Was Suffizienz mit einem Tiny House zu tun hat

Eigentlich geht der Trend der Wohnfläche in den letzten Jahrzehnten steil aufwärts. 2018 betrug die durchschnittliche Wohnfläche pro Kopf in Deutschland 46,7 Quadratmeter, in den USA sogar bis zu 74 Quadratmetern (Umweltbundesamt, 2019; Boeckermann, 2017).  In den Besitzmaximierung gesprägten Konsumgesellschaften sind Häuser und ihre Größe immer mehr zum Statussymbol geworden. Dazu im Gegensatz steht die Tiny House Bewegung. In kleinen, meist mobilen, Häusern leben die Menschen auf geringstem Raum mit möglichst wenig Besitz. Gründe dafür sind die immer stärker steigenden Kosten der Anschaffung und Erhaltung von Immobilien, vor allem in Ballungsgebieten, der Wunsch nach mehr Mobilität und Selbstverwirklichung und die Überdenkung des eigenen Lebensstils und des eigenen ökologischen Fußabdrucks (Biron).

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Tiny Houses gibt es in verschiedenen Größen, doch ihrem Namen bleiben sie alle treu: Nur zehn bis 55 Quadratmeter groß sind die meisten Häuser. Sie werden häufig auf einen PKW-Anhänger gebaut, um möglichst mobil zu sein, aber es gibt zum Beispiel auch Tiny Houses aus Containern, die unbeweglich sind. Auch wenn es mitttlerweile eine große Vielzahl von Varianten und Designs gibt, ist die traditionelle Bauform mit einem Satteldach, unter dem sich die Schlafebene befindet. Ansonsten besteht das Tiny House meist aus einem großen Raum, der Küche und Wohnzimmer vereint. Typische Einrichtungselemente sind einziehbare Sofas, einklappbare Tische und intelligente Aufbewahrungssysteme, um den vorhandenen Platz möglichst effizient zu nutzen. Die Badezimmer sind ebenfalls deutlich kleiner, teilweise trotzdem mit normalen Toiletten und Duschen ausgestattet, ansonsten mit einer Komposttoilette (Kilman, 2016).

Die Preise für Tiny Houses variieren stark nach Größe, Anbieter*innen und in welchem Zustand das Tiny House ausgeliefert wird und wie viel Arbeit man selbst hineinsteckt. So beginnt ein Rohbau-Haus in Deutschland bei ca. 18.000€ inklusive Trailer, Bodenplatte, Holzkonstruktion und Wandverkleidung. Für ein bezugsfertiges Tiny House, in das man direkt einziehen kann, sollte man jedoch mit mindestens 45.000€ rechnen. Eine Grenze nach oben gibt es, genau wie bei konventionellen Häusern, nicht (Sven und Sig, 2020).

Die Tiny House Bewegung nahm ihren Anfang am Ende des 20. Jahrhunderts in den USA. 1998 veröffentliche die Architektin Sarah Susanka das Buch „The Not So Big House – A Blueprint For the Way We Really Live“ und ihre Ideen wurden zunächst vor allem von Bastlern und Aussteigern aufgegriffen und verbreitet. Mit Hilfe von TV-Formaten, weiteren Büchern, Blogs und YouTube-Kanälen kamen die Kleinsthäuser auch schnell im Mainstream und in anderen Ländern an (Biron).

Ursprünglich begann die Bewegung vermehrt wegen einer notwendigen Kostenreduktion, mittlerweile ist aber auch der Wunsch nach einem nachhaltigen Wohnen und Leben eine große Motivation, um in ein Tiny House zu ziehen. Doch nicht jedes Tiny House ist ein langfristiges Zuhause: Tiny Houses werden auch vermehrt als Gästehäuser oder als Geschäftsbüros genutzt.

Auch in Deutschland ist die Bewegung schon seit längerem angekommen. Um sich für die Entstehung von Tiny House Siedlungen und minimalistisches Wohnen einzusetzen bilden sich Interessengemeinschaften und Vereine. Denn einfach ist die rechtliche Lage in Deutschland nicht: Ein Tiny House kann man nicht einfach hinstellen, wo man möchte. Auf einigen Campingplätze ist die Anmeldung eines Wohnsitzes zugelassen, auf jedem anderen Grundstück muss in jedem Fall ein Bauantrag gestellt werden und der geplante Stellplatz muss mit Wasser- und Abwasserentsorgung, Strom und verkehrsgerechter Anbindung an eine Straße voll erschlossen sein (Focus.de, 2019).

Im Fichtelgebirge hat sich das erste Tiny House Village Deutschlands gegründet: Auf dem Gelände eines ehemaligen Campingplatzes befinden sich nun 35 Grundstücke für kleine Häuser. 30 Bewohner*innen leben in diesem Dorf, die sich Lagerfeuerplätze, Permakulturgärten und Erholungsflächen teilen. Außerdem bieten sie ein Tiny House Hotel für Interessierte an (tinyhousevillage.de). Laut einer Umfrage von Interhyp können sich immerhin 13% der Deutschen vorstellen, dauerhaft in einem Tiny House zu leben (Interhyp, 2019)

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Die Antwort auf die Frage, was Tiny Houses mit Suffizienz, dem Bemühen um einen möglichst geringen Rohstoff- und Energieverbrauch, zu tun haben, liegt eigentlich auf der Hand: Eine geringere Wohnfläche führt auch zu einem kleineren CO2-Fußabdruck.

Gebäude sind für knapp ein Drittel aller CO2-Emissionen verantwortlich, Tiny Houses allerdings beschränken sich nur auf das Nötigste und nutzen den vorhandenen Platz effizient aus. Je kleiner das Haus, desto weniger Ressourcen werden auch für den Bau und Betrieb benötigt (Schmid, 2019). So haben kleine Häuser einen geringeren Energieverbrauch als konventionelle Häuser, da weniger Fläche beheizt, weniger Lampen beleuchtet werden und generell weniger Haushaltsgeräte als in einem normalen Haus benutzt werden. Die Wissenschaftlerin und Tiny House Bewohnerin Mary Murphy stellt heraus, dass der geringere Energieverbrauch sogar nicht nur auf die geringere Fläche zurückzuführen ist, sondern auch darauf, dass alles auf die Bedürfnisse der Bewohner*innen angepasst werden kann (Kilman, 2016).

Tiny Houses haben die Möglichkeit möglichst autark und damit maximal nachhaltig zu sein. Durch Solarzellen für Warmwasser, Photovoltaik-Anlagen für den Strom, Sammeln von Regenwasser oder das Verwenden einer Komposttoilette, die kein Wasser benötigt, lassen sich die CO2-Emissionen des Hauses noch weiter reduzieren.

Allerdings bedeutet das alles nicht, dass jedes Tiny House automatisch vollkommen suffizient ist: Schlechte Dämmung, als Folge davon, dass das Haus möglichst leicht sein soll und dicke Wände zulasten der Wohnfläche gehen, kann zu einem hohen Energieverbrauch führen. Außerdem werden viele Kleinsthäuser nicht als Hauptwohnsitz, sondern als Ferien- oder Wochenendhaus genutzt und verbrauchen so zusätzliche Ressourcen. Was ebenfalls beachtet werden muss ist, dass die ökologischen Vorteile auch an der Lebensweise und Einstellung der Zielgruppe liegen. Wer sich für ein reduziertes Leben im Tiny House entscheidet, lebt meist grundsätzlich auch generell schon nachhaltiger und bewusster (Schmid, 2019).

Quellen:

Biron, B.: Kleiner Wohnen, URL: https://www.ubm-development.com/magazin/tiny-houses-sind-ein-grosser-trend-beim-wohnen/ Abgerufen am 24.02.2020.
Boeckermann, L.: Dreaming Big and Living Small: Examining Motivations and Satisfaction in Tiny House Living, 10.5.2017, URL: https://scholarcommons.sc.edu/cgi/viewcontent.cgi?article=1133&context=senior_theses, Abgerufen am 24.02.2020.
Focus.de: Tiny-House-Boom in Deutschland: Nach dem Kauf beginnen jedoch die Probleme, 08.10.2019, URL: https://www.focus.de/immobilien/wohnen/tiny-house-boom-in-deutschland-nach-dem-kauf-beginnen-jedoch-die-probleme_id_11213818.html, Abgerufen am 24.02.2020.
Interhyp: Ökohaus, Tiny House und Co.: Studie zeigt Trend zu nachhaltigen und alternativen Wohnformen, 13.02.2019, URL: https://www.interhyp.de/ueber-interhyp/presse/oekohaus-tiny-house-und-co-studie-zeigt-trend-zu-nachhaltigen-und-alternativen-wohnformen.html, Abgerufen am 24.02.2020.
Kilman, C.: Small House, Big Impact: The Effect of Tiny Houses on Community and Environment. In: Undergraduate Journal of Humanistic Studies, Carleton College, 2016. URL:https://pdfs.semanticscholar.org/2732/8c4ba21b4f6ae467210ddffd3edb2da8fa4b.pdf, Abgerufen am 24.02.2020.
Schmid E.: Tiny House und Nachhaltigkeit: Wie nachhaltig sind die Mini-Häuser? 07.05.2019, URL: https://wohnglueck.de/artikel/tiny-house-nachhaltigkeit-3343 ,Abruf am 24.02.2020.
Sven und Sig: Tiny Houses: Wohnen auf kleinem Raum, 16.01.2020, URL: https://www.otto.de/reblog/tiny-houses-1308/ ,Abgerufen am 24.02.2020.
Tinyhousevillage.de: Tiny House Village, URL: https://www.tinyhousevillage.de/ Abgerufen am 24.02.2020.
Umweltbundesamt: Wohnfläche, 22.11.2019, URL: https://www.umweltbundesamt.de/daten/private-haushalte-konsum/wohnen/wohnflaeche#zahl-der-wohnungen-gestiegen Abgerufen am 24.02.2020.

#kaufnixChallenge

Suffizienz liegt im Trend, ob beim Wohnen, Konsumieren oder im Bereich der Mobilität. Eine wachsende Zahl an Umweltschützer*innen ist sich einig, dass nur ein suffizientes Leben langfristig die nachhaltige Entwicklung auf unserer Erde garantieren kann.

In unserer einwöchigen #kaufnixChallenge wollen wir Beispiele suffizienter Lebensweisen vorstellen. Wir laden Sie ein, Ihren suffizienten Alltag mit uns zu teilen. Schauen Sie sich die Stufen der Anti-Verbraucher-Pyramide an und prüfen Sie, welche Gewohnheiten Sie bereits jetzt leben – was leihen, tauschen und fertigen Sie?

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Für alle Teilnehmer*innen gibt es eine kostenlose Leseprobe der „35-Tage-Challenge“ von Benjamin und Fabian Eckert, erschienen im oekom Verlag. Darüber hinaus verlosen wir am Ende der Challenge 3×2 Kinotickets für den Film „Vergiftete Wahrheit“ und 5×2 Tickets für die NachhaltigkeitsmesseVeggienale&FairGoods.

Wir freuen uns auf Ihre Einsendungen!

Alle Materialien und eine Kurzbeschreibung der Challenge finden Sie hier.

Warum in die Ferne schweifen

Die Möglichkeit auf Reisen zu gehen, hat in unserer Gesellschaft einen hohen Stellen- und Statuswert, auf den wir nicht verzichten möchten. Deutsche unternahmen im Jahr 2017 circa 70 Millionen Reisen, die länger als 5 Tage dauerten- 50 Millionen davon ins Ausland. (UBA, 2019) Das derzeitige Tourismusmodell ist allerdings alles andere als nachhaltig, sondern geprägt von Kurzurlauben und Flugreisen. (Bah et al., 2017)
Für Natur und Umwelt bedeuten unsere Reisen viel Stress.  Durch An- und Abreise sowie vor Ort genutzte Verkehrsmittel, wird die Natur immens belastet. Die entstehenden Emissionen treiben den Klimawandel deutlich voran. Ein Kreuzfahrtschiff verbraucht zum Beispiel am Tag 476 850 kg CO2 – das ist so viel wie der Verbrauch von 83 678 Autos. (NABU, 2012) Generell sind 75% des Energieverbrauchs und der CO2 Emissionen einer Reise von der Wahl des Verkehrsmittels abhängig. (Gössling; Peeters, 2015)

Auch der Flächenverbrauch ist ein ernst zunehmender Aspekt. Immer mehr Gebäude werden für den wachsenden Tourismussektor gebaut. Durch die vermehrte Versiegelung von Flächen und Zerschneidung der Landschaft, kommt es zu Veränderungen im Wasser- und Bodenhaushalt, was das Risiko für Überflutungen erhöht. Außerdem reisen wir gerne in Länder, die im Sommer oft mit Wasserknappheit zu kämpfen haben. Der durch Touristen verursachte Wasserverbrauch verschärft diese Situation und es kann zu Konkurrenzen zwischen dem Trinkwasserbedarf der Bevölkerung, der Landwirtschaft und dem Tourismus kommen. Nicht selten verlangt es Maßnahmen, wie das energieintensive Aufbereiten von Meerwasser. (UBA, 2019)

Alternative Reisekonzepte: Slow Tourism

Es scheint daher nahezuliegen, die eigene Art des Reisens noch einmal zu überdenken. Das alternative Reisekonzept „Slow Tourism“ zielt auf bestimmte Verhaltensweisen von Reisenden ab. Im Fokus steht ein verändertes Verhältnis des Reisenden zu Zeit, Qualität und Ziel der Reise. Es soll nicht so viel wie möglich in kürzester Zeit gesehen, sondern vielmehr das Vorhandene betrachtet und genossen werden. (Nistoreanu et. al., 2011) Es handelt sich um eine umfassende Tourismuserfahrung, zu der auch Hin- und Rückweg maßgeblich beitragen. (Dickinson; Lumsdon, 2010) Ganz bewusst wird deswegen auf schnelle Transportmittel, wie Flugzeuge verzichtet und lieber Bahn, Bus oder Schiff gewählt. Die Reisedistanzen sind kürzer und die Aufenthaltsdauer an den Zielen länger. Land, Leute und Kultur können auf diese Weise vertieft kennengelernt werden. (Nistoreanu et. al., 2011) Der Begriff „Langsam“ steht daher nicht für Faulheit, sondern kann vielmehr als Entschleunigung bezeichnet werden. (Sachs, 1993)

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Suffizienz und Nachhaltigkeit werden in dem Reisekonzept zwar nicht direkt angesprochen, die Verknüpfung ist jedoch deutlich. Alle Werte des „Slow Traveling“ implizieren einen Abstand zu Konsum, Masse und Schnelllebigkeit. Ganz automatisch verringern sich die Emissionen, wenn man mit der Bahn statt mit dem Flugzeug reist, wenn man nahe Zielorte und die lokalen Speisen sowie kulturellen Angebote wählt. Die Umwelt profitiert vom „Slow Tourism“, ohne das dies das Hauptaugenmerk des Reisenden ist. (Schrader, 2017)
Dabei stützt sich „Slow Travelling“ auf zwei Leitprinzipien:
1. Verbringe mindestens eine Woche am gleichen Ort.
2. Betrachte dein unmittelbares Umfeld. Konkret heißt das am gewählten Zielort anzukommen – nicht nur physisch, sondern auch mit dem Geist und allen Sinnen. (Nistoreanu et. al, 2011)

Die Natur in ihrer Fülle zu erfahren gelingt beim Wandern oder Radfahren ganz leicht. Egal ob Flüsse, Berge, Seen – durch das eigen gewählte Tempo wird die Reise zu einem selbstgestalteten Erlebnis. Apps wie „Komoot“ bieten hierfür eine Vielzahl an Wander- und Radrouten an, die entweder vom Team selbst getestet oder von anderen Nutzern geprobt und bereitgestellt werden. Die Idee für das Start Up hatten 6 „Outdoor-Enthusiasten“ aus Deutschland und Österreich. Seit 2010 kann man mit Karten und Navigationssystem der App, die verschiedensten Orte entdecken. Das Wahlgebiet kann einfach gesucht und die passende Route ausgewählt werden – wieso nicht mal nach Routen in der eigenen Heimat suchen? Wer weiß was es dort noch alles zu entdecken gibt… (komoot.com)

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Quellen:
BAH, A. et al.: „Berlin Declaration on „Transforming Tourism“, 03/2017, URL: http://www.transforming-tourism.org/fileadmin/baukaesten/sdg/downloads/Berlin_Declaration.pdf, online, Abruf am 19.12.2019
DICKINSON, J., LUMSDON, L.: „Slow Travel and Tourism“, 01.01.2010, New York
Gössling, S., Peeters, P.: „Eine Bewertung der Ressourcennutzung des Tourismus – Szenarien einer nicht nachhaltigen Zukunft“, 18.09.2015, in Internetseite Tourism Watch, URL: https://www.tourism-watch.de/de/schwerpunkt/eine-bewertung-der-ressourcennutzung-des-tourismus, online, Abruf am 19.12.2019
Komoot newsroom- Webseite, URL: http://newsroom.komoot.com/?page=3, online, Abruf am 19.12.2019
NABU: „Luftschadstoffemissionen – Vergleich von Kreuzfahrtschiff und PKW“, 2012, URL: https://www.nabu.de/downloads/TabelleVergleichKreuzfahrschiff_Pkw.pdf, online, Abruf am 19.12.2019
Nistoreanu, P., Dorobantu, M., Tuclea, C.: „THE TRILATERAL RELATIONSHIP ECOTOURISM – SUSTAINABLE TOURISM – SLOW TRAVEL AMONG NATURE IN THE LINE WITH AUTHENTIC TOURISM LOVERS.“ 06/2011, in Journal of tourism no. 11, URL: http://www.revistadeturism.ro/rdt/article/view/67/38, online, Abruf am 19.12.2019
Sachs, W.: „Die vier E’s : Merkposten für einen maß-vollen Wirtschaftsstil“, 1993, in  Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH, URL: https://epub.wupperinst.org/frontdoor/deliver/index/docId/66/file/66_Sachs.pdf, online, Abruf 19.12.1019
Schrader, D.: „Suffizienz im und durch Tourismus – Gestaltungsmöglichkeiten einer Tourismustransformation durch produzenten und Konsumenten touristischer Leistungen“ , Bachelorthesis, Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geisling, 04.07.2017 URL: https://www.tourism-watch.de/system/files/migrated/bt_d._schrader_suffizienz_im_tourismus_-_kopie.pdf, online, Abruf am 19.12.2019
Umweltbundesamt: „Nachhaltiger Tourismus“, 12.12.2019, URL: https://www.umweltbundesamt.de/themen/wirtschaft-konsum/nachhaltiger-tourismus#textpart-1, online, Abruf am 19.12.2019

Black Friday – Der alljährliche Konsumwahnsinn

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Der Freitag nach Thanksgiving ist für viele Menschen ein Tag des extremen Konsums geworden. Ursprünglich aus den USA kommend, gibt es den Black Friday seit einiger Zeit auch in Deutschland. Aus welchen Gründen genau der Tag entstanden ist und wieso er Black Friday heißt, ist nicht vollständig belegt. Oft wird auf die Geschäftsinhaber verwiesen, die nach Thanksgiving endlich wieder schwarze, statt rote Zahlen schrieben. Offensichtlich waren die Verbraucher durch den Feiertag und das anstehende Weihnachtsfest, zu einem höheren Konsum bereit. Eine andere Erklärung für den Black Friday stammt aus Philadelphia in den 50er Jahren. Dort sollen Polizisten das durch Touristen und Shopper entstandene Chaos in der Stadt am Tag nach Thanksgiving, als Black Friday bezeichnet haben. Diese konnten sich den Tag nicht freinehmen und mussten oft extra lange Schichten arbeiteten, um die wegen dem Army-Navy football game in die Stadt gekommen Menschenmassen, unter Kontrolle zu bringen. (Pruitt, 2015)

Eine fundierte Erklärung und Rechtfertigung für den übermäßigen Konsum an diesem Tag, gibt es demnach nicht. Sicher ist jedoch, dass der Black Friday nicht ohne erhebliche negative Auswirkungen auf Natur, Umwelt und Produzenten stattfinden kann. Denn das Prinzip ist einfach: Anbieter werben mit Schnäppchen-Preisen, reduzierter Ware und „Top-Deals“, die es im restlichen Jahr nicht gibt. An jeder Ecke wird zu einem ausnahmslosen Konsum aufgerufen und die Verbraucher kaufen und bestellen reichlich. Im letzten Jahr gaben Bürger aus Deutschland an, im Schnitt 200 Euro am Black Friday ausgeben zu wollen. (Rabe, 2019) Die größten Verkaufsbereiche sind hierbei Mode und Accessoires, Kosmetika und Drogerieartikel, sowie technische Haushaltsgeräte. (Suhr, 2019) Der Umsatz am diesjährigen Black Friday und Cyber Monday, soll laut Handelsverband Deutschland bei 3,1 Milliarden Euro liegen. Das ist eine Steigerung von 22 % im Vergleich zum Vorjahr. (IFH Köln, 2019)

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Dieser Konsumwahnsinn endet zum Großteil in unbedachten Käufen von Dingen, die wir eigentlich gar nicht brauchen. Die „Wegwerfgesellschaft“ findet einen weiteren Anreiz blind zu konsumieren- ohne Gedanken an mögliche Folgen. Denn für die billig Preise zahlen andere – die Löhne in den meisten Herstellungsfabriken sind sehr gering und Sicherheitsstandards selten gewährleistet. (Gmeiner, 2019) Viel Konsum bedeutet außerdem auch viel Verpackung und viel Müll. Deutschlands pro Kopf Verbrauch an Plastik- und Verpackungsmüll ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Ein wesentlicher Grund dafür sind Online-Einkäufe, die uns einschließlich hohem Emissionsverbrauch, bis vor die Haustür geliefert werden. Häufig werden diese Produkte wieder zurückgeschickt, woraufhin sie ungenutzt vernichtet oder weggeworfen werden. Die Greenpeace Sprecherin Viola Wohlgemuth, bezeichnet den Black Friday daher passend als „schwarzen Tag für die Umwelt“. (Miller, 2018)

Kauf Nix Tag“ und „Whitemonday“ – den Konsum in Frage stellen

Doch es gibt auch Bewegungen und Initiativen gegen den Massenkonsum. Der „Kauf Nix Tag“ wurde Anfang der 90er von Ted Dave in Vancouver ins Leben gerufen. Er findet am Samstag nach dem Black friday statt und ruft als Pendant dazu auf, einen Tag ohne Konsum zu verbingen. Im Mittelpunkt soll an diesem Tag der bewusste Umgang mit Ressourcen und unserer Umwelt stehen, sowie eine Infragstellung des eigenen Lebensstils: Brauche ich dieses Produkt wirklich? Kann ich mir es vielleicht ausleihen oder gebraucht besorgen?  Kann mich immaterielles nicht genauso glücklich machen? (Knirsch, 2008)

Der „White Monday“ ist eine neuere Bewegung aus Schweden, die Kreislaufwirtschaft und Kreislaufkonsum als Strategie sieht. Er findet seit 2017 am Montag vor dem Black Friday statt. Wege zum Teilen, Mieten, Reparieren, Recyclen, Leihen und Upcyclen werden von Organisationen, Influencern und individuellen Teilnehmern online und offfline verbreitet. Der Konsum wird hierbei nicht komplett ausgeschlossen, aber nur bereits im Kreislauf vorhandene Güter sollen konsumiert werden. (whitemonday.info)

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Es gibt ausreichend Gründe, den Black Friday dieses Jahr ausfallen zu lassen und im Gegenzug den eigenen Konsum zu betrachten. Dabei geht es nicht grundsätzlich um kompletten Verzicht, sondern viel mehr um die Frage, wie man konsumiert. Ein bewusster Umgang mit Produkten und ein gesundes Maß an Genügsamkeit, trägt nicht nur zum Klimaschutz bei, sondern reicht oft auch zum glücklich sein.

Quellen:
Gmeiner, E.: „Black Friday: Schwarzer Tag für nachhaltigen Konsum Transfair fordert ein verbindliches Lieferkettengesetz“ in: Internetseite Presseportal, 26.11.2019, URL: https://www.presseportal.de/pm/52482/4450536, Abgerufen am 27.11.2019
IFH Köln im Auftrag vom Handelsverband Deutschland: „Black Friday und Cyber Monday“ in: Internetseite Handelsverband Deutschland, 2019, URL: https://einzelhandel.de/blackfriday#pagetop, Abgerufen am 27.11.2019
Knirsch, J.: „Erde retten statt Konsumieren“, Hamburg, 11/2008, URL: https://www.greenpeace.de/sites/www.greenpeace.de/files/Kauf_nix_Tag_2008_0.pdf, Abruf am 27.11.2019
Miller, S.: „Nicht nur am „Black Friday“: Bestellen für den Müll“ in Internetseite: Greenpeace, Hamburg 16.11.2018, URL: https://www.greenpeace.de/presse/presseerklaerungen/nicht-nur-am-black-friday-bestellen-fuer-den-muell, Abruf am 27.11.2019
Priutt, S: „What’s the Real History of Black Friday?“ in: Internetseite History, 20.11.2018, URL: https://www.history.com/news/whats-the-real-history-of-black-friday, Abruf am 27.11.2019
Rabe, L.: „Durchschnittliche geplante Ausgaben pro Kopf am Black Friday in ausgewählten Ländern weltweit im Jahr 2018“ in: Internetseite Statista, 26.11.2019, URL:https://de.statista.com/statistik/daten/studie/943683/umfrage/durchschnittliche-ausgaben-am-black-friday-in-ausgewaehlten-laendern-weltweit/, Abruf am 27.11.2019
Suhr, F.: „Was die Deutschen am Black Friday kaufen“ in: Internetseite Statista, 26.11.2019, URL: https://de.statista.com/infografik/20107/meistgekaufte-produkte-am-black-friday-in-deutschland/, Abruf am 27.11.2019
Whitemonday, FAQ – Website, URL: https://www.whitemonday.info/about, Abruf am 27.11.2019

Unternehmerische Suffizienzstrategien am Beispiel von Premium Cola

Der deutsche Alt-Bundeskanzler Ludwig Erhard oder auch der englische Ökonom John Stuart Mill vertraten bereits vor gut 50 Jahren die Position, dass es eine Ära nach dem wirtschaftlichen Wachstum geben wird. Obwohl zu der Zeit Themen wie die Ressourcenknappheit, Umweltverschmutzung und Überproduktion noch nicht dieselbe Dringlichkeit hatten wie heute, waren sich beide Vordenker darin einig, dass das menschliche Miteinander, sowie soziale und geistige Werte eine Art Renaissance erleben würden und Wohlstand nicht mehr durch materielle, sondern vorrangig durch immaterielle Werte erreicht wird. Schon damals sahen sie als große Schwäche im Wirtschaftssystem, dass die Menschen intrinsisch andere Bedürfnisse haben als die, die Werbung uns zu verkaufen versucht, was früher oder später zu der Erkenntnis führt, dass Konsum uns nicht langfristig glücklich machen kann.

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Wir werden sogar mit Sicherheit dahin gelangen, daß zu Recht die Frage gestellt wird, ob es noch immer richtig ist, mehr Güter, mehr materiellen Wohlstand zu erzeugen, oder ob es nicht sinnvoller ist, unter Verzichtleistung auf diesen „Fortschritt“ mehr Freizeit, mehr Besinnung, mehr Muße und mehr Erholung zu gewinnen.“
(Erhard, 1957, S. 233)

Sich mit weniger zufrieden zu geben scheint tatsächlich zurzeit im öffentlichen Diskurs stärker denn je in den Fokus zu rücken. Ausdrücke wie „Minimalismus“, „Cult of Less“ oder „Voluntary Simplicity“ werden immer häufiger in den Medien besprochen. Gemeint ist ein bewusster Konsum, Verzicht auf Übermäßigkeit und ein kritisches Hinterfragen der eigenen Verhaltensweisen. Immer mehr Menschen kehren dem „Feindbild homo-consumicus“, wie der Postwachstums-Ökonom Niko Paech es ausdrückt, den Rücken zu.

Angesichts dieser Tatsachen stehen Unternehmen im Zugzwang, um weiterhin überleben zu können. Die Forderungen an Unternehmen werden lauter, die Umweltbelastungen zu senken. Bisher war in dem Zusammenhang aber vor allem von Effizienz und Naturverträglichkeit die Rede (Palzkill-Vorbeck & Schneidewind, 2011). Doch nun, da die ökonomische Effizienz und Wachstum zunehmend an ökologische und soziale Grenzen stößt, wird die Rolle der Suffizienz in unternehmerischen Strategien immer größer.

Im Gegensatz zu einer ökologisch orientierten Effizienzstrategie, die einige Unternehmen im Zuge des Nachhaltigkeitsmanagements bereits implementiert haben und darauf abzielt, Umweltverbräuche bei der Produktion zu verringern, geht es bei Suffizienz primär um weniger Produkte. Diese Strategie beinhaltet immer zwei Seiten: erstens wird in der Tat weniger produziert und abgesetzt und zweitens werden diejenigen Produkte hergestellt, welche die Konsumierenden zu einem suffizienteren Lebensstil verhelfen sollen. Außerdem sollten sie das Potenzial haben, andere Produkte vom Markt zu verdrängen um so eine materielle Entlastung zu realisieren und den ökologischen Fußabdruck zu verkleinern. Das Konzept der Sharing-Economy liefert einen wichtigen Beitrag, um Produkte unternehmerisch zu entwickeln, die die individuelle Suffizienz unterstützen. „Die Entlastung vom Besitz von Produkten und die damit einhergehende „Entrümpelung“ der eigenen Konsumverhältnisse kann ein Beitrag für mehr Zeitwohlstand sein, den sich Unternehmen dann auch entlohnen lassen können“(vgl. Reichel, 2013).

Photo: Premium-Kollektiv

Die ökonomische Tauglichkeit von Suffizienzstrategien in Unternehmen wird von dem Getränkehersteller „Premium“ bewiesen. Das Unternehmen hat sich seit der Gründung 1999 selbst keine ökonomischen Ziele gesteckt, was ein langsames Wachstum ohne Druck zur Folge hatte. Statt, wie sonst in der Branche üblich, für ihr Produkt zu werben, hat sich „Premium“ auf die „word-to-mouth“ Werbung verlassen, durch welche die Konsumierenden durch den Mehrwert des Produktes über den Kauf entscheiden sollen. Hinzukommt, dass eine Verhandlung auf Augenhöhe stattfindet, welche die Partizipation der Geschäftspartner*innen fördert und durch die Integration aller Stakeholder Transparenz ermöglicht (Haß, 2014). Ein gemäßigtes Wachstum, welches nicht wie sonst in der Nachhaltigkeitsdebatte auf Effizienz ausgelegt ist, sondern Suffizienz anstrebt, wird von den vier E’s: Entrümpelung, Entschleunigung, Entkommerzialiserung und Entflechtung begleitet (Schneidewind & Palzkill-Vorbeck, 2011).

Die Entrümpelung ist eine Vereinfachungsstrategie, welche die Reduktion auf weniger umfängliche Produktpaletten vorsieht und im Fall „Premium“ zum Beispiel aufgrund von Kosten- und Umweltgründen die Flaschenetikettierung auf ein einziges Stück Papier in schlichtem Design reduziert. Außerdem besteht eine fast vollständige Ressourcenunabhängigkeit, da das Unternehmen nur aus Telefon und Laptop besteht und keine Investition in Bürofläche, Fahrzeuge oder Maschinen notwendig ist. Stattdessen werden für Logistik, Handel und Produktion selbständige Auftragnehmende engagiert, welche die nötigen Ressourcen zur Verfügung stellen ohne dass neue gekauft werden müssen.

Langsamer aber zuverlässiger, durch eine Entschleunigung des Wachstums kann sorgfältiger ausgewählt werden, mit wem gearbeitet wird. Der nächsthöhere Gewinn ist nicht das Ziel, „Premium“ hat sich sogar eine jährliche Wachstumsgrenze von 10% gesetzt, was Pionierfehler vermeidet, da die Märkte langsamer erschlossen werden und somit negative Auswirkungen auf die Umwelt reduziert werden.

Die Entkommerzialisierung der Marke beinhaltet auch, dass negative Aspekte des Produktes, wie gesundheitliche Auswirkungen von einem zu hohem Cola- oder Bierkonsum, kommuniziert werden. Dadurch sollen zwei Effekte erzielt werden: Zum einen ein Verkleinerung des Gesamtmarktvolumens und eine gleichzeitige Vergrößerung des eigenen Anteils im Markt, was sowohl ökologische als auch ökonomische Vorteile bringt. Hinzukommt, dass alle Preise, also auch die Gehälter der Akteure in der Wertschöpfungskette in den Preis des Produktes einfließen und somit Konkurrenzdenken innerhalb der Kette vermieden werden.

Eine Entflechtung durch die Regionalisierung der Produktion, hat kürzere Transportwege zufolge, was nicht nur ökologische Vorteile hat sondern auch ökonomische. So würde sich der Transport von Glasflaschen bei längeren Strecken über 600 Kilometern nicht mehr lohnen.

Wie der Getränkehersteller „Premium“ zeigt, lassen sich Suffizienzstrategien in den Kern eines Unternehmens integrieren und beweist somit, dass sich Wirtschaft und Moral nicht ausschließen. Letztendlich liegt ein Großteil der Verantwortung bei den Unternehmen, welche uns durch gezieltes Marketing davon überzeugen, Dinge zu konsumieren, um Bedürfnisse zu erfüllen, welche vielleicht nicht einmal vorhanden sind. Wenn ein Wandel der Gesellschaft zu einem Wohlstand durch immaterielle Dinge entstehen soll, dann reichen Effizienzstrategien nicht aus, sondern müssen mit Suffizienzstrategien ergänzt werden. Die gesamte Marktgröße kann durch Suffizienzansätze verringert werden und somit einen Beitrag für eine nachhaltige Entwicklung leisten.

Quellen

Erhard, L. (1957). Wohlstand für alle. Econ-Verlag
Haß, M. (2014). Unternehmerische Suffizienzstrategien im Spannungsfeld kompetitiver Wachstumsmärkte und Postwachstums-Debatten. Nürnberg.
Jackson, T. (2011). Wohlstand ohne Wachstum: Leben und Wirtschaften in einer endlichen Welt. Oekom-Verlag.
Reichel, A. (2013). Maß haltendes Wirtschaften in Betrieben: Das Geschäftsmodell des Weniger.
Schneidewind, U. & Palzkill-Vorbeck, A. (2011). Suffizienz als Business Case : nachhaltiges Ressourcenmanagement als Gegenstand einer transdisziplinäre Betriebswirtschaftslehre (Working Paper). Wuppertal: Wuppertal Inst. für Klima, Umwelt, Energie.