen, Wegelängen verkürzen, Wegeanzahl verringern. Die sparsamsten Teilnehmenden erreichten sogar eine Minderung der Treibhausgase von 90%.

Nun ist das Ergebnis des Modellversuchs nicht ohne Weiteres von einer Großstadt mit gutem Nahverkehr auf ländliche Regionen übertragbar.  Daher müssen auch dort die Rahmenbedingungen verbessert werden. Dieselben Regeln gelten gleichermaßen beim Reisen für die Verkehrsmittel. Für längere Reisen sollte die Bahn benutzt werden. Bleibe im Lande und genieße stressfrei den Urlaub.

Konsum

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Auch hier gilt „Weniger ist Mehr”. Es betrifft alle Kaufentscheidungen, die wir in unserem Leben treffen. Achten wir auf Langlebigkeit von Produkten, auf lokale und regionale handwerkliche Produktion, auf Energieeffizienz, Wiederverwendbarkeit und Recycelbarkeit.

Die Anti-Verbraucher-Pyramide von #kaufnix zeigt den richtigen nachhaltigen Weg auf für welches Produkt auch immer, Möbel, Haushaltsgeräte, Werkzeug, Kleidung,  täglicher Bedarf, usw..

Information und Kommunikation

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Unser Informationsverhalten hat sich in den letzten Jahren massiv verändert. Elektronische Medien werden häufiger verwendet, der damit erzeugte Energieverbrauch steigt immer stärker, aber wird meist nicht beachtet. Nicht nur bei den Endgeräten, sondern in der ganzen Nutzungskette von der Produktion über die Speicherung in Servern und die Verteilung im Netz.

Eine neue französische Studie weist nach, dass die Energieintensität jedes Jahr um rund vier Prozent zunimmt. Wir brauchen nicht nur effizientere Geräte, sondern auch ein geändertes Nutzungsverhalten und zusätzliche Anstrengungen, auf diese Techniken zu verzichten.

Ein Dilemma der „Weniger ist mehr“-Strategie ist der sogenannte Suffizienz-Rebound. Unsere Gesellschaft ist so reich, dass Verzicht oder Reduzierung von Aktivitäten in einzelnen Bereichen als Auslöser für Mehrkonsum in anderen Bereichen wirken kann. Es gilt also aufmerksam zu sein und zu bleiben, um die jeweiligen Auswirkungen unserer Handlungen zu bewerten.

Die Broschüre “Klimaneutral Leben” des Umweltbundesamtes zeigt an Beispielen unterschiedlicher Lebensweisen, wie individuelle Einsparpotenziale genutzt werden können. Jede*r ist selbst verantwortlich für seinen/ihren ökologischen Fußabdruck!

Individuelle Entscheidungen ersetzen keine strukturellen Änderungen und umgekehrt. Beides ist notwendig. Daher müssen wir für den Klimaschutz auch politisch steuern durch  CO2-Steuer, Emissionshandel, EEG-Umlage, Plastikverbote, Tempolimit, Förderung von Power to X  oder Netzausbau. Aber das ist eine andere Geschichte.

Die Techniken sind vielfältig erforscht, es kommt darauf an, sie anzuwenden.

Über den Autor
© Klaus Müschen

Dr. Klaus Müschen arbeitet seit 40 Jahren im Klimaschutz und zur Energiewende. Von 2006 bis 2016 leitete er die Abteilung „Klimaschutz und Energie“ am Umweltbundesamt in Dessau. Davor leitete er seit 1989 das Referat Klimaschutz und Energieplanung/Informations-system Umwelt der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz des Landes Berlin. In dieser Zeit vertrat er Berlin im Aufsichtsrat der Berliner Energieagentur.  Nach dem Studium der Elektrotechnik und Sozialwissenschaften an der Universität Hannover promovierte er 1979 in Politischer Wissenschaft und Soziologie. Danach arbeitete er als Berufsschullehrer, als Hochschulassistent für Elektrotechnik an der Universität Hamburg und nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl am Öko-Institut in Freiburg zu Ausstiegsszenarien und zu Energiedienstleistungen.

Leihen statt kaufen

Der heutige Beitrag bezieht sich auf die 4. Stufe der Anti-Verbraucher-Pyramide, die das (Ver)leihen von Konsumgütern als Alternative zum Kaufen vorschlägt.

Gerade wenn ein Gegenstand, wie zum Beispiel ein Werkzeug, nur für eine einmalige Benutzung gebraucht wird, macht es bereits aus finanzieller Sicht mehr Sinn, den Gegenstand auszuleihen anstatt diesen zu kaufen. Zudem kommt die ökologische Komponente hinzu, da Ressourcen geschont werden, wenn der Gegenstand nicht neu produziert werden muss.

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Die meisten Menschen kennen das Konzept des Leihens insbesondere im Nachbar*innen-, Freund*innen- oder Bekanntenkreis. Angenommen das eigene Fahrrad hat einen platten Reifen und man bekommt von einer Freundin das Angebot mit ihrem Fahrrad in die Stadt zu fahren. Davon profitieren beide Parteien, da es praktisch ist und die eine Person der anderen eine Freude macht.

Zunehmend findet das Konzept auch im öffentlichen Rahmen Beachtung. Es gibt zahlreiche Internetplattformen, über die Personen entweder für einen geringen Preis oder gänzlich umsonst Dinge ausleihen können.

In Berlin können auf dieser Plattform aus verschiedenen Kategorien umsonst Dinge ausgeliehen werden können, wenn die Nutzenden sich anmeldet haben und selbst drei Dinge zum Ausleihen anbieten. Die Kategorien der Gegenstände, die sich zum Leihen eignen, reichen hierbei von Elektronik, über Haushaltsgeräte bis hin zu Spielen und Werkzeugen.

Für bestimmte Bereiche wie beispielsweise Bücher nutzen viele Personen die Möglichkeit des Ausleihens in der Bibliothek. Dahingegen ist das Ausleihen von Kleidung außerhalb des Familien- Freund*innenkreises eher ungewöhnlich.

©KALEIH

Celin ist Gründerin des Projekts KALEIH. Sie hat auf EcoCrowd, der nachhaltigen Crowdfunding-Plattform der Deutschen Umweltstiftung, im Februar eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne gestartet. In ihrem Projekt KALEIH handelt es sich um einen nachhaltigen Kleidungsverleih, bei dem als Alternative zum neu kaufen Second-Hand-Kleidung verliehen wird.

Durch dieses Konzept muss kein Kleidungsstück unter unfairen, menschenunwürdigen und umweltschädlichen Bedingungen neu produziert werden und die Nutzungs- und Lebensdauer von vorhandenen Kleidungsstücken wird verlängert.

Insgesamt bietet das Leihen Vorteile auf allen Ebenen der Nachhaltigkeit – Soziales, Ökonomie und Ökologie. Geld wird gespart, Ressourcen werden geschont und vorhandene Kontakte gestärkt oder neue Kontakte geknüpft.

Schluss mit unbedachtem COnsum

Wenn wir uns keine Gedanken über unseren CO2-Ausstoß machen, erübrigen sich Flugreisen in wärmere Gefilde bald von selbst. Foto: NickCanon / Pixabay

Fast zwölf Tonnen CO2 verbrauchen Deutsche durchschnittlich jedes Jahr. Um die aktuellen Klimaschutzziele zu erreichen, dürften wir allerdings nur etwa 4 Tonnen verbrauchen – also ein Drittel des aktuellen Werts.

Aber wie erreichen wir diese Einsparung? Zuallererst, indem jede*r von uns bei sich selbst anfängt! Wissen Sie, wie viel CO2 Sie jedes Jahr verbrauchen? CO2-Rechner wie der vom Umweltbundesamt verraten es Ihnen.

Damit können Sie nicht nur Ihren aktuellen Verbrauch berechnen, sondern auch eine Verlaufskurve Ihres persönlichen Verbrauchs bis 2050. So sehen Sie anschaulich, in welchen Bereichen Sie noch Spielraum für Einsparungen haben und können Ihre Bilanz für die Zukunft optimieren.

Eine Alternative für Quizfans ist der Klimarechner von WWF. Bei dieser Variante machen Sie in 35 Fragen Angaben zu Ihrem persönlichen Konsumverhalten. Daraus wird anschließend ihr CO2-Fußabdruck berechnet:.

Praktisch dabei: Unter jeder Frage finden Sie Tipps, wie Sie ihren CO2-Verbrauch im konkreten Fall vermindern können. Ihr Ergebnis können Sie sich anschließend per E-Mail zusenden lassen.

Eine Alternative speziell für Autofahrer*innen und Flieger*innen sind die CO2-Rechner von Atmosfair und Naturefund: Hier brauchen Sie jeweils nur zwei Angaben zu machen, um die ausgestoßene Menge CO2 für eine bestimmte Fahrt oder einen bestimmten Flug zu berechnen.

Die Angaben dieser beiden Rechner sind zwar weniger detailliert und lassen auch keine Angaben zu künftigen Entwicklungen zu. Dafür können Sie direkt im Anschluss an die Berechnung Bäume pflanzen oder nachhaltige Projekte unterstützen, um ihren CO2-Ausstoß zu kompensieren.

Damit verringern Sie nicht nur Ihren persönlichen ökologischen Fußabdruck – Sie vergrößern auch Ihren ökologischen Handabdruck. Dieser Wert soll ein positives Gegenmodell zum ökologischen Fußabdruck darstellen. Denn nicht die negativen Auswirkungen auf die Umwelt, sondern der gesellschaftliche und nachhaltige Mehrwert von Handlungen und Produkten steht hier im Fokus. In diesem Sinne: Einfach mal die Füße hochlegen, Hand drauf!

Tauschen

Durch Kaufkonsum von neuwertigen Produkten wird Wirtschaftswachstum unterstützt. Flohmärkte und Online-Plattformen wie „Kleiderkreisel“ oder „Ebay-Kleinanzeigen“ bieten hier nur teilweise eine Alternative. So werden als gebraucht deklarierte Sachen immer öfter überteuert verkauft. Mit Blick auf die dritte Stufe der Anti-Verbraucher-Pyramide „Tauschen“ kann dieses Problem umgangen werden.

Durch Kleidertauschpartys kann man seinen Kleiderschrank umkrempeln. Als Extra spart man, durch den Verzicht auf neue Klamotten, Energie und vermindert den Ressourcenverbrauch. Foto: rose_mcavoy / Pixabay

Ein gutes Beispiel für die dritte Stufe „Tauschen” bieten sogenannte „Kleidertauschpartys“. Wie das Wort „Kleidertausch“ vermuten lässt, tauschen Menschen ihre mitgebrachten Anziehsachen, die sie nicht mehr haben wollen.

Kleidertausch Kreuzberg

Vor über drei Jahren wurde die ehrenamtliche Initiative „Kleidertausch Kreuzberg” in Berlin gegründet. Egal ob für Kinder, Frauen oder Männer – hier ist jede Art von Bekleidung gewünscht.

©Deutsche Umweltstiftung
Alle drei Monate findet der Kleidertausch für Erwachsene statt.

Die Kleidertauschparty in der Nostitzstraße läuft wie folgt ab:

Zuerst wird die Kleidung nach Größe oder Sorte sortiert. Dabei spielt die Anzahl der mitgebrachten Kleidungsstücke keine Rolle. Jedoch sollten sie unbeschädigt sein. Die Kleidung, die nicht mitgenommen wurde, kann von dem/der Besitzer*in wieder mitgenommen werden. Ansonsten wird sie für einen guten Zweck gespendet.

„Auch wenn es Ausnahmen gibt und die Qualität der Kleidung manchmal nicht unseren Vorstellungen entspricht, stellen wir doch fest, dass es meist genug für alle gibt und die Solidarität groß ist”, erzählt Jennifer G.

KlamottenTauschbar Spandauer Damm

„KlamottenTauschbar” findet seit 2014 auch im Partykeller des Studierendenwohnheims in Berlin statt. Der Kleidertausch wird von der Selbstverwaltung des Gebäudes zusammen mit ehemaligen Mitgliedern alle halbe Jahre organisiert.

©Deutsche Umweltstiftung
In der Mitte des Raumes sind Tische aufgestellt, auf denen die mitgebrachten Anziehsachen liegen. Für Blusen, Hemden und Jacken gibt es Kleiderstangen mit Bügeln.

Möglichkeit für Begegnungen und Austausch

Eine Treppe führt hinunter zum Partykeller. An der Wand hängen Billardstäbe. Drumherum stehen Sofas, auf denen Menschen sich über Themen wie Konsumverhalten und Nachhaltigkeit unterhalten. Zwei kleine Jungs sind mit dem Kicker beschäftigt, während die Eltern sich am Buffet auf Spendenbasis bedienen. Der umfunktionierte Partykeller wird ein Ort für soziale Kontakte.

Gespräche und Diskussionen entstehen auch wegen eines kleinen runden Tisches in einer Ecke des Raumes. Darüber hängt ein Zettel, auf dem geschrieben steht: “Müllecke – für alles mit Löchern und Flecken”. Bei jedem Kleidertausch entsteht dort ein großer Berg an Kleidung und soll die Menschen zum Nachdenken und selbst reflektieren anregen.

Was außerdem auffällt – es gibt nur Frauenkleidung zur Auswahl. Männer sind meistens nur die Begleitung. Deswegen versuchte die Selbstverwaltung, die männliche Beteiligung zu erhöhen. Zudem wünscht sich eine Mitveranstalterin, dass die Kleidertauschparty eine Möglichkeit für einkommensschwache Personen biete. Die Gäste sind nicht verpflichtet, Kleidung mitzubringen und die Anziehsachen befinden sich in einem guten Zustand.

Kleidertauschparty „NEO – Nachhaltiges Engagement Osnabrück”

NEO wurde von Studierenden der Hochschule Osnabrück im Jahr 2016 gegründet.

©NEO – „Nachhaltiges Engagement Osnabrück”
Die mitgebrachten Kleidungsstücke werden nach Größe sortiert.

Was mit den Anziehsachen am Ende des Kleidertausches geschieht:

Die übergebliebenen Sachen des Kleidertausches werden an lokale Organisationen aufgeteilt. Das Hauptkriterium bei der Auswahl der Organisationen ist, dass die Kleidung weiterverwendet wird. Dazu zählen die Sozialkaufhäuser der Caritas und der DRK-Laden des Deutschen Roten Kreuz. Dort werden die Anziehsachen zu einem geringen Preis verkauft und die Erlöse für die Finanzierung sozialer Angebote genutzt. Der Rest wird zum Beispiel an die Wärmestube oder die Kleiderkammer vom Deutschen Familienverband vergeben und an Obdachlose und Bedürftige verteilt.

„Der Wunsch der Veranstalter*innen ist es, das Bewusstsein für Nachhaltigkeit zu vertiefen. Außerdem ermöglicht NEO soziale Verantwortung in der Hochschule und Gesellschaft”, sagt Mona S.

Neben zahlreichen Kleidertauschpartys organisiert NEO verschiedene Veranstaltungen und führt diese durch. Dazu gehören zum Beispiel konsumkritische Stadtrundgänge, Workshops zur Herstellung von Reinigungs- und Pflegeprodukten, Vorträge und Filmvorführungen zu nachhaltigen Themen.

Wir bedanken uns bei den Veranstalter*innen für Ihre Unterstützung.

Auf der Veranstaltungsseite von Greenpeace finden Sie Kleidertauschpartys, die in Ihrer Nähe stattfinden. Oder sind Sie daran interessiert, Ihren eigenen Kleidertausch zu organisieren? Dann finden Sie hier eine Vorlage.

Änderung von Konsummustern? – ein Interview mit Claudia Kemfert

Unser heutiges Interview im Rahmen der #kaufnix-Kampagne mit der Wirtschaftswissenschaftlerin Frau Prof. Dr. Kemfert dreht sich um das Wachstumsparadigma und mögliche Handlungsoptionen, die zu mehr Nachhaltigkeit führen.

Änderung von Konsummustern?

Deutsche Umweltstiftung (DUS): Unsere Kampagne fordert ein Ende des maßlosen Konsums. Dies würde sich auch negativ auf das Wirtschaftswachstum auswirken. Was denken Sie, brauchen wir Wirtschaftswachstum? Warum bzw. warum nicht?

Claudia Kemfert (CK): Wachstum ist eigentlich etwas Wunderbares – nicht nur in der Kindheit wachsen wir, sondern unser ganzes Leben lang. Menschen, Tiere und Pflanzen sind Teil eines ewigen Kreislaufes aus Werden und Vergehen. Leben ist Wachstum. Die Erde ist über Milliarden von Jahren zu dem gewachsen, was sie heute ist. Und sie dreht sich immer weiter. Wäre das Wirtschaftswachstum ähnlich organisiert, würden wir uns darüber freuen.

Problematisch ist ein ungezügeltes Wirtschaftswachstum, das den Planeten zerstört statt ihn zu beleben. Wir müssen das Wirtschaftswachstum vom fossilen Energieverbrauch entkoppeln. Und wir müssen uns abgewöhnen, das Wirtschaftswachstum als Maßstab für Wohlstand zu definieren. Statt vor der Tagesschau Börsenkurse zu zeigen, sollten wir lieber die Indikatoren der Nachhaltigkeit unseres Planeten erfahren: Ressourcenverbrauch, die Sauberkeit der Luft oder der Anteil erneuerbarer Energien.

Wachsender Umweltschutz, wachsende Gesundheit, wachsender Zugang zu sauberem Trinkwasser und sauberer Energie hingegen sind wünschenswert. Der wachsende Einsatz von beispielsweise erneuerbarer Energien, klimaschonender Mobilität, steigender Gesundheitsvorsorge sowie Techniken zur Herstellung von sauberem Trinkwasser kann für wachsenden Wohlstand sorgen. Dann wäre Wirtschaftswachstum nicht die Ursache eines globalen Klimawandels, sondern dessen Lösung.

DUS: Sind die Klimaschutzziele und uneingeschränkter Konsum miteinander vereinbar? Sollten wir unseren jetzigen Konsum einschränken?

CK: Auch hier ist die Frage: Konsum von was? Konsum, der zu Überfischung, Vermüllung und Zerstörung der Erde führt, muss natürlich aufhören und zwar sofort! Aber wir werden die Treibhausgase nicht allein über Verzicht um 95% reduzieren. Ein solches Ziel scheint unerreichbar fern. Wir müssen den Menschen einen machbaren Weg zeigen und dafür auch politisch die Weichen stellen. Statt Askese zu predigen und zu üben, sollten wir uns freuen: Mit Klimaschutz bleibt die Welt lebenswert. Klimaschutz macht Spaß. Und nachhaltig konsumieren ist einfach.

DUS: Was braucht es, um das angestrebte 2-Grad-Ziel zu erreichen? Denken Sie, es ist machbar, dieses Ziel zu erreichen?

CK: Sicher ist das machbar! Es bedarf aber eines kompletten Umsteuerns in allen Bereichen: Ab sofort muss jede Investition statt in fossile in erneuerbare Energien fließen. Das Motto lautet: „Renewables First“!  Also Schluss mit Subventionen für fossile oder atomare Energien. Stattdessen müssen die Folgeschäden endlich eingepreist werden. Wenn Öl, Gas und Kohle so teuer wären, wie sie es in Wahrheit sind, werden die Leute mit großer Begeisterung auf Wind, Wasser, Sonne und Geothermie umsteigen. Wir brauchen eine Regulierung der Finanzmärkte für attraktive Investitionen in die globalen Energiewende. Das ist der Anfang und mit dem entsprechenden politischen Willen leicht umzusetzen. Dann geht’s weiter mit dem nächsten Schritt: Alle Produkte müssen nachhaltig und recycelbar sein. Die Mobilität sollte öko-elektrisch und klimaneutral sein. Auch das kann man durch entsprechende Rahmenbedingungen ermöglichen und einen Wettbewerb klimabewusster Ökonomie in Gang setzen.

Handlungsmöglichkeiten zu mehr Nachhaltigkeit

DUS: Effizienz, Suffizienz und Konsistenz gelten als Strategien der nachhaltigen Entwicklung. Wenn Sie diese Strategien gewichten, wie würde das aussehen und warum?

CK: Das Problem an solchen Begriffen ist leider immer, dass man sich erstmal verständigen muss, was damit gemeint ist. Dabei ist doch klar, dass wir – nach über 40 Jahren Diskussion über die Grenzen des Wachstums, über Umwelt- und Klimaschäden als Folge unseres Wirtschaftens – jetzt endlich handeln müssen.

Effizienz, die Vermeidung von Verschwendung, also mit möglichst wenig Ressourcenverbrauch ans Ziel zu kommen, ist dabei natürlich wichtig. Andererseits neigt der Mensch dazu, ständig mehr zu wollen. Das führt zu sogenannten Rebound-Effekten. Autos beispielsweise verbrauchen heute theoretisch weniger Sprit als früher, tatsächlich aber verbrauchen sie mehr, weil sie größer und schwerer geworden sind und mit Klimaanlage und elektronischem Service unterm Strich einen höheren Energieverbrauch haben als die Spritfresser früherer Jahrzehnte.

Suffizienz, Genügsamkeit, ist deswegen der logische nächste Schritt. Oder anders gesagt: Verzicht scheint unverzichtbar. Wir brauchen ein Konsumbewusstsein, das den realen Bedarf hinterfragt und vor allem die jeweiligen Folgen eines bestimmten Konsumverhaltens einbezieht. Wenn wir nicht von selbst aufhören, immer mehr zu brauchen, müssen wir eine klimaverträgliche Obergrenze definieren. Eine Art CO2-Budget ist sinnvoll: wenn jeder Mensch nur noch 6,5 Kilogramm CO2 pro Tag ausstoßen darf, dann wird er lernen, wie er mit weniger zurecht kommt. Jedes Land ist gefordert, dass dieses Klima-Budget nicht überschritten wird und muss dies mit entsprechenden Maßnahmen umsetzen.

Konsistenz, Kreislaufwirtschaft, also eine Welt ohne Abfälle, in der alles wiederverwertet wird, ist ein verlockender Gedanke. Die Natur macht es uns in wunderbarer Weise vor. Bislang gelingt es uns nur, die Lebensdauer von Rohstoffen im Verwertungsprozess zu verlängern, von echten Kreisläufen kann kaum die Rede sein. Es wird zwar viel von „Re-Cycling“ gesprochen, aber vollkommene Kreisläufe sind noch Utopie.

Deswegen ist die Strategie-Diskussion nicht hilfreich, erst recht nicht die Frage, welche der Strategien die beste ist. Derzeit sollten wir alle drei Wege beschreiten, gleichzeitig nebeneinander oder am besten miteinander verzahnt. Hauptsache, wir kommen endlich mit großen Schritten weiter!

DUS: Wie schätzen Sie die Handlungsmöglichkeiten der Politik ein? Wie kann/muss die Politik dazu beitragen, Suffizienz zu verwirklichen?

CK: Die Verantwortlichen in der Politik sind genauso gefragt wie jeder einzelne Mensch. Es geht vor allem darum, jegliches Wirtschaften komplett auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz auszurichten. Dies braucht einem bunten Strauß an Instrumenten aus Ordnungsrecht und ökonomischen Rahmenbedingungen. Die Politik muss die Instrumente bauen und zur Verfügung stellen; die Menschen müssen dann verantwortungsbewusst, kreativ und harmonisch auf ihnen spielen.

DUS: Was denken Sie über die Bewegung “Scientists for Future”? Unterstützen Sie die Bewegung?

CK: Ich habe als eine der Erstunterzeichnerinnen den Appell unterzeichnet unterstütze die Bewegung und war bisher auch beim March for Science dabei. Die Wissenschaft hat die Aufgabe, wissenschaftliche Erkenntnisse in die aktuelle Debatte einzubringen und auf die Dringlichkeit des Handelns hinzuweisen. Die Schülerinnen und Schüler der „Fridays for Future“ fordern völlig zu recht viel ambitionierteres Handeln ein, sie sind die Betroffen. Die Wissenschaft liefert seit über 40 Jahre wissenschaftliche Fakten, die Politik reagiert zu zögerlich und zu spät. Wir haben keine Zeit mehr. Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein Handlungsproblem.

DUS: Sie arbeiten in einem Institut. Warum haben Sie sich für dieses Institut entschieden und was denken Sie, ist die Rolle des Instituts in der nachhaltigen Entwicklung?

CK: Wir liefern seit über 15 Jahren wissenschaftliche Erkenntnisse zum besseren Verständnis, welche ökonomischen Konsequenzen ein ungebremster Klimawandel und auch Klimaschutzmaßnahmen haben werden. Die Rolle der Wissenschaft ist eindeutig: wissenschaftliche Erkenntnisse müssen in der Politikberatung und in der öffentlichen Diskussion eingebracht werden.

Über die Interviewpartnerin

© D. Güthenke

Frau Prof. Dr. Claudia Kemfert hat Wirtschaftswissenschaften studiert und leitet seit 2004 die Abteilung „Energie, Verkehr, Umwelt“ am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Sie ist Professorin für Energieökonomie und Nachhaltigkeit an der privaten Universität, der Hertie School of Governance, in Berlin und als Gutachterin und Politikberaterin in verschiedenen Nachhaltigkeitsbeiräten und Kommissionen tätig.