Projektarbeit zu Suffizienz an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE)

Im Wintersemester 2021/22 haben Studierende mögliche Lösungswege für mehr Nachhaltigkeit und weniger Leistungsdruck an der HNEE formuliert. Auf Ihrem Plakat (siehe Bild 1) zeigen sie anhand verschiedener Bereiche des Hochschulsystems, inwiefern diese im Rahmen der 4 E’s der Suffizienz angepasst werden könnten.

Suffizienz meint in dem Kontext, das „richtige“ und „notwendige“ Maß von Ressourcenverbrauch anzustreben, sowohl auf individueller als auch auf organisationaler Ebene. Häufig werden die vier E’s nach Wolfgang Sachs genutzt – Entschleunigung, Entflechtung, Entkommerzialisierung und Entrümpelung – um sich am richtigen Maß zu orientieren.

Bild 1: Suffizienz an der HNEE

Wie sind die vier E´s an der HNEE umsetzbar?

Die Studierenden sehen das größte Potenzial zur Verbesserung der Strukturen in den Bereichen Vernetzung, Bürokratieab- und umbau und der Material-Ressourceneinsparung.

Vernetzung: Die Intensivierung der Vernetzung, d. h. verbesserter Austausch und Kontakt zwischen den Hochschulangehörigen, sowie der Ausbau von fachübergreifenden Lehrveranstaltungen, soll zu Entschleunigung führen. Um das zu bewerkstelligen, sei es notwendig, reale Orte am Standort der Hochschule zu schaffen. Das können sein (1) Silence Space für Ruhe und Achtsamkeit; (2) Aufenthaltsräume, Cafés etc. zum Austausch und für Pausen; (3) Orte der Beratung für Familien und internationale Studierende und Burn-Out-Prävention; und (4) Food-Sharing und Schenkschränke als Orte nach dem Common-Prinzip. Diese Orte sollten gleichermaßen für alle Hochschulangehörigen zugänglich sein.

Bürokratieab- und umbau: Entflechtung werde insbesondere durch Bürokratieabbau erzeugt, indem Zugang zu den Angeboten für alle Menschen z. B. mit Familie, Job und anderen Sondersituationen ermöglicht wird. Die Umstrukturierung, vorwiegend die Vereinfachung der Bürokratie, führe dazu, dass der Transferprozess von Informationen intensiviert wird. Das bedeute, dass transferiertes Wissen z. B. im Rahmen von Amtswechseln in Gremien vereinfacht zugänglich ist.

Material-Ressourceneinsparung: Die Wiederverwendung und Einsparung von Materialien und Ressourcen wird als Maßnahme der materiellen Entrümplung vorgestellt. Eine Umfrage hat ergeben, dass die Studierenden Möglichkeiten der Einsparung vor allem in den Bereichen Heizung/Wärme, Druckerpapier, Wasser, Lehrinhalte und Strom sehen. An der HNEE gibt es bereits einen Beschaffungsleitfaden, welcher den Materialkauf und die Frage „Wann wird etwas weggeworfen?“ regelt. Die Studierenden fordern zudem die Einsparung von z. B. Labormaterialien.

Wie kann der Leistungsdruck an der Hochschule verringert werden?

Neben der materiellen Suffizienz fokussierten die Studierenden auch den sozialen Bereich der Suffizienz. Laut einer Umfrage empfinden 11,38 Prozent der Studierenden, Lehrenden und Mitarbeitenden der Hochschule sehr starken und 45,51 Prozent der Befragten starken Leistungsdruck. Können Ansätze der Suffizienz dem Empfinden hoher Belastung und Leistungsdruck entgegenwirken?

Zur Verbesserung der Lebensqualität an der Hochschule brauche es grundlegende Rahmenbedingungen, die Entschleunigung sowie Entkommerzialisierung hervorrufen. Da Stress auf subjektiver Wahrnehmung beruht, dürfen die Maßnahmen jedoch nicht zu spezifisch formuliert sein. Nachjustieren könnte die HNEE etwa, indem flexible Möglichkeiten der Zeiteinteilung geschaffen werden. Die Auswahl zwischen Voll- und Teilzeit sollte frei wählbar sein und das Angebot von Prüfungszeiträumen müsse ausgebaut werden. Zudem sind das Vertrauen und die Wertschätzung zwischen den Hochschulangehörigen essentiell, um das Gefühl des Leistungsdrucks zu vermindern.

Fazit/Ausblick

Um ein optimales Maß zwischen Einsparung und Verzicht zu finden, sollte Suffizienz in der Hochschulpolitik und -kultur offen besprochen werden. Eine Suffizienzstrategie kann dazu beitragen, die Lebensqualität für alle an der Hochschule zu verbessern. In einem Interview mit Studierenden aus dem Projekt wird deutlich, an welchen Stellen die HNEE bereits Suffizienz praktiziert und wo es Verbesserungsbedarf gibt.

Veröffentlichungen zum Thema Suffizienz an der HNEE

Allan Dietz (2021): Die Gewaltfreie Kommunikation als Ansatz zur Förderung von suffizientem Handeln an Hochschulen. Eine Fallstudie zur Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE). Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde.

Radka Geißler (2022): Mehr ist weniger. Suffizienz an der HNEE. Online unter URL: https://www.ackerdemiker.in/post/mehr-ist-weniger-suffizienz-an-der-hnee (Abruf: 13.10.2022).

Marcel Pfeifer (2022): Konzeptvorschlag zur Entwicklung einer Suffizienz-Strategie für die HNEE. Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde.

Suffizienz im Lichte der ökologischen Nachhaltigkeit im Koalitionsvertrag

Seit Jahrzehnten warnen Wissenschaftler*innen vor dem zunehmend negativen Einfluss des menschlichen Handelns auf den Planeten. Parallel demonstrieren immer mehr Menschen regelmäßig für eine ökologische Wende. Der Ruf nach mehr klimapolitischer Initiative seitens der Politik war im letzten Wahlkampf dementsprechend deutlich zu vernehmen. Umweltverbände und Klimaaktivist*innen wie Luisa Neubauer und Greta Thunberg sprachen noch wenige Tage vor der Wahl davon, dass es sich ökologisch betrachtet um eine Jahrhundertwahl handle.

Dementsprechend hoch war die Erwartungshaltung vieler, dass sich mit der neuen Regierung nun endlich etwas ändern wird. Am 24. November war es dann soweit und die Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen stellte ihren Koalitionsvertrag vor.

Aber wie viel Umweltschutz steckt jetzt eigentlich im neuen Koalitionsvertrag?

Kurz gesagt: Hinter allen Versprechen und Zielen steckt, wie so oft, die gleiche alte Denkweise: Man fokussiert sich lediglich auf Aspekte der populären Nachhaltigkeitsstrategien: der Effizienz und Konsistenz. Dies alleine wird jedoch nicht ausreichen, um das 1,5 Grad Ziel zu erreichen. Daher sollten wir uns bereits heute auf die Suche nach Alternativen machen. Eine davon ist Suffizienz.

Suffizienz findet sich aber mit keinem Wort im Koalitionsvertrag wieder.

Die Deutsche Umweltstiftung fordert daher schon lange ein Umdenken in Politik und Gesellschaft hin zu mehr Suffizienz. Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Umweltstiftung Jörg Sommer mahnt:

„Wir besitzen, plündern, verkaufen und zerstören Ökosysteme, die uns nicht gehören – und nennen das erfolgreiches Wirtschaften. Die Menschheit hat sich verheddert, verwirtschaftet und verzockt. Wirtschaften ist nichts anderes als der Umgang mit begrenzten Ressourcen. Soziale Gerechtigkeit kann daher auch nur mit und in der Natur gelingen. Oftmals ist das Mantra der digitalen Welt jedoch: „Wachsen, wachsen, wachsen!“.

Jörg Sommer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Umweltstiftung

Um allen Menschen ein “Gutes Leben” innerhalb der planetaren Grenzen zu ermöglichen, braucht es dringend eine kritische Debatte über Glück und Wohlstand. Es soll dabei nicht um Selbstkasteiung und Askese gehen, sondern um die bewusste gemeinsame Auseinandersetzung mit der Frage, welche materiellen und immateriellen Dinge zu einem guten Leben beitragen. Es geht dabei um ein gesundes Maß an Genügsamkeit.

Vor diesem Hintergrund engagiert sich die Deutsche Umweltstiftung seit Jahren für mehr Suffizienz in der Gesellschaft und hat dazu eine Reihe von Projekten und Kampagnen erfolgreich durchgeführt:

Die mehrmonatige Crossmedia-Kampagne “#kaufnix – Schluss mit unbedachtem Konsum” sprach sich 2019 gegen grenzenloses Wachstum und unbedachten Konsum aus. Es war das klare Ziel des Vorhabens, aktuell vorherrschende Konsummuster zur Diskussion zu stellen, die ein maßloses Wirtschaftswachstum beflügeln. Dazu stellte die Deutsche Umweltstiftung in Zusammenarbeit mit zahlreichen renommierten Gastautor*innen und Interviewpartner*innen wie Niko Paech, Angelika Zahrnt und Claudia Kemfert das Konzept der Suffizienz als Lösungsansatz für eine nachhaltige Zukunft vor.

Im Jahr darauf folgte der Schulwettbewerb „Einfach machen – Die Suffizienzdetektive“. Schulklassen, Schüler*innengruppen und Arbeitsgemeinschaften der Sekundarstufe 1 sollten existierendes Wissen rund um das Thema „ressourcensparende Lebens- und Freizeitgestaltung” auf positive Weise bearbeiten. Mittels bestehender Best Practices und niederschwelliger Informationen entwickelten junge Menschen eigene Aktionen für ressourcenschonende Lebensweise im Alltag.

Die vielen Projekte der Schüler*innen und Beiträge von Expert*innen zeigen, dass Suffizienz eine spannende und beachtenswerte Alternative zu etablierten Denkmustern darstellt. Sie begegnet der Problematik planetarer Grenzen durch Sparsamkeit im Umgang mit Ressourcen und einem neuen Blick auf die Welt.

Entsprechend argumentieren auch die Autoren Pierre L. Ibisch und Jörg Sommer des kürzlich veröffentlichten und viel beachteten Ökohumanistischen Manifests, indem sie das tradierte Denken hinterfragen, das unsere multiplen Krisen verursacht hat. Sie setzen ihm ihre im positiven Sinne radikale Philosophie des Ökohumanismus entgegen.

Ihr leidenschaftliches und Mut machendes Manifest verknüpft die Akzeptanz der planetaren Grenzen mit dem Ziel einer gerechten Welt. Es rückt den Menschen und seine Stärken in den Mittelpunkt der Debatte um die Ökologie und unsere Zukunft.

Es bleibt zu hoffen, dass viele Regierungsmitglieder ihr Buch zur Kenntnis nehmen und dieses neue Verständnis Einzug in die Politik der kommenden vier Jahre erhält.

Buchrezension „Transformationsdesigns – Wege in eine zukunftsfähige Moderne“ von Bernd Sommer und Harald Welzer

Einleitung

Das von Bernd Sommer und Harald Welzer verfasste Buch „Transformations Design – Wege in eine zukunftsfähige Moderne“ behandelt die Notwendigkeit von gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Transformationen für eine lebenswerte Zukunft.

Bernd Sommer, der den Forschungsbereich Klima, Kultur und Nachhaltigkeit am Flensburger Norbert Elias Center leitet und Harald Welzer, ein bekannter Soziologe, Autor und Professor für Transformationsdesign an der Europa-Universität Flensburg, setzen sich in ihrem Buch mit Fragen der Gestaltung gesellschaftlicher Veränderungsprozesse auseinander. Sie zeigen auf, wo derzeit die Probleme der Wachstumswirtschaft und Konsumgesellschaft liegen, aber schlagen zugleich Wege vor, diese Probleme langfristig zu überwinden. Deutlich wird vor allem die Dringlichkeit sozialökologischer Transformationsprozesse, um die Ausbeutung von endlichen Ressourcen und klimatische Katastrophen zu stoppen. Das Buch ist 2014 im oekom Verlag erschienen und interessant für alle, die einen praktischen Leitfaden zur Nachhaltigkeitstransformation wollen sowie eine theoretische Analyse derzeitiger Gesellschaftsprozesse.

Hinführung zum Thema

Bernd Sommer und Harald Welzer machen im ersten Teil des Buches deutlich, dass die Gesellschaft in ihrer jetzigen Form unter den sich dramatisch verändernden Umweltbedingungen nicht länger fortbestehen kann. Die größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts wie „erhöhte Ressourcenkonkurrenz, geopolitische Machtverschiebungen, Extremwettereignisse oder steigende Nahrungs- und Energiepreise“ (S. 15) sind mittelfristig zu bewältigen.

Problematisch ist vor allem der Glaube an den Wachstumsmythos: Es würde so gewirtschaftet, als gäbe es unendlichen Wachstum und eine unbegrenzte Anreicherung von natürlichen Ressourcen. Noch haben wir laut den Autoren allerdings die Wahl, ob diese Veränderung eine Transformation „by design“ oder „by disaster“ wird. Transformationsdesign biete eine Möglichkeit, die Transformationsprozesse unter Berücksichtigung des gesellschaftlichen Wohlergehens zu gestalten.

Es seien also grundlegende gesellschaftliche Transformationsprozesse in Richtung Nachhaltigkeit und Klimaschutz notwendig, um die Zukunftsfähigkeit der Moderne zu gewährleisten. Doch wie könnten diese Prozesse konkret aussehen? Die Autoren erklären, wie die Veränderungen auf globaler, gesellschaftlicher und individueller Ebene stattfinden könnten.

Problemlage

Um einen gesellschaftlichen Wandel zu bewirken, stehen folgende drei Aspekte im Zentrum der Betrachtung: Umverteilung, Verzicht und Deprivilegierung.

Damit auch in Zukunft alle Menschen ihre Grundbedürfnisse befriedigen können, müsse „die kapitalistische Wachstumswirtschaft überwunden werden“ (S.48). Doch an dieser Stelle kommt die Frage auf, ob damit auch ein Verlust des heutigen Zivilisierungsniveaus und Lebensstandards einhergeht. Die Autoren sind sich einig: „Will man soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit im globalen Maßstab erreichen, müssen in den reichen Ländern die privilegierten Bewohnerinnen und Bewohner auf materiellen Wohlstand verzichten und sich andere Modelle des Verteilens, Wirtschaftens und Lebens entwickeln“ (S.52). Denn das ökonomische System, unter dem wir in den industrialisierten Ländern profitieren, funktioniere nur durch Ausbeutung – der Natur und der Entwicklungsländer, auf deren billige Arbeitskräfte wir angewiesen sind. Dies wird im Buch auch anhand einer Studie der Entwicklungsökonomin Kate Raworth deutlich: „Nur 11 Prozent der globalen Bevölkerung sind für etwa 50 Prozent des Kohlendioxidausstoßes verantwortlich, während 50 Prozent der Menschen nur 11 Prozent emittieren“ (S.42). Die Schlussfolgerung ist laut den Autoren eine Deprivilegierung derzeitig privilegierter Menschen (S.51).

Auch wenn die Autoren in diesem Abschnitt ausführlich darstellen, warum eine Deprivilegierung und Umverteilung sinnvoll für die Allgemeinheit wäre, erklären sie meiner Meinung nach unzureichend, wie die Deprivilegierung in der Praxis umsetzbar wäre und was für negative Folgen sie mit sich bringen könnte. Wie kann man privilegierte Menschen dazu bringen, dass sie freiwillig ihre Lebensstandards senken? Welche Konflikte könnten daraus entstehen? Diese Fragen lassen die Autoren weitgehend unbeantwortet.

Soziologische Betrachtung der Problematik

Es erfolgt eine soziologische Analyse zur Eigendynamik gesellschaftlicher Entwicklungen mit der zentralen Feststellung, dass gesellschaftlicher Wandel vielen unberechenbaren Faktoren unterliegen kann. Da alle gesellschaftlichen Akteure ihre eigenen Interessen verfolgen, konkurrieren deren Handlungen und Absichten fortlaufend. Dadurch entstünden Dynamiken, die sich nicht aus den einzelnen Handlungen der Akteure erklären lassen. Die Autoren zeigen also auf, dass soziale Veränderungsprozesse im Grunde unterschiedlichen Logiken folgen, die nicht immer vorhersehbar sind und dass aufgrund der unterschiedlichen Interessenlagen Konflikte zwischen Akteuren der Gesellschaft entstehen können. Auch wenn die Analyse interessante Einsichten bietet, ist der Bezug zum Transformationsdesign hierbei nicht immer offensichtlich. Die Theorien werden leider nur kurz angeschnitten, um als Leser*in ein umfangreiches Verständnis zu bekommen. Für nur 10 Seiten ist eine Einführung in komplexe soziologische Theorien sehr ambitioniert.

Weiterfolgend zeigen die Autoren zunächst Beispiele von Transformationsdesigns, und stellen dann ein Gesellschaftsdesign, die Heterotopie, vor. Allerdings scheint diese Reihenfolge etwas verwirrend, da man nach den soziologischen Betrachtungen, direkt an das neue Gesellschaftsdesign anknüpfen könnte, um die theoretischen Erkenntnisse in der Praxis verständlicher zu machen. Doch die Autoren gehen nach den soziologischen und gesamtgesellschaftlichen Betrachtungen im darauffolgenden Kapitel erst auf individuelle Beispiele von Transformationsvisionen und -umsetzungen ein.

Kulturelle Transformationsdesigns und Heterotopie

Zahlreiche Beispiele verdeutlichen, wie Transformationsdesigns in der Praxis umzusetzen ist. Denn ein Transformationsdesign, so die Autoren, sei nicht nur eine soziale, sondern auch eine kulturelle Aufgabe, die „die Umgestaltung des Vorhandenen, das Verschwinden von Überflüssigem, die Vermeidung von Aufwand, die Reduktion von Energie und Material“ (S.115) beinhaltet. Es gehe also darum, nicht „unablässig hinzukommende Dinge zu gestalten, sondern jene Dinge, die man nicht braucht, aus der Welt zu schaffen“ (S.116). Vorgestellt wird beispielsweise die Nutzungsinnovation, welche „ausschließlich auf vorhandenen Strukturen baut und diese einer anderen Nutzungen zuführt“ (S.118). Dies basiere auf dem Prinzip von „Reduce, Reuse, Recycle“ (siehe Suffizienspyramide). „Reduce meint die Vermeidung von (künftigem) Abfall, reuse die Weiterverwendung, recycle die materielle Umformung“ (S. 127). Die Autoren führen zur Veranschaulichung Interviews mit Künstlern, Städteentwicklern und Architekten, die auf Umgestaltung statt Neuerrichtung setzen. Diese Transformationsdesigner wollen sich dabei statt an der Marktwirtschaft, an einer nachhaltigen, zukunftsfähigen Gesellschaft orientieren. Deutlich wird auch, dass Verzicht und Reduzierung nicht unangenehm sein müssen, sondern sogar einen großen Mehrwert darstellen können – sowohl auf individuell-persönlicher als auch auf strukturell-politischer Ebene. Die Autoren geben konkrete Handlungsanweisungen, wie jeder einzelne eine nachhaltigere Lebensweise führen kann. Zudem stellen sie aber auch ein zukunftsfähiges Gesellschaftsdesign vor: die Heterotopie. Gemeint ist damit eine „soziale Organisation des Weniger“ (S.173). Dabei sei das Ziel die erreichten zivilisatorischen Standards der heutigen Welt beizubehalten, während die gesellschaftliche Lebensweise nachhaltig umgestaltet werden würde. Diese Veränderung erfordere einen Pfadwechsel. Es sollten nicht mehr die konventionellen Wege gegangen werden, sondern neue Wege gefunden werden, die nachhaltigere Perspektiven eröffnen. Zentral sei dabei auch die Rolle der Politik. Die Transformationen müssten sich aber auf gesamtgesellschaftlicher Ebene vollziehen.

Fazit

Beim Lesen des Buches lässt sich feststellen, dass die kritische Beleuchtung derzeitiger Probleme den beiden Autoren sehr gut gelingt. Die Darstellung der fatalen ökologischen Folgen unserer Wirtschafts- und Lebensweise werden in diesem Buch sehr deutlich.

Auch die Einbettung des Themas in einen soziologischen Kontext ist angesichts der vorgeschlagenen radikalen Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse angebracht, obwohl die Betrachtungen nicht leicht in den Aufbau des Buches einzuordnen sind. Zudem schaffen es die Autoren in einem sachlichen Schreibstil den Inhalt verständlich zu erklären. Sie nennen Beispiele, die Transformationsdesign gut veranschaulichen und teilweise auch eine persönliche Handlungsanregung bieten. Insgesamt regt das Buch zum Nachdenken an und macht dem Lesenden die Notwendigkeit von radikalen Veränderungen für eine lebenswerte Zukunft deutlich. Das Transformationsdesign schlägt Konsumalternativen und Verhaltensänderungen im Sinne von Suffizienz vor. Jede*r kann mit nachhaltigem Verhalten im eigenen Leben beginnen und es wird zugleich verständlich, dass in der Gesellschaft viele Transformationen stattfinden müssen. Die Autoren erreichen damit all jene Menschen, denen Umweltschutz und eine nachhaltigere Zukunft am Herzen liegt. Empfehlenswert wäre das Buch aber auch für politische und wirtschaftliche Entscheidungsträger und Führungspersonen, um gesellschaftliche Veränderung voranzutreiben. Eine Umgestaltung der Gesellschaft hin zu mehr Suffizienz ist möglich, das Transformationsdesign der Autoren kann dazu beitragen.

Suffizienz und aktuelle Herausforderungen in der Coronakrise – ein Interview mit Jörg Göpfert

Im Rahmen eines Interviews sprachen wir mit dem Studienleiter Jörg Göpfert der Evangelische Akademie Sachsen-Anhalt e. V. über Suffizienz und aktuelle Herausforderungen in der Coronakrise.

Sie arbeiten als Studienleiter an der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt e. V. und sind in dieser Eigenschaft auch als Redakteur der Zeitschrift „Briefe. Zur Orientierung im Konflikt Mensch – Erde“ tätig. In der aktuellen Ausgabe dieser Zeitschrift schreiben Sie: „Der Klimawandel könnte tatsächlich das Ende der Selbstverständlichkeiten bedeuten […].“ Was meinen Sie damit?

Jörg Göpfert: Die Corona-Krise hat die Verletzlichkeit des Menschen und seiner gesellschaftlichen Sub- und Sicherungssysteme deutlich gemacht. „Normale“ Verhaltensweisen wie das Händeschütteln sind zum Risiko und Feiern zur Gefahr geworden. Sogar Oster- und Weihnachtsgottesdienste fielen aus. Der Heidelberger Theologe Philipp Stoellger hat die Corona-Krise deshalb als „Riss“ bezeichnet, der einen „gravierenden Lebensweltwandel“ mit sich bringe1 . Er spricht vom „Ende von Wirklichkeiten, in denen wir selbstverständlich lebten“. Das war und ist für viele eine erschreckende Erfahrung. Es lässt sich aber davon ausgehen, dass die Corona-Pandemie – ähnlich wie frühere Pandemien – vorübergehen wird. Irgendwann werden alle, die nicht an ihr sterben, immun geworden sein – mit oder ohne Impfung. Das wird vielleicht einige Jahre dauern, aber dann können die Überlebenden aufatmen und zur „Normalität“ zurückkehren.

Bei der Klimakrise ist das anders. Sollte die Menschheit es nicht schaffen, die Erwärmung der Erdatmosphäre zu stoppen und die globale Durchschnittstemperatur auf einen Wert zu begrenzen, der maximal 1,5 bis 2 Grad über dem vorindustriellen liegt, ist mit massiven Veränderungen zu rechnen. Wetterextreme würden weiter zunehmen, Wüsten würden wachsen, und viele Inseln und Küstenregionen würden vom steigenden Meeresspiegel überflutet werden. Vor allem aber würde sich der globale Wasserkreislauf – zu Lande und in der Luft – massiv verändern. Dann kämen auf die Wirtschafts- und Sozialsysteme Belastungen zu, die weit größer sein dürften, als die jetzigen durch die Corona-Krise. Und dann droht tatsächlich das Ende der „Selbstverständlichkeiten“. Dann stehen nicht nur Reisen oder Einkäufe in Baumärkten zur Disposition, sondern womöglich auch die Rundumversorgung mit Trinkwasser, Lebensmitteln und Transportmöglichkeiten. Eine Überwindung dieses Dauerstresses würde Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte dauern, wenn sie überhaupt möglich wäre.

In dem Zusammenhang sprechen Sie auch von Suffizienz. Welchen Stellenwert hat die Thematik für die Evangelische Akademie Sachsen-Anhalt e. V.?

Einen großen. Seit Jahren bemühen wir uns, das Thema „Große Transformation“, wie es der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen nannte2 , im gesellschaftlichen Diskurs voranzubringen. Und dazu gehört ganz wesentlich die Suffizienz, also das Auskommen mit weniger. Denn mit Effizienz und Konsistenz allein wird eine nachhaltige Lebens- und Wirtschaftsweise nicht möglich sein. Effizienz, also das Herstellen einer bestimmten Menge an Waren oder Dienstleistungen mit weniger Materialaufwand als zuvor, wird oft durch eine Ausweitung des Angebots überkompensiert. Die LEDs sind ein Beispiel. Sie verbrauchen zwar weniger Strom als herkömmliche Glühlampen, lassen sich aber für neue Zwecke verwenden. Plötzlich ist es möglich – und erschwinglich – die gesamte Hausfassade in eine funkelnde Weihnachtswelt zu verwandeln. Bei der Konsistenz wird versucht, umweltbelastende Materialien durch umweltverträglichere oder endliche Ressourcen durch nachwachsende zu ersetzen. Ein guter Ansatz. Aber der kompostierbare Computer dürfte schwer realisierbar sein, und falls doch, wären sehr große Anbauflächen nötig, um die benötigten Rohstoffmengen bereitzustellen. Fruchtbare Böden sind aber ein knappes Gut und geraten auch durch den Klimawandel massiv unter Druck. Folglich gibt es für die Menschheit nur zwei Strategien: entweder die Zahl der Menschen drastisch zu reduzieren oder den Verbrauch jedes Einzelnen und aller zusammen. Letzteres wird nur mit Hilfe einer sehr intelligenten Kombination von Effizienz, Konsistenz und Suffizienz gelingen.

Wie schätzen Sie die gesellschaftliche Akzeptanz eines „Weniger“ ein?

Lange Zeit war Suffizienz ein Tabu. Und im politischen Raum ist es das immer noch. Denn eine Strategie des „Weniger“ ist mit einer wachstumsorientierten Wirtschaft und einer ebensolchen Politik schwer vereinbar. Erfreulich ist aber, dass das Interesse an Suffizienz sowohl in der Wissenschaft als auch in der Zivilgesellschaft zunimmt. Das zeigt zum Beispiel der Aufruf „Für eine klima- und naturverträgliche, sozial gerechte Lebens- und Wirtschaftsweise: Energie- und Ressourcenverbrauch drastisch reduzieren“3. Er wurde mit den Unterschriften von 200 Personen aus der Wissenschaft und ihrem Umfeld herausgegeben. Mehr als 3000 weitere Bürgerinnen und Bürger haben ihn inzwischen unterzeichnet. Es gibt ein „Forschungsnetzwerk Suffizienz“ und viele neuere Publikationen zum Thema. Auch das aktuelle Heft unserer Zeitschrift „Briefe“ ist ihm gewidmet4. All das zeigt: Suffizienz ist im Kommen. Sie braucht aber noch mehr Unterstützung, damit sie auch in die Praxis umgesetzt werden kann. Dafür kommt es nicht nur auf den guten Willen einzelner an, sondern auch auf die richtigen politischen Rahmensetzungen, also eine Suffizienzpolitik. Und die braucht gesellschaftlichen Druck und gesellschaftliche Mehrheiten.

Welche Chancen sehen Sie, dass sich junge Menschen heute für ressourcenschonende und damit suffiziente Lebensweisen begeistern?

Die Chancen sind größer denn je, weil ein Umdenken bereits begonnen hat. Viele, vor allem jüngere Menschen reduzieren ihren Fleischkonsum. Auch das Auto ist für sie kein Muss mehr, besonders in größeren Städten. Die Bewegung „Fridays For Future“ setzt sich für Suffizienz ein. Und eine große Zahl junger Menschen wählt inzwischen Berufe im Bereich des Umwelt- und Naturschutzes sowie der Nachhaltigkeit. Die Zahl der Ausbildungsangebote ist enorm gewachsen. Als ich 1978 mit meinem Studium begann, war ich einer der ersten in Deutschland, die „Technischen Umweltschutz“ studieren konnten. Heute gibt es ganze Hochschulen, die dem Thema Nachhaltigkeit gewidmet sind, etwa die Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde in Brandenburg. Es gibt ein bundesweites studentisches „netzwerk N“, das Hochschulen nachhaltiger machen will. Nicht auszudenken, was möglich wird, wenn all diese gut ausgebildeten, hoch motivierten jungen Menschen eines Tages im Berufsleben stehen und Entscheidungen treffen. Hoffentlich finden viele von ihnen auch den Weg in die Politik. Denn dort werden nach wie vor wichtige Weichen gestellt.


[1] Philipp Stoellger: „Eröffnung: Corona als Riss der Lebenswelt. Zur Orientierung über Naherwartungen, Enttäuschungsrisiken und Nebenwirkungen“; in Benjamin Held et al. (Hrsg.): „Corona als Riss: Perspektiven für Kirche, Politik und Ökonomie“, Heidelberg: heiBOOKS, 2020 (FEST kompakt – Analysen – Stellungnahmen – Perspektiven , Band 1). Kostenloser Download: https://books.ub.uni-heidelberg.de/heibooks/reader/download/701/701-3-90267-1-10-20200916.pdf

[2] https://www.wbgu.de/de/publikationen/publikation/welt-im-wandel-gesellschaftsvertrag-fuer-eine-grosse-transformation

[3] https://bereit-zum-wandel.de/aufruf/

[4] https://ev-akademie-wittenberg.de/sites/default/files/publikationen/briefe_2020-4.pdf

ÜBER Den INTERVIEWPARTNEr

Jörg Göpfert, geboren 1960 in Berlin, ist Absolvent des Studiengangs Dipl.-Ing. für Technischen Umweltschutz an der TU Berlin. An der Deutschen Journalistenschule in München wurde er zum Redakteur ausgebildet. Seit 1988 ist er freier Umwelt- und Wissenschaftsjournalist und seit vielen Jahren Kommunikations- und Medientrainer für Wissenschaftler/-innen. Im Januar 2000 begann seine Tätigkeit an der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt in Lutherstadt Wittenberg. Als Studienleiter im Bereich Umwelt & Soziales ist er Mitbegründer des Netzwerks „Ökumenischer Prozess ‚Umkehr zum Leben – den Wandel gestalten‘“ und einer von zwei Redakteuren der Zeitschrift „Briefe. Zur Orientierung im Konflikt Mensch – Erde“, einer der ältesten Umweltzeitschriften in Deutschland. Seine jüngste Publikation: „Es reicht. Von der Last und Leichtigkeit der Suffizienz“, in Brigitte Bertelmann, Klaus Heidel (Hrsg.): „Leben im Anthropozän. Christliche Perspektiven für eine Kultur der Nachhaltigkeit“, oekom verlag, München 2018.

© Jörg Göpfert

Suffizienz an Hochschulen – Eine Good-Practice-Sammlung

Wie wird Suffizienz an Hochschulen bereits umgesetzt? Was lässt sich aus existierenden Projekten lernen und wie könnte man diese noch weiterführen? Diesen Fragen gehen Dr. Michael Flohr und Lucas Markus in ihrer Good-Practice-Sammlung „Suffizienz an Hochschulen im ländlichen Raum“ nach. Indem sie untersuchen, wie Suffizienz an Hochschulen gelingen kann, setzen sie einen Gegenpunkt zur bequemen aber zugleich riskanten Wette auf eine alleinig effiziente Zukunft. 

Übersichtskarte suffizienter Initiativen an Hochschulen, die in der Good-Practice-Sammlung aufgeführt werden, © Dr. Michael Flohr

Suffizienz im ländlichen Raum

In Deutschland ist grundsätzlich auffällig, dass vor allem kleinere und mittlere Hochschulen nachhaltige Maßnahmen umsetzen. Ländliche Räume haben gewisse Merkmale, die Suffizienz befördern können. Überschaubare Sozialgefüge und enge Netzwerke führen beispielsweise dazu, dass solidarische Aktivitäten wie Tauschen leichter umgesetzt werden können, als das in der Anonymität von Großstädten der Fall ist. Außerdem können gerade ländliche Räume zu Reallaboren werden, um gewohnte Wachstumspfade zu verlassen und neue, suffiziente Wege zu erproben. Das geschieht, indem neue Lebens-, Lern- und Arbeitsformen gewagt werden. Ländliche Hochschulen haben daher häufig eine Innovations- und Vorbildfunktion inne.

Suffizienz – Orientierung am rechten Maß

Suffizienz meint, das „richtige“ und „notwendige“ Maß von Ressourcenverbrauch anzustreben, sowohl auf individueller als auch auf organisationaler Ebene. Häufig werden die 4 E’s nach Wolfgang Sachs genutzt – Entschleunigung, Entflechtung, Entkommerzialisierung und Entrümpelung – um sich am richtigen Maß zu orientieren. 

Bei der Entschleunigung geht es um das richtige Maß an Zeit. Der Rhythmus soll angepasst und damit langsamer und zuverlässiger werden – im Verkehrsbereich, in der Arbeitswelt und in den Produktzyklen von Gütern. So werden Qualität und Langlebigkeit erzielt. Entflechtung meint das richtige Maß für den Raum. Globales und regionales Wirtschaften soll neu aufgeteilt werden, zum Beispiel durch eine Regionalisierung der Lebensmittelproduktion und der Energieversorgung. Entrümpelung bezeichnet das richtige Maß an Besitz hin zu „einfacher“ und „weniger“. Dabei geht es vor allem darum, Gerümpel gar nicht erst entstehen zu lassen, indem zum Beispiel Güter langlebig und reparierbar produziert werden. Das vierte E, die Entkommerzialisierung, betrifft das richtige Maß für den Markt. Der zunehmenden Kommerzialisierung soll entgegengewirkt werden, indem Menschen zu Glück jenseits von Konsum befähigt werden. 

Die vier E‘s wurden im Paper genutzt, um Ansätze und Projekte nach ihrem primären Fokus geordnet darzustellen. Im Folgenden wird zu jedem „E“ ein Beispiel einer Hochschule vorgestellt, welche ein suffizientes Projekt im jeweiligen Bereich umsetzt. 

Entschleunigung

Lebenswelt Campus der Leuphana Universität Lüneburg © Leuphana Universität Lüneburg

Einen Fokus auf Entschleunigung setzt das Projekt „Lebenswelt Campus“ der Leuphana Universität Lüneburg. Studierende, Lehrende, Verwaltungsmitarbeitende und die Hochschulleitung versuchen in diesem Projekt, den Campus so zu gestalten, dass alle sich wohlfühlen, miteinander ins Gespräch kommen und sich unterstützen können. Zunächst wurde dafür der Campus zu einem verkehrsberuhigten Raum gemacht. Nachfolgend sollen die Straßen entsiegelt werden, um einen Campuspark zu gestalten. Diverse Nutzungsanforderungen an den Campus sollen in das neu entwickelte Konzept einbezogen werden. Dazu gehören unter anderem Orte zum Verweilen, Repräsentativität, Biodiversität, Lehre, Lernen, Bewegungen, essbarer Campus und Barrierefreiheit. Der partizipative Prozess und ein langfristiger Blick auf die Gestaltung des Campus zeigen neben dem gemeinsam genutzten Raum, der reduzierten Abgasbelastung und angebautem Obst, Gemüse und Kräutern auf dem Campus die deutlichen Bezüge zur Suffizienz. Das Projekt könnte gut an andere Hochschulen übertragen werden, wobei Themen und Schwerpunkte von der jeweiligen Hochschule selbst gesetzt werden können. Aber auch für die Universität Lüneburg geht es noch weiter mit der Entschleunigung: „Das Projekt Lebenswelt Campus lebt davon, dass sich die Ideen weiterentwickeln und mit allen Stakeholdern abgestimmt realisiert werden. So sind wir gespannt und offen, was in den nächsten Jahren noch kommt.“

Entflechtung

Klimaschutz-Mensa des Studentenwerks Schleswig-Holstein © Studentenwerk Schleswig-Holstein

Das Studentenwerk Schleswig-Holstein wirkt mit einer „Klimaschutz-Mensa“ auf dem Campus Flensburg im Bereich der Entflechtung. Ein wachsendes Angebot an vegetarischen und veganen Gerichten und Maßnahmen zur Energieeinsparung und Müllvermeidung wurden seit 2018 erfolgreich umgesetzt. Auch in diesem Projekt arbeiten Studierende, Hochschulleitung, Lehrende und Verwaltungsmitarbeitende zusammen für eine suffizientere Hochschule. Mitarbeitende der Mensa werden regelmäßig geschult, sodass sich Auswahl und Qualität an vegetarischen und veganen Gerichten vergrößert. Regionale Produkte und kurze Transportwege werden bevorzugt. Außerdem werden mit einem Stand in der Mensa Studierende für das Thema Klimaschutzmanagement sensibilisiert. Durch gute Öffentlichkeitsarbeit rund um das Thema Nachhaltigkeit und ein attraktives Angebot klimagerechter Speisen konnte auf dem Campus Flensburg Genuss verbunden mit Klimaschutz zu moderaten Preisen in die Mensa gebracht werden. Übertragen werden kann das Konzept der Klimamensa auf jede Hochschule mit Mensabetrieb.

Entrümpelung

CREAPOLIS Makerspace der Hochschule Coburg © CREAPOLIS Makerspace

An der Hochschule Coburg wurde von Lehrenden der „CREAPOLIS Makerspace“ geschaffen, eine offene Werkstatt, wo sowohl digitale als auch anaolge Werkzeuge geteilt werden. Dem ganzen liegt die Idee zugrunde eine neue Art von Begegnungsplattform für die Hochschule und Region Coburg zu schaffen. Ein Erfolg zeichnet das Repair Café, welches zweimal im Monat angeboten wird und sich großer Beliebtheit erfreut. Darüber hinaus bietet das Projekt Bürger*innen, Initiativen und Unternehmen Infrastruktur in Form von Räumlichkeiten, um Vorhaben umzusetzen und (in Kooperation) nachhaltige Innovationen entstehen zu lassen. Für die Entwicklung ähnlicher Projekte an anderen Orten wird das Wissen zum Makerspace bereits genutzt. Darüber hinaus ist in Planung, einen Arbeitsbericht zu veröffentlichen, der es neuen Projektstarter*innen noch einfacher macht. 

Entkommerzialisierung

Klimamap der Europa-Universität Flensburg, Quelle: Screenshot KlimaMap Flensburg,  https://klimaschutz.campus-flensburg.de/?page_id=3210

Vom Klimaschutzmanagement der Universität Flensburg wurde die „Klimaschutzmap“ ins Leben gerufen. Diese beschreibt eine Online Karte mit über 250 Einträgen in neun Kategorien. Ziel ist es, Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sich in Flensburg für Klimaschutz eingesetzt werden kann. Aufgenommen sind Repair Cafés, Secondhand-Läden, Foodsharing-Angebote, Unverpackt-Läden und vieles mehr. Eine Besonderheit dieses Projektes ist, dass es nicht nur Hochschulmitglieder erreicht, sondern darüber hinaus auch von Interessierten Bürger*innen genutzt werden kann. Eine KlimaMap mit Angeboten zum klimafreundlichen Handeln kann grundsätzlich mit genügend Engagement ganz einfach ins Leben gerufen werden. Wichtig ist, die Klimaschutzmap kontinuierlich zu pflegen, da sich in einigen Kategorien Angaben laufend ändern, wie beispielsweise die Anzahl an Stromtankstellen in der Stadt.

Fazit

Die vier vorgestellten Projekte bilden nur eine kleine Auswahl an Beispielen aus der Good Practice Sammlung zu Suffizienz an Hochschulen. Vom Umweltcampus der Hochschule Trier über Foodsharing an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt bis hin zu einem Fahrradverleihsystem an der Hochschule Emden-Leer gibt es noch viele weitere spannende Projekte zu Suffizienz zu entdecken. Der Projektinitiator vom Fahrradverleihsystem sagt als Tipp für alle, die selbst ein Nachhaltigkeitsprojekt starten wollen: „Einfach loslegen!“ 

Wer gerne erstmal Ideen sammeln, sich inspirieren lassen oder weitere wertvolle Tipps erhalten möchte, findet all dies ausführlich im besagten Paper. Neben der Good Practice Sammlung gibt es noch weitere Beiträge. Zum Beispiel geben zwei Umweltpsychologinnen im Interview Anregungen, wie studentische Initiativen andere Menschen an der Hochschule von einem suffizienten Projekt überzeugen können.

Quellen

https://www.researchgate.net/publication/342991904_Suffizienz_an_Hochschulen_im_landlichen_Raum